Im Herbst hatte Harry seine ersten Quidditschstunden beim Captain der Quidditschmannschaft von Slytherin. Einem grobschlächtigen Kerl namens Marcus Flint. Entgegen des ersten Eindrucks war Flint jedoch kein übler Troll, sondern erklärte ihm gelassen das Spiel. Anschließend warf er einige Bälle, um zu sehen wie Harry sie fing.
„Nicht übel.“, sagte Flint. Nach einiger Zeit entschied er einen großen Schritt nach vorn zu machen und den kleinen, goldenen Schnatz auf Harry loszulassen. Dieser war kaum zu sehen und höllisch schnell. Harry brauchte ein paar Anläufe bis er ihn fand, dann aber zischte er mit dem Besen dem Schnatz hinterher. Er folgte dem Ball egal wie abrupt er Haken schlug, blieb dran und fing ihn schließlich. Flint klatschte begeistert als Harry wieder landete.
„Meine Fresse, so was hab ich ja noch nie gesehen! Selbst Carter hat das bei seinem ersten Versuch nicht hingekriegt!“, rief Flint ihm entgegen. „Okay, ab jetzt trainierst du zwei Mal in der Woche mit uns.“
Harry war ebenfalls hellauf begeistert. Das Fliegen auf einem Besen war das Beste, was er bisher erlebt hatte. Und dem Schnatz hinterher zu jagen war fast noch großartiger!
Bei den vielen Schularbeiten und seinem Training vergingen die Wochen sprichwörtlich wie im Fluge. An Halloween war die gesamte Große Halle mit schwebenden Gruselkürbissen geschmückt und ein Schwarm Fledermäuse flog über ihre Köpfe hinweg. Dazu gab es jede Menge Süßigkeiten, Pasteten und Törtchen. Wieder einmal war Harry überrascht wie unglaublich viel zu Essen es hier geben konnte.
Er saß neben Draco und mampfte voller Freude in sich hinein. Das sorglose Miteinander wurde jäh unterbrochen als ein panisch schreiender Professor Quirell in die Halle gerannt kam.
„TROOOOL! UNTEM IM KERKER! Ich dachte, ich sag's ihnen.“
Er verdrehte die Augen und brach auf der Stelle zusammen. Augenblicklich brach Panik unter den Schülern aus. Auch Harry und Draco sahen sich an. Ein Troll? Ein echter, frei in Schule herumlaufender Troll?
„RUUUHEEEE!“, rief der Schulleiter und sofort verstummten die panischen Schreie und das aufgeregte Geschnatter. „Die Vertrauensschüler bringen ihre Häuser bitte in die Gemeinschaftsräume. Die Lehrer kommen mit mir!“
Harry reihte sich in die Gruppe der Slytherins ein und sie liefen los. Auf dem Weg wurde er jedoch langsamer. Eine absolute Schnapsidee formte sich gerade in seinem Kopf.
„Was ist los? Wieso bleibst du stehen?“, fragte Draco.
„Hast du schon jemals einen echten Troll gesehen?“, fragte Harry.
„Was?“, entfuhr es Draco. „Das kann nicht dein ernst sein! Komm, bevor wir den Anschluss verlieren!“
Widerwillig ging Harry weiter. Er wusste nicht, was ihn dazu verleitete. Es war eine aufgeregte Stimme in seinem Kopf. Vielleicht hätte er panisch reagieren sollen, aber stattdessen fühlte er sich regelrecht herausgefordert.
Durch Harrys Trödelei passierte es unten in den Kerkern dann aber doch. Mitten auf dem Flur stand ein großer, runzliger Troll mit einer Keule. Etwas dumpf schaute er sie an und und zog den Rotz hoch, der gerade aus seiner Nase tropfte. Und er stank! Wie einer ganzer Stall roch er!
„Lieber Troll! Braver Troll!“, sagte Draco mit zittriger Stimme.
Der stampfte jedoch geradewegs auf sie zu. Harry zog Draco am Ärmel und sie rannten davon. Der Troll brüllte sie an und begann ihnen nachzusetzen. So behäbig er auch aussah, er konnte viel schneller rennen als es zunächst den Anschein hatte. Harry packte Draco an der Hand und zog ihn hinter sich her, während er die Treppen nach oben rannte. Der Troll lief ihnen brüllend nach und schwang seine Keule. Wütend räumte er eine Reihe von Ritterrüstungen ab als seien sie beim Bowling.
„Los, hier hinein!“, sagte Harry und öffnete die nächstbeste Tür. Dahinter landeten sie in einem Flur, der aussah als sei hier schon ewig nicht mehr geputzt worden.
