Genre: Fantasy
CN: Hitze/Schwitzen, Penetration anal/vaginal, Ejakulation (alle Gender), Vibratoren, Schläge, Romantik
Nchkana war eine zwiespältige Gottheit. Selbst nach so vielen Jahren im Kloster, dem Studium der Texte und unzähligen Zeremonien war Ulv sich noch nicht sicher, ob er den Segen, den Nchkana austeilte, wirklich verstand. Dabei half nicht, dass der Name der Gottheit über die Jahrhunderte hinweg seine ursprüngliche Bedeutung verloren hatte, auch wenn ein ähnliches Wort, Nchkhina, noch verwendet wurde. ‚Ein Unglück, das sich als Segen herausstellt‘, ‚Schmerz, der zu einer Heilung führt‘ - das war bemerkenswert vieldeutig.
Ulv sinnierte darüber, während er sich auf den Weg zu seiner Arbeit machte. Er widmete sich, wie alle Mitglieder seines Ordens, der Anbetung von Nchkana, und half den pilgernden Gläubigen, die den Tempel besuchten, der Gottheit näher zu kommen.
Die Pilgernden warteten bereits auf dem Vorplatz des Tempels. Immer waren es mehr, als die Ordensmitglieder betreuen konnten, selbst wenn sie den ganzen Tag hindurch arbeiteten. Manche warteten Tage darauf, an einer Zeremonie teilnehmen zu dürfen, und viele kamen jährlich, sogar monatlich wieder, obwohl der Tempel hoch oben im Gebirge lag. Ulv verstand sie trotzdem nur zu gut.
Er begann seinen Tag mit der rituellen Waschung und dem ersten Gebet, dann bekam er seine Zeremonienkammer für die folgenden Stunden zugewiesen und prüfte zunächst das Inventar. Die Hchwasi, hohle, orangefarbene Stäbe aus glattem Kristall, lagen aufgereiht und gesäubert bereit, so wie es die Zeremoniellen Regeln geboten; keines durfte wieder verwendet werden, bevor es nicht rituell gereinigt worden war. Dazu die Schlaginstrumente und der Weihrauch. Die Räucherschalen waren von geringeren Ordensmitgliedern bereits befüllt worden, aber Ulv legte gern selbst nach.
Die Anbetungszeremonie wurde in der Regel einzeln durchgeführt, mit nur einem Ordensmitglied zur Führung. Nur erwachsene Menschen durften teilnehmen, und sie durften nicht krank oder zu erschöpft sein. Genügend zu essen und zu trinken war ein Teil der Vorbereitung, und Wein oder andere Rauschmittel verboten. Glücklicherweise fiel die Aufgabe, das alles zu überprüfen, oder die Gläubigen über die Zeremonie aufzuklären, nicht Ulv zu. Er wartete nur geduldig, bis sich die Tür zur Zeremonienkammer öffnete und die nächste Person eintrat, mit der er das Ritual durchführen würde.
Der erste Gläubige ließ an diesem Tag nicht lange auf sich warten. Er stellte sich beim Eintreten knapp als Wrana vor, ein reisender Händler, der nahe der Hauptstadt lebte, aber wenig Zeit dort verbrachte.
„In diese Gegend hat es mich bisher noch nie verschlagen“, sagte er mit einem Schmunzeln, bei dem sich die Lachfalten um seine Augen zeigten. Er war wettergegerbt, aber noch nicht alt, vielleicht 45 Jahre, von kräftiger Statur, und Ulv traute ihm zu, die Zeremonie ganz bis zum Ende durchzustehen. Nicht allen gelang das.
„Wollen wir beginnen?“, fragte er, und Wrana nickte. „Dann stell dich bitte dort hin. Ich bereite alles vor.“
Er ging und suchte sich ein Hchwas heraus, dessen Größe ihm angemessen erschien, und aktivierte es, indem er den Hohlraum mit Salz füllte und dann versiegelte. Danach griff er sich aufs Geratewohl ein Schlagwerkzeug, denn die waren alle gleich beschaffen. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Wrana ihm nervös und erwartungsvoll zusah, aber er stand wie befohlen auf dem angewiesenen Platz.
