„Bitte erhöre mich doch endlich, Nahla. Es ist nun einmal so. Bereits seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich, du musst zu mir gehören!“
Scheich Achmed Abdallah hatte auf seinem Abendspaziergang entdeckt, dass seine Angebetete noch alleine bei der Arbeit war. Dass sie nur eine einfache Küchenhilfe in der Marula Treetop Lodge war, spielte in seinen Gedanken keine Rolle. Für ihn ausschlaggebend war nur, es hatte ihn bereits wie ein Blitz getroffen, als er sie zum ersten Mal sah. Ihre Haut, wie poliertes Ebenholz, ihre Lippen wie rote Korallen und ihre Haare, die alleine fanden schon sein ganzes Entzücken, sie waren nicht kraushaarig, wie bei den meisten ihrer Kolleginnen, sondern flossen wie schwarze Seide lang über ihre wohlgeformten Schultern.
Erschrocken schüttelte Nahla den Kopf. Als der Scheich auch noch einen weiteren Schritt auf sie zu machte, wich sie ihm aus. Flink schlüpfte sie unter seinem ausgebreiteten Arm hindurch und floh aus der Vorratskammer.
„Geliebte! Nahla! So warte doch“, hörte sie den Scheich hinter sich herrufen.
Sie blieb stehen und blickte sich um. Der Scheich stand im Schein der Lampe, die den kleinen Vorplatz der Vorratskammer erhellte, und schaute traurig in ihre Richtung.
„Bitte, Nahla“, sagte er nochmals, diesmal so leise, dass sie es kaum noch hören konnte. Seine Stimme zitterte.
Die junge Frau verspürte fast Mitleid mit diesem hochgewachsenen, gut aussehenden Mann. Einerseits hatte sie sich auch ein wenig in ihn verliebt, genau wie er beim ersten Zusammentreffen. Doch war es für Nahla kein Leben, sich den Mann, den sie liebte, mit noch mehr Frauen teilen zu müssen.
Langsam ging Nahla auf den Scheich zu. Sein Gesicht erhellte sich vor Freude. Kurz vor ihm blieb sie stehen. Nahla war eine kleine Frau, deshalb musste sie sich etwas strecken, um ihrem Gegenüber in die Augen sehen zu können. Ihre Blicke trafen sich, sie lächelte ganz schüchtern. Lange konnte sie seinem intensiven Blick jedoch nicht standhalten. Als sie bald schamhaft zu Boden blickte, ging Achmed Abdallah noch einen weiteren Schritt auf sie zu. Er griff nach ihrem Kinn und zwang sie sanft, ihn anzuschauen.
„Nahla“, sagte er wieder, fast nicht hörbar. Zärtlichkeit lag in seiner Stimme. Achmed Abdallah ging auf die Knie, ergriff ihre Hand und küsste zart deren Fingerspitzen.
Der Kuss schien Nahla, als würde er plötzlich einen Feuerstoß durch ihren Körper schießen. Erst kribbelte es in ihren Fingerspitzen. Der Scheich hauchte noch einen weiteren zarten Kuss auf ihre Fingerspitzen. Dieser ließ das Feuer in Nahla nur noch größer werden. Achmed Abdallah war mit seinen knapp vierzig Jahren ein Mann, der sehr wohl wusste, wie er Frauen schwach machen konnte. So wirkte sein Zauber auch bei der jungen schwarzen Frau.
„Nahla, ich habe mich in dich verliebt“, hauchte Achmed Abdallah wohl dosiert in seiner Leidenschaft. Er erhob sich jedoch schnell wieder und zog die junge Frau nah an sich heran. Noch wehrte sie sich ein wenig, doch langsam schmolz ihr Widerstand dahin wie Eis an der Sonne.
Nun beugte sich Achmed Abdallah zu der kleinen Gestalt von Nahla hinunter. Sein Mund kam dem ihrigen immer näher. Sie trafen sich zu einem ersten Kuss. Nun schmolz sie völlig dahin. So geküsst wurde sie noch nie. All die Männer, die sie kannte, wollten meist nur eines von ihr: Mit ihr Sex haben. Dabei wollte sie doch nur einen Mann finden, mit dem sie ihr ganzes Leben verbringen konnte. Bisher hatte sie es geschafft, sich noch keinem hinzugeben. Dieses letzte Eine wollte sie aufsparen, bis der Richtige für sie gekommen war.
