╭─━ · • ✤ • · ━━━━━━━━━━━━━━━━━━━━─╮
Kapitel 9:
Über den Wolken
╰─━━━━━━━━━━━━━━━━━━━ · • ✤ • · ━─╯
Aufgeregt verfrachte ich meinen kleinen, pinken Rollkoffer in die Gepäckablage über meiner Sitzreihe. Killian wiederzusehen, ihn berühren und küssen zu können, fühlt sich an wie eine Belohnung für die harte Arbeit, die ich in den letzten Tagen in mein Geschäft gesteckt habe. Die Organisation meines Büros und die Vorbereitung für den Launch war längst überfällig. Mein fertiger Schmuck ist geordnet und bereit, verpackt und an glückliche Kunden verschickt zu werden. Dass ein Paketdienst meine Ware jetzt direkt von meinem Haus abholt, wird mir das Leben erleichtern. Die nächsten Tage, die ich mit Killian in New York verbringe, habe ich mir redlich verdient. Meine Finger und auch mein Kopf können den Kurzurlaub gut gebrauchen.
Ich nehme am Fenster Platz und mache es mir bequem. Economy zu fliegen, stört mich nicht, wenn ich alleine unterwegs bin, immerhin kann ich mich ganz gut beschäftigen. Ich verbringe die Zeit damit, auf meinem Tablet zu malen, Ideen festzuhalten, zu lesen oder Musik zu hören, während ich aus dem Fenster sehe und die Welt an mir vorbeiziehen lasse. Ich atme tief durch und setze meine Kopfhörer auf. Wenn ich nicht gestört werden möchte lege ich großen Wert darauf, auffällige Kopfhörer zu tragen, so werde ich seltener angesprochen, zumindest bilde ich mir das ein. Nervös spiele ich mit einer Perle meines Armbands. Die große Perle lässt sich locker zwischen meinen Fingern drehen, das hilft mir dabei, die nervöse Energie loszuwerden, die sich schon seit heute Morgen in mir angestaut hat. Ich schieße ein Foto von dem Flughafen und poste es mit einem hübschen Filter in meiner Story. Killian bekommt eine Nachricht von mir. Schon seit ich das Haus verlassen habe, halte ich ihn auf dem Laufenden, wo ich bin, was ich mache und wie lange es noch dauert, bis es endlich losgeht. Obwohl Killian noch schläft und noch nicht geantwortet hat, weiß ich, dass er sich freut, dass ich ihn in meinen Tag einbinde.
Ich sehe auf, als ich angesprochen werde. Eine unzufrieden aussehende Frau sieht mich an. Sie schnippt unhöflich und fast schon aggressiv in mein Gesicht, also weiche ich ein wenig zurück und schiebe die Kopfhörer von meinen Ohren. „Na endlich. Steh' auf, der Platz gehört meiner Tochter.“
„Oh, tut mir leid.“ Ich ziehe das Ticket aus dem Seitenfach meiner Handtasche und kontrolliere, ob ich mich in der Reihe geirrt habe. Um sicher zu gehen, überprüfe ich die Zahlen doppelt, ehe ich mich wieder an die Frau wende: „Nein, das hier ist mein Sitz. Hier, die Nummer.“ Ich tippe darauf und zeige ihr die Nummer an meinem Sitz. „Es tut mir leid, Sie müssen sich in der Reihe geirrt haben.“
Anstatt auf ihr Ticket zu sehen, sieht sie mich weiterhin starr an, dabei schnalzt sie mit der Zunge. „Meine Tochter will aus dem Fenster sehen.“
Irritiert sehe ich die Frau an, dann antworte ich ihr: „Tut mir leid, aber das ist mein Sitzplatz. Ich habe ihn mir ausgesucht und dafür bezahlt. Im Flugzeug gibt es keine freie Platzwahl.“ Die aggressive Energie, die die Frau ausstrahlt, bereitet mir Magenschmerzen.
