Narzissa verließ Hogwarts noch am selben Tag. Es tat ihr leid Severus zurücklassen zu müssen, doch sie fürchtete um ihre Tochter. Also ging sie zurück in das Landhaus. Dort verbrachte sie die Zeit in dem Kräutergarten, wenn nicht gerade Violet nach ihr verlangte. So vergingen die Wochen. Severus besuchte sie an den Wochenenden, denn auch ihn schmerzte ihre Trennung offensichtlich.
Als Violet zu krabbeln begann mussten sie alles niet- und nagelfest absichern, denn die Kleine war unglaublich flink. Severus saß mit ihr auf dem Boden des Wohnzimmers und spielte mit ihr wie der beste Papa der Welt. Nichts erinnerte daran, was außerhalb dieses Hauses auf ihn wartete.
Narzissa verfolgte die Untersuchungskommission in der Zeitung. Das Ministerium versuchte ihn in die Zange zu nehmen, doch Severus hielt all ihren bohrenden Fragen stand. Sie bewunderte ihn ja irgendwie dafür. An Opferbereitschaft fehlte es Severus gewiss nicht. Narzissa sorgte sich eher darum, ob ihm das nicht irgendwann zu viel wurde.
Als sie später mit ihm im Bett lag und Violet nebenan schlief kam sie nicht umhin ihm zu sagen, was sie dachte.
„Severus?“
„Hmm.“, machte er und sah sie an.
„Wie geht es dir? Mit der Untersuchung und allem?“
Severus setzte sich auf. Er lehnte sich auf einen Arm und blickte seine Frau von der Seite her an.
„Warum fragst du?“, entgegnete er.
„Ich weiß was das für ein Druck sein kann. Ich will nur nicht, dass du zusammenbrichst.“
„Mach dir keine Sorgen.“, antwortete Severus.
„Doch! Genau das tue ich!“, erwiderte Narzissa energisch. „Ich will nicht, dass du das alles in dich hineinfrisst! Ich lese es doch jeden Tag in der Zeitung.“
„Die übertreiben. Die Kommission findet keine Beweise und Yaxley macht es wahnsinnig. Jetzt erfindet er immer neue Gründe, um neue Verhandlungstage anzusetzen. Er versucht mich zu zermürben in der Hoffnung, dass mir etwas raus rutscht. Aber so blöd bin ich nicht. Das ist sein kleiner, privater Krieg gegen mich.“, sagte Severus und legte sich wieder hin.
„Was ist zwischen euch vorgefallen?“, wollte Narzissa wissen.
„Allgemeine Todesserkonkurrenz.“, antwortete Severus. „Außerdem macht es ihn fertig, dass ich immer noch der Liebling des Dunklen Lords bin. Selbst hier, auf dem Abstellgleis. Er hat mir nie getraut und ich ihm ebenso wenig. Das beruht auf Gegenseitigkeit.“
Er drehte sich auf die Seite und Narzissa kuschelte sich von hinten an ihn.
„Ich will nur nicht, dass du etwas Dummes machst.“, sagte sie.
„Etwas Dummes?“, fragte Severus. „Du meinst, so wie dich zu heiraten?“
„Blödmann!“, entgegnete Narzissa und verpasste ihm einen freundschaftlichen Klaps.
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In aller Frühe wurde Severus von Violets Geschrei geweckt. Er ließ Narzissa schlafen und ging in das Zimmer seiner Tochter. Diese saß in ihrem Bettchen und schrie kräftig ihre Eltern herbei. Severus nahm sie hoch und augenblicklich verstummte Violett und lachte ihn an. Er trug sie ins Bad und warf einen Blick in ihre Windel. Diese war randvoll.