„Hier macht Filch wohl auch nie sauber!“, sagte Harry.
Draco war völlig aus der Puste und stemmte sich auf die Knie. Dann krachte etwas großes, schweres gegen die Tür. Der Troll hatte sie gefunden. Erneut packte Harry Draco und lief den Korridor entlang bis zu einer weiteren Tür. Sie war abgeschlossen.
„Das ist jetzt nicht deren ernst!?“, rief Draco panisch.
Krach! Der Troll hatte die vorherige Tür aufgebrochen und kam nun mit erhobener Keule auf sie zu gestampft. Harry und Draco pressten sich Arm in Arm schreiend gegen die Tür. Das war es! Gleich würde er sie zermatschen! Der Troll schlug mit aller Wucht auf die Stelle an der sie gerade standen, doch im letzten Moment stoben Harry und Draco auseinander. Mit einem mächtigen krachen ging auch diese Tür zu Bruch. Ängstlich flüchteten sie sich in den nächsten Raum. Gerade als sie aufatmen wollten sahen sie das: einen gewaltigen dreiköpfigen Hund.
„Das ist doch nicht deren ernst!?“, rief Draco erneut.
Harry stimmte ihm zu. Sollten sie jetzt zermatscht und gefressen werden? Doch dann geschah das undenkbare. Der riesige Hund stürzte sich auf den Troll. Während die beiden Monster miteinander rangen ergriff Harry die Gelegenheit; er floh, Draco hinter sich herziehend, durch die zerstörte Tür zurück in den Flur und von dort die Treppen hinunter in die Kerker. Als sie völlig aus der Puste am Portrait ihres Gemeinschaftsraums ankamen erwartete sie dahinter bereits einer der Vertrauensschüler. Der sah sie erbost an.
„Sagt mal, wo kommt ihr denn her? Da draußen läuft ein Troll frei herum!“, sagte er außer sich .
„Wissen wir.“, antworteten Harry und Draco simultan. Sie mussten plötzlich beide anfangen loszuprusten und kriegten sich nicht mehr ein.
„Das ist überhaupt nicht witzig!“, sagte der Vertrauensschüler entrüstet. „Wartet nur bis Professor Snape davon erfährt!“
Doch Professor Snape war ihnen gerade völlig egal. Sie hatten gerade die Begegnung mit einem Troll und einem Monsterhund überlebt! Das kam ins Guinessbuch der Rekorde!
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Nachdem die Panik in der Großen Halle sich langsam gelegt hatte eilte Severus Albus und Minerva hinterher. Sie wussten, dass es kein Zufall sein konnte. Den armen Quirell ließen sie fürs erste liegen, wo er war. Sie rannten hinunter in die Kerker, doch anstelle des Trolls fanden sie nur eine Spur der Verwüstung vor, der sie weiter folgten. Es war als sei der Troll in Rage etwas oder jemanden hinterher gerannt. Überall lagen zerkloppte Rüstungen herum. Der eine oder andere Helm kullerte noch die Stufen in der Eingangshalle hinunter. Offensichtlich hatte der Troll den Weg nach oben genommen. Sie folgten den Stufen hinauf und fanden sich schließlich an der Tür zum dritten Stock wieder.
„Zauberstäbe raus!“, befahl Albus.
Aus dem Korridor hallten Kampfgeräusche und ein jämmerliches Gauksen. Severus und Minerva zogen ihre Zauberstäbe und folgten dem Flur. An dessen Ende fanden sie den Troll wie er mit dem Hund Fluffy kämpfte. Zugegeben, Severus hätte ein derartiges Untier niemals so genannt, aber Hagrid hatte nun einmal ein Faible für Monster mit niedlichen Namen.
„Stupor!“, rief Albus und ein roter Blitz traf den Troll im Rücken. Wehklagend wandte er sich zu ihnen um. Severus und Minerva feuerten ebenfalls Schockzauber auf ihn ab. Der Troll schrie schmerzerfüllt auf, doch schließlich verdrehte er die Augen und krachte ohnmächtig vor sie hin. Dabei nahm er jedoch noch die Wand mit und hinterließ ein riesigen Loch. Fluffy bellte triumphierend.
„“Guter Fluffy! Feiner Fluffy!“, sagte Albus und warf dem Hund einige Leckerlis aus seiner Umhangtasche hin.
Derweil interessierte Severus sich für den Boden. Im Staub erkannte er die Abdrücke von Schuhen und sie gehörten definitiv zu keinem Erwachsenen.