Doch bei dem Scheich, der ihr hier den Hof machte, war sie noch unsicherer als bei den anderen Männern, die sie bisher kennengelernt hatte. Immerhin war er jemand, der alles haben konnte, jemand, der im Licht der Öffentlichkeit stand, während sie ein Nichts war, lediglich die kleine, unschuldige Küchenhilfe Nahla.
„Du machst mich heiß“, keuchte der Scheich zwischen zwei Küssen und drückte Nahla noch enger an sich heran. „Lass uns auf mein Zimmer gehen und …“
Noch zierte sich die junge Frau. Doch sie spürte schon, dass sie mehr wollte, als sie zugab. Allerdings dachte sie, es wäre noch zu früh, intim zu werden. Erst musste sie sich sicher sein, ob es der Scheich auch wirklich ernst meinte.
„Ich kenne sie doch gar nicht“, wehrte Nahla zaghaft ab. „Lassen sie mir ein wenig Zeit, nicht heute Abend, später … bitte.“
Der Scheich, der keine Abfuhren gewohnt war, bisher lagen ihm alle Frauen zu Füßen und gaben sich ihm stets willig hin, wann und wo er es wollte, schaute Nahla fragend an. Urplötzlich hatte er das Gefühl, bei dieser jungen Frau zu schnell vorzustoßen, würde ihm dem Ziel nicht näher bringen. Eher das Gegenteil. Er würde sie verschrecken und konnte sie dadurch vielleicht für immer verlieren. Das wollte er auf keinen Fall riskieren.
„Wie du möchtest“, sagte er ganz gentlemanlike zu ihr. „Aber lass mich dir helfen und den großen Korb zur Küche bringen. Der ist viel zu schwer für dich.“
„Aber …“, weiter kam Nahla nicht, denn der liebestolle Scheich hielt ihr den Mund zu.
„Still“, flüsterte er. „Lass es mich für dich tun.“
So kam es dazu, dass ein hochwohlgeborener Scheich einer jungen, afrikanischen Küchengehilfin bei ihrer Arbeit half.
Mit vor Stolz erhobenen Kopf trug Achmed Abdallah den großen Korb in die Küche, wo noch das Licht brannte. Nahla hatte es, bevor sie zur Vorratskammer ging, brennen lassen.
Gerade als der Scheich mit seiner schweren Last die Küche betrat, schaute Ismael aus seinem Schlafzimmerfenster und sah, was in der Küche vor sich ging.
„Mebina, komme schnell mal her und schau dir das an“, bat er seine Frau zum Fenster. „Wie kommt denn unser Scheich dazu, unseren Angestellten bei der Arbeit zu helfen?“
Mebina stand vom Bett auf, und ging zu ihrem Mann. Gespannt schauten beide in Richtung Küche, wo immer noch das Licht brannte. Sie erkannten Nahla, die dort herumwerkelte. Der Scheich stand an der Tür und sah ihr zu. Was die beiden weiter taten, konnten sie nicht mehr erkennen, denn Nahla löschte plötzlich das Licht.
Ismael öffnete sein Fenster.
„Vielleicht können wir ja hören, was die zwei da machen“, flüsterte er seiner Frau zu.
„Warum flüsterst du so?“, lachte diese auf. „Sie können uns nicht hören, genau so wenig, wie du sie hören kannst. Sie sind zu weit weg.“
„Hm“, murrte Ismael ein wenig und öffnete sein Fenster doch noch. Genau in dem Moment kam der Scheich mit Nahla aus der Küche. Der Scheich schloss für seine Angebetete die Tür ab und nahm ihre Hand. Dann gingen beide weg, wohl zum Baumhaus.
Als sie unter Ismaels Fenster vorbeigingen, hörte er seine Küchengehilfin lachen. Achmed Abdallah hatte wohl einen Spaß gemacht.