„Da hat es aber jemand nötig.“, sagte Severus. Violet lachte quiekend und er stupste ihr liebevoll auf die Nase. Anschließend wechselte er ihre Windel und zog sie an. Für einen Außenstehenden hätte es vermutlich seltsam geklungen, doch Severus genoss es Violets Papa zu sein. Sie verlangte nicht mehr von ihm als, dass er ihr zu Essen gab, ihre Windeln wechselte und sie liebte. So bedingungslose Liebe wie mit seiner Tochter hatte er nie erlebt. Und es war für ihn ein großes Gefühl ihr etwas geben zu können.
Severus ging mit Violet auf dem Arm in die Küche. Er setzte sie in ihr Stühlchen und bereitete ihr ihren Brei zu. Es machte ihm nichts aus sie zu füttern, auch wenn sie hinterher immer aussahen als hätten sie an einer Essensschlacht teilgenommen. Als er fertig war ging er mit ihr ins Wohnzimmer, setzte sich auf die Couch und ließ Violet auf sich herumkrabbeln. Sie saß auf seinem Bauch und hüpfte unbeholfen auf ihm herum. Severus nahm sie und hob sie lachend in die Luft und tat so als würde sie fliegen. Violet quiekte laut und voller Spaß. Sie wurden erst in ihrem Spiel unterbrochen als Narzissa den Raum betrat.
„Und? Wo fliegt ihr hin?“, fragte sie amüsiert.
Severus setzt sich mit Violet in den Armen auf.
„Na? Wo fliegen wir hin?“, fragte er seine Tochter.
„Dada!“, machte Violet und zeigte mit ihrem kleinen Finger auf Severus.
„Was? Ich?“, entgegnete er und schüttelte übertrieben den Kopf.
Narzissa setzte sich neben die zwei.
„Musst du heute wieder zur Anhörung?“, fragte sie.
„Mama kommt immer gleich mit dem Ernst des Lebens daher.“, sagte Severus zu seiner Tochter ehe er sich seiner Frau zuwandte. „Ja und ich hoffe es ist dieses Mal wirklich die Letzte. Die Kommissionsrichter haben etwas durchklingen lassen, dass sie Yaxleys Spielchen nicht ewig unterstützen werden. Wenn das vorbei ist, dann haben wir unsere wohl verdiente Ruhe. Nicht wahr, Violet?“
„Dada!“, machte Violet erneut und drückte ihren Kopf fest an ihren Vater.
Severus hatte die fehlenden Lehrer längst ersetzt. Allerdings hatte er keine weiteren Todesser eingesetzt. Das Risiko, dass sich damit nur die Geschichte wiederholte, war ihm zu groß. Stattdessen suchte er nach reinblütigen Zauberern, denen er so weit vertrauen konnte, dass er wusste, dass sie ihm nicht einfach in den Rücken fielen. Es war so schon anstrengend genug die Schule zu verwalten. Da brauchte nicht noch Grabenkämpfe zwischen konkurrierenden Todessern. Vor dem Dunklen Lord hatte er seine Entscheidung bereits erklärt und zu seiner eigenen Überraschung schien es Voldemort egal zu sein, solange sein Wille in Hogwarts durchgesetzt wurde.
Severus gab Violet in die Hände seiner Frau und erhob sich. Er musste bereits früh im Ministerium erscheinen. Die Anhörung vor der Untersuchungskommission würde vermutlich wieder den ganzen Tag dauern. Severus hoffte wirklich dies sei das allerletzte Mal.
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Die Anhörung des Untersuchungsausschusses fand wieder einmal in einem der großen Gerichtsräume statt. Die schwarz gefliesten Wände und das blaue, kalte Licht sorgten für eine erdrückende Atmosphäre. Severus saß auf dem Stuhl in der Mitte des Raumes. Einer jener Stühle deren Ketten nervös an ihm herabhingen, jeder Zeit bereit den darauf sitzenden zu fesseln. Die Kommission saß vor ihm. Die meisten waren schon früher Richter im Ministerium gewesen. Hinzu kamen einige Todesser. Yaxley stand im Raum zwischen Severus und der Kommission und trug einmal mehr all seine Verdächtigungen vor. Severus langweilte es ja mittlerweile, ehrlich gesagt.
