Der Silvestermorgen war angebrochen. Scheich Achmed Abdallah erwachte aus einem tiefen, erholsamen Schlaf. Er erinnerte sich jetzt sofort an die Vorkommnisse des vorangegangenen Tages. Gut, Vorkommnisse konnte man dazu eigentlich nicht sagen, eher schöne Dinge waren da geschehen.
Nahlas entzückendes Aussehen geisterte umgehend vor seinem inneren Auge, wie sie anfangs schamhaft auf seine Werbung eingegangen war. Ein Lächeln schlich sich in Achmed Abdallahs Gesicht, als ihm bewusst wurde, seine Angebetete würde ihm bald in sein Heimatland folgen. Doch vorher musste er mit seinen Frauen sprechen. Davor fürchtete er sich ein wenig. Um Nahla jedoch tatsächlich zu erobern, würde er alles tun. Bisher war ihm so etwas noch nie geschehen, dass er sich bis über beide Ohren unsterblich in eine Frau verliebte. Das konnte nur ein gutes Zeichen sein.
Dann mal auf in den Kampf, sagte der Scheich zu sich selbst. Er nahm sich vor, auf dem Ausflug, den er heute mit seinen Frauen vorhatte, diese in seine Pläne einzuweihen. Er hoffte auf ihr Verständnis. Sollten sie ihn nicht verstehen, müsste er andere Saiten aufziehen, er dachte sogar an verstoßen. Seine neue Favoritin Nahla war ihm wichtiger, als beleidigte und unwillige Haremsweiber.
***
Die beiden Landrover, mit denen der Scheich und sein Gefolge zu seinem Ausflugsziel gefahren wurde, hielt in der Nähe des Löwenfelsens. Knapp drei Stunden waren sie in dem fast unwegsamen Gelände unterwegs, bis sie ihr Ziel endlich erreichten. Es war inzwischen unheimlich heiß geworden. Obwohl sie schon sehr zeitig in der Lodge losgefahren waren, erreichten sie ihr Ziel erst zur Mittagszeit, in der größten Hitze des Tages.
Alle Frauen, obwohl sie durchgeschwitzt waren und die Sonne unbarmherzig vom Himmel prallte, schwärmten aus. Nur Achmed Abdallah blieb mit Salih zurück, immer darauf achtend, dass sich die Frauen nicht zu weit von ihnen entfernten. Die beiden Fahrer, die ihnen von Ismael Radama zur Verfügung gestellt wurden, packten eben die mitgebrachten Lebensmittel aus. Ein Picknick war die erfreuliche Abwechslung zu Mittag. Salih ging den Fahrern zur Hand, während der Scheich etwas abseits stand und nachdenklich die Umgebung betrachtete.
Als sei ein Signal ausgesendet wurden, waren urplötzlich Scheich Achmed Abdallahs Frauen auch wieder im Lager eingetroffen. Plappernd ließen sie sich auf den Campingstühlen nieder, einige saßen sogar nur auf den mitgebrachten Kissen, so wie sie es halt von zu Hause her gewohnt waren.
Einer der Fahrer bot ihnen gekühlte Limonade an, die gerne angenommen wurde. Begehrliche Blicke der Frauen auf die beiden Fahrer wurden von Salih ignoriert, obwohl er schon ein wenig neidisch war, nicht selbst das Objekt der Begierde der Frauen zu sein. Wenn er jedoch zu sich selbst ehrlich sein wollte, war das auch gut so. Seit er zum Eunuchen gemacht wurde, waren gewisse Freuden mit weiblichen Wesen für ihn nicht mehr ausführbar. Anfangs zwar sehr zu seinem Leidwesen, aber im Laufe der Jahre hatte das nachgelassen, bis es irgendwann ganz verschwunden war. Dass ausgerechnet hier in diesem fremden Land wieder etwas kam – woher sollte Salih auch von dem Zauber wissen, der über den Baumhäusern lag.
Achmed Abdallah kam von seinem Aussichtspunkt zurück und setzte sich zu der Gruppe. Er blickte zu den beiden Fahrern, die sich einfach dazugesellt hatten.
„Ich würde gerne alleine mit meinen Frauen und meinem Eunuchen sprechen“, sagte er zu den beiden. Die verstanden, erhoben sich und gingen zu den Landrovern, um es sich im Schatten derer mit einer Limonade gemütlich zu machen.