Die Zeremonienkammern waren nicht groß und sehr schlicht gehalten. Die in das Massiv des Gebirges gehauenen Räume waren quadratisch, die Wände ohne Verzierungen. Lediglich ein Altar mit einem Abbild Nchkanas in der Form der achtköpfigen Schlange stand an der Stirnseite, die dem Berg zugewandt war. In der Mitte des Raums lag ein niedriges Podest, und darum verteilt standen Räucherschalen, deren dünne Rauchfäden durch grob gehauene Schlitze in der Decke abzogen. Dann gab es noch die Ablagen für die Werkzeuge, einen Wassereimer und einen kleinen Stapel sauberer Tücher. Davon abgesehen war die Zeremonienkammer leer.
Ulv trat wieder zu Wrana und befahl: „Zeige dich jetzt vor Nchkana.“
Dieser Schritt war für manche der Schwerste, obwohl er zugleich der einfachste war: Die zeremonielle Robe musste abgelegt werden. Nchkana konnte man nur nackt gegenüber treten, um zu zeigen, dass man sich von allem befreien und nur der Gottheit dienen wollte. Aber Ulvs Gegenwart, so unerlässlich sie auch war, hemmte manche.
„Nchkana beurteilt deinen sterblichen Körper nicht, und ich tue das auch nicht“, sagte er dann sanft, und das half oft. Wenn nicht, bedeutete es immer das Ende der Zeremonie.
Wrana jedoch zögerte nur einen Moment. Dann zog er sich aus und legte sein zeremonielles Gewand ordentlich beiseite. Er nickte Ulv zu, zum Zeichen, dass er bereit war, und Ulv fuhr mit der Zeremonie fort.
„Tritt vor Nchkana“, sagte er und wies ihn zu dem leicht erhobenen Podest in der Mitte des Raumes. Wrana trat darauf, und zuckte das erste Mal überrascht zusammen. Für Uneingeweihte war die hervorströmende Hitze überraschend, zumal der Zeremonienraum nie übermäßig warm wurde. Das Podest wirkte massiv, aber das war es nicht. Stattdessen war Wrana auf ein schweres Eisengitter getreten, unter dem ein langer, düsterer Schacht lag, der hinab bis in die tiefsten Tiefen des Berges reichte. Von dort strömte Nchkanas Atem zu ihnen hinauf, ein heißer Gluthauch, der Wrana gerade wahrscheinlich noch recht angenehm vorkam. Das würde sich bald ändern.
„Knie nieder vor Nchkana“, sagte Ulv, und Wrana tat es, aber er kniete aufrecht, und das erlaubte diese Zeremonie nicht. „Senke dein Haupt, stütze dich auf deine Hände“, sagte Ulv sanft. „Du kniest vor deiner Gottheit.“ Wrana beeilte sich, dem Folge zu leisten, aber sein Unwissen und seine exponierte Lage machten ihn einen Moment lang verlegen. Er war sich gerade vermutlich überdeutlich bewusst, dass Ulv jetzt einen guten Blick auf seinen Körper bekam. Aber noch war die Zeremonie nicht so weit fortgeschritten, dass sich Ulv näher mit diesem Teil von ihm beschäftigen würde.
„Wir werden gemeinsam in der alten Sprache beten“, erklärte er und begann mit einem Gesang. Wrana stimmt in den ersten Gesang ein, und auch in den nächsten, aber Ulv sah deutlich, dass er langsam die Hitze spürte. Das Ausharren auf dem Podest war lediglich der Beginn, aber es verlangte bereits einiges von den Gläubigen ab und prüfte ihre grundsätzliche Standfestigkeit. Schweißtropfen bildeten sich zuerst auf Wranas Stirn und seinem Oberkörper, perlten hinab und tröpfelten hinunter in die Dunkelheit. Er begann, schwerer zu atmen, aber sonst hielt er tapfer durch.
Nach dem dritten Gesang trat Ulv vor Wrana. „Der Hauptteil der Zeremonie beginnt nun. Du weißt, was das bedeutet?“ Wrana nickte in seiner gebeugten Haltung. Er schien ein wenig nervös, aber auch erwartungsvoll. „Du kannst die Zeremonie unterbrechen, wenn du das Gefühl hast, nicht mehr weiter zu können“, fuhr Ulv fort. „Nchkana wird dir dafür nicht zürnen, und dein Segen wird dir trotzdem zuteil. Rufe Nchkana an, wenn du das Ritual beenden willst, sonst bleibe stumm, wenn es dir möglich ist.
