Du erbst eine Eisdiele und da du gerade in einer Lebenskrise steckst, schmeisst du deinen Job hin und wirst jetzt Eis-Patissier. Du experimentierst mit den klassischen Sorten, erfindest neue, bietest veganges Eis, Eis für Hunde (Pansengeschmack, das ist der Verkaufsschlager) und es spricht sich schnell herum, dass ein neuer "Eisdieler" in der Stadt ist.
Auf den Tresen stellst du einen große Box, in die deine Kunden ihre Vorschläge reinwerfen können; die Sorten Stippmilch* und Pumpernickel sind dabei herausgekommen und die sind sehr beliebt.
Die Vorschläge-Box nach Feierabend zu öffnen, ist immer der beste Teil des Tages, denn es sind wirklich gute Ideen dabei, natürlich auch jede Menge Quatsch (jemand wollte Baumrinde) und Herausforderungen (Kindheitserinnerung, daran arbeitest du noch). Und dann sind da noch die seltsamen Nachrichten, die dein Herz höher schlagen lassen:
"Danke, dass du dieses Eiscafé mit neuem Leben gefüllt hast."
"Ich mag es, wie du die Eiswaffeln befüllst. Das ist so liebevoll."
"Deine Ideen verzaubern mich."
Es wird jeden Tag ein wenig schmeichelhafter. Aber du hast keine Ahnung, wer diese Zettel hineinwirft. Dabei sollte es auffallen - sie sind bunt wie Eis, rosa, hellgelb, hellblau, mintgrün. Du passt auf wie ein Luchs, guckst jede Stunde in die Box, ob wieder so ein bunter Zettel dabei ist, aber es gelingt die nicht, den Schreiber oder die Schreiberin zu enttarnen. Die Zettel werden persönlicher:
"Du bist süßer als dein Eis."
"Du bist der Zuckerschock an meinem Tag."
Das ist schon ein bisschen spooky. Am nächsten Tag:
"Ich will Dracheneis."
Der Zettel ist knallrot. Niemand hatte einen knallroten Zettel in die Box geworden, das weisst du genau. Mitten im November, so viele Kunden waren nicht da. Es ist die gleiche Schrift, aber der Ton ist anders. Der nächste Zettel ist giftgrün:
"Kein Dracheneis? Dann mach Elfensorbet!"
Die grellbunten Zettel werden immer fordernder. Und du weißt nicht, was du machen sollst.
"Warum erfüllst du meine Wünsche nicht? Mach Dracheneis!"
Weil du endlich wissen willst, wer dahinter steckt, und weil du ein bisschen Angst bekommst, mischt du etwas zusammen, dass als Dracheneis durchgehen könnte. Man muss die oberste Kugel mit Zucker bestreuen und dann flambieren.
Du verkaufst eine Portion an einen kleinen Jungen. In der Box ist heute nur ein Zettel, diesmal ist er schwarz, die Schrift silbrig.
"Ich bin enttäuscht. Offenbar kennst du die richtigen Zutaten nicht, aber ich gebe dir noch eine Chance, weil ich dich mag. Ich hole dich um Mitternacht ab."
*Stippmilch gibt es wirklich in Rafaels Eissalon in Münster. Die Filiale am Hansaring ist auch hübsch eingerichtet.