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Prolog:
Leb deinen Traum
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An manchen Tagen wäre ich gerne an zwei Orten gleichzeitig. Heute ist einer dieser Tage. In den letzten Monaten habe ich auf diesen Moment hingearbeitet. Meine eigene Ausstellung in einer Galerie in San Francisco zu haben, ist ein Lebenstraum, den ich mir seit Jahren erfüllen wollte. Und trotzdem wäre ich jetzt doch gerne in Los Angeles, um meinen Liebsten zu begleiten. Auch Killian kann heute einen Meilenstein abhaken und ich wäre zu gerne dabei. So unauffällig wie möglich bewege ich mich an den Besuchern vorbei. Heute sind nicht nur meine Freunde und meine Familie gekommen, um mir mich zu unterstützen, ich sehe auch viele mir vollkommen unbekannte Gesichter. Das ist ein gutes Zeichen.
Ich verstecke mich in einer unscheinbaren Ecke. Der helle Raum ist verwinkelt genug, um einzelne Menschen zu übersehen und meine Bilder sollten ohnehin die gesamte Aufmerksamkeit der Besucher auf sich lenken. Trotzdem weiß ich nicht, wie viel Zeit mir bleibt. Ein wenig hektisch stecke ich den verknoteten Kopfhörer in mein Ohr und tippe auf das Display meines Smartphones. Der Livestream lädt, doch dann erblicke ich Killian. Er gibt gerade ein Interview. Mein aufgeregtes Herz schlägt noch schneller, als ich sein Lächeln sehe. Ich liebe die Grübchen, die sich an seinen Wangen abzeichnen. Sie sind deutlich zu sehen, auch wenn sein Dreitagebart davon ablenkt. Obwohl er immer wieder nervös ist, wenn er seine wohlverdiente Aufmerksamkeit bekommt, schlägt er sich ausgesprochen gut vor der Kamera. Seine freundliche und humorvoll ehrliche Art macht seinen Charme aus. Seine blauen Augen strahlen förmlich, als er eine Frage nach seiner Musik beantwortet.
„Ich mache schon ewig Musik, fast mein Leben lang, um genau zu sein. Meine erste Gitarre habe ich mit sechs bekommen. Ich hatte ein paar Stunden, aber habe mir vieles selbst beigebracht, weil damals das Geld sehr knapp war.“
Ich sehe von dem Bildschirm auf und lasse meinen Blick durch die Galerie schweifen, ehe ich wieder auf das Display sehe. Solange mich niemand in der Ecke bemerkt und anspricht, gilt Killian meine gesamte Aufmerksamkeit.
„Je älter ich wurde, desto wichtiger wurde die Musik in meinem Leben. Es fällt mir schwer, über meine Probleme und Gefühle zu reden, aber durch die Musik habe ich eine Möglichkeit gefunden, all das zu verarbeiten, was in meinem Leben passiert ist. Über all die Erlebnisse zu schreiben und Musik zu machen hilft mir, mich auszudrücken.“ Nun lacht er. „Es ist immer noch sehr überwältigend, dass meine Musik mittlerweile außerhalb von kleinen Clubs in San Francisco bekannt ist. Meine erste Single wurde im Radio gespielt und jedes Mal, wenn ich mich selbst irgendwo gehört habe, hatte ich dieses Gefühl von ‚Ja, Killian, das ist kein Traum, das ist deine Stimme, dein Song‘ und ich kann das immer noch nicht richtig glauben. Vollkommen fremde Menschen schreiben mir, dass sie meine Musik lieben und dass ich ihnen geholfen habe, durch eine schwere Phase ihres Lebens zu kommen und ich bin vollkommen überwältigt davon. Ich bin noch lange nicht so berühmt wie andere, die heute schon meinen Platz besetzt haben, aber ich bin dankbar, dass ich heute hier sein darf.“
„Apropos. Du hast im letzten Jahr mit Highway 89 getourt. Wie war das für dich? War ja ein großer Sprung von kleinen Nachtclubs zu ausverkauften Hallen.“
Killians breites Lächeln ist nicht zu übersehen. „Es war unglaublich. Die Fanbase von Highway 89 hat mich mit offenen Armen empfangen und meine Streamingzahlen sind in die Höhe geschossen. Das war auch ein toller Boost für mein Ego, wenn ich ehrlich bin.“ Nicht nur er lacht, auch der tätowierte Mann, der ihn interviewt, lacht mit ihm.
