„Ich glaube, ich bekomme gleich einen Herzkasper“, presste Mebina mit zitternder Stimme heraus und schaute auf das Blatt Papier, das sie in den Händen hielt. Immer wieder las sie, was darauf stand. Wenn ihre Hautfarbe nicht dunkel gewesen wäre, wäre sie bestimmt kreidebleich geworden. So wechselte ihre Gesichtsfarbe eher in ein Grau. „Das gibt es doch nicht“, brummte sie zum wiederholten Male leise vor sich hin. Sie wusste nicht, wie oft sie schon gelesen hatte, was auf dem Papier stand. Doch glauben konnte sie es trotzdem noch nicht. Sie wischte sich über die Augen, so als würde sie sich von einem Albtraum befreien wollen.
„Was gibt es nicht?“, fragte Ismael, der eben unbemerkt von seiner Frau das Büro betreten hatte und nur Mebinas letzte Worte gehört hatte.
„Schau dir doch das mal an“, sagte Mebina und hielt ihm das Blatt hin. „Das kam vorhin per Fax aus Saudi Arabien.“
„Was ist da so Besonderes dran? Das ist doch eine ganz normale Buchungsanfrage“, meinte ihr Mann kopfschüttelnd, immer noch nicht begreifend, weswegen seine Frau so aufgeregt war.
„Schau es dir doch mal richtig an“, antwortete Mebina, die es immer noch nicht richtig glauben konnte, wer da gebucht hatte.
„Hm“, grummelte nun Ismael, „Scheich Achmed Abdallah, was ist da so besonderes dran?“
„Ein Scheich!“, rief Mebina aus, „ein lebensechter Scheich aus Saudi Arabien samt seinem Harem, Dienerinnen und Haremswächter wünscht hier Ferien zu machen. Es sind insgesamt vierzehn Personen. Da sind wir gleich ausgebucht. So was hatten wir noch nie. Wenn das mal keine zahlungskräftigen Gäste sind.“
Nun war es an Ismael, verdutzt zu schauen. Endlich schien es auch bei ihm zu klingeln, wer da in ihrer Lodge Ferien machen wollte. Nochmals las er die Buchungsanfrage durch. Ganz klar und deutlich stand dort Scheich Achmed Abdallah, die Namen von sechs Frauen und noch einmal so vielen Dienerinnen, sowie einem Haremswächter, die ihn begleiten sollten. Darunter stand noch, wie viele Zimmer benötigt wurden plus bestimmte Ansprüche an das Essen. Halal*, las Ismael dazu. Da kannte er sich aus. Als Moslem aß er selbst auch nur halal.
„Ach, so schlimm ist das nun auch wieder nicht“, versuchte Ismael seine Frau zu beruhigen. „Zimmer haben wir genug frei, wegen des Essens, das bekommen wir auch hin. Wild wird er wohl essen, wenn es nicht gerade Wildschwein ist. Wann will die Gruppe anreisen? Da müssen wir bestimmt auch noch den Flug von Nairobi hierher organisieren. Ob da unser Flugzeug genug Platz bietet bei so vielen Personen. Notfalls muss ich noch eines mieten, um alle hierher zu bekommen.“
„Der Scheich will schon in einer Woche anreisen. Wie er schrieb, kommt er direkt aus Riad in seinem eigenen Privatflugzeug hierher“, antwortete Mebina aufgeregt. „Bis dahin muss hier alles vorbereitet sein. Da haben wir noch viel zu tun.“
„Das schaffen wir schon“, beruhigte Ismael seine Frau weiter. „Aber Privatflugzeug hört sich schon mal gut an. Ich werde auf alle Fälle noch einmal direkt beim Scheich nachfragen, wie er sich die Anreise hierher genau vorgestellt hat. Auf alle Fälle müssen wir dann mit drei Landrovern zur Landepiste, um die Gäste abzuholen“, sagte Ismael und nahm seine Frau in seine Arme. Zärtlich küsste er sie. „Was ich mich nun allerdings frage, wie dieser ominöse Scheich gerade auf uns kommt.“
„Wenn ich das wüsste, wäre ich ein wenig schlauer“, antwortete Mebina darauf. „Wir werden das aber bestimmt noch heraus bekommen.“
Als sie an die Damen dachte, die mit dem Scheich anreisen würden, musste sie schmunzeln. Da war bestimmt auch was Hübsches dabei, das Ismaels Geschmack treffen würde. Obwohl, ob der Scheich eine seiner Haremsdamen einfach ausleiht? Oder ob der Scheich vielleicht auch Augen für andere Frauen hat als seinen eigenen, die mitreisen. Doch darüber wollte sich Mebina erst einmal keine Gedanken machen. Die Vorbereitungen für den Besuch von Achmed Abdallah waren für sie vorrangig.