Cala, die heute wohl als Sprecherin der Frauen auserkoren wurde, sah ihren Gebieter fragend an.
„Es scheint ja recht geheimnisvoll zu sein, wenn ihr mit uns alleine sprechen wollt und nur Salih dabei sein darf“, meinte sie, dabei ein wenig schmunzelnd. Sie erinnerte sich, wie ihre Zimmernachbarin Ayla heute am frühen Morgen zufrieden grinsend zurück in ihr gemeinsames Zimmer kam. Ob das wohl etwas mit der Aussprache zu tun hatte?
„Nun ja, ein Geheimnis ist es nicht, was ich euch zu sagen habe. Es wird eher starke Veränderungen für uns alle bringen“, erwiderte Achmed Abdallah, worauf er nur noch fragendere Blicke von Seiten der Frauen, aber auch von Salih erntete. „Es ist mir zwar nicht sehr angenehm, was wir jetzt zu besprechen haben, doch es muss getan werden.“
„Da bin ich aber mal gespannt“, warf Ayla ein.
„Machen wir es kurz“, begann Achmed Abdallah. „Ich habe mich verliebt. Damit sage ich euch wohl nichts Neues, ihr habt es bestimmt schon selbst bemerkt.“
Erstauntes Raunen ging durch die Reihen der Frauen. Auch Salih schaute den Scheich überrascht an.
Die Einzige, die sofort wusste oder auch nur ahnte, in wen sich ihr Scheich verliebt haben könnte, war Halima.
„Ich nehme an, es geht um diese kleine Küchenhilfe, mit der sie gestern zum Dinner erschienen sind“, platzte sie heraus. Wie immer konnte sie ihr oft sehr loses Mundwerk, nicht halten.
„Richtig Halima, um genau die geht es“, war der Scheich froh, dass er es nicht sagen musste. „Sie wird mich in unsere Heimat begleiten, wenn wir wieder nach Hause fliegen“, sprach er weiter. „Allerdings gibt es da ein Problem.“
„Ein Problem?“, fragte nun Ayla.
„Ja, ein Problem“, erwiderte Achmed Abdallah mit fester Stimme.
„Wer oder was ist das Problem?“, wollte Cala wissen, die jedoch schon eins und eins zusammengezählt hatte.
„Das Problem seid ihr“, sagte der Scheich fast brutal, er wollte Fakten schaffen „Nahla – so heißt die Frau – will nur mit mir kommen, wenn ich mich von euch lossage und sie die einzige Frau ist, mit der ich zusammen bin.“
„Das ist ja die Höhe! Was bildet sich diese Frau eigentlich ein?“, wurde Halima laut. „Seit wann hat eine Frau zu bestimmen, mit wem ein Scheich sein Vergnügen hat?“ Sie war wütend, was sich diese kleine Küchenhilfe, wie sie Nahla nannte, herausnahm. Nicht einmal sie hatte es sich bisher gewagt, dem Scheich Vorschriften zu machen. Über die Rechte, die eine Ehefrau haben könnte, hatte sie nicht einmal nachgedacht,
„Beruhige dich gefälligst“, versuchte Achmed Abdallah den Zorn von Halima zu dämpfen. „Für mich ist es völlig in Ordnung, den Wünschen von Nahla nachzukommen. Ich tue es gerne, weil ich sie liebe.“
Liebe, das war das Stichwort für Cala. Bisher nahm sie immer an, der Scheich würde sie lieben. Doch da war sie wohl der falschen Ansicht.
„Lieben sie uns denn nicht mehr?“, fragte sie mit Tränen in den Augen.
„Liebe? Ich weiß es nicht, ob es Liebe ist, die ich für euch alle empfinde. Ich würde es eher als mögen, begehren, oder was weiß ich noch, bezeichnen.“ Nach einigen Momenten Totenstille fuhr der Scheich fort. „Nein, Liebe ist es nicht, was ich für euch empfinde. Ich liebe euch, wenn ich mit euch im Bett tätig bin, dann ist jede von euch meine Favoritin, meine Geliebte, meine Frau. Liebe, richtige Liebe, so innerliche, die empfinde erstmals für Nahla. Deshalb möchte ich sie auch gerne mitnehmen und sie zu meiner rechtmäßigen Frau machen.“
Betretene Stille folgte. Alle sahen den Scheich an, als wäre er ein Außerirdischer. Auch Salih saß wortlos da und starrte vor sich auf den Boden. Für die meisten der Frauen brach eben eine bisher heile Welt zusammen, lediglich für Ayla tat sich ein völlig neuer Weg auf. Ob sie den beschreiten konnte, das hing gänzlich vom Scheich ab.