„Meine Tochter will aus dem Fenster sehen. Wie kann man nur so herzlos sein und einem kleinen, unschuldigen Kind diesen Wunsch verwehren? Es ist nur ein Sitzplatz.“ Sie legt ihre Hand auf den Rücken ihrer Tochter und schiebt sie ein Stück vor, um mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Sie spricht noch lauter als ohnehin schon: „Na los, sag es ihr ins Gesicht. Sag meinem Kind, dass sie den Sitzplatz nicht verdient hat. Sag es ihr ins Gesicht.“
Völlig perplex sehe ich die Frau an. Ihre dreiste Forderung und die offensichtliche Manipulation machen mich sprachlos. Ich sehe mich nach dem Flugpersonal um, doch alles, was ich entdecke, ist ein Smartphone, das in unsere Richtung gehalten wird. Der grundlos angefangene Streit wird bereits jetzt auf Video aufgezeichnet. Mein schlechtes Gewissen wird immer größer, als die unhöfliche Frau ihr Kind noch weiter in meine Richtung drückt. Sie steht bereits neben mir vor dem mittleren Sitz. Ihre Füße berühren die Seite meines Schuhs, also ziehe ich meinen Fuß zur Seite. Mit ihren Lippen formt das Mädchen ein lautloses ‚Sorry‘. Der Blick in ihren Augen verrät mir, dass sie sich genauso unwohl fühlt, wie ich es tue. Mein Herz schlägt immer schneller. Ich zögere einen Moment mit meiner Entscheidung, aber dann stehe ich auf, um dem Mädchen meinen Sitz zu überlassen. Sie kann nichts dafür, dass ihre Mutter sie in eine dermaßen unangenehme Situation bringt.
„Ja, warum denn nicht gleich so? Mein armes Mädchen so lange warten zu lassen. Was für eine Unverschämtheit. Ihr jungen Leute habt überhaupt kein Benehmen. Kein Wunder bei dieser grässlichen Haarfarbe.“
Das Mädchen bekommt meinen Fensterplatz, die Mutter nimmt in der Mitte Platz und ich werde an den Gang verdrängt, wo ich eigentlich sehr ungerne sitzen möchte. Die Frau macht sofort klar, dass die Armlehne ihr gehört. Im Augenwinkel bemerke ich, dass das Smartphone immer noch auf mich und unsere Reihe gerichtet ist. Es ist mir unangenehm, doch ich will die Frau gegenüber auch nicht bitten, die Videoaufnahme zu beenden. Die Situation ist so bizarr, dass ich nicht weiß, was ich genau machen soll. Fest steht, dass ich es nicht gebrauchen kann, wenn ein negativ behaftetes Video von mir im Internet landet und schlimmstenfalls viral geht. Ein negatives Video könnte Killians Karriere schaden und mir mein Geschäft ruinieren. So kurz vor dem Launch meiner neuen Kollektion kann ich das am wenigsten gebrauchen. Das Timing könnte nicht schlimmer sein. Als mein unwohles Gefühl immer größer wird, setze ich meine Kopfhörer wieder auf meine Ohren und senke den Blick. Killians Stimme hilft mir dabei, mich wieder ein wenig zu beruhigen. Ich halte meine Tasche fest in meinen Händen, dann konzentriere ich mich auf meine Atmung. Es ist wichtig, dass ich mich zusammenreiße und nicht anfange zu weinen. Spätestens, wenn das Flugzeug startet, wird sie die Videoaufnahme stoppen und all die schlechten Gefühle werden verschwinden. Mit geschlossenen Augen atme ich noch einmal tief durch, dann sehe ich wieder auf.
Die Schließmechanismen der Gepäckhalterung werden überprüft, wir werden angewiesen, uns anzuschnallen und auch die Sicherheitsanweisungen werden vorgeführt. Eigentlich wollte ich beobachten, wie wir über das Rollfeld fahren. Ich wollte die anderen Flugzeuge sehen und ich wollte beobachten, wie San Francisco immer kleiner wird. Eigentlich wollte ich auch ein Foto von einem Flügel über den Wolken machen, doch dieses Mal ist der Innenraum des Flugzeugs meine Aussicht. Die Stunden, die ich nun an der Seite dieser furchtbaren Person verbringen muss, werden sehr, sehr langsam vergehen. Um mich abzulenken, versenke ich meine Nase in einem Buch, das ich mir eingepackt habe, um die langweiligen Wartezeiten mit etwas Fantasy aufzuhellen.