„Mister Yaxley“, unterbrach eine Richterin ihn in seinem Sermon. „Wir haben dieses Lied nun schon oft von Ihnen gehört. Die Kommission hat entschieden, dass wir heute zu einer Entscheidung bezüglich der Vorfälle in Hogwarts kommen wollen. Deshalb, gleich vornweg: Wir werden keinen weiteren Antrag auf eine Prozessverlängerung zustimmen.“
Yaxley sah sie an als hätte man Weihnachten abgesagt. Severus hingegen könnte sich ein grimmiges Lächeln nicht verkneifen.
„Wir möchten Sie daher bitten, wenn Sie keine Beweise vorzubringen haben, sich zu setzen.“, sagte die Richterin weiter.
Yaxley verzog sein Gesicht, nahm aber gehorsam Platz. Er war sichtlich verärgert, dass man ihn als Chef der Strafverfolgung derart zurechtwies.
Die Richterin erhob sich.
„Die Untersuchungskommission wird nun ihr Fazit vortragen.“, sagte sie.
Einer der Todesser erhob sich und die Richterin nahm wieder Platz.
„Professor Severus Tobias Snape, die Kommission ist zu dem Schluss gekommen, dass die gegen Sie vorgebrachten Anschuldigungen haltlos sind. Es konnte weder ihre Beteiligung noch sonstige Verwicklung in den Fall der verschwundenen Lehrer bewiesen werden, daher ist ihr Freispruch einstimmig erfolgt. Das Ministerium bittet zudem offiziell um Entschuldigung und wird die Gerichtskosten übernehmen. Damit ist die Verhandlung beendet.“
Severus nickte und erhob sich. Yaxley sah aus als würde er gleich explodieren. Ohne sich weiter um die Anwesenden zu kümmern verließ Severus den Raum. Es überraschte ihn, dass die Kommission sich über Yaxley hinweg gesetzt und diese Farce endlich beendet hatte. Vielleicht hatte auch jemand im Hintergrund Druck gemacht, womöglich der Dunkle Lord selbst? Wie auch immer, er war freigesprochen worden und damit über jeden Zweifel erhaben, dass was immer im Wald passiert war nicht ihm zuzuschreiben war. Ein besseres Alibi konnte er gar nicht haben.
In der Vorhalle wartete bereits wieder eine Meute Reporter. Severus räusperte sich und richtete seine Krawatte, dann trat er, wie zu einem letzten Gefecht, der Gruppe entgegen.
„Sir? Sir? Wurden Sie verurteilt?“, fragte ein ganz aufdringlicher Zeitgenosse.
„Es ist wie gehabt.“, sagte Severus laut damit es auch alle hörten. „Ich wurde freigesprochen von dem – wie der Chef der Strafverfolgung, Mister Yaxley, sicher auch einsehen wird – lächerlichen Vorwurf ich hätte irgendetwas mit den mysteriösen Vorfällen in Dafttown zu tun. Die Entscheidung der Kommission war übrigens einstimmig.“
„Professor … Sir … was gedenken Sie nun zu tun?“, fragte ein anderer Reporter.
„Ich werde nach Hogwarts zurück kehren und dort meine Aufgabe als Schulleiter wie gehabt fortsetzen.“, antwortete Severus.
„Entschuldigen Sie, aber ist es wahr, dass die neuen Lehrer anders als ihre Vorgänger nicht den Rang eines Todessers begleiten?“
„Ich weiß, was Sie anzudeuten versuchen, aber ich kann Ihnen versichern, dass Sie auf dem Holzweg sind. Hätte es diesen schrecklichen Vorfall nicht gegeben, dann wäre ich ja kaum gezwungen gewesen Ersatz zu suchen. Die neuen Lehrer wurden rein nach ihrer Qualifikation gewählt und nicht, weil ich versuche politisch irgendetwas auszudrücken.“
„Aber Sir, damit sind Sie der einzige Todesser in Hogwarts. Mancher würde vielleicht meinen, dass die Interessen des Dunklen Lords besser vertreten wurden als mehr Mitglieder des Ordens anwesend waren.“, sagte der Reporter.