„Willst du es dir nicht noch einmal überlegen?“, hörte Ismael den Scheich fragen.
„Bitte lass mir Zeit“, bat Nahla daraufhin noch einmal. „Morgen sieht die Welt ganz anders aus. Schlafe drüber. Vielleicht hast du dich mit deiner Verliebtheit auch nur geirrt.“
„Dann lass mich dich wenigstens zu deiner Unterkunft bringen.“
„Gut, das darfst du“, erwiderte die junge Frau.
Ismael sah nun, wie die beiden in Richtung der Unterkünfte seiner Angestellten gingen. Vor der Tür blieben sie stehen und küssten sich noch einmal. Danach ging der Scheich zu seinem Baumhaus.
„Nahla sagt Du zum Scheich. Da scheint was zu laufen“, sagte Ismael, der das Ganze weiter beobachtet hatte, zu seiner Frau, die sich inzwischen wieder auf das Bett gelegt hatte.
„Du siehst Gespenster“, lachte Mebina wieder.
„Warten wir es ab“, grummelte Ismael etwas mürrisch. Dass ihm seine Frau keinen Glauben schenkte, verwirrte ihn etwas.
***
Ein paar Minuten später im Baumhaus des Scheichs
Achmed Abdallah lief wie ein gehetztes Tier von einer zur anderen Ecke seines Zimmers. Die Begegnung mit Nahla hatte ihn mächtig aufgewühlt. Diese Frau machte ihn einfach wild, so sehr, dass er kaum an sich halten konnte, als er ihr in der Küche begegnet war. Am liebsten wäre er sofort über sie hergefallen. Doch als er ihr verängstigtes, unschuldiges Gesicht sah, ließ er zumindest diese Idee fallen. Stattdessen ließ er sich zu etwas hernieder, was er vorher noch nie getan hatte. Er machte einer Frau ein Liebesgeständnis.
Dass Nahla ihn abwies, ließ seine Natur nicht zu. Er sah allerdings, dass er mit Zwang nicht weiterkam. Nahla war eine Frau, die wusste, was sie wollte. Er allerdings wusste auch, was er wollte: Nahla!
Ich muss sie einfach haben, ohne sie ist mein Leben nichts mehr wert, sprach er laut zu sich selbst.
Nachdenklich setzte er sich auf sein Bett. Er musste sich etwas einfallen lassen, wie er Nahla für sich gewinnen konnte. Er war sich aber auch bewusst, dass er bei ihr kein leichtes Spiel haben würde, so zurückhaltend wie sie war.
***
Am nächsten Morgen erwachte Achmed Abdallah leicht verkatert. Er hatte zwar recht gut geschlafen, doch immer wieder tauchte Nahla in seinen Träumen auf. Einmal erwachte er sogar und schaute sich um. Er war der Meinung, Nahla neben sich zu haben und sie zu spüren. Erstaunt bemerkte er da auch, wie erregt er war.
Im Flur hörte er seine Lieblingsfrau Ayla und ihre Zimmernachbarin Cala lachen. Die ersten seiner Frauen waren also auch schon wach. Achmed Abdallah stand auf, zog sich etwas über und ging hinaus auf die Balustrade. Wie er schon annahm, waren es Ayla und Cala, die da auf dem Balkon saßen und sich unterhielten.
„Guten Morgen die Damen“, sagte der Scheich, als er aus seinem Zimmer trat. „Zu solch einer Zeit schon wach?“
Ayla und Cala standen auf. „Guten Morgen, Gebieter“, grüßten auch sie. ,
„Hatten wir nicht was anderes ausgemacht?“, fragte Achmed Abdallah lächelnd.
„Oh ja, guten Morgen, Achmed“, sagten darauf die Frauen, genau so lächelnd.
„Wo sind denn die anderen?“, fragte Achmed.
„Die schlafen alle noch, Salih auch“, erwiderte Cala.
„Gut. Ich habe vor dem Frühstück noch etwas zu erledigen“, kündigte der Scheich an. „Wir sehen uns dann unten in der Lounge. Seid bitte pünktlich. Die anderen auch.“ Damit ging er wieder in sein Zimmer, um sich anzukleiden. Zurück ließ er zwei neugierige Frauen.