Als wir wieder unsere Plätze verlassen dürfen, steht die Frau neben mir auf. Ich zucke zusammen, als sie mir gegen mein Schienbein tritt, mache ihr aber so schnell wie möglich Platz. Als ihr Ellbogen näherkommt, hebe ich mein Buch, um den vermeintlich unbeabsichtigten Angriff abzuwehren. Ich beiße die Zähne zusammen, um sie nicht doch noch in ihre Schranken zu verweisen. Wieso ist sie so verdammt aggressiv und was habe ich ihr schlimmes angetan, um zu ihrer Zielscheibe zu werden? Ich zucke erneut, als mich etwas Kühles am Arm berührt. Schnell nehme ich meine Kopfhörer ab, als ich das Mädchen neben mir ansehe.
„Tut mir leid wegen dem Fensterplatz“, entschuldigt sich das Mädchen sichtlich bedrückt. „Meine Mum macht immer so viel Wind um gar nichts. Ich weiß nicht, wieso sie so ist, aber es gibt jedes Mal neues Drama.“
„Du kannst nichts dafür“, antworte ich ihr mit einem leichten Lächeln. „Manchmal sind Erwachsene sehr gereizt, weil sie so viel im Kopf haben.“
„Ja, kann sein.“ Die Kleine zuckt mit den Schultern. „Mein Dad ist da zum Glück anders. Meine Eltern lassen sich grade scheiden, jetzt streiten sie wegen mir. Ich will lieber bei ihm bleiben. Er ist viel entspannter und ich darf Eis essen.“
Die vielen ungefragten Informationen überraschen mich, doch ich nehme sie zur Kenntnis und antworte: „Wenn sie öfter so ist, halte ich das für eine gute Entscheidung.“
Sie nickt eifrig. „Ja, sie sucht immer grundlos Streit, egal wohin wir gehen. Sie hat auch den Mann beim Drive-In angeschrien, der hat auch nichts gemacht. Und jetzt wollte ich den Platz eigentlich gar nicht haben. Mir ist egal, wo ich sitze. Ich will nur zu meinem Dad.“
„Behalt ihn trotzdem“, versichere ich ihr mit einem Lächeln. Ihr schlechtes Gewissen noch zu befeuern, kommt gar nicht in Frage. „Mir ist auch nicht wichtig, wo ich sitze. Ich kann mein Buch auch hier auf diesem Sitzplatz lesen. Das Wichtigste ist, dass ich meinen Freund bald wiedersehe“, erzähle ich mit einem Lächeln. Es stimmt schon. Dass ich in wenigen Stunden bei Killian bin, ist heute das Wichtigste für mich.
„Habt ihr eine Fernbeziehung?“, fragt das Mädchen neugierig nach. Sie beugt sich in meine Richtung. Ihre blonden Locken schaukeln mit ihrer Bewegung mit.
„Nein, aber er ist Musiker und hat aktuell sehr viele Termine, weil er bald ein neues Album veröffentlicht.“
„Musiker? Oh, das ist so cool.“ Ihre Augen werden größer. Die Faszination ist ihr deutlich anzusehen. „Wer ist er? Kennt man ihn?“
Ich senke meine Stimme und antworte: „Killian Smith. Er war im letzten Jahr mit Highway 89 auf Tour.“ Ich lege meinen Finger an meine Lippen, um ihr zu zeigen, dass es sich um ein Geheimnis handelt.
„Mit Highway 89? Dann ist er ja richtig berühmt“, antwortet sie leise.
„Ja, ein bisschen.“
„Und was machst du?“, erkundigt sie sich neugierig. „Du bist bestimmt ein Model oder eine Schauspielerin.“
„Nein“, antworte ich amüsiert, dabei schüttle ich den Kopf. „Ich stelle Schmuck her und verkaufe ihn im Internet.“ Ich zeige ihr meine Halskette und auch die Armbänder an meinen Handgelenken.
„Wow, wie cool. Und das hast du wirklich selbstgemacht?“ Neugierig greift sie nach meiner Hand und berührt meine Armbänder.
„Ja, das sind meine Schmuckstücke. Hier.“ Ich ziehe eines meiner Armbänder von meinem Handgelenk und reiche es ihr. „Ein Geschenk.“
„Für mich?“ Sie richtet sich auf und blickt über die Reihen, wahrscheinlich, um nach ihrer Mutter Ausschau zu halten. „Danke. Wie heißt du eigentlich?“
„Ilaria und du?“
„Jacky. Oh Mann, meine Mum kommt. Tut mir leid wegen dem Stress.“
„Schon in Ordnung“, antworte ich ihr leise, bevor ich wieder meine Kopfhörer aufsetze und eine defensivere Sitzhaltung einnehme. Auf ein blaues Auge kann ich deutlich verzichten.
