Tatsächlich kam Draco nicht wieder. Harry wartete dort eine Stunde, zwei Stunden, dann ging er. Den Rest des Nachmittags verbrachte er mit Hermine und den Abend wollte er eigentlich mit Ron verbringen, nur war dieser offenbar zu sehr mit seiner neuen Freundin beschäftigt, als dass er Zeit für seinen besten Freund fand. Daher verbrachte er den Abend mit Hermine auf den Stufen, die zu dem Innenhof hinausführten. Sie saßen nebeneinander und Harry konnte die Wut von Hermine deutlich spüren.
„Wie kann Ron an so einer etwas finden? Schau dir an, wie sie an ihm klebt! Den ganzen Tag...", zischte sie und starrte die gegenüberliegende Wand vernichtend an, als würde sie die Wand mit ihrem Blick zu Fall bringen wollen.
„Ich weiß, Hermine..."
„Ich versteh es einfach nicht! Was hat die, was ich nicht habe?"
„Mine... hast du Ron jemals gesagt, was du für ihn empfindest?"
„Er weiß das, schließlich habe ich die ganzen Sommerferien an ihm gehangen und ihm oft genug gesagt, dass ich ihn mag!"
„Du meinst, er sollte es wissen", verbesserte Harry und wandte sich ihr zu. Er betrachtete ihr Profil von der Seite. „Vielleicht solltest du einfach mal mit Ron reden... schließlich seid ihr beste Freunde. Du hast definitiv Vorteile gegenüber Lavender."
Als Hermine nickte, huschte über Harry‘s Lippen kurz ein kleines Lächeln, was aber sofort wieder verschwand.
„Du weißt doch noch, als ich in den Ferien häufig weg war? I-Ich..."
„Wirst du die Nacht mit ihr verbringen", platzte Hermine heraus und betrachtete Harry. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Also geht sie nach Hogwarts... ist sie eine Gryffindorschülerin?"
„Ich sage nichts mehr, Mine..."
„Komm schon, Harry..."
„Nein! Du wirst es noch früh genug erfahren... können wir jetzt essen gehen? Ich sterbe gleich vor Hunger."
„Du kannst es mir ruhig sagen, Harry. Und ich werde nichts essen, dann muss ich Ron mit dieser... ertragen!"
„Ich weiß, aber das wird nichts ändern. Dann sehen wir uns morgen früh im Unterricht."
Eigentlich wollte Harry aufstehen, aber Hermine zog ihn noch einmal an sich heran und schloss ihre Arme fest um ihn. „Wir sehen uns morgen früh", bestätigte sie, gab ihn frei und sah ihm nach, wie Harry wortwörtlich die Treppe hinauf lief. Er wollte so früh wie möglich dort sein, um so viel Zeit wie möglich mit Draco zu verbringen. Die Nacht würde nicht reichen, schließlich war die zum Schlafen da.
Mit leerem Magen kam Harry vor dem Raum der Wünsche an, zu früh. Die Schüler saßen zu dem jetzigen Zeitpunkt in der großen Halle beim Abendessen. Aber obwohl er viel zu früh war, überraschte es ihn, den Blondschopf zu sehen. Jedoch schenkte der Gryffindor ihm keine Beachtung, sondern ging dreimal an der Mauer vorbei, ehe die große Tür zum Raum der Wünsche erschien. Harry schlüpfte hinein und setzte sich auf die Couch. Dort wartete er auf Draco. Es dauerte beinahe zwanzig Minuten, bis der Slytherin endlich im Raum der Wünsche auftauchte. Schweigend ging er durch den Raum und ließ sich neben Harry sinken.
„Hey, Potter", lächelte der Blonde und legte eine Hand in Harrys Nacken. Er zog den Gryffindor nah genug an sich heran, um dann seine Arme fest um ihn zu schlingen. Doch bevor Draco ihre Lippen miteinander versiegeln konnte, wich Harry noch rechtzeitig zurück. „Wo warst du vorhin? Du hast gesagt, dass du wieder kommst!"
„Ich habe die Sachen erledigt und war so darauf konzentriert, dass ich die Zeit vergessen habe. Tut mir leid ... aber dafür bin ich sehr weit gekommen. Ich habe beide Verschwindekabinetts gefunden und habe sie bereits mit einem Vogel getestet. Es hat halb funktioniert."
Erstaunt blickte Harry in die grauen Augen, die ihn anstrahlten.
„Ich bin stolz auf dich, Draco. Wirklich... aber du solltest es nicht übertreiben..."
Ruckartig sprang Draco auf und warf dem Gryffindor einen vernichtenden Blick zu.