***
Scheich Achmed Abdallah schlug den Weg zu Ismaels Büro ein. Er hatte seine Entscheidung getroffen. Dazu brauchte er allerdings die Hilfe des Lodgebesitzers. Nur kurz klopfte er an die Bürotür.
Ismael, der schon beim Tagesgeschäft war, sah auf, als er die Tür aufgehen hörte.
„Oh, guten Morgen“, grüßte er den Scheich. „Ich hoffe, sie haben gut geschlafen?“
„Guten Morgen Prinz Radama, ich kann nicht klagen“, antwortete Achmed Abdallah.
„Was führt sie zu dieser Zeit in meine Gefilde?“, wollte Ismael wissen.
„Nahla“, platzte der Scheich heraus.
„Hat sie etwas angestellt?“, fragte Ismael mit entsetzter Miene.
„Ja.“
„Oh, das werde ich sofort klären. Ich lasse sie rufen“, erwiderte der Lodgebesitzer und sprang auf, um nach seiner Küchenhilfe rufen zu lassen.
Ismael war der Annahme, die Beschwerde des Scheichs basiert auf den Vorkommnissen des letzten Abends, die er von seinem Fenster aus beobachtet hatte.
„Das ist nicht nötig“, sagte der Scheich, „ich möchte sie um einen Rat bitten. Es geht, wie ich eben erwähnte, um Nahla.“
Gespannt hörte Ismael zu. Je mehr der Scheich erzählte, desto größer wurden Ismaels Augen. Er hatte viel erwartet, aber nicht das. Doch rechnete er es seiner Küchenhilfe hoch an, dass sie dem Scheich nicht gleich am ersten Tag nachgegeben hatte und mit ihm ins Bett gestiegen war. Ismael war es durchaus bewusst, dass der Zauber der Lodge manchmal seltsame Wege ging. Jedoch das, was er hier hörte, war mehr als nur ein Zauber. Ein Scheich hatte sich in ein Küchenmädchen verliebt und das auch noch bis über beide Ohren.
„Ja, was soll ich dazu sagen?“, begann Ismael, als Achmed Abdallah geendet hatte. „Zwingen kann und will ich Nahla nicht.“
„Wann hat sie wieder Dienst?“, fragte der Scheich. „Vielleicht kann ich da nochmals mit ihr reden. Wir könnten auch einen kleinen Ausflug machen, wo wir alleine sind.“
Ismael schaute auf den Dienstplan. Danach überlegte er eine Weile.
„Ich gebe Nahla für den heutigen Tag ausnahmsweise frei. Nutzen sie die Zeit mit ihr, egal wie. Falls sie jemanden brauchen, der sie auf dem Ausflug begleiten soll, stelle ich ihnen Mnomo zu ihrer Verfügung. Mnomo ist mein persönlicher Boy“, schlug Ismael vor. „Ich wüsste auch ein geeignetes Ziel für eine kleine Safari mit ihrer Angebeteten. Etwa zwei Stunden von hier entfernt ist die Ruine einer Moschee. Dort kann man auch gut Picknick machen. Dahin könnten sie mit Nahla fahren.“
„Vielen Dank“, sagte Achmed Abdallah. „Ich gehe jetzt erst mal zum Frühstück. Danach werde ich Nahla abholen und mit ihr einen Ausflug zu dieser Moschee machen. Ich hoffe, Mnomo ist diskret.
„Natürlich ist er diskret, sonst wäre er nicht mein Boy“, erwiderte Ismael. „Ich werde inzwischen jemanden zu Nahla schicken und ihr mitteilen lassen, dass sie für den heutigen Tag frei hat und nachher von ihnen abgeholt wird.“
„Danke, das hilft mir sicher weiter. Mnomo soll sich bitte um neun Uhr bereithalten“, sagte der Scheich und verließ Ismael in Richtung Lounge, wo er sein Frühstück einnehmen wollte.
Als er dort ankam, saßen da schon seine Frauen und warteten auf seine Ankunft. Auch Salih war schon wach.