„Herr, darf ich etwas sagen?“, bekam Ayla als erste wieder ein Wort heraus.
„Bitte!“, war Achmed Abdallah plötzlich wieder in Gönnerlaune.
„Was geschieht dann mit uns“, sie zeigte auf ihre Gefährtinnen, die immer noch wie zu Stein erstarrt dasaßen.
„Es steht euch frei, den Harem zu verlassen. Rauswerfen werde ich euch nicht, immerhin seid ihr bisher auch ein Teil meines Lebens gewesen. Wenn ihr gehen möchtet, lasse ich euch ziehen. Der aus dem Harem scheidenden werde ich auch einen nicht zu kleinen Obolus überlassen, damit sie nicht völlig unbedarft ist. Wenn ihr euch allerdings entscheidet, zu bleiben, könnt ihr zwar im Schutz des Frauenhauses bleiben, eure Beziehungen zu mir, jeglicher Art, sind dann jedoch unterbrochen. Ihr könnt euer Leben zu Ende leben – jedoch ohne die Zuneigung eines Mannes“, antwortete der Scheich.
„Wann müssen wir uns entscheiden?“, fragte Ayla bebend.
„Wann ihr wollt, jetzt, morgen, übermorgen, oder erst, wenn wir wieder in Saudi Arabien sind“, antwortete Achmed Abdallah wahrheitsgemäß. „Ihr könnt alle wieder mit zurückkommen. Wenn ihr möchtet, lasse ich auch für euch einen Mann suchen, der euch natürlich gefallen muss. Gegen euren Willen werde ich nichts tun, was euch nicht behagt.“ Achmed Abdallah war gut vorbereitet, hatte er sich doch schon während der Fahrt alle Fragen ausgemalt, welche die Frauen stellen konnten.
„Es ist natürlich schon sehr überraschend für uns, von ihnen sozusagen abserviert zu werden. Aber es steht ihnen natürlich frei, sich zu verlieben oder uns freizugeben. Wir alle haben ihnen viel zu verdanken. Also ich kann ihnen nicht böse sein …“, sprach Ayla weiter. Zu ihren Gefährtinnen gewandt, sagte sie noch: „Und ihr? Was sagt ihr? Redet doch!“
Zulaikha, die zuerst still vor sich hinstarrte, erhob das Wort:
„Ich möchte es mir zu Hause in aller Ruhe überlegen, was ich tun möchte. Doch ich stehe ihnen selbstverständlich nicht im Wege, eine andere Frau zu ehelichen. Ich bin noch jung genug, um noch einen Ehemann finden zu können.“
„Ich auch “, kam es von Nathifa und Yasmin gleichzeitig.
„Ich möchte jedoch mit zurückkommen“, sagte Yasmin, worauf auch Nathifa nickte.
Nur Halima äußerte sich noch nicht. Ayla blickte sie bittend an, sie möge Ruhe bewahren.
„Gut“, meinte Halima dann nach einiger Überlegung, „ich komme mit zurück, möchte aber bitte in ihrem Palast bleiben, egal als was. Und wenn es als erste Dienerin eurer Gemahlin sei.“
„Cala, und du?“, wandte sich Ayla nun an Cala.
„Ich weiß es noch nicht“, erwiderte die Angesprochene, „ich muss noch nachdenken“, worauf Achmed Abdallah zustimmend nickte.
„Und du, Ayla“, wollte der Scheich nun von seiner ehemaligen Lieblingsfrau wissen. Er hatte längst bemerkt, in ihr brodelte etwas, nur was, das konnte er sich nicht vorstellen. Dass es weniger mit ihm zusammenhing, ahnte er zwar, wahrhaben konnte er es aber nicht so richtig. Ayla hatte es doch gut bei ihm. Innerlich hatte er aber bereits beschlossen, wenn sie keinen unnötigen Ärger machen würde, würde er sich eine besondere Abfindung für sie vom Herzen reißen.
