Es war Dinnerzeit in der Marula Treetop Lodge. Nahla*, die seit einiger Zeit als Küchenhilfe in der Lodge arbeitete, deckte den großen Tisch im Baumhaus des Scheichs ein. Salih musste sie dazu hereinlassen, beäugte sie jedoch misstrauisch. Geschäftig wuselte das sehr hübsche schwarze Mädchen durch den Raum, rückte hier, rückte da, bis alles zu ihrer Zufriedenheit war. Immerhin sollte sich der hochwohlgeborene Gast mit seinem Gefolge auch beim Essen wohlfühlen.
Nahla hatte Achmed Abdallah nur bei dessen Ankunft ganz kurz gesehen, als sie dem Scheich alle vorgestellt wurden. Sie konnte seitdem ihren Blick nicht mehr so richtig von ihm lassen. Dass er gleich mit sechs Frauen anreiste, war für sie ein Ding der Unmöglichkeit. Sich einen Mann mit mehreren anderen Frauen zu teilen, wäre nichts für sie. Und trotzdem stellte sie sich vor, wie es wäre, wenn sie ihm als eine seiner Frauen nach Saudi Arabien folgen würde. Doch das waren nur Hirngespinste, die sie schnell wieder aus ihrem Kopf verbannen wollte.
Als Mebina ihr nach dem Einchecken des Scheichs Nahla verkündete, sie wäre für die Dauer seines Aufenthalts für dessen und seiner Frauen Wohl verantwortlich, sah sie das als ein gutes Zeichen an. Sie bemühte sich, alles ganz genau zu erledigen. So nun auch jetzt beim ersten Abendessen. Was sie nicht wusste, ihre Chefin hatte da schon Nebengedanken. Der Zauber des Baumhauses verlangte ja förmlich, dass der Scheich aktiv wurde. Nun ja, und Nahla war eine attraktive junge Frau …
„Welch Glanz in meiner Hütte“, hörte Nahla plötzlich hinter sich. Sie schaute sich um und entdeckte Scheich Achmed Abdallah, der von ihr unbemerkt den Raum betreten hatte. Da stand er nun vor ihr, hochgewachsen, mit seiner Qamis** bekleidet und schaute ihr interessiert bei ihrer Arbeit zu, die sie mit einer Eleganz erledigte, zu der Sklavinnen, wie die Dienerinnen seiner Frauen, nie fähig waren.
„Entschuldigung, ich habe sie nicht kommen gehört“, begann Nahla vor Aufregung an zu stottern.
„Das macht doch nichts“, erwiderte Achmed Abdallah. „Ich war nur neugierig, wer hier so rege tätig ist. Da entdeckte ich dich.“ Er sah Nahla direkt in die Augen. Die versuchte dem Blick des Scheichs standzuhalten, doch nach wenigen Augenblicken senkte sie schamhaft den Kopf.
„So schüchtern?“, fing der Scheich an, sie zu necken.
Nahla versuchte, darauf nicht zu reagieren. Doch die Ausstrahlung, die von diesem Gast ausging, schien sie zu hypnotisieren.
„Hast du plötzlich die Sprache verloren?“, reizte sie der Scheich weiter. Es machte ihm wohl Spaß, die kleine Küchenfee so in Verlegenheit zu bringen. Sie gefiel ihm vom ersten Augenblick an, als er sie hier im Speisezimmer entdeckte. Sein erster Gedanke war: Die muss ich haben. Nun hoffte er, sie würde auf sein Spiel eingehen. Sein männlicher Stolz verbot es ihm, an Gegenteiliges auch nur zu denken.
Anstatt zu antworten, versuchte Nahla zu flüchten. Achmed Abdallah hielt sie allerdings zurück. Er griff nach ihrem Arm und zog sie an sich.
„Eine kleine Kratzbürste“, meinte der Scheich breit grinsend. Sein Jagdtrieb war entflammt. „Bleib doch“, flüsterte er in ihr Ohr.
„Bitte, nicht“, stotterte Nahla aufgeregt. Ihr Herz klopfte laut in ihrer Brust. „Bitte“, sagte sie noch einmal.
„Wie du möchtest“, flüsterte Achmed Abdallah und ließ sie wieder los. Schnell lief Nahla aus dem Zimmer. Sie wollte so viel wie möglich Abstand zwischen sich und dem Scheich bringen. Instinktiv fühlte sie, er könnte ihr sehr gefährlich werden.
So eine kleine Kratzbürste, sagte der Scheich zu sich selbst, als er Nahla nachblickte. Aber noch nicht ist aller Tage Abend. Er war es gewöhnt, alles zu bekommen, was er wollte.