„Da seid ihr ja alle“, grüßte Achmed Abdallah. Er sah sich um und sah nun auch die anderen Gäste zum Frühstück kommen. Wie ein Bienenschwarm schwärmten sie in Richtung Lounge. Sie bemerkten den Scheich und blieben in einem gebührlichen Abstand stehen.
„Bitte, kommen sie doch, stören sie sich nicht an mir. Ich bin hier auch nur auf Ferien“, sagte der, als er die Unentschlossenheit der anderen Gäste bemerkte.
Die Dazugekommenen begaben sich zu den Tischen und nach einer kurzen Vorstellungszeremonie nahmen alle Platz. Wie gewohnt, entstand schnell ein angeregtes Gespräch, an dem sich der Scheich und seine Frauen ebenfalls beteiligten.
Nach dem Essen bat Achmed Abdallah seine Frauen zu einer kurzen Zusammenkunft auf der Balustrade ihres Baumhauses.
„Ich werde heute den ganzen Tag nicht da sein“, eröffnete er das Meeting. „Fragt bitte nicht nach, was ich gemacht habe oder machen will. Hört auf Salih, alles andere bleibt, wie wir gestern Abend besprochen haben.“
Er erntete von seinen Frauen seltsame Blicke, doch keine wagte es, etwas zu sagen. Sie waren sich alle sicher, ihr Gebieter würde schon das Richtige tun.
***
„Nahla, bist du da?“, rief Scheich Achmed Abdallah, als er eine halbe Stunde später die Unterkunft der Angestellten der Lodge betrat. Er hatte sich darauf verlassen, dass Prinz Ismael sich an sein Versprechen gehalten und Nahla über seinen Plan unterrichtet hatte.
„Hier, komm doch rein“, antwortete Nahla aus ihrem Zimmer, das sie mit einem anderen Küchenmädchen teilte.
Achmed Abdallah schaute sich in Nahlas Domizil um, wo sie eben noch das Top, das sie für den heutigen Tag ausgesucht hatte, anzog. Boss Ismael hatte so heimlich getan und ihr gesagt, sie solle sich schön machen. Dass er sie für den heutigen Tag auch noch von der Arbeit freistellte, grenzte schon an Wunder.
„Ich bin gleich fertig“, sagte die junge Frau, als Achmed in ihr Zimmer trat. „Was hast du eigentlich vor?“, fragte sie noch. „Boss Ismael tat so heimlich.“
„Lass dich doch einfach überraschen. Wir machen einen kleinen Ausflug“, meinte Achmed Abdallah lächelnd. Er trat auf Nahla zu, nahm sie in den Arm und küsste sie zärtlich auf den Mund. „Ich hoffe doch, dass du mitkommen willst“, flüsterte er. „Aber nun lass uns gehen, Mnomo wartet sicher schon.“
Die beiden gingen nach draußen und über den Vorplatz zu Mnomo, der sie mit einem der Landrover vor dem Haupthaus erwartete.
Scheich Achmed Abdallahs Frauen saßen inzwischen wieder in der Lounge an einem der Tische und plauderten. Erstaunt sahen sie, wie ihr Gebieter mit einer jungen, schwarzen Frau über den Vorplatz zu dem dort geparkten Wagen ging und nach einer kurzen Unterredung mit dem Mann, der sie dort erwartete, einstieg. Kurz darauf fuhr der Landrover an und verschwand durch das große Tor.
„Was war das denn?“, fragte Halima ihre Sitznachbarin Zulaikha, die darüber jedoch genau so erstaunt war wie die anderen der Frauen.
***
Aufgeregt hüpfte Nahla auf ihrem Sitz hin und her. Achmed Abdallah hatte ihr immer noch nicht gesagt, wohin er sie entführen wollte. So sehr sie ihn auch löcherte, er blieb standhaft. Da Nahla noch nicht sehr lange in der Marula Treetop Lodge angestellt war, kannte sie sich auch noch nicht gut genug in der Umgebung aus. Nur im direkten Umfeld der Lodge konnte sie sich, ohne sich zu verlaufen, bewegen.
