Der Wecker beginnt zu dudeln. Radiomusik, ein nervtötender Sprecher, der Irrelevantes verkündet.
Das ist aber nicht das Erste, was ich höre. Bin schon längst wach. Seit der Kaffeeautomat sein Mahlwerk in Betrieb gesetzt und Bohnen geschreddert hat.
So fängt der Tag an. Unaufhaltsam. Setzt sich fort mit dem Surren der elektrischen Zahnbürste, dem Rauschen der Klospülung. Das Radio läuft auch am Esstisch. Nachrichten. Diesmal höre ich auch zu. Der Toast knirscht zwischen meinen Zähnen.
Nach dem Abschiedsküsschen steige ich ins Auto, um das irrsinnige Vogelgezwitscher loszuwerden. Diesmal kein Radio an. Ich wähle mein Lieblingsalbum und drehe es voll auf. Passe die Geschwindigkeit des Autos an den Rhytmus an. Befreiend sause ich über die Autobahn. Der Motor heult auf, dröhnt. Herrlich.
Die Arbeit ist ein Stakkato des Tastaturhämmerns. Ab und zu klingelt das Telefon. Mein Handy surrt. Eine Kollegin trägt den aktuellen Tratsch vorbei.
Tipp, tipp. Ring. Klirr...
Irgendwo zerbricht eine Porzellantasse. Ich grinse. Schlürfe meinen Kaffee aus dem Bambusbecher.
Pause.
Gelächer und Geschnacke. Wir reden durcheinander. Oder aneinander vorbei. Irgendwer hört immer zu. Das ist gut. Ich weiß, dass mich niemand überhört. Hier gluckert die altmodische Kaffeemaschine nur. Es geht im Geschnatter unter. Und das Rascheln der Zeitungsblätter, das irgendwie an mein Ohr dringt, erreicht mein Bewusstsein nur, weil ich es gefühlte hundert Jahre nicht gehört habe.
Handytastentippen. Gott, wer hat dieses Tastaturgeräusch nicht ausgeschaltet? Das ist das erste was ich tue, wenn ich mir ein neues Smartphone leiste. Ich reibe mir über die Stirn. Stelle meinen Becher ab. Meine Hände zittern etwas. Ich lächle den Kollegen mir gegenüber an. Keine Ahnung, was er gesagt hat, doch er lächelt zurück.
Irgendwann öffne ich ein Fenster. Doch der Lärm der vorbeituckernden Autos, der plaudernden, streitenden, lachenden Menschen geht mir auf die Nerven. Ich knete meine Nasenwurzel. Trinke ein Glas Wasser. Lausche kurz noch den Geräuschen der Stadt. Ein Hund bellt. Das Telefon klingelt. Fenster wieder zu.
Endlich ist es zu Ende. Der Nachmittag vorüber. Wir gehen. Der laue Abend wirkt gemütlich. Ich telefoniere mit meinem Schatz, wir müssen das Abendessen besprechen. Sage nebenbei allen vorbeitrabenden Kollegen "Tschüss". Versuche meine Nase in die Luft zu halten. Huch, da bin ich schon am Auto. Verabschiede mich. Muss losfahren. Steige ein und schlage die Autotür zu.
Irgendwas ist merkwürdig. Ich schaue mich um. Schnuppere. Fahre mir über den Nacken. Er schmerzt ein bisschen, aber das ist nicht ungewöhnlich. Nachdenklich drehe ich den Zündschlüssel. Der Bass wummert mich zurück in Entspannung. Das seltsame Gefühl verschwindet. Ich gebe Gas.
Daheim flitze ich die Wohnung, bevor der Nachbar seine Nase aus der Tür strecken kann, sobald er die Haustür zuknallen hört. Kein Pläuschchen heute. Keine Anklagen wegen der mangelhaft verrichteten Kehrwoche. Nur Ruhe bitte.
Schuhe aus, Stereoanlage an. Zuhause. Wunderbar.
Ich rufe nochmal meinen Freund an, fange schon mal an zu kochen. Fett brutzelt, Töpfe scheppern gegeneinander. Geschirr klirrt. Ich tanze ein wenig durch die Küche und singe die wohlbekannten Zeilen mit.
Dann sind wir wieder zu zweit. Dieses komische Alleinsein mag ich gar nicht. Wir reden über alles und Nichts. Hauptsache wir reden. Lachen. Tauschen aus. Er redet zum Glück genauso gern wie ich. Und das Essen schmeckt. Perfekt. Auch der Film dazu ist gut. Soweit ich es mitkriege beim Essen. Und Reden. Danach muss er noch geschäftlich telefonieren. Ich rufe meine Schwester an. Und wir legen später gleichzeitig auf. Grinsen uns an.
Irre, fällt mir heute auf, der Tag endet ja, wie er begann. Mit Klospülung und Zahnbürstensurren. Ich lache und er fragt, was so lustig ist.
Erst später, als das Licht aus ist, die Nacht still, obwohl das Fenster offen steht, kommen die Gedanken. Sie wälzen sich auf wie eine Welle und dröhnen in meinem Kopf. Mein Freund atmet leise im Schlaf. Aber die Gedanken sind so laut, dass ich ihn nicht mehr hören kann. Ich denke...
"Alexa, spiel ein Hörbuch von Stephen King", befehle ich. Gerettet.
Und dann habe ich Ruhe.
Prompt: laut