***
Nahla rannte wie von Furien gehetzt die Wendeltreppe hinunter und zum Küchentrakt. Außer Atem kam sie in der Küche an. Dort musste sie erst einmal zur Ruhe kommen. Sie hoffte, der Scheich sei ihr nicht böse. Mit Grauen dachte sie daran, dass sie ihn und seine Frauen gleich beim Essen bedienen musste. Doch da musste sie durch, es war ihr Job, den sie zur Zufriedenheit der Gäste und ihres Bosses erledigen musste. Erst überlegte sie, Mebina zu fragen, ob ein anderes Küchenmädchen ihre Arbeit übernehmen könnte. Doch dann dachte sie sich, das wäre kindisch.
***
Während Nahla in der Küche die letzten Handgriffe für das Abendessen des Scheichs machte, stand der nachdenklich an der Balustrade seines Baumhauses und schaute hinunter auf den Pool. Die als Sichtschutz aufgehängten Sonnensegel waren inzwischen wieder entfernt worden und andere Gäste tummelten sich im kühlen Nass. Er schaute etwas genauer hin und bemerkte, sie hatten fast alle Badebekleidung an. Er fand es eigenartigerweise nicht einmal anrüchig, diese fremden Menschen so zu sehen. Aber, was er gehört hatte, schien auch der Wahrheit zu entsprechen, einige Gäste schienen völlig nackt zu sein. Hier waren ihm Grenzen gesetzt. Zu gerne hätte er sein Auge an den sicher wunderschönen Gestalten gelabt. Leider waren die Körper, meist fast unsichtbar, unter Wasser.
Wenn ich so nachdenke, ist es wirklich eine scheußliche Doppelmoral, die wir da in meinem Heimatland haben, ging es Achmed Abdallah durch den Kopf. Er erinnerte sich an das Gespräch mit Mebina, wo sie ihm eröffnete, zu Silvester wäre in der Lodge eine Bondage-Vorstellung. Er hatte lange überlegt, ob er zusagen oder absagen solle. Doch jetzt war er sich sicher, diese Vorstellung mit seinen Frauen zu besuchen. Natürlich würden sie dabei fast unbekleidete Menschen hautnah sehen. Er dachte an die religiösen Bestimmungen, an die er sich bisher sein ganzes Leben gehalten hatte. Es war halt so anerzogen, er kannte es nicht anders. Aber warum nicht auch einmal die andere Seite kennenlernen? Immerhin dachte er von sich, er ist ein moderner Mensch. Ich werde die Frauen auch unverschleiert zur Vorstellung gehen lassen, nahm er sich vor.
Hinter ihm wurde es langsam laut. Seine Frauen, die wohl ebenfalls der Hunger aus ihren Zimmern trieb, kamen alle nach draußen. Wie immer wuselten sie laut plappernd durcheinander.
„Habe ich einen Hunger“, zeterte Zulaikha, seine jüngste Frau, „Ich hätte Lust auf einen Löwen zum Dinner.“
„Warte doch mal ab, es gibt garantiert gleich was“, versuchte Halima sie zu beruhigen. „Oh, Herr, sie sind ja schon hier“, sagte Halima zum Scheich, als sie ihn an der Balustrade stehend bemerkte.
„Ja, schon längst“, erwiderte dieser, „und um euch alle zu beruhigen, es gibt wirklich gleich Dinner – wenn auch, hoffentlich, keinen Löwen, Wild aber schon. Wir können ja schon ins Speisezimmer gehen. Im Übrigen habe ich euch auch etwas zu sagen. Aber lasst uns erst einmal zusammen am Tisch sitzen. Was ich zu sagen habe, geht euch genau so was an wie Salih auch.“
Achmed Abdallah sah sich um. Er suchte seinen Eunuchen, der jedoch nirgends zu entdecken war.
„Wo ist denn Salih?“, fragte er seine Frauen.
Die Frauen lächelten schelmisch.
„Nun sagt schon, ihr gackernden Hühner“, polterte der Scheich ein wenig zu laut, dass die Frauen erschrocken zusammenzuckten.
„Salih ist in seinem Zimmer“, berichtete Zulaikha. „Er ist ein wenig geschafft.“
„Dann hole ihn mal zum Essen“, sagte Achmed Abdallah, worauf seine jüngste Frau gleich losging, um Salih zu holen.
***
Der Scheich und sein gesamtes Gefolge hatten sich im Speisezimmer versammelt. Das Essen war inzwischen aufgetragen worden und Nahla legte auf. Dabei versuchte sie, Achmed Abdallah möglichst aus dem Weg zu gehen, was natürlich nicht ging. Der lächelte sie nur verschmitzt an, sagte aber nichts. Als Nahla fertig war und den Raum verlassen hatte, klopfte Achmed Abdallah mit einem Löffel gegen sein Glas.
