"Was für ein herrliches Wetter!", rief Flora entzückt, als sie als Erste mit gepackten Koffern durch das Portal in Magix trat.
Der leichte Wind roch fantastisch nach Frühling und zerzauste leicht ihr haselnussbraunes Haar.
Die Sonne strahlte angenehm warm auf ihre gebräunte Haut herab. Die Pflanzen auf dem Stadtplatz blühten in voller Pracht und ihre grünen Augen bemerkten entzückt, dass keine einzige Wolke am Himmel war. Das Wetter in Gardenia hatte öfters seine Schauer und Gewitter gehabt, doch hier in der Frühjahrssonne fühlte sich Flora wie im siebten Himmel.
Nacheinander traten auch die anderen Feen durch das Portal.
"Ein super Start für einen super Tag zum shoppen!", kicherte Stella.
"Shoppen? Aber Stella, unsere Koffer...", begann Bloom, doch Stella zückte ihr Handy und winkte ab: "Ja, Hallo? Ja, wir sind da. Die Koffer stehen hier!"
Eine Sekunde später tauchte eine leuchtende Plattform auf dem Boden auf.
"Ist das ein magischer Gepäck-Teleporter?", fragte Tecna und ihre türkisblauen Augen strahlten vor Begeisterung.
"Ganz genau! Er ist darauf programmiert, die Koffer direkt nach Alfea zu bringen - so haben wir mehr Zeit für die wichtigen Dinge!", zwinkerte Stella. Tecna bließ eine Strähne ihres kurzen, pinkfarbenen Haares aus dem Gesicht und hob ihren Koffer auf die Plattform und die anderen taten es ihr gleich.
Sobald alle Koffer auf der Plattform lagen, leuchtete diese auf und erhob sie sich mitsamt dem Gepäck in die Luft und verschwand.
Bloom staunte nicht schlecht: "Die magische Dimension verblüfft mich immer wieder."
"Du sagst es.", lächelte Flora.
"Also? Wo wollen wir zuerst hin?!", rief Stella aufgeregt. Ihre Augen blitzten zwischen dem großen Einkaufszentrum zu ihrer Linken und dem Luxus-Marktplatz zu ihrer Rechten hin und her.
"Ach lasst uns doch auf den Marktplatz gehen. Dann können wir das schöne Wetter genießen.", meinte Musa.
"Gute Idee!", sagte Bloom.
Nur wenige Minuten später waren die Feen mit Einkaufstüten (von denen die Meisten Stella gehörten) vollgepackt und bereit für die Heimreise nach Alfea, als - "Hey, hört ihr das?"
Eine Stimme erhob sich im Wind, so klar und rein und schöner als alles, was selbst die musikliebende Musa je gehört hatte.
"Lasst uns doch nachsehen.", schlug Tecna vor.
Die Winx bahnten sich ihren Weg durch die Menschenmenge, die sich vor der Sängerin versammelt hatte. Stumm und geradezu wie hypnotisiert blickten sie zu der Frau, die ein einsames Lied sang. Sie war sehr blass, geradezu schneeweiß und trug altmodische Kleider die schon bessere Tage gesehen hatten. Ihre weinrote Bluse wurde von einem schwarzen Mieder zusammengehalten und ihr schwarzer Rock wurde von einem ebenso weinroten Hüfttuch mit goldenen Verzierungen überdeckt. Ihre blassen Arme zierten lederne Armschienen mit goldenem Inlay. Sie hatte ein hübsches Gesicht, welches durch den Schatten ihrer Kapuze jedoch nur spärlich zu erkennen war. Ihre großen hellblauen, fast weißlichen Augen, die durch das dunkle Makeup noch heller wirkten, blickten ernst und irgendwie melancholisch drein. Das sehr lange, wallende, schwarze Haar fiel ihr in dicken Locken über die Schultern und verdeckte nur kurz die großen goldenen Kreolen an ihren Ohren. Ihre dunklen Lippen begannen damit, ein neues Lied zu formen:
In der Dämmerung der Ewigkeit
Wo Seelen leise weinen
Vom Schicksal eingewoben
in Fäden des Vergessens
Der Tod, ein sanftes Wiegenlied,
lockt die Geister sacht
In dieser Symphonie
Die das Ende bringt.
Weinende Seelen,
In der Dunkelheit gefangen
Verlorene Träume
Im schleichenden Schatten
Der Tod singt leise ein trauriges Lied
Ein Requiem für das, was unwiederbringlich flieht
Durch das Tor der Vergänglichkeit
Wo Erinnerungen verwehen
Tanzende Schatten
auf den Gräbern der Zeit stehen
Der Verlust, ein bitterer Geschmack
Im stummen Klagelied
In dieser schicksalhaften Melodie
Die Herzen durchdringt...