Die Buchungsanfrage wurde bestätigt.
Etwa zur gleichen Zeit in Saudi Arabien, im Palast des Scheichs Achmed Abdallah
„Meine Damen!“, rief Achmed Abdallah laut. Er saß inmitten einer Gruppe Frauen und breitete seine Arme aus. „Ruhe bitte!“
Sogleich verstummte das muntere Geplapper der sechs Frauen, die ihrem Gebieter zu Füßen saßen. Alle hatten auf weichen Kissen vor kleinen Tischen Platz genommen, auf denen Gläser mit Tee standen.
„Meine Damen“, begann der Scheich wieder. Diesmal musste er nicht die Stimme erheben, um auf sich aufmerksam zu machen. „Ich habe beschlossen, einige Zeit Urlaub zu machen. Wir alle“, er hob einen Arm und zog damit einen Kreis. „Ihr werdet mich begleiten, sowie sechs eurer Dienerinnen. Salih wird uns als einziger zusätzlicher Mann begleiten und für Ordnung sorgen.“
Es folgte aufgeregtes Plappern der Frauen, die noch gar nicht begreifen konnten, was sie eben erfahren hatten.
„Wohin soll es denn gehen?“, fragte seine Lieblingsfrau, die auch gleichzeitig die Anstandsdame des Scheichs war.
„Wir fliegen nach Afrika. Da gibt es an der Grenze von Tansania nach Kenia ein Hotel, das Marula Treetop Lodge genannt wird. Diese Lodge wird von einem Moslem namens Ismael Radama und seiner afrikanischen Frau geführt. Ich denke, wir haben ein wenig Erholung verdient. Die Ruhe dort wird uns bestimmt gut tun.“
„Afrika?“, kam es wie aus einem Mund von allen Frauen. Einige sprangen sogar auf, um ihren Gebieter um den Hals zu fallen. Solch eine Ehre, mit ihm in Ferien machen zu können, hatte bisher noch keine einzige von ihnen. Das würde wohl eine Art Freudenfest werden, dachten wohl alle.
„In einer Woche geht es los“, verkündete Achmed Abdallah. „Bis dahin haben wir viel zu tun. Ich möchte, dass bis dahin alles seinen geregelten Gang geht. Jede von euch hat ihre Dienerin selbst zu kontrollieren, wenn es ums Packen geht. Salih wird das alles überwachen. Ich wünsche keinen Streit bis dahin. Ach so … in dieser Lodge soll es recht freizügig zugehen, nicht, dass da Klagen kommen, weil ihr euch nicht benehmen könnt. Wir haben einen Ruf zu verlieren.“
„Jawohl Herr“, kam es wieder wie aus einem Mund von allen Frauen, die versuchten, die Aufregung, die sie ergriffen hatte, zu unterdrücken.
„Salih“, rief Scheich Abdallah den Haremswächter, der an der Tür wartete, herbei. „Salih, die Damen werden dann beginnen, die Reise nach Afrika vorzubereiten. Du wirst ebenfalls mitkommen und über die Damen wachen. wenn ich mal nicht selbst anwesend sein sollte. Den Frauen soll ja nichts passieren.“
Er ging auf Salih zu und zog ihn etwas von den Frauen weg.
„Ich habe gehört, in dieser Lodge, wo wir unsere Ferien verbringen wollen, soll es sehr freizügig zugehen. Unter anderem soll dort sogar nackt in der Öffentlichkeit gebadet werden. Was meinst du, ob wir das auch wagen sollten? Ich habe da ein wenig Zweifel. Immerhin ist das haram. Was ist aber, wenn die Frauen ebenfalls daran Geschmack finden und das vielleicht danach auch hier tun möchten?“
„Herr“, Salih wurde rot wie eine Tomate. „Nackt in der Öffentlichkeit?“
„Ja. Ich habe das allerdings nur gehört. Ob es wirklich wahr ist, weiß ich nicht“, antwortete Achmed Abdallah. „Die Damen können wir keinesfalls nackt zum Pool und zum Schwimmen lassen. Ich möchte nicht, dass fremde Männer sie so zu Gesicht bekommen.“
„Darf ich einen Vorschlag machen?“, fragte Salih leise.
