Jan und Torben marschierten wie üblich über die Deiche in Ostfriesland, denn ihre Aufgabe war es, Schadstellen an dem Deich frühzeitig zu erkennen und in vielen Fällen sofort zu beheben. Jan trug, wie fast immer seinen geodischen Spaten und Torben die Beutel mit dem zertifizierten Grassamen, sowie drei Stangen mit glaukonitischen Klei, um die Löcher stopfen zu können. Zumeist waren die Verursacher vorwitzige Wühlmäuse, die sie mangels Gemüsebeeten in den Deich gegraben hatten. An anderen Stellen waren dümmliche Kerle, die Verursacher, die ihre Photosttive zu tief im Boden verankerten, weil es auf dem Deich halt oft mächtig püstert. Natürlich handelte es bei den beiden gestandenen Mannsbildern um hochspezialisierte Fachkräfte, die ihren harten Job bei wirklich jedem Wind und Wetter ausübten. Mit geübten Blicken musterten sie jeden Quadratzentimeter vom Hauptdeich. Nur noch selten liefen sie die Schlafdeiche ab, weil die Oberfinanzdirektion aus Kostengründen die Anzahl der Deichläufer arg gestutzt hatte. Somit lastete eine schwere Verantwortung auf ihren Schultern, weil sie dafür sorgen mussten, dass die Fische im Wasser blieben und nicht bei einem Sturm in Oma Thea´s Flur achtern Diek herumschwammen.
Unterwegs begegnete ihnen Isolde, die Schäferin, die für den Abschnitt zwischen Harlesiel und Dornumersiel verantwortlich war. Ihre staatlich subventionierten Schafe sorgten für eine gepflegte Grasdecke und mit den Hufen verdichteten die braven Tiere die tonige Deckschicht der Deiche. Zudem hinterließen diese freundlichen Viecher noch Biodünger, der gerne für die Aufzucht von Erdbeeren genutzt wurde. Kurz grüßten sie Isolde und hielten einen Tratsch mit ihr. "Moin, Isolde, wie geid di dat." "Moin, moin ihr beiden Torfköppe. Schon wieder eine Wühlmaus erlegt. Knapp hinter der nächsten Bank sah ich verdächtige Löcher und zudem liegt am Ufer ein Baumstamm. Der gehört da nicht hin. Ruft gleich mal eure Kumpels mit dem Boot an, damit der Stamm nicht den Deich beschädigt." Vollmundig antwortete Torben. "Jo, min Dern, dat geit klar."
Lange nachdem Isolde weit hinter ihnen war - schüttelte Jan den Kopf. "Isolde is ne Quasselstrippe. Bölkt die uns an, und vertellt uns Tünkram, so als hädden wir kene Ogen im Kop. Nee, sie ist wie alle Derns, sie will nur den ganzen Tag tratschen." Torben antwortete weit ausholend. "Jo, da geb ich dir Recht. Sie ist halt ein Weibsbild."
Die angesprochenen Löcher im Deich wurden akribisch verschlossen und fachmännisch mit Saatgut versehen. Hastig gab Jan den Funkspruch an das Dienstboot Poseidon durch. "Kaptain Jensen. Bei Tante Käthes Bank, liegt ein oller Knüppel und noch ne Paledde herum. Der Dreck muss geborgen werden, ehe das den Diek zerhaut, wenn Sturm is.." Nett wurden die Wort zurückgeschickt. "Na, ihr Quasselstrippen, habs mir notiert. Passt auf, es soll Gewitter geben. In einer Stunde ist die Front bei euch Nasen. Soll heftig werden, nicht das ihr vom Deich geweht werdet." Torben lachte verkniffen. "Noch ne Quaselstrippe."
Jan schaute auf. "Stimmt. Lass uns mal nen Schritt zulegen. Wir sollten Bensersiel noch schaffen, bevor uns die Blitze zu geräucherten Sprotten machen." Hastig schlurften sie über die grüne Deichkrume. Allerdings hatte der Wettergott böses mit ihnen vor. An diesem Tag sollten sie zu echten Wetterleuchten werden. Die dunkle Gewitterfront kam schneller auf sie zu als geplant. Nur noch olle zehn Meter trennten sie von der sicheren Unterkunft nach der Treppe, an der Rotzmense in Bensersiel.
Jäh zuckte ein blauvioletter Lichtstrahl auf sie zu und umfing sie. Mit einer dünnen Schicht aus Elektronenpickeln packten sie rasch das Metallgeländer beim Planetenpfad an. Sofort sprang das Leuchten auch auf das Geländer über und von ihrer Haut löste sich der molekulare Elektronenüberzug. Exstatisch jaulte Torben, weil er eben keinen Geodischen Spaten in der Hand hielt, um sich besser erden zu können. Inka hatte dieses Drama gesehen und die 112 ins Händy getippt. "Hallo unsere beiden Wetterleuchten sind gerade angekommen. Haben ein Elmsfeuer abbekommen. Wäre nicht schlecht, wenn ihr euch mal die beiden Dachlatten aus Westrauderfehn anschaut. Kommt zu meiner Halle an der Rotzmense."
Torben und Jan schleppten sich zu der Halle, um das lästige Prickeln auf der Haut loszuwerden. Vorsichtig packten sie an den Maschendrahtzaun, um die letzten Reste elektrische Energie abzugeben. Inka kam aus der Halle und rief die Kerle zu sich. "Na ihr ollen Wetterleuchten, habt ihr wieder mit den Wettergöttern gerungen. Aber wie blöd muss man sein, um bei diesem schietwetter auf dem Deich langzulaufen. Habt ihr nichts Besseres zu tun."