Ayla blickte betreten zu Boden. Sie wagte es sich noch nicht, zu gestehen, was in ihr vorging. Doch da hatte sie die Rechnung ohne Cala gemacht. Die stupste sie an.
„Sag unserem Gebieter, was du mir heute morgen gestanden hast“, flüsterte sie fast nicht hörbar, worauf Ayla heftig den Kopf schüttelte.
„Nun komm schon, gib dir einen Ruck. Unser Herr wird dir nicht den Kopf abreißen“, ermunterte sie Cala, „seine Gedanken sind zu sehr bei seiner neuen Flamme.“
„Gut“, ließ sich Ayla überreden. Sie wurde ein wenig rot. „Ich möchte hierbleiben“, gestand sie dann ihrem ehemaligen Gebieter..
„Du möchtest hierbleiben?“, stotterte Achmed Abdallah überrascht. Gerade das hatte er von seiner bisherigen Lieblingsfrau eigentlich nicht erwartet.
„Ich habe mich hier halt ebenfalls verliebt und möchte daher in der Lodge, notfalls als Hilfskraft, bleiben“, gestand Ayla, noch bevor der Scheich sie nach dem Grund ihrer Entscheidung fragen konnte.
Erneut ging ein erstauntes Raunen durch die Reihen der Frauen, selbst der Eunuch Salih sah geschockt zu Ayla hinüber. Hatte er doch keinerlei Anzeichen einer Verliebtheit bei ihr bemerkt, noch, dass sie sich heimlich davongeschlichen hatte, um sich mit einem Mann zu treffen. So etwas konnte sein Herr wohl als starke Verletzung seiner Pflicht deuten. Das konnte auch seine Entlassung bedeuten.
„Was willst du in der Lodge machen. Du suchst hier einen Job?“, fragte Achmed Abdallah, der nun ebenfalls mehr als geschockt war.
„Ich werde mit Prinz Radama sprechen und ihn fragen, ob ich Nahlas Arbeitsplatz bekommen kann, wenn sie doch mit euch fortgeht“, erwiderte Ayla.
„Was ist das für ein Mann, in den du verliebt bist?“, wollte der Scheich nun doch wissen
„Er kennt meine Pläne noch nicht, aber wenn ich hierbleibe und dran bleibe, könnte, so hoffe ich, etwas aus uns werden“, antwortete die Haremsdame des Scheichs.
„Ich werde bei Ismael Radama ein gutes Wort für dich einlegen. Es wird ihm zwar etwas komisch vorkommen, dass gerade meine ehemalige Lieblingsfrau bei ihm arbeiten möchte. Aber er wird das schon verkraften. Dass du eine gute Köchin bist, konnte ich ja schon oft genug sehen. Das wird Prinz Radama bestimmt auch als Zeugnis für dich annehmen“, bot Achmed Abdallah, irgendwie innerlich erleichtert, Ayla an.
„Das wäre sehr liebenswert von euch. Um alles andere muss ich mich selbst kümmern“, sprach sie erfreut weiter. „Vor allem um Willem muss ich mich kümmern“, flüsterte sie fast nicht hörbar für die anderen in Calas Ohr, die ihr zustimmend zunickte.
„Gut“, redete Achmed Abdallah weiter. „Aber, eines gibt es noch. Was wird mit deiner Dienerin?“, fragte er Ayla.
„Die kann mit zurück nach Saudi Arabien. Hier werde ich sie nicht brauchen können“, antwortete Ayla auf die Frage des Scheichs.
Einige Zeit war Stille. Der Scheich sah seine Noch-Frauen fast liebevoll an. Dann riss er sich zusammen und erhob nochmals das Wort:
„Meine Lieben“, begann er. „Ich möchte euch allen danken, für das, was ihr alle für mich getan habt. Dass Ayla uns verlassen wird, schmerzt mich zwar, aber ich wünsche ihr alles Gute für ihren weiteren Weg. Ich werde euch nie vergessen, vor allem die schöne Zeit nicht, die wir zusammen hatten. Ich hoffe, ihr seid mir nicht allzu böse, dass ich mich hier verliebt habe und die Frau meines Herzens auch gleich mit nach Hause nehmen möchte. Wo es doch auch euer Leben stark verändert.“
Alle Frauen schüttelten mit dem Kopf, auch Halima, die anfangs sehr ungehalten war. Nur Cala war noch ein wenig nachdenklich. Sie war sich bisher noch nicht sicher, was sie tun sollte. Doch auch dafür würde es eine Lösung geben.