Jackys Mom quetscht sich wieder an mir vorbei. Sie scheint sich etwas abreagiert zu haben, denn dieses Mal tritt sie mich nicht und versucht auch nicht, ungebeten weit in meine Wohlfühlzone einzudringen. Ich habe Mitleid mit der kleinen Jacky. Es muss unglaublich anstrengend sein, so eine Mutter zu haben. Wenn ich darüber nachdenke, in wie viele Konflikte sie wohl tagtäglich gerät, schätze ich es noch mehr, dass meine Eltern immer gut zu mir waren.
· • ✤ • ·
Nach dem stressigen, viel zu langen Flug steige ich in ein Uber und fahre zu Killians Hotel. Der Verkehr in New York ist ungefähr so zäh wie Kaugummi, den man nicht von der Schuhsohle seines Lieblingsschuhs bekommt. Durch den langen Flug und der verschiedenen Zeitzonen ist der Tag zu meinem Glück beinahe vorbei. Ich bin müde und sehne mich nach einer heißen Dusche. Einer heißen Dusche und meinem heißen Mann!
„Das erste Mal in New York?“, fragt mich der Uberfahrer, als er einen Blick in den Rückspiegel wirft.
„Nein“, antworte ich ihm ehrlich. „Ich besuche meine Familie und ein paar Freunde.“ Mit dem Scrunchie von meinem Handgelenk binde ich meine Haare zusammen. Auch wenn das Auto eine Klimaanlage hat, ist mir ziemlich heiß. Ich will mein verschwitztes Kleid unbedingt loswerden und meine Schuhe gegen flauschige Pantoffeln eintauschen.
„Oh, hoffentlich wird es ein netter Besuch. Familie kann anstrengend sein“, meint er, ehe er sich dem Radio widmet. Er stoppt bei einer anderen Frequenz. Ich kann hören, wie er mit dem Fingern zum Takt klopft. „Sieht aus, als würde sich der Stau schon ein bisschen lösen. Wir sollten bald da sein.“
„Ich hoffe es.“ Als ich aus dem Fenster sehe, erblicke ich nur Autos, die wie wir im Stau feststecken. „Hab mir anscheinend keine gute Zeit für meinen Flug ausgesucht.“
Der Uberfahrer lacht. „Ja, nein, liegt nicht an dir. Der Verkehr in New York ist immer besonders beschissen. Da lernt man, geduldig zu sein, sich einen Snack mitzunehmen und man hat viel Zeit, Songlyrics auswendig zu lernen.“
Ich kichere bei seiner Antwort. „Geduld war nie meine Stärke, aber so wie du es beschreibst, klingt es eigentlich gar nicht so übel.“
Der Verkehr kostet mir glücklicherweise nicht mehr allzu viel Zeit und ich komme endlich an meinem Ziel an. Von außen sieht das Pointe Plaza Hotel eigentlich ganz schön aus. Modern, kostenloses WLAN und kostenloses Frühstück. Frühstück, das mein Liebster wahrscheinlich die letzten Tage verschlafen hat. Das würde ihm zumindest sehr ähnlichsehen.
Ich ziehe meinen Koffer hinter mir her, bleibe jedoch stehen, als das Smartphone in meiner Hand vibriert. Auf dem Bildschirm sehe ich Killians Namen, also nehme ich den Anruf sofort an.
„Killian!“, freue ich mich, wobei ich schon Probleme damit habe, still stehen zu bleiben. „Ich bin gerade aus dem Uber gestiegen und stehe vor dem Hotel.“
„Ich weiß. Ich kann dich sehen. Dreh dich mal nach links.“ Ich sehe zur Seite, dann höre ich Killian lachen. „Das andere Links, Prinzessin.“
„Oh. Ups.“ Als ich mich nun in die richtige Richtung drehe, kann ich Killian bereits erkennen. Ich lasse meinen Koffer los und winke ihm, dann greife ich aber schnell wieder nach dem Griff. „Du bist ganz alleine unterwegs?“
„Ja, ich hab' uns Kaffee und etwas zu essen besorgt. Bagels, Donuts und Cookies. Ich dachte, dass du nach dem langen Flug einen Snack gebrauchen kannst.“
„Da hast du gut mitgedacht“, antworte ich mit einem Lächeln. Killian kommt immer näher auf mich zu, da kann ich nun auch die Tüte in seiner Hand erkennen.