„Meine Damen, ich bitte um eure Aufmerksamkeit“, sagte er laut, um die Gespräche am Tisch zu unterbinden.
Sofort wurde es still. Alle Frauen schauten interessiert auf ihren Gebieter.
„Wir machen hier nun ja Ferien in einem fremden Land, welches nicht so starr in seinen Regeln ist, wie bei uns“, begann der Scheich. „Da habe ich mir gedacht, deshalb auch euch die Zügel ein wenig lockerer zu lassen.“
Er blickte umher, um die Reaktion seiner Frauen zu beobachten. Doch die sagten vorerst kein Wort. Einige waren sogar der Annahme, sie hätten sich verhört.
„Heute durftet ihr ja schon schwimmen gehen, meine Erlaubnis hattet ihr dafür. Nun dachte ich mir, euch noch mehr Freiheiten zu lassen. Ihr dürft hier, wenn ihr euch im Gelände der Lodge bewegt, ohne Schleier gehen. Außerdem dürft ihr auch den Pool ohne mich fragen zu müssen, benutzen. Der Sichtschutz muss dazu auch nicht mehr angebracht werden. Eine Bedingung habe ich dazu trotzdem, nutzt dazu eine dezente, viel bedeckende Badekleidung, die ihr bekommen habt. Auf jeden Fall kein Schwimmen ohne dieselbe.“
Ein erstauntes Raunen ging durch die Reihen der Frauen. Auch Salih, der mit am Tisch saß, schaute seinen Herrn erstaunt an.
„Ja, und eins habe ich noch“, stoppte der Scheich Ayla, die gerade etwas erwidern wollte. „Übermorgen ist Silvester. Wie ich von Prinzessin Mebina, der Frau des Lodgebesitzers erfahren habe, wird am Abend eine Bondage-Vorstellung stattfinden. Wir werden alle zusammen dorthin gehen und uns das anschauen.“
„Was bitte, mein Herr, ist Bondage?“, wagte sich Zulaikha hervor.
„Ganz genau weiß ich es auch nicht“, musste der Scheich gestehen. „Nur so viel, es werden Frauen dabei kunstvoll verschnürt. Das könnte eine hübsche, genussvolle Strafe für euch sein, wenn ihr mal sehr unartig wart“, hängte er lächelnd an. Um ehrlich zu sich selbst zu sein, seine Gedanken waren wirklich so.
„Ja, aber …“, versuchte danach Ayla ein paar Worte herauszubringen. „Es ist ja schön und gut, uns hier etwas mehr Freiraum zu lassen, aber ist das richtig, etwas anzuschauen, was eigentlich tabu für uns ist.“
„Mach dir da mal keinen Kopf darüber. Ich kann das als euer Herr verantworten“, lachte Achmed Abdallah jetzt laut. „Und außerdem, was ist falsch daran, eine Theatervorstellung anzuschauen, und als solche ist sie deklariert. Das ist nicht verboten.“
Cala, die nach der unverhofften Zusammenkunft mit ihrem Gebieter am Nachmittag etwas frecher geworden war, kam eine Idee.
„Und was ist mit Sex?“, fragte sie den Scheich.
Der Scheich war verblüfft über eine derartige Frage, er musste überlegen. Doch dann erinnerte er sich ebenfalls an die unverhoffte Zusammenkunft am Nachmittag und daran, was er zu Ayla und Cala gesagt hatte.
„Wenn ihr möchtet, könnt ihr, mit wem ihr wollt und auf wen ihr Lust habt. Näheres darüber möchte ich nicht erfahren, es auf keinen Fall wissen aber, und damit müsst auch ihr leben, ich will selbst nicht zu kurz kommen. Das gilt allerdings nur für unseren Ferienaufenthalt“, erwiderte Achmed Abdallah. „Zu Hause werden wir wieder ganz nach den Regeln leben.“
Salih schaute etwas betroffen drein, denn damit war praktisch seine Hauptaufgabe, auf die Frauen zu achten, erledigt.
Der Zauber der Marula Treetop Lodge hatte voll zugeschlagen.
Die Frauen waren mehr als erstaunt, wenn teilweise auch höchst erfreut über die Äußerung ihres Gebieters, einige, die eher konservativen, machten sich jedoch sogar Gedanken, ob er krank wäre. Zu Hause war er ganz anders und hier war er wie ausgewechselt. Doch anstatt sich darüber noch länger den Kopf zu zerbrechen, dachte fast jede für sich, diese Freiheit einfach auszunutzen. Die eine oder andere hatte schon ein Auge auf einen der Angestellten der Lodge geworfen. Allen voran stand der Boy Pipo.
Ferien mit ihrem Scheich zu machen war doch noch viel lustiger und besser, als zu Hause zu sitzen und auf seinen Ruf, als einzige Abwechslung zu warten.