„Nicht übertreiben?! Du hast mir Druck gemacht! Du hast gesagt, dass ich beginnen soll!"
„Ich weiß, was ich gesagt habe. Aber ich weiß auch, dass du genau weißt, wie ich das gemeint habe!"
Draco‘s Blick wurde noch wütender. Schließlich wandte er sich von Harry ab und steuerte direkt auf den Hängesessel zu, der rechts vom Bett von der Decke baumelte.
„Wenn du jetzt ernsthaft den Wütenden spielst, grundlos, dann werde ich mich ins Bett legen."
Als Draco darauf keine Reaktion zeigte, stand Harry auf und ging zu dem Doppelbett. Er zog sich bis auf seine Unterhose aus, schlug die Decke zur Seite und legte sich hinein.
„Du wirst auf dem Sofa schlafen, Potter! Dieses Bett werde ich nicht mit dir teilen."
Der Slytherin gab dies so gleichgültig von sich, dass Harry einen Kloß hinunterschluckte. Er war ein wenig geschockt von dieser Äußerung, eigentlich dachte er, dass sie diese Phase bereits überwunden hätten.
„Ich war zuerst hier. Wenn du nicht mit mir in dem bequemen, warmen, weichen Bett schlafen willst, dann kannst du auf der Couch schlafen oder in dem Hängesessel, mir egal."
„Verschwinde, Potter! Du wirst auf der Couch schlafen!"
„Dann hätte ich gar nicht kommen brauchen... Verdammt, warum bin ich überhaupt gekommen, wenn alles wieder mit einem Streit beginnt?"
„Du hast angefangen ..."
„Halt doch die Klappe, Malfoy!"
Harry spuckte seinen Namen so kühl aus, dass für eine Sekunde ein verletzter Gesichtsausdruck über Draco‘s Gesicht huschte. Elegant schwang er sich aus dem Hängesessel und kam auf ihn zu. „Geh doch! Es war sowieso ein Fehler, dich um Hilfe zu beten. Alles war ein Fehler!"
Während Draco das sagte, drehte er sich von Harry weg, seine Stimme klang dennoch hasserfüllt und verachtend.
Harry brauchte eine Weile, um sich zu sammeln. Ihm war bewusst, dass Draco manchmal das Bedürfnis nach Streit oder Diskussionen hatte. Ihm war auch bewusst, dass er ein durchaus schwieriger Umgang war. Trotz allem, trotz der pulsierenden Wut in Harrys Körper, konnte sich der Gryffindor nicht überwinden zu verschwinden. Beinahe automatisch führten seine Schritte ihn zurück zu Draco. „Ich bleibe."
Er konnte an Draco‘s Haltung sehen, wie dieser sich verkrampfte. Normalerweise würde er den Slytherin in solch einem Zustand alleine lassen, aber unter diesen Umständen wollte er bei ihm bleiben. Ihm war bewusst, dass Draco emotional handelte und es dabei nicht ernst meinte. Wenn er wütend wurde, dann stieß er einfach alles von sich.
„Verschwinde, Potter!", zischte Draco verachtend, drehte sich aber noch immer nicht um.
„Komm her, Draco", nuschelte Harry ruhig und berührte den Slytherin sanft am Arm. Die Verwirrtheit von Draco spürte Harry nur zu deutlich und nutzte diese, um nach seiner Hand zu greifen. „Ich werde dich nicht alleine lassen und ich will auch nicht weiter mit dir streiten-".
„Fass mich nicht!"
„Wirklich, Draco? Ich dachte, wir wären weiter...", erwiderte Harry knapp, ließ ihn dennoch los. Der Schwarzhaarige fuhr sich durch seine strubbligen Haare. Er dachte nach. Harry würde diese Nacht den Raum nicht verlassen und würde Draco wirklich nicht Harry‘s Nähe wollen, dann wäre er bereits selbst gegangen. Die Tatsache, dass er es nicht tat, gab Harry ein wenig Sicherheit. „Jetzt beruhig dich erstmal...", erwiderte Harry ruhig. Er ging zu der Couch hinüber und setzte sich darauf. Das Bett vermied er bewusst, da es Draco ansonsten nur noch wütender machen würde. „Ich bin da..."
Er bemerkte, wie Draco mehrfach blinzelte und schließlich ein leichtes Nicken zustande brachte.
Der Slytherin ging zu dem Bett rüber und ließ sich darauf sinken, er kauerte sich beinahe richtig zusammen, versteckte sein Gesicht in den angezogenen Knien. Harry verbrachte währenddessen die Zeit damit, die Hausaufgaben für Verwandlung zu lesen. Sie sollten ein ganzes Kapitel als Hausaufgabe lesen und das bis morgen, vierzig Seiten!