Hast du noch eine Frage?“
Wrana zögerte, doch dann fragte er verlegen: „Ich schwitze ziemlich stark ... ist es respektlos der Gottheit gegenüber, wenn ich, na ja ... tropfe?“
Ulv konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und schüttelte den Kopf. „Alles, was du hier gibst, wird ein Opfer zur Anbetung Nchkanas sein. Dein Schweiß, dein Blut, selbst Tränen sind würdige Geschenke, um deine Anbetung deiner Gottheit gegenüber zu bezeugen.
Bist du bereit, zu beginnen?“
Wrana nickte, sichtlich erleichtert. Seine Erwartung steigerte sich immer weiter, und er verfolgte Ulv mit seinem Blick, als der das Hchwas und sein Schlagwerkzeug aufnahm. Das Hchwas vibrierte bereits schwach in seiner Hand und hatte sich leicht erwärmt, eine natürliche Reaktion auf die aktivierenden Salze, die er hinein gefüllt hatte. Beides, Wärme und Vibration, würden mit der Zeit nur stärker werden. Jetzt, da er es verwenden wollte, trug er reichlich Öl auf.
Ulv kehrte zu Wrana zurück, dem der Schweiß mittlerweile vom Rücken hinunter lief. „Du wirst jetzt das Hchwas empfangen“, kündigte er an. Wrana nickte stumm und ein wenig benommen; Ulv konnte sich gut in ihn einfühlen. Es war etwas ganz anderes, die Zeremonie durchzuführen, als nur davon zu hören, was dabei passieren würde. Beim ersten Mal hatten Ulv selbst die Knie gezittert.
„Keine Angst. Das hier ist nicht der schmerzhafte Teil“, sagte er leise, und Wrana lachte leise auf und spreizte in seiner knienden Haltung die Schenkel. Weil es seine erste Zeremonie war, setzte Ulv das Hchwas nur vorsichtig an und führte es mit wenig Druck ein. Wrana biss sich auf die Lippen und stöhnte dumpf auf, aber Ulv hatte genügend Gläubige durch die Zeremonie geführt, um herauszuhören, dass es kein Schmerzensschrei war, sondern das Gegenteil.
„Kann ich fortfahren?“, fragte er, und Wrana nickte wieder. Seine Wangen waren jetzt rot und sein Blick gesenkt, und das rührte sicher nicht von der Hitze her. Er hatte eine deutliche Erektion, mit der er offenbar nicht gerechnet hatte. Nicht, weil er unwissend darüber gewesen war, sondern weil er, wie Ulv beim ersten Mal, nicht gedacht hatte, dass die Zeremonie diese Wirkung auf ihn haben würde. Und im Moment vibrierte das Hchwas nur schwach. In Momenten wie diesen musste Ulv sich zwingen, nicht zu lächeln und damit zu verraten, dass er sich nicht nur mit Wrana über seine Erfahrung, sondern auch an seinem Anblick erfreute. Er musste sich außerdem auf seine Zeremonie konzentrieren.
„Nchkana prüft dich, doch wenn du glaubst, wirst du belohnt werden“, rezitierte er getragen.
„Nchkana gibt dir Schmerzen, doch wenn du glaubst, werden sie verwandelt werden.
Nchkana kennt dich und segnet dich und deinen Willen, zu dienen.“
Ulv holte aus und versetzte Wrana den ersten Schlag auf den Rücken, einen vergleichsweise leichten. Wrana schnaufte unterdrückt, und Ulv ließ ihm Zeit, den Schmerz zu verarbeiten. Es war seine erste Zeremonie, das behielt Ulv sich immer im Gedächtnis. Der zweite Schlag war etwas fester, der dritte dann das angemessene Maß. Wrana steckte sie gut weg, und sein Körper war angespannt, aber nicht verkrampft. Er würde eine ganze Weile durchhalten.
Viele hohe Ordensmitglieder hatten über die Zeremonie geschrieben und ihre Erfahrungen zusammengetragen, hatten über die richtige Anzahl der Schläge philosophiert, die richtige Position, in der die Gläubigen sich halten mussten, wie lange es dauern sollte, bis die Gläubigen ihre Erleuchtung erfuhren. Ulv hatte nach einer Weile aufgegeben, diese Schriften zu lesen. Seine Erfahrung lehrte ihn, dass die Anzahl der Schläge und die Zeit, die es dauerte, abhängig von der Person waren. Er beobachtete die Anbetenden, studierte ihre Haltung, lauschte auf ihre Laute. Das sagte ihm genug.
