Reflection
Die Kerzen bieten nur einen begrenzten Schutz gegen die Kälte und Dunkelheit. Gerade genug Licht, dass die gekritzelten Worte auf dem Papier lesbar waren, wenn man sich herab beugte. Sich so tief verneigte, dass man mit der Nasenspitze fast das Papier berührte. Dann konnte man auch die klebrige, schwarze Tinte riechen.
Doch die Worte sollten auch gar nicht gelesen werden. Einmal die Gedanken benannt und auf das Papier gegossen, waren so fort. Darum ging es in dieser Nacht. Nicht nur den verstorbenen Angehörigen und gebrochenen Freundschaften zu gedenken, sondern auch den aufgegebenen Träumen und versunkenen Zielen einen Platz zu geben. Sie in Form zu fassen und ihnen Worte zu geben, bevor man sie endgültig los lässt. Niemand möchte mit zu viel Ballast in die dunkle Jahreszeit treten.
Eine Pause gemacht. Den Gemüsesaft über das Kinn laufen lassen, wenn sich Zähne in die Maiskörner graben und sie aus ihrem Kolben reißen. Die kalten Finger an der Schüssel Tee verbrannt. Die Feder wieder aufgenommen, in die dickflüssige Schwärze getaucht.
Wort um Wort geschrieben. Geist um Geist vertrieben.
Und mit dem letzten Wort... weht die erste Schneeflocke auf den abgeernteten Feldern und kündigt den Winter an.