Normalerweise tat er so etwas nie, aber gerade wusste er keine andere Art sich abzulenken, denn alles in ihm schrie nach Draco. Er wollte seine Arme um den blassen Körper schließen. Er wollte, dass seine Finger durch das blonde Haar fuhren. Nur wollte Draco das gerade nicht.
Er steckte seine Nase in das Buch und überflog den Inhalt des Textes. Aber er konnte es sich nicht merken, zu sehr beobachtete er Draco im Augenwinkel. Er begann die Seite nochmal zu lesen, diesmal sorgfältiger.
„Harry... kannst du kommen?", hörte er die leise Stimme des Slytherin. Das ging erstaunlich schnell. Seufzend klappte er das Lehrbuch zu und legte es beiseite, während er zu dem Slytherin ins Bett kletterte.
„Danke, dass du geblieben bist", flüsterte er heiser. „Du bist mir wichtig, Draco. Ich wäre nicht einmal gegangen, wenn du mich gezwungen hättest."
Er warf dem Slytherin einen vorsichtigen Blick zu, während er ganz neben ihn rutschte. Vorsichtig berührte er mit seinem Knie Draco‘s Bein. Dieser schaute auf und lächelte leicht. Er legte eine Hand auf Harrys Bein, strich drüber. Er schien in seine Gedanken versunken zu sein, dann sagte er: „Weißt du... genau deswegen, mag ich dich so sehr. Du bleibst bei mir, egal wie scheiße ich zu dir bin."
„Du spinnst! Wir beide machen so ziemlich dasselbe durch, nur auf unterschiedlichen Seiten, da ist es doch ganz normal-"
„Nichts daran normal..."
„Das meinte ich nicht! Es ist normal, dass man mal aggressiver wird. Das kann ich verstehen."
Harry spürte, wie Draco seinen Kopf auf Harry‘s Schulter legte. „Hab's mir anders überlegt. Du sollst mit mir im Bett schlafen."
„Sieh an... Malfoy ändert seine Meinung! Ich hoffe, dass ich das noch häufiger erleben werde."
„Du wirst mich jetzt nicht mehr los, Potter", murmelte Draco und ließ es wie eine Drohung klingen. Harry‘s Augen richteten sich auf den Slytherin, blickten in die grauen Augen. „Ich will dich überhaupt nicht loswerden, du Idiot", erwiderte der Gryffindor sanft und fuhr mit seiner Hand durch die blonden Haare. Er spürte, wie Draco sich noch mehr an ihn kuschelte und seine Arme um Harrys Oberkörper schlang. „Tut mir leid...", hörte er ihn nuscheln.
„Was hast du gesagt?", fragte Harry mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.
„Du hast mich genau verstanden!"
„Ich kann nicht glauben, dass du dich gerade wirklich entschuldigt hast."
„Ich werde es nicht nochmal sagen, Potter!"
Langsam richtete Harry sich ein wenig auf und streckte seine Beine aus, er wollte Draco seine Beine als Kissen anbieten, einfach weil er bemerkte, wie fertig er war.
„Ich habe mich umentschieden, Potter", begann Draco und setzte sich aufrecht hin, während er seinen Oberkörper Harry zuwandte und in die grünen Augen schaute. „Ich will, dass du in diesem Bett schläfst", wiederholte Draco und Harry lächelte erleichtert.
„Gut für dich, dann haben wir ein Diskussionsthema weniger."
Ein kleines Schmunzeln legte sich auf Draco’s Lippen. Langsam legte Harry eine Hand auf Draco‘s Wange und strich mit dem Daumen darüber. Sein Blick strahlte Besorgnis aus, während Draco langsam seinen Blick senkte.
Eine Stille brach über die beiden herein, während Harry ihn einfach nur näher an seinen Körper zog und ihn festhielt. Draco hielt sich an Harry‘s Arm fest und schloss seine Augen. Harry spürte, wie er ein paar Mal tief Luft holte. „Können wir gleich reden...?"
„Draco, ich bin hier und gehe nicht weg. Wenn du reden willst, dann reden wir", nuschelte der Schwarzhaarige, während er durch die blonden Haare fährt.
„Ich...- Kannst du bitte aufhören, ich muss mich konzentrieren!"
Harry ließ seine Hand sinken und sah dabei zu, wie Draco ein wenig Abstand zwischen sie beiden brachte, bevor er anfing zu reden.