Wrana zum Beispiel blieb eine ganze Weile störrisch still, auch wenn sein Körper seine Erregung nicht verbergen konnte und der Schweiß von seinem Kinn und aus seinen Haaren tropfte. Ulv hatte schon einige wie ihn getroffen. Sie wirkten äußerlich ruhig, aber innerlich siedeten sie. Die zunehmende Wirkung des Hchwas war dabei nicht zu übersehen; Wrana begann irgendwann zu zittern, und als Ulv ihm den nächsten Schlag versetzte, heftiger als die vorigen, schrie er das erste Mal laut und unartikuliert auf. Ulv gab ihm den nächsten Schlag, und noch einen weiteren, und wusste, was kommen würde, bevor Wrana es vermutlich ganz realisiert hatte.
Ulv hatte viele Gläubige in religiöser Ekstase gesehen, aber sie überraschte ihn jedes Mal aufs Neue. Sie öffneten die Augen und sahen auf zu Nchkanas Abbild, und die Wogen der Euphorie, die durch ihren Körper ging, waren in ihren Gesichtern abzulesen. Manche schrien, manche krümmten sich. Nicht wenige verspritzten ihre Lust über das Gitter unter sich, ganz gleich, welchen Körper die Götter ihnen verliehen hatten.
Wrana war einer von ihnen. Seine Erleuchtung erschien Ulv besonders schön anzusehen. Er keuchte wie ein Ertrinkender, sein schweißgebadeter Körper zitterte unkontrolliert, und einem Impuls folgend gab Ulv ihm einen letzten Schlag quer über das Gesäß, der ihn Wimmern ließ und seinen Moment der Euphorie verlängerte.
Dann sackte er sichtlich zusammen, und das Ritual war fast vollendet. Ulv musste jetzt schnell eingreifen und überprüfen, ob es Wrana gut ging. Er griff sich ein sauberes Tuch und entfernte zuerst das Hchwas, legte es lediglich beiseite. Danach griff er Wranas Zeremonienumhang, legte ihn um seine Schulter und half ihm auf, hinunter von dem Bodengitter, damit er nicht länger der Hitze ausgesetzt war.
„Du bist in Ordnung? Kannst du stehen?“, fragte er, und Wrana nickte benommen und ließ sich helfen, sich aufzurichten. Er sah zu Nchkanas Abbild auf, dann wieder zu Ulv, und in seinem Blick spiegelte sich große Zufriedenheit.
„Nchkana hat dich geprüft, und du hast standgehalten“, rezitierte Ulv.
„Nchkana hat dir Schmerz gegeben und wieder genommen.
Gehe jetzt mit Nchkanas Segen. Die Liebe deiner Gottheit begleitet dich.“
Er hob die Arme, bot Wrana eine Umarmung an. Nicht alle wollten die Zeremonie auf diese Art abschließen, doch Wrana nahm das Angebot freudig an. Sein Körper war immer noch heiß und feucht und zitterte. Er war größer als Ulv, und einen Moment lang bettete Wrana seine Wange an dessen Stirn. Es war eine herzliche und liebevolle Geste, die plötzlich und unvermittelt große Wehmut in Ulv auslöste. Er hätte es genossen, Wrana auf andere Weise kennengelernt zu haben. Mehr mit ihm geteilt zu haben als nur eine Zeremonie. Aber das war unmöglich; er diente seiner Gottheit.
„Du solltest jetzt gehen“, sagte er, und Wrana nickte. Er verstand genauso wie Ulv, dass sich ihre Wege trennen mussten. Etwas unbeholfen richtete er seine Robe und verließ, mit einem letzten, nachdenklichen Blick das Zeremonienzimmer.
Ulv seufzte und räumte auf. Er legte das gebrauchte Hchwas und das Schlagwerkzeug zur Reinigung beiseite, übergoss das Gitter mit Wasser, sodass es wieder sauber wurde, und legte Räucherwerk nach. Wranas Nachsorge war nicht seine Sache; der durfte sich jetzt in der Kammer der Ruhe von seiner Anbetung erholen. Die Kammer war ein großer, luftiger Raum, erfüllt mit dem Tröpfeln von Wasser, das aus einer Quelle hoch oben im Berg entsprang und in unzähligen kleinen Bodenrinnen durch den Raum floss. Es gab unzählige Ruhestätten, Lager aus Decken und Fellen, aber auch schlichte Holzbänke und in den Fels gehauene Steinblöcke, die kühl und beruhigend waren.