„Ja, ich muss aber auch gestehen, dass ich mir ein wenig die Beine vertreten wollte. Ich war ewig im Bett, an meinem freien Tag musste ich unbedingt ausschlafen.“
„Ja, das kann ich gut verstehen.“
Killian schnaubt. „Kannst du nicht, du bist jeden Tag viel zu früh auf den Beinen, um irgendetwas zu tun.“
Ich schüttle den Kopf, kichere aber. „Ich kann aber verstehen, dass du heute Nacht wie ein Stein geschlafen hast und vermutlich auch das Frühstück verschlafen hast.“
„Als wärst du dabei gewesen.“ Killian kommt näher und näher. Ich komme ihm mit meinem Rollkoffer entgegen. „Ich lege jetzt auf, damit ich die schöne Frau vor mir umarmen kann, wenn das okay ist.“
„Das ist in Ordnung, ich würde ohnehin gerne den Mann da vorne küssen.“
Meine Schritte beschleunigen sich, die Rollen meines Koffers scheinen immer mehr Lärm zu machen. Killian hält seinen freien Arm auf und ich falle ihm sofort um den Hals. „Vorsicht, der Kaffee.“ Ich bekomme einen liebevollen Kuss. „Du siehst ja umwerfend aus.“
„Umwerfend? Ich bin verschwitzt und will duschen.“
Killian lacht los, dann deutet er mit dem Kopf Richtung Hotel. „Na komm. Das Hotel hat ganz zufällig eine Dusche für dich frei.“
„Das ist sehr freundlich von ihnen.“ Mit einem Lächeln betrachte ich Killians Gesicht. Irgendetwas ist anders an ihm.
„Alles okay?“
„Ja, schätze schon.“ Es dauert ungewöhnlich lange, bis mir auffällt, was es ist, doch dann geht mir ein Licht auf. „Jetzt weiß ich, was anders aussieht. Deine Augenbrauen.“ Ich hebe meine Hand und streiche ihm die Haare aus dem Gesicht, sodass ich seine gestutzten Augenbrauen besser betrachten kann. „Das sieht ja toll aus.“
Killian zieht einen Mundwinkel hoch, dann streicht er über seine Braue. „Das haben die Stylisten der Late Night Show gemacht. Sieht ganz gut aus, hm?“
„Tz, aber bei mir jammern, wenn ich ein paar Haare zwischen deinen Brauen zupfen möchte.“
„Du machst das ja auch nur, um mich zu quälen“, verteidigt Killian sich, worauf ich mit dem Kopf schüttle.
„Ist doch gar nicht wahr.“ Killian löst unseren kleinen Konflikt mit einem Kuss, der mich sofort dazu bringt, nicht mehr zu widersprechen. „Ich sag schon gar nichts mehr.“
„Lass uns gehen. Die Dusche wartet.“
· • ✤ • ·
„Wie war eigentlich dein Flug?“, fragt Killian mich, als er sich die Haare trocknet und sich anschließend zu mir aufs Bett setzt. Sein Handtuch wirft er über die Lehne des Stuhls, der vor dem Bett steht. Das Zimmer ist zwar recht klein, doch es hat alles, was ein Hotelzimmer braucht. „Sobald mein Flugzeug den Boden von L.A. verlassen hat, war ich im Koma. Womit hast du dir die Zeit vertrieben?“
Ich kichere, seufze aber dann, als ich Killians Frage beantworten muss. „Um ehrlich zu sein, war der Flug furchtbar. Ich hatte einen Streit mit einem anderen Fluggast. Eine wahnsinnig unverschämte Frau wollte meinen Fensterplatz für ihre Tochter haben und hat mich fertiggemacht. Sie hat mich nicht einmal gefragt, sondern einfach meinen Platz eingefordert.“
Killian zieht seine Brauen zusammen, an seiner Stirn zeichnen sich Falten ab. „Ich hoffe doch, dass jemand vom Flugpersonal dafür gesorgt hat, dass sie die Klappe hält.“ Ich presse meine Lippen zusammen und senke den Blick auf meinen Kaffee. „Du hast nachgegeben.“
„Ja“, stimme ich ihm zu. „Ich hatte keine Wahl. Erst hatte ich ihr mein Ticket gezeigt, aber dann hat sie mir Schuldgefühle gemacht und jemand hatte ein Smartphone auf mich gerichtet. Ich hatte Angst und war plötzlich ganz starr. Ich weiß nicht, wieso ich nichts tun konnte, aber ich habe ihr meinen Platz gegeben.“