Das Dinner des Scheichs mit seinem Gefolge verlief mit viel Gelächter. Lautstark, wie sie es gewohnt waren, unterhielten sie sich. Nur Salih war ruhig. Nachdenklich saß er am Tisch und machte ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.
„Hey, Salih, was schaust du so nachdenklich“, rief der Scheich über den Tisch hinweg ins Salihs Richtung.
„Ach, Herr“, seufzte der nur.
„Wir reden nachher in meinem Zimmer über deine Sorgen“, sagte der Scheich zu ihm, was er später auch tat. Salih war nach dieser Unterredung ruhiger und auch zufriedener.
Der Abend dauerte noch recht lange. Der Scheich saß in trauter Runde mit seinen Frauen im Speisezimmer und unterhielt sich mit ihnen. Sogar die Dienerinnen waren anwesend, die genau so glücklich über den Sinneswandel ihres Herrn waren wie dessen Frauen. Immerhin profitierten sie auch davon.
***
Nahla räumte in der Küche die letzten Geschirrteile, die sie noch abgewaschen hatte, in den Schrank. Sie hatte vorher das Speisezimmer des Scheichs aufgeräumt, geputzt und den natürlich alkoholfreien Getränkevorrat in der Bar wieder aufgefüllt. Dabei offenbarte ihr der Scheich, dass er und alle Frauen ab dem nächsten Tag die Mahlzeiten mit den anderen Gästen in der Lounge einnehmen würden und sie somit etwas entlastet wäre. Sie freute sich über diese Auskunft, war es ihr doch lieber, dem Scheich somit aus dem Weg gehen zu können. Doch da hatte sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Achmed Abdallah absolvierte noch einen kleinen Abendspaziergang, ehe er sich zur Nachtruhe niederlegen wollte. Der Tag war lang und aufregend für ihn gewesen, da war auch ein Mann wie er müde. Doch ehe er zur Ruhe kommen konnte, musste er noch ein paar Schritte gehen und die relative Stille der Nacht auf sich wirken lassen. Seine Frauen waren alle schon auf ihren Zimmern, keine von ihnen wollte er heute Nacht noch belästigen, obwohl er schon Lust hatte, mit mindestens noch einer von ihnen tätig zu werden. Der Zauber wirkte immer intensiver.
Als er am Küchentrakt vorbeikam, bemerkte er dort noch Licht. Er ging näher und erblickte dort Nahla, die immer noch arbeitete.
Welch ein Zufall, dachte sich Achmed Abdallah und schlich sich noch näher, um Nahla besser beobachten zu können.
Nahla werkelte fleißig, ohne den heimlichen Beobachter zu bemerken. Sie schaute noch nach den Vorräten für das morgige Frühstück und stellte fest, dass noch einiges aus der Vorratskammer in die Küche gebracht werden musste. Das wollte sie gleich noch erledigen, um den Koch und die Küchenhilfe, die Frühdienst hatten, zu entlasten. Hier half halt einer dem anderen, man war halt ein gutes Team.
So ging sie zur Vorratskammer, um die fehlenden Dinge zu holen. Der Scheich folgte ihr. Nahla legte alles in den großen Transportkorb, den sie mitgenommen hatte. Doch dann stellte sie fest, er war viel zu schwer für sie.
„So hübsche Frauen wie du sollten nicht so schwer tragen“, hörte sie auf einmal eine Stimme direkt hinter sich.
Sie blickte sich erschrocken um und sah dort Scheich Achmed Abdallah stehen, der sie mit blitzenden Augen anschaute.
„Ich mache das doch sonst auch alleine“, antwortete Nahla etwas trotzig.
„Na, na, na, warum denn schon wieder so kratzbürstig“, meinte der Scheich lachend. „Komm lieber her zu mir.“
„Und was soll ich bei ihnen?“, fragte Nahla.
„Du machst mich verrückt mit deiner Kratzbürstigkeit, weißt du das“, wurde Achmed Abdallah fast laut. „Merkst du nicht, dass ich dich will! Nahla, bitte, erhöre mich.“
Nun wusste Nahla nicht mehr, was sie denken sollte. Sollte sich ihr sehnsüchtigster Wunsch doch erfüllen?
Anmerkung:
Afrikanische Frauennamen von dieser Webseite:
http://www.bamako2008.org/afrikanische-namen-und-bedeutung
*Honigbienchen
** ist ein luftiges, knöchellanges, in der Regel langärmeliges, baumwollenes (seltener wollenes) und meist weißes Gewand, das traditionell in den Wüstenregionen der Arabischen Halbinsel und verschiedenen Nachbargebieten vorwiegend von Männern getragen wird.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kandura