Die Gruppe um den Scheich saß noch lange am Lagerfeuer. Ein Blick auf seine Armbanduhr ließ Achmed Abdallah jedoch aufspringen.
„Wir müssen zurück zur Lodge“, rief er aufgeregt. „Wir haben uns hier ja völlig verplappert. Die Silvestervorstellung beginnt bald. Die wollen wir doch nicht verpassen.“
„Hey“, rief er in Richtung der Landrover, bei denen die beiden Fahrer immer noch im Schatten herumlungerten. „Wir müssen los, flugs alles eingepackt und dann ab in Richtung Lodge.“
Schnell war alles eingepackt, sogar der Scheich packte mit an. Gerade noch rechtzeitig kamen sie zum festlichen Abendessen, nach dem diese Bondage-Vorstellung der Japanerin stattfinden sollte.
Den Silvesterabend verbrachte der Scheich im Kreise der Gäste der Lodge. Um Mitternacht folgte ein großes Feuerwerk, mit dem das neue Jahr begrüßt wurde. Es war beeindruckend schön für die Gäste, wenn sich Ismael auch im Klaren war, für die Tierwelt ringsum war es ein schrecklicher unbegreiflicher Vorgang. Sie würden mindestens zwei Tage benötigen, um wieder zu Ruhe zu kommen.Erst in den Morgenstunden kamen alle in ihre Betten.
***
Der erste Gedanke des Scheichs war bei Nahla, als er nach der langen Silvesternacht erwachte. Sie fehlte ihm. Doch noch immer wehrte sie sich dagegen, ihn in sein Zimmer zu begleiten und mit ihm die Nacht zu verbringen.
Das muss ich ändern und zwar jetzt, dachte er sich und sprang auf. Er zog sich seine heimische Kleidung an und ging nach draußen. Gestern Abend war er nicht mehr dazu gekommen, seine Angebetete über den Verlauf der Dinge zu unterrichten. Nahla hatte Dienst in der Küche und war unabkömmlich. Nur einmal, gegen Mitternacht, als alle auf das Feuerwerk warteten, hatte er die Möglichkeit, mit ihr kurz zusammen zu sein.
Salih war schon auf den Beinen und saß in einem der Korbsessel auf der Balustrade. Als er seinen Herrn aus dessen Zimmer kommen sah, sprang er sogleich auf.
„Guten Morgen, Herr“, begrüßte er den Scheich. „Möchten sie frühstücken?“, fragte er ihn.
„Nein, erst habe ich noch etwas wichtiges zu erledigen“, erwiderte Achmed Abdallah und lief nach unten, um nach Nahla zu suchen.
Er fand sie in ihrer Unterkunft, wo sie sich eben für den Dienst vorbereitete. Sie hatte auch jetzt nur wenig Zeit für den verliebten Scheich. Der berichtete ihr kurz, wie die Aussprache mit seinen Frauen verlaufen war. Nahla freute sich und fiel ihm lachend um den Hals. So einfach wie es war, hatte sie es sich nicht vorgestellt.
„Ich möchte jetzt zu Prinz Radama gehen und für dich kündigen. Hast du etwas dagegen?“, fragte Achmed seine Liebste. Die hatte nichts dagegen.
„Ayla möchte hierbleiben“, eröffnete ihr Achmed noch, worauf Nahla nachdenklich wurde.
„Schlage Boss Ismael sie doch als Tausch für mich vor“, meinte Nahla darauf. „Wenn sie sagte, sie würde alles tun, was ihr aufgetragen wird, warum also nicht auch meinen Job übernehmen. So muss Boss Ismael nicht nach einer neuen Küchenhilfe suchen.“
„Das ist eine gute Idee“, rief Scheich Achmed erfreut und küsste seine Geliebte überschwänglich. „Doch noch ein winziger Punkt, den wir besprechen müssen. Ich möchte gerne, dass du ab sofort bei mir im Zimmer übernachtest. Dafür müsste ich dich allerdings auch vor Allah zu meiner Frau machen.“
Achmed Abdallah kniete sich nieder und nahm Nahlas Hand.