Killian brummt verstimmt. „Was für eine beschissene Situation.“ Er legt seine Hand an meinen Rücken und streichelt mich. „Ich verstehe nicht, wieso solche Arschlöcher da draußen herumlaufen dürfen. Je mehr Lärm sie machen, desto mehr ungerechtfertigte Privilegien können sie sich unter den Nagel reißen.“
„Ja, sie hat ihre kleine Tochter vorgeschoben und das Mädchen konnte ja auch gar nichts dafür. Ich hatte so ein schlechtes Gewissen. Ich bekomme schon Magenschmerzen, wenn ich daran denke.“
„Wow, das ist richtig mies. Richtig beschissene Aktion, ein Kind vorzuschieben. So wie ich dich kenne, hättest du ihr den Sitzplatz bestimmt gegeben, wenn sie nett gefragt hätte.“
„Ja, natürlich hätte ich das. Aber anstatt nett zu fragen, hat sie mich unter Druck gesetzt und mich so fertig gemacht, dass ich mich gar nicht mehr getraut habe, irgendetwas zu sagen.“ Ich seufze. „Bin ich zu schwach und zu weich? Das war so ungerecht und sie war so aggressiv und da wusste ich nicht, was ich tun soll. Ich wünschte, du wärst dabei gewesen.“
Killian stellt seinen Kaffee am Nachttisch ab und zieht mich in eine sanfte Umarmung. Er ist dabei sehr vorsichtig, wahrscheinlich wegen meinem Kaffeebecher. Ich werde sanft geküsst und gestreichelt. „Du bist nicht zu weich oder was für einen Bullshit du dir da auch gerade einreden willst. Du bist ein netter Mensch, der immer Rücksicht auf andere Menschen nimmt und immer Platz in seinem Herzen hat, auch wenn diese Arschlöcher das nicht einmal ansatzweise verdient haben. Das bist eben du und daran ist nichts falsch. Im Gegenteil, wenn wir alle mehr wie du wären, dann hätten wir eine bessere Welt.“ Ich sehe zu Killian auf, da wiegt er den Kopf hin und her. „Die Welt wäre zwar deutlich chaotischer, aber besser.“ Mein Liebster bringt mich wieder zum Lächeln. „Schade, dass ich ihr nicht den Arsch aufreißen konnte. Ich hätte sie dazu gebracht, zu bereuen, dass sie dich jemals angesehen hat. Manche Leute brauchen jemanden, an dem sie sich die Zähne ausbeißen, damit sie sich wieder benehmen. Ich hätte mir die Zeit genommen, ihr ein paar Dinge klarzumachen.“ Ich werfe Killian einen bestimmten Blick zu, der seine Mine wieder weicher werden lässt. „Ich meine ja nur, niemand hat das Recht, so mit dir zu reden. Das ist doch eine vollkommen unnötige Arschlochaktion.“ Wenn ihn dieses Gespräch schon so aufregt, will ich nicht wissen, was er im Flugzeug getan hätte. Killian kann schon recht einschüchternd werden, wenn er sich über etwas aufregt. Seine tiefe Stimme leistet dazu einen deutlichen Beitrag.
„Es ist lieb, dass du dich für mich einsetzen willst, aber jetzt kann man es nicht ändern und es ging ja um das Mädchen. Ihre Mutter ist anstrengend genug, da musste ich das ruhig klären.“ Schmollend lehne ich meinen Kopf gegen Killians Schulter.
„Ja, mag sein, aber du solltest dich wirklich stärker durchsetzen und beim nächsten Mal um Hilfe bitten. Selbst wenn so ein Video im Internet landen sollte, sind die meisten Menschen nicht auf der Seite der lauten, fordernden Arschlöcher, sondern auf der Seite der Mädchen, die grundlos angeschrien werden.“ Killian legt seine Hand in meinen Nacken. Er massiert mich ein wenig. Es hilft schnell dabei, mich wieder ein bisschen zu entspannen.