„In den Ferien war alles so einfach... wir hatten meine Wohnung, konnten uns so treffen oder irgendetwas unternehmen... und hier? Wir können uns nur hier treffen- nur abends. Wir müssen ständig aufpassen, dass uns niemand sieht, und dann müssen wir uns außerhalb dieses Raumes wie Feinde verhalten. Noch dazu wird dieser Druck immer stärker und die Zeit rennt, ich werde nie genügend Mut haben, um jemanden zu töten...."
Harry‘s grüne Augen hafteten weiterhin auf dem Blonden und musterten ihn intensiv, während er ihn ansah und einfach nur lächelte. „Du machst dir einfach zu viele Gedanken, Draco... Wir sollten unsere gemeinsame Zeit genießen, vor allem in diesem Raum. Okay, das außerhalb dieses Raumes ist scheiße... Dann gehen wir uns einfach größtenteils aus dem Weg."
„Leichter gesagt als getan..."
„Du bist stark, Dray. Ich weiß das, der Einzige der es nicht weiß, bist du."
„Hast du mich gerade ernsthaft Dray genannt?"
Ein kleines Schmunzeln nahm Draco‘s Lippen in Besitz und anschließend lehnte er sich vor und legte seine Stirn gegen Harry‘s.
„Wie kann es sein, dass ausgerechnet du mir innerhalb von sechs Wochen so wichtig geworden bist?"
„Liegt vielleicht daran, dass wir unseren Hass beiseitegeschoben haben und uns von einer anderen Seite kennengelernt haben...", nuschelte Harry. Er legte seine Hände in Draco‘s Nacken und verschränkte seine Finger dort. Der Slytherin lehnte sich leicht vor und nahm Harry‘s Lippen in Besitz, während er sich an Harrys Oberarm festhielt, beinahe so, als würde er verhindern wollen, dass dieser Kuss je endete. Harry erwiderte diesen Kuss genauso begierig, wie Draco ihn anfing. Er verstärkte seinen Griff und wollte sich ebenfalls nicht lösen. Er öffnete seinen Mund und nahm Draco‘s Zunge in Besitz, kämpfte mit ihr um die Dominanz – die niemand gewann –saugte an dieser und entlockte Draco ein reizvolles Seufzen. Er spürte, wie Draco‘s Hände unter Harrys Shirt fuhren und langsam das Shirt mit hochschoben, ehe sie diesen Kuss lösten, um Harrys Shirt über den Kopf zu streifen und anschließend sofort wieder in einen Kuss zu versinken. Seine Finger fuhren besitzergreifend unter Draco‘s Oberteil und strichen sanft seine Taille hinauf, bis zur Brust.
Außer Atem wich Draco ein wenig zurück und blickte Harry an. Er erkannte einen Funken Schmerz in den Augen des Slytherins.
„Harry...", flüsterte er, aber der Angesprochene schüttelte seinen Kopf. „Ich weiß, was du sagen willst. Aber mich würde jetzt nichts abschrecken..."
Ein erleichtertes Lächeln breitete sich auf Dracos Lippen aus, dann streifte er sich ebenfalls das Shirt über den Kopf und schmiss es hinter sich. Er packte Harry‘s Schultern und drückte ihn sanft in die Kissen zurück, während er sich über ihn beugte, ein schelmisches Grinsen auf den Lippen. Harry packte Draco an den Schultern und zog ihn zu sich herunter, er fiel beinahe auf den Gryffindor drauf, grinste und strich Harry die Haare aus der Stirn. „Da kann es wohl einer nicht mehr abwarten..."
„Dray...", nuschelte der Angesprochene heiser und setzte einen flehenden Blick auf, gleichzeitig legte er die Hände auf Draco‘s Po und griff zu, während er ihn näher zog. Er wollte ihn spüren. Schockiert wich Draco ein wenig zurück und betrachtete Harry eingehend, während er sich neben ihn rollte.
„T-Tut mir leid... ich wollte nicht..."
„Red nicht darüber...", flüsterte Draco heiser. „Ich finde, es ist noch zu früh, um so weit zu gehen..."
„Aber-"
„Harry bitte...", flüsterte er kaum hörbar und blickte in die grünen Augen, die ihn ansahen.
„Beantworte mir nur eine Frage, Draco... hätte ich das nicht getan, wärst du dann weiter gegangen?"
Er musterte die blassen Gesichtszüge, die grauen Augen, die ihn reuevoll anblickten und seine traurige Mimik. „Vermutlich ja...", hauchte er. Harry entging es nicht, dass Draco sich schämte und am liebsten verstecken würde.
„Jetzt beantworte du mir eine Frage."
„Alles", erwiderte Harry.
„Glaubst du mir, wenn ich sage, dass es zu deinem Schutz ist?"