Mnomo fuhr inzwischen schon fast zwei Stunden wortlos durch die Wüste. Nahla schaute vorn durch die Windschutzscheibe. Ganz weit am Horizont bemerkte sie hausähnliche Gebilde, die nach und nach immer größer wurden.
„Was ist das dort?“, fragte sie Mnomo.
„Das ist die Ruine einer Moschee, die in der Zeit des Umbruchs des Landes verwüstet wurde. Seither hat sich niemand mehr darum gekümmert. Der Zahn der Zeit nagte immer mehr an den Mauern, bis sie schließlich ganz einbrachen“, erzählte Mnomo.
Er wandte sich an den Scheich, der seinen Ausführungen genau gelauscht hatte. Als Moslem interessierte er sich natürlich ganz besonders für alles, was mit seiner Religion zu tun hatte. Dass er hier in dieser Einöde auch eine Moschee finden würde, wenn auch nur noch als Ruine, hatte er nicht erwartet.
„Boss Ismael sagte mir, er hätte ihnen geraten, dort eine Besichtigung zu machen. Deshalb bat er mich, sie und Nahla zu begleiten. Ich hoffe, es ist ihnen recht, dass ich jetzt einiges dazu erzählt habe“, sagte Mnomo zum Scheich.
Nach einiger Zeit erreichten sie die Ruine. Mnomo stoppte den Landrover und sah sich um.
„Hier können wir rasten“, sagte er zu seinen Mitfahrern und stieg aus. Er schaute sich noch weiter um und entdeckte endlich einen Ort, wo er das Sonnenzelt aufschlagen konnte.
Nahla und der Scheich standen schon neben ihm und sahen sich in der Gegend um. Die Ruine sah, trotz des starken Verfalls, immer noch sehr monumental aus.
„Gehen wir ein paar Schritte“, bat Achmed Nahla. Er griff zärtlich nach ihrer Hand und sie liefen ein Stück von Mnomo weg.
„Mnomo muss nicht alles hören, was wir uns zu sagen haben“, sprach der Scheich weiter auf Nahla ein, der es wohl die Sprache verschlagen hatte. So etwas wie hier hatte sie noch nie gesehen.
„Über was möchtest du denn mit mir sprechen?“, fragte sie.
„Nachher“, antwortete Achmed.
Als er sich umdrehte, um zurück zum Rastplatz zu gehen, sah er, wie Mnomo ihnen zuwinkte.
„Ich glaube, Mnomo hat den Lagerplatz schon vorbereitet“, erkannte Achmed. Gemeinsam gingen sie das kurze Stück Weg zurück. Mnomo war wirklich schon fertig. Im Schatten der Ruine hatte er ein kleines Lagerfeuer angezündet. Dort standen zwei Campingstühle, sogar ein kleiner Tisch war aufgestellt, auf dem er die Köstlichkeiten, die ihm aus der Küche der Lodge mitgegeben wurden, ausgebreitet hatte.
„Ich lasse sie dann mal allein“, sagte er zum Scheich und verschwand in Richtung des Landrovers.
Diskret ist er wirklich, erkannte Achmed und sah seine Stunde gekommen, Nahla sein Anliegen vorzulegen.
„Wofür der Aufwand?“, fragte Nahla erfreut.
„Für dich“, erwiderte Achmed Abdallah. „Für dich tue ich alles.“
Nahla sah wieder einmal schüchtern zu Boden. Sie fühlte sich zwar wohl in Achmeds Begleitung, doch ganz sicher war sie sich immer noch nicht, ob es richtig war, ihm hierher zu folgen. Allerdings bemerkte sie auch, er war anders, sogar ganz anders als die Fassade, die er vorgab, zu haben. Das einzige, was sie an ihm störte, waren die vielen Frauen, die ihm zu Füßen lagen. Sollte sie vielleicht eine von vielen werden? Das würde ihr gar nicht gefallen.
„Komm, setzen wir uns“, bot Achmed an und rückte Nahla den Campingstuhl zurecht. Erst als sie bequem saß, setzte auch er sich. Er fühlte sich wie ein verliebter Teenager und nicht wie ein Mann von knapp vierzig Jahren.