„Ja“, antworte ich missmutig. „Ich will trotzdem nicht damit konfrontiert werden. Du weißt, wieso.“
„Ja, schon gut.“ Ich bekomme einen liebevollen Kuss auf die Stirn. „Lass uns das Thema wechseln.“ Er lässt von mir ab, um sich die große, braune Papiertüte zu greifen. „Ein kleiner Snack wird die miese Stimmung gleich wieder vertreiben.“
„Das ist deine Lösung für alles, hm?“
„Tja, es funktioniert. Bagel?“
„Ja, gerne.“
Killian wickelt einen der Bagels aus dem Papier, in dem er verpackt ist, dann nimmt er den Deckel ab. Als er zufrieden nickt, reicht er ihn mir. „Vegetarisch, wie meine Prinzessin es gerne hat.“
Mit einem Lächeln nehme ich den Bagel an mich. „Vielen Dank, Killian.“ Während ich den ersten Biss mache, wickelt Killian seinen Bagel aus, dann macht auch er einen Bissen.
Erst kaut er einen Moment, dann spricht er: „Die haben hier auch einen kleinen Fitnessraum. Sie haben zwar nicht viele Geräte, aber ein Laufband, wenn du morgen Cardio machen willst.“
„Leistest du mir Gesellschaft?“, frage ich worauf er mit den Schultern zuckt.
„Ja, wieso nicht. Oh und hast du schon Brad angerufen? Wenn du schon in New York bist, solltest du deine Freunde besuchen.“
„Ja, ich würde dich gerne mitnehmen, vorausgesetzt du hast kein Problem damit, wenn wir in einen Club oder eine Bar gehen.“
„Von mir aus kannst du auch alleine mit deinen Freunden ausgehen, stört mich nicht. Ich weiß, dass du da in guten Händen bist.“
„Ja, ich weiß, aber ich hätte dich gerne dabei. Schon alleine, um mit meinem gutaussehenden Mann angeben zu können.“ Mit einem zuckersüßen Lächeln sehe ich ihn an, dann streichle ich seinen Schenkel.
Killian schnaubt amüsiert. „Machen die Augenbrauen so einen Unterschied?“
„Die sind so etwas wie ein Feinschliff.“
„Merk ich mir für die Zukunft.“ Er streicht über eine seiner Brauen, dann isst er weiter. „Willst du heute noch etwas unternehmen?“
„Ehrlich gesagt würde ich lieber hierbleiben und mich ausruhen. Durch den Flug und all dem Mist bin ich vollkommen fertig. Ich könnte eine feste Killian-Umarmung gebrauchen.“
„Die bekommst du“, verspricht Killian mir. Er versiegelt sein Versprechen mit einem sanften Kuss.
Wir trinken unseren Kaffee und essen unsere Bagels. Nicht nur mein Bagel schmeckt frisch und köstlich, auch mein Donut und meine Cookies schmecken mir ausgezeichnet. Mich endlich an Killians Brust zu kuscheln, fühlt sich wie der Himmel auf Erden an. Mein Liebster streicht durch mein Haar und streichelt meinen Kopf. Da er sich mit der anderen Hand zu meiner Brust vortastet, nehme ich ein bisschen Abstand. „Ich bin nicht wirklich in Stimmung. Das heute war sehr auslaugend.“
„Okay, aber du willst dich doch trotzdem zu mir legen, oder?“
„Ja.“ Ich mache es mir wieder an seiner Schulter bequem und küsse sanft seine Haut. „Morgen bin ich bestimmt wieder in Stimmung.“
„Wenn nicht, wäre das auch okay für mich. Hauptsache ich habe meine Prinzessin wieder bei mir.“ Um zu verdeutlichen, dass er es ernst meint, drückt er mich an sich. „Und es tut so gut, dass du hier bist.“
„Ich bin auch froh, dass ich bei dir bin.“
Um mir etwas Gutes zu tun, gibt Killian mir eine spontane Massage, die mir dabei hilft, den Stress aus dem Flugzeug und auch die harte Arbeit der letzten Wochen hinter mir zu lassen und mich zu entspannen. Es tut gut, ein wenig loszulassen, immerhin ist die Reise nach New York ein kleiner Urlaub für mich. Ich freue mich schon darauf, wieder unter Menschen zu sein und mein Geschäft und meine neue Kollektion zumindest ein paar Tage zu vergessen.