CN: Rope Bondage, Atemkontrolle/Würgen, Ungeoutet leben/In the closet
„Was‘n los? Schaust ein bisschen nach Weglaufen aus.“
Bernd zuckte mit den Schultern. „Brauch nur ein bisschen. Ich hab das zu lange nicht mehr gemacht.“ Er ließ die Seile durch die Hänge gleiten, prüfte ihre Festigkeit. Er erinnerte sich gut daran, wie es früher gewesen war. Damals, als seine Hände noch nicht faltig gewesen waren, und er noch massig Haare auf dem Kopf gehabt hatte. Einige Knoten und Techniken fielen ihm noch ein, aber vieles war auch verschwommen, oder ganz weg.
Heinz betrachtete ihn verständnisvoll, und Bernd war ihm sehr dankbar dafür. Keine Vorwürfe, nur einträchtiges Beisammensein. Schon damals hatten sie nie viele Worte gebraucht, um sich zu verstehen. Und so seltsam das auch war: Nach 45 Jahren waren sie in dasselbe Muster zurückgefallen, ganz ohne, dass Bernd wusste, wie eigentlich.
„Was hast du so in der Zwischenzeit gemacht? Mit Inge?“, fragte Heinz.
Bernd überlegte ein wenig. „Hm ... gar nichts Besonderes eigentlich.“ Er nickte Heinz zu, und er streckte bereitwillig die Handgelenke vor. „Und du so?“
„Gleichfalls“, brummte er, und Bernd hielt irritiert inne.
„Nix Besonderes?“
„Nee.“
„Hattest doch immer viel Spaß daran, damals?“
Heinz nickte vage. „Hm. Joa. Mit dir halt, ne?“
Sie schwiegen. Bernd hatte gut damit zu tun, sich wieder an alles zu erinnern, aber er schlug sich nicht schlecht. Arbeitete sich die Arme empor. Die Haut darüber war nicht mehr so straff, haariger. Mehr Leberflecke. Aber es machte Bernd gar nichts aus. Wäre Heinz jetzt immer noch 20 gewesen, wie damals, als sie sich getroffen hatten, dann hätte ihm das hier nichts gegeben. Er hatte es immer gut gefunden, dass sie sich ähnlich waren.
„Ich hatte auch keine Lust“, sagte Bernd in die Stille hinein. Hielt inne. „Ohne dich“, fügte er leise hinzu und zog den letzten Knoten fest.
Heinz nickte, brummte bestätigend: „Hmm.“
„Augenbinde?“
„Mach mal.“
Bernd hatte sich in einigen Sexshops umgesehen; die sahen jetzt auch anders aus als früher. Alles war professionell jetzt, massenhaft gefertigt. Die Augenbinden hatten alle wie Schlafmasken für junge Frauen ausgesehen. Glänzend, mit Spitze und anderem Zeug. Am Ende hatte er das Hemd von Inges Beerdigung mit der Küchenschere zerschnitten. Er war eben altmodisch. Außerdem erinnerte es ihn an früher, wie er sie festzog. Heinz ließ sich bereitwillig die Augen verbinden.
Und dann stand Bernd da und wusste nicht weiter. Er wusste, wie es weiterging, aber es erschien ihm zu fern. 45 Jahre.
„Wirklich nie was Besonderes?“, hörte er sich fragen. Er konnte es irgendwie nicht ganz glauben.
Heinz schüttelte langsam den Kopf. „Nee.“
„Hättest dir doch jemand suchen können“, sagte Bernd. „Wäre doch mit allen anderen auch gegangen.“
Heinz zuckte mit den Schultern, ganz gelassen. „Ach, Quatsch. Wollte einfach nicht. Hab Pause gemacht.“
Bernd nickte. Pause gemacht, das traf es. Für ihn hatte es ja schließlich auch nicht funktioniert. Er hatte sich immer mal umgesehen. Ein Ausrutscher während der Ehe. Was Kurzes nach Inges Tod. Aber das ... das hatte es nie wieder gegeben.
Dann, am dritten Todestag von Inge, hatte er Heinz im Telefonbuch herausgesucht.
„Aber weißt du was?“, fragte Heinz unvermittelt.
„Hm?“
„Bin ganz froh, dass die Pause jetzt vorbei ist.“ Er lächelte schief, ganz wie früher. Bernd erinnerte sich glasklar daran, und mit einem Mal war das Gefühl zurück. Die Schwere fiel ab, die Unschlüssigkeit. Er hob die Hand, legte sie an Heinz Kehle. Drückte zu. Er gab ein ersticktes Seufzen von sich.