Achmed füllte die einfachen Trinkbecher, die zu jeder Campingausrüstung gehörten. Prinz Ismael wollte besseres Geschirr mitschicken, doch Achmed Abdallah lehnte ab. Er wollte es schlicht halten und nicht protzen. Auch ein Scheich konnte sich mit einfachen Dingen zufrieden geben.
„Auf dich“, prostete er Nahla zu und hob den Becher in ihre Richtung. Als sie angestoßen hatten, tranken sie die Limonade, die Achmed eingegossen hatte.
„Du machst es wirklich spannend“, kicherte Nahla lächelnd. Ihre Augen blitzten über den Becherrand in Achmed Richtung, der sich fühlte, als würden ihn ihre Blicke durchbohren.
„Es ist ja auch spannend“, grinste der Scheich. Er stand auf und ging zu seiner Angebeteten hinüber. Dort ging er auf die Knie und legte seine Hand auf Nahlas Oberschenkel.
„Nahla“, begann er nun. „Ich habe dir gestern Abend schon gesagt, dass ich mich in dich verliebt habe. Inzwischen bin ich mir sicher, es ist nicht nur eine Verliebtheit. Nahla, ich liebe dich, bitte komme mit mir, wenn ich zurück nach Saudi Arabien gehe.“
Die junge Frau wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie sah den Scheich an, der immer noch vor ihr kniete und sie verlangend anblickte.
„Sag doch was“, wurde sie erneut von ihm angesprochen.
„Was soll ich dazu sagen?“, fragte sie. „Ich bin überrascht, so etwas von dir zu hören. Gestern Abend dachte ich, es ist für dich ein Spiel. Aber jetzt … ich weiß nicht.“
„Geht es dir zu schnell? Mache ich etwas falsch?“, fragte Achmed weiter. Er wusste, nein, er war sich sogar sicher, Nahla fühlte genau so wie er selbst.
„Ich bin mir meiner Gefühle nicht sicher“, bekannte Nahla.
„Aber ich bin mir meiner Gefühle sicher, bitte, erhöre mich. Ich möchte nicht mehr ohne dich sein.“
„Darf ich etwas dazu sagen? Aber bitte nicht böse sein“, sagte Nahla nach einiger Zeit der Stille zwischen ihnen.
„Bitte“, erwiderte Achmed Abdallah.
„Was ist mit den anderen Frauen? Liebst du die auch?“
Achmeds Stirn runzelte sich. Darüber hatte er noch nie nachgedacht. Klar, er hatte eine Lieblingsfrau: Ayla. Doch das würde sich nun ändern, jetzt wo er Nahla kennengelernt hatte.
„Liebe? Lieben kann man nur eine, das bist du“, sagte Achmed und meinte es sogar aufrichtig. „Die anderen mag ich nur.“
„Aber du geht’s mit ihnen ins Bett, oder nicht?“
Nun wurde der Scheich rot. Mit einer Frau hatte er sich noch nie über Sex unterhalten, er machte nur welchen mit ihnen.
„Ja, ich habe mit ihnen Sex. Mit jeder von ihnen“, erwiderte er.
„Warum hast du Sex mit ihnen, wenn du sie nicht liebst? Ich könnte das nicht. Ich will einen Mann haben, der mich liebt und den ich liebe, wenn ich mit ihm Sex haben will“, erklärte die junge Frau. In dieser Beziehung war sie so ganz anders als viele ihrer afrikanischen Geschlechtsgenossinnen. „Und ich möchte mit nur einem Mann ins Bett gehen, das ist der, der mich zur Frau machen wird.“
„Du bist noch Jungfrau?“, fragte Achmed höchst überrascht. Das hatte er nun überhaupt nicht erwartet.