„Liebste Nahla, bitte werde meine Frau“, bat er um die Hand seiner Angebeteten.
Nahla lächelte erfreut. So schnell einen echten Heiratsantrag zu bekommen, hatte sie nicht erwartet. Der Scheich war wohl ein Mann, der gerne schnell Nägel mit Köpfen machte.
„Ja, ja, und nochmals ja“, war Nahla hell entzückt. Dann meinte sie aber doch, sie würde ihren Dienst in der Lodge bis zum Ende der Kündigungszeit trotzdem machen. Immerhin könnte sie die anderen Angestellten nicht einfach so hängen lassen, gerade jetzt, wo das Haus voll belegt war.
Achmed Abdallah gefiel das zwar gar nicht. Er musste klein beigeben. Seine Angebetete blieb stur bei ihrer Meinung. Dass er eine kleine Kratzbürste liebte, hatte er ja schon bemerkt, aber dass sie auch so stur bei ihrer Meinung bleiben konnte, Rücksicht auf andere nahm, war ihm bis eben nicht bewusst. Doch er gab aus Liebe nach.
„Ich muss jetzt zum Dienst“, meinte Nahla. „Wir sehen uns später.“ Sie gab Achmed noch einen eher harmlosen Kuss und verschwand schnell in Richtung Küche, wo sie die Vorbereitungen für das Mittagessen begann.
Scheich Achmed Abdallah begab sich inzwischen zu Ismael Radama. Der schaute ihn recht überrascht an. Hatte er doch nicht so früh am Tage mit einem der Gäste gerechnet.
„Womit kann ich helfen?“, fragte er den Scheich jedoch höflich.
„Es geht wieder einmal um Nahla“, erwiderte dieser.
„Das konnte ich mir fast schon denken“, lachte Ismael. „Sie scheinen ja wirklich in dieses kleine Persönchen vernarrt zu sein.“
„Vernarrt ist untertrieben. Verliebt bis über beide Ohren. Und – sie werden es kaum glauben – sie hat mich erhört“, bekannte der Scheich.
„Oh“, konnte Ismael darauf nur reagieren.
„Ja, sie hat mich erhört. Sie wird mich, wenn meine Ferien hier zu Ende sind, nach Saudi Arabien begleiten“, erzählte Achmed Abdallah weiter. „Deshalb möchte ich, in ihrem Namen, ihren Job hier kündigen.“
„Das kommt ein wenig plötzlich“, meinte Ismael nachdenklich. „ich denke kaum, dass ich in der kurzen Zeit eine neue Küchenhilfe bekomme. Die Vermittlungsagentur ist eine Tagesreise von hier entfernt. Dazu ist der Vermittler bis Mitte Januar in Indien, seinem Heimatland. Bis dahin ist die Agentur geschlossen.“
„Auch dafür habe ich eine Lösung“, sagte der Scheich. „Um Nahla für mich zu gewinnen, verlangte sie, dass ich meine Haremsdamen freigebe. Ayla, meine vorherige Lieblingsfrau, möchte nun gerne hier in der Lodge bleiben – der Liebe wegen - gestand sie mir.“ Achmed Abdallah berichtete Ismael haargenau, was Ayla gestern mit ihm geklärt hatte.
„Das wäre eine Lösung“, erwiderte Ismael nicht so ganz überzeugt. „Wenn es möglich ist, möchte ich jedoch vorher gerne mit dieser Ayla sprechen, damit ich sie ein wenig kennenlernen kann. Allerdings kann ich Nahla erst freigeben, wenn sie abreisen. Auch sie muss sich an die Kündigungszeit halten, genau wie ich. Wäre das ein Problem für sie?“
„Aber nein. Solange sie nachts bei mir sein kann, bin ich mit allem einverstanden“, freute sich der Scheich über Prinz Ismaels Zusage.
„Gut, dann regele ich alles andere persönlich mit Nahla“, meinte Ismael daraufhin. „Meinen Glückwunsch noch.“
„Danke sehr“, sagte der Scheich. „Ach ja, eine Frage habe ich noch. Gibt es hier in der Gegend einen Imam? Ich würde Nahla gerne, bevor sie zum ersten Mal nachts bei mir schläft, vor Allah zu meiner Frau machen.“
„Oh, da muss ich sie leider enttäuschen. Seit dem Umbruch im Land vor ein paar Jahren haben wir hier leider keinen Imam mehr. Aber ich könnte pro Forma die Zeremonie vollziehen. Sozusagen als Oberhaupt hier, darf ich das machen. Wenn sie zurück in Saudi Arabien sind, können sie die Zeremonie offiziell bei einem richtigen Imam machen.“
„Das wäre machbar“, meinte der Scheich nach kurzer Überlegung. Er als sehr konservativ geltender Moslem wollte sich auch diesbezüglich an die Bestimmungen der Religion halten.
