CN: Rollenspiele, Demütigung, Kratzer
Sam zitterte im kühlen Herbstwind. Die schwitzigen Hände drückten das kleine Bastkörbchen ganz nahe an die Brust, aber selbst die angezogenen Arme sorgten nicht für viel mehr Wärme.
„Es wird märchenhaft werden“, hatte Blake gesagt und gegrinst. Da konnte jemand was erleben, wenn dieses Spiel vorbei war. Im Papierkleid durch den Wald, um Erdbeeren zu pflücken, mitten im Oktober! Und Blake hatte nicht einmal gesagt, wie das Märchen ausging, und Sam auch verboten, es nachzuschlagen. Wer weiß, was jetzt kam? Gab es nicht ein Märchen, in dem ein Brüderchen und ein Schwesterchen durch den Wald mussten? Würde Sam von einem schönen König aufgegabelt werden, oder vielleicht von einem bösen Wolf vernascht? Nein, das waren alles andere Märchen.
Eines musste Sam zugeben, das Papierkleid war beeindruckend. Es war aus Wachspapierbahnen zusammengenäht, schön weiß und irgendwie anschmiegsam. Aber leider auch sehr durchsichtig und kein bisschen wärmend. Ein Glück, dass die letzte Rasur schon einige Zeit zurücklag, die Wolle an den Beinen war bitter nötig. Unterwäsche hatte es natürlich auch keine gegeben. Jetzt konnte Sam nicht mehr unterscheiden, ob die Feuchtigkeit zwischen den Beinen von dem skandalösen Kleid, der freudig-nervösen Erwartung oder der Kälte herrührte. Aber das war typisch Blake: Die Spiele waren immer ausgefallen, und deshalb mochte Sam sie ja auch so sehr.
Die einzige Anweisung vor dem Absetzen im Wald war gewesen, dem kleinen Pfad bis zu einer Lichtung zu folgen. Nicht beinhaltet hatte das den Hinweis, dass er voller Brombeersträucher war; ein Teil von Sams Oberschenkeln hatte schon Kratzer und Striemen, und das Papierkleidchen zerriss auch immer mehr. Beides ließ Sams Herz unwillkürlich schneller schlagen und sorgte nur für mehr Feuchtigkeit. Immerhin war die Lichtung jetzt in Sicht, eine von Bäumen umsäumtes Stück Wiese, auf dem seltsame, pyramidenförmige Säulen standen. Und in der Mitte der Lichtung meinte Sam, drei Gestalten auszumachen.
„Hallo? Ist da jemand?“, rief Sam und stakste unsicher auf den hohen, zum Kleid passend weißen Schuhen durch das weiche Gras in die Mitte der Lichtung. Plötzlich flammte in den Pyramidensäulen Feuer auf. Es erhellte die drei in Kutten gehüllte Gestalten, und Sam konnte jetzt erkennen, dass sie auf Thronen aus Zweigen und Ästen saßen.
„Knie nieder, Menschenkind!“, befahl eine laute Stimme, und Sams Knie knickten wie von selbst ein. Trotzdem war eine Frage aus Sam herausgeplatzt, bevor ihr Einhalt geboten werden konnte: „Wer seid ihr denn?“
Natürlich wusste Sam, wer die drei waren, aber es war so viel schöner, mitzuspielen. Die Antwort von der mittigen Kuttengestalt kam sofort.
„Sei still!“, fauchte das Wesen, das natürlich Blake war. „Du bist in unseren Wald eingedrungen, und wenn du nicht unseren Zorn spüren willst, wirst du tun, was wir sagen!“
Das klang vielversprechend. „Es tut mir leid! Ich werde artig sein“, versprach Sam mit leicht zitternder Stimme.
Das rechte Kuttenwesen hob eine Hand. Sie war in schwarze Handschuhe gekleidet. „Wir sind die drei Waldgeister. Sag uns, was du hier tust!“
„I-ich soll im Wald Erdbeeren suchen, das hat man mir aufgetragen!“, sprudelte es aus Sam hervor, so wie eingeübt.