Ich werde am Arm berührt, also ziehe ich schnell den Kopfhörer aus meinem Ohr und lasse den Bildschirm meines Smartphones erlöschen. „Entschuldige, ich wollte dich nicht stören, aber jemand verlangt nach dir“, spricht Alex mich an. Er arbeitet in der Galerie und hat sich darum gekümmert, meine Ausstellung in Szene zu setzen. Dass er interessiert daran ist, dass heute alles glatt läuft, ist nur natürlich.
Ich sehe in seine dunklen Augen und entschuldige mich: „Oh, nein, nein. Ich bin ohnehin total unhöflich, aber Killian hat heute diesen Auftritt auf dem Golden Heart Festival und das zu verpassen ist so schwer.“
Er lacht. „Oh ja, hatte ich ganz vergessen. Aber du darfst nicht vergessen, dass das hier auch dein Tag ist und du das genießen solltest.“ Mit einem Lächeln nimmt er mir mein Smartphone ab und steckt es in die Innentasche seines Jacketts. Mit der flachen Hand klopft er an seine Brust, genau auf die Stelle, an der er das Smartphone verwahrt hat. „Du bekommst es später wieder zurück, aber jetzt lässt du dich feiern. Ich bin sicher, dass Killian auch möchte, dass du dich auf dich konzentrierst.“
„Ja“, antworte ich ein wenig verlegen. Ich sehe mich um. „Heute ist auch mein Tag.“
„Und nichts in der Welt kann dir das vermiesen“, erinnert Alex mich.
Alex legt seine Hand zwischen meine Schulterblätter und gibt mir einen sanften Schubs, um mich dazu zu bringen, mich wieder unter die Leute zu mischen. Dass er mir mein Smartphone weggenommen hat, ist gemein, aber wenn er es nicht getan hätte, würde ich mich wahrscheinlich auf der Damentoilette verstecken und den Livestream verfolgen. Wenn es um Killian geht, bin ich zu schwach, um zu widerstehen. Wenn er mich nicht dazu gezwungen hätte, in San Francisco zu bleiben, hätte ich den heutigen Abend in der ersten Reihe auf dem Festival verbracht, um bei ihm zu sein und ihn zu unterstützen. Das hätte der Stimmung bei der Eröffnung meiner Ausstellung wahrscheinlich nicht besonders gutgetan.
Alex führt mich zu dem Gast, der es kaum erwarten kann, mich zu sprechen. Überrascht weiten sich meine Augen, als ich Dan erblicke. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er zur Eröffnung meiner Ausstellung kommt. „Dan? Du hier?“, frage ich verwirrt. Wir begrüßen uns mit Küsschen links und Küsschen rechts. „Solltest du nicht auf dem Festival sein? Das ist doch deine Zeit, um im Rampenlicht zu stehen.“
Er winkt ab. „Nein, ich hatte gestern bei der Eröffnung meinen Moment. Heute ist wieder Business angesagt.“ Um das zu verdeutlichen legt er seine Hand an die Brust und sieht an sich herunter, bevor er mir wieder ein Lächeln schenkt.
„Du warst großartig“, erinnere ich mich. „Kaum wiederzuerkennen, wenn du keinen Anzug trägst, sondern die Bühne rockst. Du kannst noch gut mit den Jungs mithalten.“
Lachend streicht er durch sein Haar. „Das klingt fast, als hättest du mich _alt genannt, aber dir kann ich das verzeihen.“ Er sieht sich um. „Du kannst wirklich stolz auf dich sein, Ilaria. Deine Bilder sind umwerfend. Ich hoffe, dass ich die Tage Zeit finde, mir deine Ausstellung in Ruhe ansehen zu können.“
„Oh, dann bist du im Stress?“, hake ich nach.
