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Ostara
Früher war meine Gefolgschaft groß und weit verbreitet. Wenn der Schnee schmolz und sich bare Landschaften und karge Länder neben ausgetrockneten Flüssen streckten, dann wurden Opfer in meinem Namen erbracht. Gebete durch die Täler geschickt, um mein Wohlwollen zu ergattern. Niemand wagte es, nicht um meine Gunst zu buhlen.
Wie liebte ich die bunten Gaben. Gelb gezeichnete Haut, die sich über straffe Muskeln spannte. Nur die kräftigsten Männer wurden mir vorgeführt. Nur das beste Material als Basis für meinen Spielplatz. Ein schneller Schnitt und rote Fontänen explodieren. Um mich zu wecken. Zu stärken. Eine Gabe, an der nur ich mich ergötzen konnte. Blutzoll für meine Gewogenheit. Ich sammelte die Flüsse in meinen Armen. Nur durch ihre Verteilung auf den Feldern mag dort wieder etwas wachsen. Ich ließ roten Regen fallen. Wo Wasser ist, ist immerhin auch Leben. Mit Farbkaskaden zeichnete ich die graue Landschaft nach. Mein Kuckucksruf eilte über die Welt, als meine Pfoten durch die Wälder und Wiesen jagten. Fuchspfoten sind so schnell wie Vogelschwingen und eile trieb mich über’s Land. Ich hatte nur einen Tag zur Neuerschaffung einer ganzen Welt.
Und dann kamt ihr daher. Habt mir einen Maulkorb verpasst, um die schnappende Schnauze zu fesseln. Habt an meinen Federn gerissen und dem Kuckuck ein fremdes Ei ins Nest gesetzt. An meiner Form gezerrt, bis nur noch nackter Pelz übrig war. Ihr habt die Wurzeln meiner Gläubigen ausgegraben, bis mein Schnabel, meine Lefzen, zu einem Kaninchengebiss reduziert waren.
Und wofür? Für einen Retter mit Wein statt Blut. Fisch, Brot und Taube sollten meine Fährte ersetzen. Ihr feiert lieber wie er aus der Höhle schlüpfte. Habt damals meine Anhänger gejagt und verbrannt, bis die ganze Welt in Flammen stand.
Ihr habt wohl erwartet, dass ihr mich so erlegen könnt. Ihr mein rotes Fell abziehen könnt und aus meinem grauen Federkleid eine Taube geboren wird. Doch ich war gerissener als ihr. Habe mich in einem Bau versteckt. Harmlos und gestutzt. Wie ihr mich gemacht habt.
In der Höhle eures Retters habe ich mich verborgen. Diesmal mit sanften Pfoten Gaben verteilt. Mit Honig fängt man mehr Fliegen, das hat mich euer Messias gelehrt. Ihr hebt genug auf, um mich zu erhalten. Vielleicht stecke ich im flauschigen Hasenfell. Doch es ist eine Fähe, die eurem Gotteskind die eigenen Eier untergejubelt hat. Zieht sie fleißig heran, überbringt meine Ritten.
Ich bin das Gleichgewicht von Tag und Nacht. Ich verlange den Tod und bezahle mit Leben. Ich werde überdauern.