„Da ich keine Gedanken lesen kann ist es mir unmöglich zu sagen, was mancher wohl über mich denkt. Ich kann Öffentlichkeit nur versichern, dass der Schulbetrieb nun, da diese furchtbare Geschichte hinter uns liegt, wieder seinen gewohnten Gang nehmen wird. Das wäre dann alles.“, erwiderte Severus und ging an der lauernden Meute vorbei, die ihn weiterhin Fragen rufend bis zum Ausgang verfolgte.
Er war froh, dass ihn, als er das Ministerium verließ, draußen nicht noch mehr sogenannte Journalisten auf ihn warteten, sonder Lucius. Sein alter Freund stand da, auf einen altmodischen Gehstock gestützt und blickte ihn erwartend an.
„Freispruch.“, sagte Severus zu ihm.
„Und Yaxley?“, fragte Lucius.
„Er muss jetzt vermutlich erst einmal jemanden foltern bis er sich wieder beruhigt.“, entgegnete Severus und musste zugeben, dass ihn dieser Gedanke ernsthaft erheiterte.
„Hätte ich nicht gedacht nach der Show, die er abgezogen hat.“, sagte Lucius.
„Es ist ja nicht so als ob ich etwas zu verbergen hätte.“, antwortete Severus.
„Hmm.“, machte Lucius.
„Sag mir nicht, dass du es ihm abgenommen hast?“, fragte Severus.
„Ich bin mir manchmal nicht mehr sicher, was ich glauben soll.“, sagte Lucius. „Seit Dracos Tod ist alles ziemlich verwirrend.“
„Ich mache dir einen Vorschlag. Komm heute Abend zu uns, dann essen wir und wir können alles in Ruhe durchgehen, falls du das möchtest.“
„Und Narzissa?“, fragte Lucius mit einem Hauch von Unsicherheit.
„Was soll mit ihr sein?“, fragte Severus.
„Ich weiß nicht, ob ich schon bereit dafür bin sie zu sehen und … na ja … mit dem Kind eines anderen.“, antwortete Lucius.
„Sei nicht so ein Esel!“, entgegnete Severus harsch. „Du wolltest Frieden. Ich bin bereit dich zum Abendessen einzuladen. Insofern du dich benimmst.“
„Ich bin ehrlich, ein Teil von mir hängt noch an ihr. Auch wenn ich so schlecht zu ihr war. Ich kann meine Gefühle nicht einfach abschalten, so wie du.“, sagte Lucius. „Es war einfacher als ich noch der arrogante Ehemann war.“
„Dann such dir 'ne Frau – also eine für länger als eine Nacht.“, erwiderte Severus.
Lucius starrte ihn an.
„Du hast mir eine runter gehauen als ich dir Tipps gegeben habe.“, sagte Lucius leise.
„Da hast du mir auch vorschreiben wollen, was ich mit meiner Geliebten mache. Ich sage lediglich, dass du ein neues Leben anfangen sollst. Mir hat es erstaunlich gut getan und Narzissa im übrigen auch.“
Lucius verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ihn finster an.
„Das war übrigens kein Vorwurf.“, fügte Severus schnell hinzu.
„Ich weiß.“, sagte Lucius. „Sie war nie glücklich mit mir.“
„Mein Angebot bleibt. Überlege es dir.“, versuchte Severus das Gespräch zu entschärfen.
Lucius nickte nur schweigend. Severus atmete tief und zuckte mit den Schultern. Er wollte seinem alten Freund gerne helfen, aber dafür musste er sich auch helfen lassen. Ohne ein weiteres Wort disapperierte Severus.