Er nickt. „Ja, leider. Ich treffe mich noch mit meinem Architekten und einem Makler. Wir sehen uns ein paar Hotels an. Nachdem es in Los Angeles jetzt endlich rund läuft, will ich auch ein Heim in San Francisco eröffnen. Es wird höchste Zeit, dass sich die Angebote für meine obdachlosen Freunde bessern. Die steigenden Preise drängen immer mehr Leute auf die Straße und sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern, ist wichtig.“ Dans Blick ändert sich, als er von seinem Projekt erzählt. Erst wirkt er traurig, doch dann lächelt er wieder. Dan macht einen guten Job. Er nutzt seinen Reichtum seit Jahren dafür, obdachlosen Menschen wieder ein Zuhause zu geben, sie mit Essen, Kleidung und Hygieneartikeln zu versorgen und ihnen Arztbesuche und Therapieplätze zu ermöglichen. Und obwohl er all das im Kopf hat, findet er Zeit dafür, mich an meinem großen Tag zu unterstützen. Ich fühle mich geehrt, dass er an mich gedacht hat.
„Wenn es etwas gibt, dass ich tun kann, um zu helfen, dann kannst du auf mich zählen“, versichere ich ihm.
Dan lächelt nun breiter. „Falls dich dein Leben in der nächsten Zeit wieder nach L.A. führt, könnten wir dich wieder als Freiwillige an der Essensausgabe gebrauchen. Mir wurde gesagt, dass es schon fast einen Aufstand gab, weil du nicht mehr da bist. Du hast viele gebrochene Herzen hinterlassen, meine Liebe.“
Dan bringt mich zum Lachen. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, wer dafür verantwortlich ist, aber ich werde keine Namen nennen.“
„Ich bin ziemlich sicher, dass ich bereits einen Verdacht habe.“ Dan blickt auf seine Uhr. „Tut mir leid, ich würde gerne bleiben, um zu plaudern, aber ich muss jetzt leider los.“
„Danke, dass du hier warst und danke für die Blumen. Sie sind wirklich schön.“
„Ich bin ehrlich, mein Assistent hat sie ausgesucht“, gesteht er, worauf ich lache.
„Dann werde ich die Dankeskarte an ihn adressieren.“
„Ehre, wem Ehre gebührt. Ryan macht einen tollen Job.“
„Das lässt sich nicht bestreiten.“ Bevor er geht, nehme ich noch einen der Flyer aus der an der Wand befestigten Halterung. „Falls du es doch nicht schaffst, kannst du dir den Flyer im Flugzeug ansehen.“ Ich überreiche Dan den Flyer, den er sofort an sein Herz drückt.
„Ich werde ihn für immer in Ehren halten“, verspricht er mit einem frechen Grinsen.
„Hör auf, du machst mich verlegen“, bitte ich ihn amüsiert. „Wir sehen uns, Dan.“
„Hoffentlich bald.“
Er macht sich auf den Weg, die Galerie zu verlassen, dreht sich jedoch noch einmal um, um mich anzulächeln. Dass er sich für mich Zeit genommen hat, bringt auch mich zum Lächeln. Wir haben ihm viel zu verdanken. Er hat Killian eine Chance gegeben und ihn in seinem Label aufgenommen. Er hat außerdem dafür gesorgt, dass er mit Highway 89 auf Tour geht. Das hat Killians Bekanntheitsgrad auf einen neuen Level gebracht. Das alles hätte mein Liebster jedoch nicht ohne sein Talent, seiner Stimme und seiner Hartnäckigkeit geschafft.
„Wir haben einen Käufer“, erklingt Alex’ Stimme hinter mir. Ich erwache aus meinen Gedanken und drehe mich zu ihm. „Und er will dich kennenlernen.“
„Einen Käufer? Ich verkaufe etwas?“, frage ich überrascht.