„Ja“, erwiderte Nahla errötend, besser gesagt erbleichend, „meine Jungfräulichkeit bewahre ich mir auf, bis ich mir ganz sicher bin, den Mann fürs Leben gefunden zu haben.“
Solch eine Frau wie Nahla war dem Scheich noch nie begegnet. Die Frauen in seinem Land mussten ihre Jungfräulichkeit notgedrungen bis zu einer Heirat bewahren. Doch diese hier tat es freiwillig, von sich aus. Nun wusste er noch sehr viel sicherer als vor wenigen Minuten, Nahla war die Frau, die er seit langem suchte.
„Liebste“, rief Achmed Abdallah begeistert aus. „Das ist ja wunderbar. Bitte, ich bitte dich nochmals, ein letztes Mal. Ich liebe dich, über alles. Ich werde für dich alle Frauen aufgeben. Aber bitte, komme mit mir.“
Tränen liefen über das Gesicht des Scheichs. Er konnte sie nicht mehr zurückhalten. Noch nie hatte er sich so gehen lassen, schon gar nicht vor einer Frau. Wie sehr wünschte er sich, Nahla würde seinem Werben endlich nachgeben.
Ein Lächeln zog nun über das Gesicht der jungen Frau. Sie gab sich endlich einen Ruck und gestand, auch sie hätte sich in Achmed verliebt.
„Ich werde mit dir kommen, wenn du zurück in deine Heimat gehst. Deine Frau werde ich aber erst, wenn du dich von den anderen Frauen, die dich hierher begleitet haben, losgesagt hast.“
„Alles was du willst, meine liebste Nahla“, rief Achmed aufgeregt. Sein Herz schien vor Freude zu hüpfen. „Ich freue mich ungemein.“ Er sprang wie ein junger Rehbock um den Campingtisch herum. „Mnomo, komm her“, rief er in Richtung Landrover, wo sich Mnomo hingelegt hatte und eingeschlummert war. „Mnomo, komm endlich!“, rief der Scheich nochmal, als der Gerufene immer noch nicht reagierte.
Endlich schaute der Fahrer um den Wagen herum, sein Haar stand wirr vom Kopf ab. Wahrscheinlich war er sogar fest eingeschlafen.
„Was gibt es denn?“, fragte Mnomo als er endlich bei den beiden Turteltäubchen angekommen war.
„Darf ich vorstellen, meine Frau: Nahla Abdallah“, rief Scheich Achmed aufgeregt und verbeugte sich vor der jungen Frau.
Mnomo wusste nicht, ob der Scheich nur einen Spaß machte oder es ernst meinte. Doch als er sah, wie verliebt dieser Araber seine nun wohl ehemalige Kollegin anschaute, wusste er, das war kein Spaß, das war bitterer Ernst.
„Gratuliere“, sagte er zu Nahla, zum Scheich gewandt: „Glückwunsch, sie haben das erreicht, was schon viele vor ihnen wollten. Jedoch bis jetzt blieb sie standhaft. Sie wolle nur einem gehören, der sie liebt, sagte sie einmal zu mir. Nun hat Nahla wohl gefunden, was sie seil langem suchte.“
„Danke Mnomo“, erwiderte der Scheich und drückte den Mann an seine Brust, dass der fast keine Luft mehr bekam.
Die drei saßen noch einige Zeit zusammen am Campingtisch und unterhielten sich. Die Speisen, die mitgebracht wurden, waren alle aufgegessen, auch die Limonade, aus der Kühlbox, war fast zu Ende. Es wurde langsam Zeit, zurück zur Marula Treetop Lodge zu fahren, wo bestimmt schon auf sie gewartet wurde.
Da sie in der Lodge schon längst erwartet wurden, funkte Mnomo noch kurz dorthin, dass sie sich nun auf den Rückweg machen würden und alles in Ordnung wäre.
Sie kamen gut voran und erreichten die Lodge kurz vor Einbruch der Dunkelheit, wo alle schon beim Dinner waren. Scheich Achmed Abdallah nahm Nahla kurzerhand mit zum Essen, ohne auf die fragenden Blicke seiner Frauen zu achten. Für ihn gab es jetzt nur noch Nahla. Die Sache mit seinen Frauen würde er morgen, am Silvestertag, regeln, wenn er mit ihnen den Ausflug macht. Dort würde es bestimmt eine Gelegenheit geben, alles mit ihnen zu klären.