„Bitte, frei heraus.“
„Was haltet ihr davon, dass sich die Damen, falls sie den Pool benutzen wollen, sich dort nur allein aufhalten dürfen, mit mir als Aufpasser. Ihr wisst ja …“, Salih zeigte in seine Mitte, „ … den da interessieren solch Schönheiten wie ihre Damen schon längst nicht mehr.“ Salih wurde wieder rot. Eine dunkle Erinnerung hatte er schon noch, wie es gewesen war, als er noch Frauen beiwohnen konnte. Doch das war schon sehr lange her. „Wir könnten ja mit dem Besitzer der Lodge reden, der kann das bestimmt einrichten. Als Moslem müsste er dafür Verständnis haben.“
„So können wir es machen“, antwortete Achmed Abdallah. Er fand die Idee seines Bediensteten gut. So kannte er Salih, der für fast alles eine Lösung fand.
Achmed Abdallah wandte sich wieder seinen Frauen zu, die wie ein aufgeregter Schwarm Hühner laut gackerten.
„Meine Damen!“, machte Abdallah wieder laut auf sich aufmerksam, worauf erneut sofort Ruhe war. „Geht jetzt an die Arbeit, es ist viel zu tun bis zur Abreise.“
„Jawohl, Herr“, kam es synchron aus allen Mündern und die Frauen verschwanden alle eilig in ihren Gemächern.
In der Marula Treetop Lodge, zwei Tage vor der Anreise des Scheichs
Mebina und Ismael lagen schon im Bett, die abendliche Kuschelstunde war obligatorisch.
„Pa Paul hat heute angerufen“, sagte Ismael auf einmal, „und weißt du, was er mir erzählt hat?“
„Woher soll ich das wissen“, meinte Mebina darauf. „Ich war ja bei dem Telefonat nicht dabei.“ Sie war schon etwas müde und hatte nicht mehr so richtig Lust, sich zu unterhalten.
„Übermorgen kommt doch dieser Scheich“, erzählte Ismael weiter. „Nun weiß ich auch, wieso er auf unsere Lodge hier gekommen ist.“
„Hm“, grummelte Mebina nur, sie war schon fast im Halbschlaf.
„Pa ist der Übeltäter“, lachte Ismael.
Plötzlich war Mebina hellwach.
„Pa?“, rief sie erstaunt, „wieso das?“
„Ganz einfach“, sprach ihr Ehemann weiter. „Pa bekam letztens einen Anruf von einem anderen bekannten Fotografen. Der kennt diesen Scheich. Er erzählte Pa, dass der Scheich einmal einen ganz besonderen Urlaub machen will, am besten in Afrika. Da fiel ihm natürlich gleich unsere Lodge ein. Seinem Freund gefiel der Vorschlag so sehr, dass er sogleich den Scheich anrief und ihm von unserer Lodge hier erzählte. Der Scheich war begeistert und buchte hier.“
„So ist das also“, freute sich Mebina. „So kommt man zu zahlungskräftigen Gästen. Vielleicht haben die ja auch Interesse an der Bondage-Vorstellung, die zu Silvester hier stattfindet.“
„Das werden wir sehen. Ansprechen werde ich den Scheich darauf auf alle Fälle. Aber was anderes, wie sieht es mit den Vorbereitungen für die Ankunft der edlen Gäste aus“, fragte Ismael.
„Das ist soweit alles fertig. Ich gehe morgen mit Nnzizzi nochmals alles durch und kontrolliere die Arbeiten“, erwiderte Ismaels Frau.
„Gut, dann wollen wir mal hoffen, dass diesem Achmed Abdallah auch alles recht ist und er nicht zu viel Sonderwünsche hat, die uns vor Probleme stellen“
***
Am nächsten Tag saßen Mebina und Nnzizzi, die Hausdame der Lodge und damit für alle Zimmermädchen verantwortlich, in der Rezeption des Hotels. Soeben hatten sie gemeinsam ein leichtes Mittagessen eingenommen. Sie waren dadurch ein wenig schläfrig geworden – immerhin war in der Mittagszeit gerade die größte Hitze des Tages. So hatten sie beschlossen, sich in den Schatten der Rezeption zu setzen und noch die letzten Vorkehrungen zu besprechen, was den Besuch des Scheichs aus Saudi Arabien anging.