„Ein Problem gelöst, bleiben noch tausend.“, sagte Severus.
„Wie meinen?“, fragte Albus.
„Der Troll hatte es offenbar auf ein paar Schüler abgesehen.“, antwortete Severus und deutete auf die staubigen Spuren.
„Interessant und ganz offensichtlich haben sie ihr kleines Abenteuer auch noch überlebt.“
„Ich werde herausfinden, wer es war.“, sagte Severus. „Vielleicht haben sie etwas gesehen.“
„Hmm.“, machte Albus und streichelte Fluffys Pfote. „Die Frage ist doch eher wer den Troll freigelassen hat. Nun offensichtlich ein Ablenkungsmanöver, das gescheitert ist.“
„Das müssen Sie fragen? Der einzige Verdächtige hätte wirklich zum Film gehen sollen. Das war bühnenreif, finden Sie nicht auch?“, erwiderte Severus.
„Sie verdächtigen doch nicht etwa den armen Quirell?“, fragte Minerva.
„Wen denn sonst? Außerdem, ist Ihnen aufgefallen, dass er kein einziges Mal gestottert hat?“
„Vermutlich das Adrenalin.“, schloss Minerva.
„Quatsch!“, sagte Severus.
„Was schlagen Sie vor?“, fragte Albus.
„Ich könnte ihn ausquetschen.“, antwortete Severus.
„Ich werde keinen meiner Lehrer einem Verhör unterziehen solange seine Schuld nicht bewiesen ist.“, sagte Albus scharf.
„Dann werde ich ihn überwachen. Für alle Fälle. Meine Ahnungen stimmen nämlich auch hin und wieder.“, entgegnete Severus.
In ihre Überlegungen zu Voldemort war Quirell bisher nur am Rande eingeflossen. Er war seit einer Bildungsreise nach Albanien nicht mehr ganz der Alte. Albus schob das darauf, dass er für den Außendienst eben ungeeignet sei und bei seinen Büchern bleiben sollte. Was aber wenn er dort nicht nur ein paar wild gewordenen Werwölfen und Vampiren begegnet war? Severus schien das zumindest plausibler nach dem heutigen Abend.
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Harry und Draco lagen in ihren Betten im Jungenschlafsaal, doch keiner von ihnen konnte ein Auge zu tun nach dem, was sie erlebt hatten.
„Draco, he, Draco!“, zischte Harry zu seinem Kumpel hinüber.
„Was denn?“
„Schläfst du schon?“, fragte Harry.
„Na, jetzt nicht mehr.“, erwiderte Draco.
„Weißt du warum die einen dreiköpfigen Monsterhund haben?“, fragte Harry.
„Nein und ehrlich will ich es auch gar nicht wissen. Verdammt, Harry, das war der verbotene, dritte Stock! Erinnerst du dich? Jetzt wissen wir auch warum er verboten ist!“, sagte Draco.
„Aber warum stellen die so ein Vieh mitten in die Schule?“
„Keine Ahnung.“, antwortete Draco.
„Vielleicht bewacht er etwas?“, fragte sich Harry laut. „Weißt du noch, dieses Etwas, was aus Gringotts geklaut wurde?“
„Jetzt fang nicht wieder damit an!“, erwiderte Draco. „Das geht uns absolut nichts an. Wir sind gerade so mit dem Leben davon gekommen! Jeder andere würde an der Stelle aufhören, verstehst du das, du Irrer?“
„Ja, aber was könnte es sein, dass so wichtig ist, dass man dafür so ein Monster als Wache abstellt?“, fragte Harry.
„Du machst mich echt wahnsinnig, weißt du das?“, entgegnete Draco gereizt. „Warum musst du dich denn da reinhängen?“
„Weil ich … weil ich … ich weiß auch nicht. Das ist so eine Ahnung, dass es wichtig ist.“, sagte Harry.
„Wegen einer Ahnung will ich aber nicht drauf gehen!“, erwiderte Draco ärgerlich. „Vergiss es einfach, okay?“
Draco drehte sich auf die Seite und zeigte Harry die kalte Schulter. Enttäuschung machte sich in ihm breit. So eine große Klappe Draco auch immer hatte, wenn es hart auf hart kam zog er den Schwanz ein. Harry hingegen hatte richtig gespürt wie ihn das Adrenalin antrieb. Fast als brauche er die Gefahr. Es war völlig irrwitzig!
Während er sich die Nacht um die Ohren schlug reifte jedoch ein neuer Plan in seinem Kopf. Er würde zu Hagrid gehen und ihn fragen. Hagrid wusste bestimmt, was da vor sich ging!