So wurde es dann auch getan. Zwei Tage später vollzog Ismael in aller Stille in seinem Wohnzimmer die Zeremonie, die den Scheich und Nahla vor Allah zu einem Ehepaar machte. Als Dank dafür wurde Ismael und seine Frau Mebina nebst Kindern von Achmed Abdallah zu seiner offiziellen Hochzeitsfeier nach Saudi Arabien eingeladen.
Die Hochzeitsnacht verbrachten Scheich Achmed mit seiner ihm angetrauten neuen Ehefrau im Zimmer des Baumhauses, das extra für diese Nacht neu dekoriert wurde. Salih bewachte mit Argusaugen das Baumhaus, damit die Turteltäubchen nicht gestört wurden.
Nahla genoss die erste gemeinsame Nacht, die sie mit ihrem frisch angetrauten Ehemann verbringen konnte. Doch zur Frau machte er sie noch nicht. Damit wollten sie warten, bis sie in Achmed Abdallahs Heimat waren. Nahla drängte auch nicht darauf. Etwas Angst schwelte doch noch in ihr.
***
Der Scheich sprach ein paar Tage später noch einmal mit Ismael, die Kündigungsfrist für Nahla zu verkürzen, womit Ismael dann auch einverstanden war. Doch so sehr sich der frisch gebackene Ehemann Achmed Abdallah auch bemühte, seine Frau Nahla davon zu überzeugen, sie bestand weiterhin darauf, ihre Frist von zwei Wochen einzuhalten. So verschob sich die Abreise des Scheichs um eine Woche, was den Frauen, die wieder mit in die Heimat wollten, sehr gefiel.
Ayla hatte sich in der Zeit in der Marula Treetop Lodge genau umgesehen und sich sogar mit den Arbeitsabläufen in ihrem neuen Arbeitsbereich auseinandergesetzt. Nahla hatte sie in die verlangte Tätigkeit in der Küche eingearbeitet. Die beiden Frauen verstanden sich gut und kamen auch bestens miteinander zurecht. Ayla hatte sich inzwischen auch mit Willem enger angefreundet. Die zwei trafen sich, so oft es Willems Dienst nur zuließ. Sie übernachtete sogar bei ihm. Bei vielen galten sie schon als Traumpaar. Sogar der Scheich freute sich für sie, wenn er dabei auch ein wenig wehmütig war, sie in der Marula Lodge zurücklassen zu müssen. Doch es war Aylas Wunsch, den er ihr liebend gern erfüllte.
Cala entschied sich noch vor der Abreise, mit zurück in die Heimat zu fliegen. Sie wünschte sich, dass der Scheich für sie einen Mann findet. Die anderen Frauen flogen ebenfalls mit zurück. Wie sie sich später entschieden, ist nicht überliefert.
So flog Scheich Achmed Abdallah wieder mit sechs Frauen und deren Dienerinnen in seinem Privatflugzeug zurück nach Saudi Arabien. Nur, dass auf dem Rückflug diesmal eine der Frauen seine Ehefrau war. Die anderen fünf Schönheiten verließen die Lodge gut erholt und als Frauen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen wollten. Nur die Dienerinnen der ehemaligen Haremsdamen blieben im Palast als Angestellte, die Hälfte davon als persönliche Dienerinnen der Frau des Scheichs.
So hatte der Zauber der Lodge, den der Schamane über die Marula Treetop Lodge bei deren Einweihung verhängt hatte, diesmal voll zugeschlagen. Zwei Paare hatten sich gefunden, und alle, die mit dem Scheich in die Ferien flogen, waren mehr als zufrieden und glücklich. Sogar Salih, der als Einziger keine Frau für sein Herz gefunden hatte, freute sich mit. Blieb nur noch eines übrig, der Zauber sagte doch auch, man würde wiederkommen!