Niederrangige Ordensmitglieder halfen den Gläubigen, sich zu setzen oder hinzulegen, gaben ihnen Wasser aus der Quelle. Sie sprachen mit den Anbetenden, hielten ihre Hände, und manchmal geleiteten sie sie in einen kurzen, erholsamen Schlaf.
Es war ein ruhiger Abschluss der Zeremonie, und Ulv staunte jedes Mal, wie gewandelt die Menschen danach aus dem Kloster traten. Ihre Gesichter strahlten, ihre Augen waren klar und wach. Wer sie so sah, konnte nicht daran zweifeln, dass Nchkana sie gesegnet hatte. Auch Ulv hatte sich nach dem Abschluss einer Zeremonie immer vervollständigt gefühlt. Die Frage, die ihn nicht losließ, war: Warum? Der Schmerz, den Ulv in den Zeremonien austeilte, war nicht weniger real als jedes andere Leiden. Wenn er ehrlich war, so versprach er den Gläubigen etwas Unmögliches: Dass der Schmerz der Zeremonie sie nicht verletzen würde, zumindest nicht so, wie eine ähnliche Tracht Prügel es getan hätte, die nicht im Namen einer Gottheit geschah. Und das Aberwitzige war: Er log sie nicht an. Bis auf wenige Ausnahmen, die die Zeremonie nach einem oder zwei Schlägen abgebrochen hatten, empfanden die Gläubigen seine Behandlung nicht als unaushaltbar oder brutal. Wie konnte eine Anrufung Nchkanas das bewirken?
Die höchste Priesterschaft stellte sich immer wieder geduldig Ulvs Zweifeln, aber sie brachten ihn der Lösung nicht näher. Der Glauben, meinten sie, würde ihm schließlich das zugrunde liegende Geheimnis, die Größe Nchkanas, offenbaren. Ulv konnte sich damit nicht zufrieden geben. Wann sollte das geschehen?
Irgendwann war sein Tagwerk vollendet, und Ulv hatte Zeit, sich seiner eigenen Erleuchtung zu widmen. Wann immer er Zeit fand, studierte er die Zeremonien Nchkanas. Er fand wenig Freunde dadurch; sein Zweifel verunsicherte andere Ordensmitglieder. Manchmal war ihm das recht, er blieb sowieso lieber für sich. Doch an Tagen wie heute schmerzte diese Ablehnung. Er dachte an Wrana, seinen heißen Körper, die Innigkeit der Umarmung. Sicher, er selbst fand Erfüllung in seinen eigenen Zeremonien. Aber nicht die Zuneigung, die er sich so oft wünschte.
Er entschied, heute selbst eine Zeremonie durchzuführen, um seinen Geist zu klären und die Erinnerung an Wrana abzuschütteln. Dazu musste er auf ein höherrangiges Mitglied des Tempels zurückgreifen, in den Kammern, die für Angehörige des Ordens vorgesehen waren.
Heute traf er, wie so oft, auf Inav. Nchkana schien eigene Pläne zu haben, was ihr Zusammentreffen betraf, denn Ulv geriet öfter an ihn, als der Zufall erlaubt hätte, und öfter, als gut für seine Nerven war.
„Ich suche die Erleuchtung in der Zeremonie“, sagte er bei seinem Eintreten, und Inav lächelte breit. Er hatte nachlässig mit einem Schlagwerkzeug gespielt, und jetzt warf er es angeberisch in die Luft und fing es wieder auf. Seine dunklen Augen blickten amüsiert.
„Schon wieder, Ulv? Kaum jemand will so oft erleuchtet werden wie du. Nicht, dass ich dir nicht gern dabei helfe, im Gegenteil ...“
„Das ist ja wohl meine Sache“, murrte Ulv. Er hatte keine Lust, sich jetzt mit Inavs Spitzfindigkeiten auseinanderzusetzen. Ohne ein weiteres Wort entkleidete er sich und kniete sich auf dem Podest nieder. Die aufsteigende Wärme war ihm willkommen und lockerte seine von der Arbeit verspannten Muskeln; den ganzen Tag lang Menschen zu schlagen machte die Arme müde. Er ließ die Schultern kreisen und wartete ab, während Inav die Zeremonie vorbereitete. Ulv sah seinen dunklen, kräftigen Händen eigentlich gern dabei zu, aber heute schien Inav schon penetrant gute Laune zu haben; seine Selbstverliebtheit musste nicht noch extra befeuert werden.
„Möchtest du meine Meinung zu deinem kleinen Dilemma hören?“, fragte Inav unvermittelt, und Ulv zuckte zusammen.