„Tu nicht so, als würdest du zum ersten Mal hören, dass jemand für deine Kunst bezahlen will.“ Mit seiner Hand winkt er mich herbei. „Komm.“
Ich nicke eifrig und begleite Alex zu dem Käufer. Je näher ich dem Mann komme, desto bekannter erscheint er mir. Sein Gesicht kann ich jedoch nicht zuordnen. Als uns jedoch nur noch wenige Schritte trennen, fällt es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Matt. Mein Ex-Verlobter.
„Was machst du denn hier?“, frage ich irritiert.
„Ich konnte doch nicht deine erste Ausstellung verpassen. Außerdem kann ich mich noch gut daran erinnern, dass ich dir versprochen habe, dass ich da sein werde.“
Fassungslos schüttle ich den Kopf und wende mich an Alex. „Entschuldigst du uns?“
„Ja, selbstverständlich.“ Er nimmt einen Schritt Abstand. „Ich bin da hinten, wenn du mich brauchst.“
Ich nicke. „Danke.“ Er lässt uns beide bei einem meiner Kunstwerke zurück. Das Bild ist eines meiner Feenwald-Werke. Das erste habe ich damals am College gemalt und Matt hat es damals gekauft. Es hing in unserem Haus, als wir noch zusammen waren. „Das ist Jahre her, Matt“, erinnere ich ihn. Ich verschränke meine Arme. Nach unserer harten Trennung haben wir uns zwar wieder versöhnt. Ich hatte allerdings kein großes Interesse daran, ihn wiederzusehen. Es ist viel zu viel vorgefallen.
„Aber ein Versprechen ist ein Versprechen. Es lag nicht nur an dir, dass ich deine Kunst mochte“, erzählt er weiter, dabei gestikuliert er zu dem Bild, dass er gerne kaufen möchte oder es bereits getan hat. „Sie hat mir immer gefallen, weil du eine talentierte Künstlerin bist. Deine Bilder sind magisch.“ Matts Blick wandert von mir. Sein freundlicher Gesichtsausdruck wächst nun zu einem breiten Lächeln. „Uns beiden gefallen deine Werke.“
„Was? Euch beiden?“ Irritiert drehe ich mich um. Eine offensichtlich schwangere Frau spaziert an mir vorbei. Matt hebt seinen Arm und sie schmiegt sich an seine Seite. Sie streichelt ihren Babybauch und lächelt mich glücklich an. Mir fällt der große Diamantring an ihrem Finger auf. Er erinnert mich sehr stark an das Schmuckstück, dass auch ich an meinem Finger getragen habe, als ich an Matts Seite war. Ich kann gar nicht glauben, was ich da gerade sehe. Wäre ich ein gehässiger Mensch, würde mir die Ähnlichkeit dieser Frau sauer aufstoßen. Ich bin überrascht, vielleicht auch ein bisschen verwirrt, aber hauptsächlich überrascht.
„Oh, du hast sie gefunden. Ein Glück.“ Ihre Freude wirkt so ehrlich, dass ich wegen meinen Gedanken ein schlechtes Gewissen bekomme.
„Hi, ich bin Miranda.“ Sie reicht mir ihre Hand, die ich sofort annehme. „Ist wahrscheinlich komisch, den Ex bei der Eröffnung deiner Ausstellung zu treffen.“
„Ja, das kannst du laut sagen“, antworte ich, ehe ich lache, um meine Verlegenheit zu überspielen. „Damit habe ich nicht gerechnet.“
„Ich konnte nicht anders. Als ich gelesen habe, dass deine Bilder in einer Galerie ausgestellt werden, habe ich Matt sofort gesagt, dass wir nach San Francisco fahren. Ich liebe deine Kunst“, schwärmt Miranda fröhlich. Strahlend wirft sie einen Blick auf das Gemälde. Ich kann das glückliche Leuchten in ihren Augen sehen. „Und ich musste das Bild unbedingt für das Zimmer der Zwillinge haben.“ Mit einer Hand streichelt Miranda über ihren Bauch, die andere legt sie an ihr Dekolleté. „Deine Ausstellung lädt zum Träumen ein und du bist so schön. Wie eine Fee aus einem Märchen. Mit diesen tollen blauen Locken und diesen Blumen im Haar.“ Miranda presst ihre Lippen zusammen. Sie ist den Tränen nahe. Ihre ehrliche Freude rührt mich zu tiefst. Ich bin so überfordert, dass ich gar nicht richtig reagieren kann. Noch nie hat jemand so intensiv auf meine Kunstwerke reagiert. Am liebsten würde ich sie fest in den Arm nehmen und mich für ihr Kommen bedanken, doch ich weiß nicht, ob das angebracht wäre.
