Skeptisch beobachtete Valentin den Burggraben, der sich vor ihnen erstreckte. "Seit wann ist der schon da?", fragte sein Bruder und seufzte. Auch Valentin hatte keine Ahnung. Als sie noch gestern an der Burg waren, war dort noch keiner. Da waren sich die beiden Brüder eining. Aber warum war er jetzt hier? "Was meinst du, sollen wir umkehren?", fragte der Bruder und sah Valentin an. Dieser schüttelte den Kopf.
So stur wie er war, wollte er unbedingt einen Weg finden, in die Burg zu gelangen.
"Durch das Tor können wir nicht, dass ist verriegelt...", überlegte Valentin laut. "Ich frage mich, wer so schnell so etwas schaffen kann", lachte der Bruder und wollte umdrehen. Doch Valentin hielt ihm an seinem Ärmel fest. "Bleibe hier! Alleine gehe ich da nicht rein!", sprach Valentin entsetzt. Sein Bruder zuckte mit den Achseln. "Die Burg ist doch verlassen", antwortete der Bruder. Valentin war aber der festen Überzeugung, dass dem nicht so war. Er glaubte nähmlich an Geister und daran, dass diese Burg von einem oder mehreren heimgesucht worden war.
Sein großer Bruder hielt das alles allerdings für Unfug. Schon öfters hatte er versucht, Valentin davon zu überzeugen, dass Geister und andere mystische Gestalten nur in Büchern existieren würden. Der Irrglaube seines kleinen Bruders war auch der Grund, warum er mit ihm mit gegangen war. "Komm Valentin, gehen wir", sprach der Bruder schon etwas genervt. Doch Valentin bestand darauf, zu bleiben.
In der Burg war es still. Nur der Wind pfeifte leise durch kaputte Fenster und Löcher in den dicken Wänden, welche ungefähr die Größe eines Kleinkindes besaßen. Gelbe Augen beobachteten die zwei Jungs. Schon seit Gestern hatte Mira ihren Blick auf die Brüder geworfen, während sie an der Burg waren. Sie stand an einem kaputten Fenster und band sich die Haare. "Freche Kinder", zischte Mira verächtlich, :"Warum treiben die sich immer an Orten herum, welche sie nichts anzugehen haben?"
Doch es war keiner da, der ihr hätte antworten können. Sie zog ein kleines Blatt aus ihrer Tasche und beäugte es mit strengem Blick. "Wenn der Graben nicht hilft...", murmelte die Dame mit einem bedrohlichen Lächeln.
Sie hielt das Blatt in die Luft, aus dem Fenster heraus und ließ es dann los. Es flog, vom Wind getragen, zu den Geschwistern. Sie starrten immer noch auf den Burggraben.
Langsam wurde der große Bruder wütend. Schon eine halbe Ewigkeit, standen sie dort. Valentin untersuchte den riesigen Graben nach Lücken, wo man durch könnte. Das dies eine hoffnungslose Suche war, wollte der Junge einfach nicht wahr haben.
Plötzlich, aus dem Nichts, sank ein grünes Blatt auf seinen Kopf herab. Verwundert nahm Valentin es in die Hand und zeigte es seinem Bruder. "Schau mal Hans", staunte Valentin über seinen Fund, : "Obwohl hier gar keine Bäume in der Nähe wachsen, höchstens Nadelbäume!" Doch Hans blieb unbeindruckt, er wollte einfach nur nach Hause.
Ohne Vorwarnung ging das grüne Objekt in Rauchwollten auf. Erschrocken ließ Valentin es fallen. Nun sahen beide wie eingefrohen nach Oben. Ein pelziges Ungeheuer schaute knurrend auf sie herab. Mindestens zwei Meter war es groß.
Hans ergriff die Hand seines jüngeren Bruders und rannte davon.
Es dauerte etwas, bis sie dem Biest endkamen, doch irgendwann waren die Zwei in Sicherheit. "Das war knapp!", keuchte Hans, sein Bruder nickte kräftig. "Lass uns dort nie wieder hingehen!", hechelte Valentin, während sein Herz immer noch raste.
Prompt: Burggraben