„Woher weißt du davon?“, fragte er übellaunig zurück.
„Ach komm, das bleibt doch nicht geheim, wenn ein Ordensmitglied so offen an dem zweifelt, was wir tun. Also, soll ich dir weiterhelfen oder nicht?“
Ulv war sich nicht sicher, ob das Angebot ernst gemeint war, und studierte Inav genau. Er befüllte gerade mit geübtem Griff das für Ulv vorgesehen Hchwas, und wie so oft hatte er wieder ein größeres genommen. Er liebte es, Ulv herauszufordern, noch ein Stück weiter zu gehen. Wenn Ulv es recht bedachte, hatten sie schon so oft Zeremonien durchgeführt, dass er ihm vermutlich vertrauen konnte. Selbst wenn seine Selbstsicherheit Ulv manchmal auf die Nerven ging.
„Na schön, sag, was du zu sagen hast.“
Inav nickte, griff sich enthusiastisch das Schlagwerkzeug, das er anscheinend nur für Ulv reserviert hatte, und kam zu ihm hinüber. Er setzte sich lässig neben das Podest, sodass sie auf einer Augenhöhe waren.
„Hast du schon einmal erwogen, dass es nicht auf alles eine Antwort gegen muss? Ich kann ganz gut damit leben, dich einfach zu schlagen, solange du und ich und Nchkana Gefallen daran finden. Wen kümmert denn, warum die Zeremonie funktioniert? Sie tut es einfach.“
„Das reicht mir aber nicht“, protestierte Ulv. „Alles deutet darauf hin, dass die Zeremonien einfach egal sind! Und wenn es so ist, was tun wir dann eigentlich?“
Er hatte eigentlich nicht damit gerechnet, dass Inav ihm zuhören würde, aber der runzelte tatsächlich die Stirn und, während er sein Schlagwerkzeug in der Hand drehte. „Das musst du mir näher erklären“, sagte er. „Wie können die Zeremonien einfach egal sein?“
Inav konnte sein Glück kaum fassen, endlich einen Zuhörer gefunden zu haben, und die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. „Wusstest du zum Beispiel, dass sich die Zeremonie seit Jahrhunderten verändert hat? Vor 100 Jahren verwendete man zum Beispiel keine Hchwasi! Vor 250 Jahren rangen Ordensmitglieder und Gläubige noch miteinander, und geschlagen wurde die Person, die verloren hatte. Wie konnte das eine gültige Zeremonie sein, wenn die Ordensmitglieder geschlagen wurden? Wie konnten einfache Leute Ordensmitglieder segnen? Das ergibt doch keinen Sinn!“
Inav hörte mit wachsender Verwirrung zu. „Du hast recht, das klingt nicht richtig“, sagte er schließlich. „Ehrlich gesagt, so tief habe ich mich nie in die Texte eingelesen. Klingt, als müsste ich selbst etwas Forschungsarbeit betreiben.“ Er hielt einen Moment inne, dann erhob er sich plötzlich. „Zeig es mir!“, verlangte er.
„Was, jetzt?!“ Ulv gestikulierte hilflos zu seinem nackten Körper hin.
Inav grinste. „Hattest du dich so auf deine Zeremonie gefreut?“, fragte er, und brachte Ulv damit plötzlich in Verlegenheit. Er fühlte sich mit einem Mal tatsächlich nackt vor Inav, aber nicht auf eine unangenehme Art.
„Schon gut“, murmelte er leise und wandte den Blick ab. „Ich frage nachher einfach jemand anderen.“
Inav schnaubte amüsiert, hob die Hand und legte sie sanft unter Ulvs Kinn, hob es wieder empor. „Also doch. Jetzt weiß ich also, warum du immer wieder zu mir kommst. Dann verschieben wir unsere Nachforschungen eben auf später“, sagte er, und in Ulv breitete sich wohlige Wärme aus, die nicht von dem heißen Luftzug aus der Tiefe herrührte.
„Ich bin bereit“, sagte er, und Inav nickte. Allerdings schien ihn doch noch etwas zu beschäftigten.
„Verrate mir nur eins“, sagte er, „Was haben sie denn vor 100 Jahren verwendet, wenn es keine Hchwasi waren?“
Ulv grinste, beugte sich näher an Inav heran und flüsterte es ihm ins Ohr.
Inavs Augen weiteteten sich. „Oh. Oooooh.“