„Die Hormone“, meint Matt, als wäre es für ihn vollkommen normal, seine Frau weinen zu sehen. „Erst glücklich, dann weint sie.“ Er reicht ihr ein Taschentuch aus seiner Hosentasche. „Hier, mein Schatz.“
„Danke. Tut mir leid, Ilaria. Ich wollte eigentlich cool und locker sein, aber ich bin nicht gut darin.“ Sie streicht sich eine ihrer blonden Haarsträhnen hinter ihr Ohr und putzt sich die Nase. „Ich bin schon so lange ein Fan und jetzt blamiere ich mich vor dir.“
„Nein, das ist vollkommen in Ordnung. Es ist mehr als in Ordnung. Ich bin wirklich dankbar, dass ihr gekommen seid und dass eines meiner Werke in so liebevollen Händen landet“, tröste ich sie. Vorsichtig strecke ich meine Hand nach ihr aus und streichle über ihren Oberarm. „Ist aber ein weiter Weg von Indiana, nur um meine Ausstellung zu besuchen, oder? Vor allem mit so einem Babybauch.“ Gerade als es mir über die Lippen kommt, fühle ich mich mies. Als hochschwangere Frau will man bestimmt nicht auf seinen Bauch aufmerksam gemacht werden. „Entschuldige, ich bin unsensibel. Du siehst toll aus. Dein Kleid gefällt mir. Ich liebe dieses zarte Rosa.“
Miranda lächelt mich an. „Danke. Es ist schwer, mit den beiden etwas zum Anziehen zu finden. Ich habe das Gefühl, dass mein Bauch schon wieder aus dem Kleid gewachsen ist, noch bevor ich es bezahlt habe.“ Sie streichelt wieder ihren Bauch. Der glänzende Ring fängt meine gesamte Aufmerksamkeit. Es ist, als würde ich in einen seltsamen Spiegel sehen, der mir zeigt, wie mein Leben in einer alternativen Welt ausgesehen hätte.
„Weißt du, wir wohnen jetzt in Sacramento. So weit war es also gar nicht“, antwortet nun auch Matt, um etwas Klarheit in meine Verwirrung zu bringen. „Jetzt bin ich doch in Kalifornien gelandet. Schon witzig, wie das Leben manchmal läuft.“
„Ja, witzig“, stimme ich ihm zu. „Ich, ähm, falls ihr noch an anderen Werken interessiert seid, findet ihr überall Broschüren mit Informationen zu meinen Kunstwerken.“ Ich deute in Richtung des Buffets. „Es gibt auch zu essen und zu trinken. Ich persönlich kann die Cupcakes sehr empfehlen, sie sind von Comfy Lullaby. Gracie ist eine begnadete Bäckerin.“
Mirandas Augen leuchten auf. „Cupcakes? Ich muss zum Buffet.“ Sie lacht, dann greift sie sich wieder Matts starken Arm. „Komm, Schatz.“ Mit einem Lächeln wendet sie sich wieder an mich. „Es hat mich wirklich sehr gefreut, dich kennenzulernen, Ilaria. Bitte hör niemals auf zu malen, man spürt die Liebe, die du in jeden Pinselstrich legst.“
Nun bin ich diejenige, die glasige Augen bekommt. „Danke, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, antworte ich ihr mit einem leichten Lächeln, dann sehe ich hoch, um meine Tränen wegzublinzeln. Als ich mich wieder gefangen habe, spreche ich weiter: „Vielen Dank, dass ihr gekommen seid. Ich weiß das sehr zu schätzen.“ Obwohl Mirandas Babybauch und der glänzende Ring meinen Blick ein weiteres Mal fangen, sehe ich auch wieder zu Matt. „Es war schön, dich wiederzusehen. Trotz … naja allem.“ Matt nickt, dann drückt er seine neue Frau wieder an seine Seite. „Ich wünsche euch alles Liebe.“ Mein Blick fällt wieder auf Miranda. „Auch für eure Zwillinge.“
„Danke“, antwortet sie mit einem breiten Lächeln.