„Wer würde einem so hübschen Menschenkind so etwas auftragen?“, fragte die linke Kuttengestalt. „Es ist viel zu kalt für Erdbeeren, und viel zu kalt für dieses Kleidchen.“
„Meine böse Stiefmutter“, antwortete Sam. „Sie hasst mich, weil ich so schön bin! Ich bat sie, mich lieber zu schlagen, aber sie wurde wütend!“
„Vielleicht, weil sie wusste, dass du deine Schläge genossen hättest?“, fragte die mittlere Gestalt. Sam errötete tatsächlich, und die Kapuzengestalten lachten. „Durchtriebenes kleines Wesen! Wir könnten dir jeden Wunsch erfüllen, sogar diesen lächerlich einfachen. Aber bist du bereit, dir deine Belohnung zu verdienen?“
Jetzt wurde es interessant. „Ja, natürlich“, wisperte Sam mit klopfendem Herzen. „Alles, was ihr wollt!“
Die Kapuzengestalten sahen einander an und nickten, dann erhob die mittlere wieder das Wort:„Wir alle werden dich jeweils eine Prüfung durchleiden lassen. Eine Prüfung des Schmerzes, eine Prüfung des Gehorsams, und eine Prüfung- Was machst du denn hier?“
Anscheinend hatte irgendein Neuankömmling ihr Spiel gestört, und Sam drehte sich perplex um. Am Ende des Pfades, fast schon auf der Lichtung, stand eine nervös blickende Person um die 40, bärtig, in Turnschuhen, einfachen grauen Jogginghosen und einem dunkelblauen Hoodie, und blickte entgeistert auf das Schauspiel. „Ich, äh-“
Blake seufzte eindringlich und streifte sich die Kapuze ab. „Ist gerade ein ganz schlechter Zeitpunkt, Seb.“
Jetzt verstand Sam auch, wer da hereingeplatzt war: Sebastian war der Bekannte von Blake, dem das Waldstück gehörte, in dem sie gerade spielten. Blake hatte angedeutet, noch ein paar mehr Dinge für diesen Anlass von Sebastian leihen zu wollen. Anscheinend waren damit die pyramidenförmigen Heizstrahler gemeint gewesen, die jetzt die Lichtung erhellten.
„Ähm, ja, seh ich“, sagte Seb und versuchte sehr, sehr verzweifelt, nicht Sam anzustarren, oder besser, Sams blanken Hintern unter dem halb zerrissenen Kleidchen. Er wünschte sich vermutlich gerade, heute keine Jogginghose angezogen zu haben. Dann hätte man vielleicht übersehen können, dass er einen Ständer hatte. „Ich wollte eigentlich nur fragen, ob ihr mit den Heizstrahlern zurechtkommt, wegen ... den Gastanks, wisst ihr ...“ Er war immer leiser worden, je mehr ihm aufging, was er hier gestört hatte, und brach schließlich ganz ab. „Ich komme einfach später wieder“, nuschelte er und wollte flüchten.
Sam konnte die Enttäuschung darüber schwer unterdrücken und blickte bittend zu Blake. Sebastian sah süß aus, und die Blicke auf Sams Hintern waren sehr eindeutig gewesen. Die wortlose Bitte, so spontan und unvernünftig sie auch war, kam an, und Blake räusperte sich und streifte die Kapuze wieder über. „Wie wärs? Du könntest auch bleiben und uns Waldgeister unterstützen. Es gibt für Sam einige Prüfungen abzulegen, und wir könnten einen Handlanger gebrauchen.“ Die beiden anderen schienen ebenfalls angetan von der Idee und nickten gewichtig unter ihrer Kapuzenverkleidung.
Seb drehte sich, wie an Schnüren gezogen, zu Blake herum. Er war ganz eindeutig angetan von der Idee, und seine Blicke wollten immer wieder zu Sam herüber huschen. Aber noch zweifelte er anscheinend, ob er nicht doch einen feuchten Traum erlebte. „Ich, also, ich könnte doch nicht ... also schon, ich meine, ich könnte schon, aber wir kennen uns ja kaum ... und dann, also, hier draußen ... wäre das denn in Ordnung?“, stammelte er perplex, und Blake nickte schlicht. Sam war sich ziemlich sicher, dass sich im Schatten der Kapuze ein breites Grinsen verbarg.
„Sam wird alles tun, was wir befehlen, und Spaß daran haben. Nicht wahr, Sammie? Antworte.“
Sam nickte pflichtbewusst und blickte zu Seb auf. „Ich tue alles, was man mir befiehlt.“
Sebs Mund entwich ein Geräusch zwischen ungläubigem Auflachen und erregten Stöhnen. Aber ganz langsam schien er zu begreifen, dass es kein Spaß war.
Blake lachte amüsiert, sagte: „Los, befiehl etwas. Sam wird es ausführen“, und fügte an Sam gewandt hinzu: „Wenn du es schaffst, alles zu tun, was unser Handlanger verlangt, hast du die erste Prüfung schon bestanden.“
Sam nickte enthusiastisch, sah dann wieder zu Seb. Er schien mit sich zu hadern, aber dann kam, noch zögerlich und mit zitternder Stimme, der erste Befehl: „Zerreiß dein Kleid.“
Sam gehorchte, fetzte das Wachspapier vom Körper und war sich ziemlich sicher, dass Seb sich bald daran gewöhnen würde, Forderungen zu stellen; Blicke trogen so selten.
„Beug dich nach vorn.“
Auf einmal war Sam gar nicht mehr kalt, und das ganz ohne Papierkleid.