Die quer durch die Siedlung gespannte Lichterkette leuchtete, begleitet von einem kollektiven »Aaaah«, kurz in der Dämmerung auf, flackerte ein- oder zweimal - und erlosch wieder. Dem anschließenden »Ooooh« der Bewohner folgte ein unterdrückter Fluch von Bürgermeister Walter.
»Der Häuptling gibt nicht auf«, kommentierte Mooni das Geschehen.
»Macht er diesen Aufwand mit der Pumpe nur für die Lampen?«, fragte Shaun.
»Andere Elektrogeräte gibt es ja nicht mehr. Walter sagt, sie sind alle kaputtgegangen, weil diese blöden Bakterien sämtliche Kunststoffisolierungen gefressen haben.«
»Wie auch meine Schuhsohlen.« Shaun schüttelte genervt ein Steinchen aus seiner improvisierten Ledersandale.
»Is’ halt voll ›back to the roots‹, Bruder.«
Shaun knurrte zur Antwort und hieb mit der Machete erneut auf die Haselnuss ein. Allerdings stellte er sich dabei so ungeschickt an, dass das lange Messer an der harten Schale abglitt und zitternd im Hackblock steckenblieb.
Mooni lachte dröhnend. »Vielleicht wärst du doch besser bei den Baumwärtern aufgehoben. Da musst du nur harmlose Florfliegen und Marienkäfer mit Stangen vertreiben.«
Plötzlich verging ihr das Lachen. Leise fügte sie hinzu: »Oder vielleicht doch nicht. Deren Lebenserwartung ist echt gering. Ich hätte dich nämlich gerne noch etwas länger hier.«
Shaun wollte sie gerade weiter nach den Baumwärtern ausfragen, als das Licht über ihren Köpfen wieder aufflammte. Diesmal schien Walter Maschinski die Probleme behoben zu haben.
»Lass uns hier fertig werden«, sagte Mooni. »Ich habe Hunger.« Sie hatte ihren riesigen Sonnenblumenkern bereits komplett geschält und schob Shaun nun mit der Hüfte zur Seite. »Ich mache das besser, bevor du dir noch die Hand abhackst. Du kannst schon mal den anderen Kern zerkleinern.«
Grinsend trat er zur Seite und machte sich ans Werk.
Zusammen bereiteten sie das weitere Abendessen vor. Zu der Mischung aus gehackter Haselnuss und Sonnenblumenkern kam noch ein mehliger, weißer Brei in die hölzernen Schüsseln. Abschließend goss Mooni auf jede Portion einen ordentlichen Schwung eines klebrigen, süßen Sirups.
»Iff daff sowaff wie Ahornwirup?«, fragte Shaun, während er zwei klebrige Finger in den Mund steckte.
Wieder schallte Moonis Lachen durch die Abendluft.
»Was denn?« Shaun blickte skeptisch in den Steinkrug, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches am Inhalt erkennen. Der dickflüssige Inhalt war klar und roch süßlich, ein wenig wie Gummibärchen.
»Das ist bestes Blattlaussekret, frisch gezapft.«
»Bäääh!« Angeekelt blickte er sie an. »Ernsthaft?«
Sie nickte begeistert. »Ganz frisch. Ich sag’ dir, jetzt weiß ich, warum die dämlichen Ameisen so darauf abfahren. Das Zeug ist der Hammer. Besser als jeder Energydrink.«
»Aber von Blattläusen?« Er schüttelte sich.
Aus welcher Körperöffnung der Tiere stammte das überhaupt? Dann fiel ihm noch etwas Anderes ein. Er deutete auf die Holzschüsseln: »Will ich wissen, was dieses weiße Zeug da ist?«
»Ey Bruder, wenn du schon bei den Süßigkeiten so ein Affentheater machst, dann sag´ ich dir das besser erst nach dem Essen.«
Shaun machte große Augen. »Ist es was Ekeliges?«
Mooni blickte ihm tief in die Augen. »Vertraust du mir?«
Er nickte seufzend. Inzwischen würde er ihr sein Leben anvertrauen.
»Dann ist ja gut. Wir essen das nämlich alle hier. Es ist gesund und hält fit, ist reich an Proteinen und leicht zu beschaffen. Und jetzt hör auf Fragen zu stellen und pack mit an. Die anderen warten dort hinten schon auf ihr Essen.«