„Na dann, auf zum Buffet, hm?“, schlägt Matt vor, was Miranda ein weiteres mal erstrahlen lässt. Sie sieht so unglaublich süß aus, als sie fröhlich vorauswatschelt.
Ich bin vollkommen überwältigt von der Liebe, die Miranda meiner Kunst entgegenbringt. Ihre Freude über meine Bilder überstrahlt alles, was zwischen Matt und mir passiert ist. Ich nehme mir vor, mich mit einem kleinen Geschenk bei ihr zu bedanken. Als Alex wieder auf mich zukommt, strecke ich meine Hand aus. Er versteht sofort, was ich möchte und greift in die Innentasche seines Jacketts.
„Alles okay? Weinst du?“, fragt er mich. Ich bekomme nicht nur mein Smartphone, sondern auch ein Taschentuch.
„Es ist alles in Ordnung, das war nur gerade etwas viel für mich. Falls mich jemand sucht, verschaff mir bitte ein bisschen Zeit. Ich muss kurz an die frische Luft“, erkläre ich, dabei entferne ich mich schon von Alex. Mit dem Taschentuch tupfe ich vorsichtig über meine Augen.
„Bist du sicher, dass alles gut ist?“, hakt er noch einmal besorgt nach.
„Ja.“
Ich verschwinde durch eine Hintertür nach draußen. Nervös tippe ich auf mein Display. Der Empfang ist schrecklich, doch ich stecke meinen Kopfhörer in mein Ohr. Als die Übertragung wieder läuft, ist sie recht verpixelt. Ich bin enttäuscht, als ich realisiere, dass Killian sich gerade verabschiedet und von der Bühne tritt. Ich habe seinen Auftritt verpasst. Schmollend wechsle ich zu einer anderen App und tippe eine Nachricht an meinen Liebsten.
Ilaria: ‚Oh nein! Ich habe deinen Auftritt verpasst! Aber du hast vor der Kamera so toll ausgesehen. Ich liebe dich!‘
Eigentlich würde ich gerne eine Pause machen und auf eine Antwort von Killian warten, doch der Geruch der Hintergasse ist alles andere als angenehm. Ich werfe noch einen letzten Blick auf das Display. Er hat die Nachricht empfangen, gelesen hat er sie jedoch noch nicht. Ich bin ziemlich sicher, dass sein Smartphone in irgendeiner Garderobe in einem Spind liegt.
„Genieß deinen Moment, Killian“, flüstere ich mehr zu mich selbst, denn von Los Angeles aus kann er mich nicht hören.
Ich ziehe die schwere Tür auf und spaziere wieder in die Galerie. Alex nimmt mich sofort wieder in Beschlag. Mein Smartphone verschwindet wieder in der Innentasche seines Jacketts. Der restliche Abend verläuft besser als erwartet. Er stellt mich einigen Leuten vor und ich unterhalte mich köstlich. Daddy bringt einen von Gracies Cupcakes für mich in Sicherheit, sodass ich ihn heute Nacht in Ruhe essen kann, während ich mir Killians Interview ansehe.
Ich blättere durch eines der Prospekte, in dem all meine Bilder aufgelistet sind. Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen sehe ich mich in der Galerie um. Ich habe es geschafft. Endlich bin ich eine richtige Künstlerin. Mein Weg ist hier jedoch noch lange nicht zu Ende. Im Gegenteil: Meine Reise fängt gerade erst an. Ich unterdrücke mein freudiges Quietschen, als ich das Hochglanzprospekt gegen meine Brust drücke.