„Wie weit sind die Vorbereitungen für die Ankunft dieses Scheichs?“, ging Mebina zum Geschäftlichen über und nippte dabei an ihrem Glas mit Limonade. Seit sie wusste, dass ein Scheich samt Gefolge in der Lodge Urlaub machen wollte, war sie fast unermüdlich auf den Beinen, um alles vorzubereiten. Es sollte alles perfekt sein. Immerhin war ja ein Ruf zu bewahren. Nun war lediglich noch ein Tag Zeit. Selbst ihr Mann Ismael war schon irgendwie aufgeregt und kaum noch zu bremsen, die Vorbereitungen selbst zu überwachen. Es sollte halt alles vom feinsten sein für die Gäste.
„Wir sind fast fertig. Nur noch ein paar Kleinigkeiten, wie Handtücher bereitlegen und den Zugang zu den Zimmern des Scheichs versperren. Wenn du dir die Zimmer noch einmal anschauen möchtest, können wir das gleich machen“, antwortete die Angestellte.
„Dann tun wir das“, meinte Mebina und stand auf.
Für den Scheich selbst war das größte der fünf gebuchten Zimmer vorbereitet worden. Das Gefolge würde sich vier Zimmer teilen. Immer zwei Haremsdamen und ihre Dienerinnen würden in einem Zimmer wohnen. Für den Haremswächter hatte der Scheich ein Zimmer direkt neben denen der Frauen geordert. Im Großen und Ganzen hatte das Gefolge des Scheichs einen ganzen Komplex für sich selbst. Andere Gäste würde es während des Besuchs des Scheichs auch geben, doch die würden in einem anderen Bereich wohnen. Dem Scheich lag die Sicherheit sehr am Herzen. Da es in der Lodge keinen Sicherheitsdienst geben würde, wollte er Fremden deswegen so wenig wie möglich begegnen.
„Was ich mich frage“, begann Mebina, als sie und Nnzizzi das Zimmer des Scheichs inspizierten, „was dieser Mann mit so vielen Frauen macht? Er kann ja immer nur eine oder maximal zwei auf einmal beglücken. Drei oder mehr auf einmal wäre wohl auch für einen Scheich etwas zu viel des Guten.“
Nnzizzi lächelte verhalten. Sie war zwar auch nicht gerade keusch, aber ein Mann mit so vielen Frauen auf einmal war ihr auch noch nie untergekommen. Es interessierte sie schon, wie er das auf die Reihe bekommen konnte.
„Vielleicht hat er für jeden Wochentag eine, nur an einem Tag hat er Ruhepause“, meinte sie grinsend. „Ab und an muss bestimmt auch ein Scheich mal Kraft tanken.“
„Du kommst auf Ideen“, feixte nun Mebina. In Gedanken stellte sie sich schon vor, wie der Scheich von mehreren Frauen gleichzeitig verwöhnt wird. Eigenartigerweise fühlte sie sich dabei selbst als eine dieser Frauen. Doch schnell schob sie diesen abstrusen Gedanken wieder beiseite und konzentrierte sich auf ihre Arbeit.
Mebina schaute sich das für den Scheich bestimmte Zimmer genau an. Sie befand, es war alles so, wie er es geordert hatte. Das Bett war breit genug, um da vier Personen auf einmal Platz zu bieten, das Bad war vom feinsten ausgestattet.
Auch die anderen Zimmer befand Mebina als in Ordnung. Die ominösen Gäste aus Saudi Arabien konnten also kommen.
***
* Halal (arabisch حلال, DMG ḥalāl) ist ein arabisches Wort und kann mit „erlaubt“ und „zulässig“ übersetzt werden. Es bezeichnet alle Dinge und Taten, die nach islamischem Recht erlaubt oder zulässig sind. Sie stehen zwischen haram (حرام), verbotenen, und fard (فرض), pflichtmäßigen Handlungen. Zwischen halal und haram gibt es eine Grauzone, die makruh (مكروه) genannt wird. Makruh (verpönt/unerwünscht) bezeichnet alle Dinge, die nicht ausdrücklich verboten sind, jedoch in Richtung haram tendieren. Auch diese Grauzone gilt es für Muslime vorsichtshalber zu meiden (Quelle: wikipedia)