"Bloom? Bloom! Irgendwas stimmt mit Layla nicht!", rief Flora plötzlich.
Tatsächlich. Ihre Freundin starrte wie hypnotisiert zu der Sängerin, unfähig zu sprechen oder sich zu bewegen. Sie war wie in Trance.
"Musa?! Musa!", Tecna war die Erste, die erkannte, dass sich die Fee der Musik in einem ähnlichen Zustand befand. Sie griff nach ihren blassen Händen, versuchte sie wachzurütteln - erfolglos.
"Was in aller Welt geht hier vor?!", rief Stella aufgebracht.
Die Fremde sang weiter und ihr Lied ließ Musa und Layla sich in Bewegung setzen. Sie traten nach vorn, wie so viele andere Menschen in der Menge auch.
Dann geschah es. Etwas schien sich aus ihrem Inneren zu lösen... Eine Art Aura, durchsichtig und hell pulsierend.
"Was auch immer das ist, wir müssen ihnen helfen - WINX BELIEVIX!", rief Bloom, bereit, ihre Freundinnen aus diesem merkwürdigen Bann zu befreien - doch nichts passierte.
"Was ist das? Ich kann mich nicht verwandeln!", sagte Flora.
"Versuchen wir es nochmal! WINX BELIEVIX!", rief Bloom mit Nachdruck, doch es geschah immer noch nichts.
"Bloom, das bringt nichts. Irgendwas scheint hier sämtliche Magie zu blockieren. Sieh doch!", Tecna deutete auf die Straße, wo sämtliche magiebetriebenen Autos stehen geblieben waren. Auch die magische Werbetafel war verschwunden und die magiebetriebenen Ankleideplattformen, die neue Kleidung auf den Körper projizierten, funktionierten auch nicht mehr.
"Es hat mir dieser Frau zu tun. Ich spüre... Kälte ...Hass... Dunkelheit...", sagte jemand.
Gesprochen hatte eine junge Frau. Ihre falkengelben Augen blickten zu der Sängerin und sie schien sich auf irgendwas zu konzentrieren.
"Wer bist du?", fragte Bloom.
"...kann nicht... Ich muss... Die Verbindung aufrecht erhalten...", presste sie hervor und fasste sich an die Schläfe. Ihre hellblauen, buschigen Haare wurden langsam weißlich, je länger sie sich konzentrierte. Auf ihrer dunklen Haut bildeten sich Schweißtropfen.
"Bloom, wir müssen etwas TUN!", rief Stella und wollte zu der Sängerin stürmen, doch -
"Nein....! Sie...", begann das Mädchen, doch bevor sie den Satz beenden konnte, fiel sie bewusstlos zusammen.
"Flora, du bleibst bei ihr. Tecna, bitte sieh zu, dass du die Leute evakuierst. Stella und ich werden uns diese Sängerin vorknöpfen!"
"Bitte seid vorsichtig!", sagte Flora und kniete sich neben das blauhaarige Mädchen.
"Und, irgendwelche Vorschläge?", fragte Stella, als sie in Richtung der Sängerin blickten.
"... wir....wir könnten versuchen, mit ihr zu... reden?", schlug Bloom halbherzig vor.
"Tolle Idee, 'ja könnten sie bitte aufhören unsere Freunde anzugreifen?' - klingt nach ner super Idee.", bemerkte Stella sarkastisch, "Das würde bei den Trix bestimmt auch klappen!"
"Wenn du eine bessere Idee hast, nur raus damit!", sagte Bloom genervt.
Langsam bahnten sie sich ihren Weg durch die Menschenmenge.
Die blasse Sängerin schien sie zu erwarten, denn sie verstummte und bedeutete den Menschen, Platz zu machen.
"...sieh mal einer an... Die Prinzessin von Domino und der leuchtenste Stern Solarias vereint...", sagte sie. Ihre Stimme klang ruhig. Und doch schien sie eine unausgesprochene Drohung zu sein.
Die Fremde musterte die Beiden, "Also, was verschafft mir die Ehre?"
Nun verstand Bloom, was das blauhaarige Mädchen von vorhin gemeint hatte - die Aura, die von der Sängerin ausging, war so stark, dass den Feen zeitweise das Atmen schwer fiel.
Diese Kreatur war absolut ... Tödlich.
"Jetzt hör mal zu, du aufgebl-MMMPFFH!", Stellas könnte den Satz nicht vollenden, weil Bloom ihr den Mund zu hielt. Es war keineswegs klug, dieses Wesen zu verärgern.
"... wir... Wer bist du?", fragte Bloom schließlich.
"Ich habe viele Namen.", sagte die Sängerin kühl, "aber ...nennt mich Dakaria."
Nun schaffte es Stella, sich aus Blooms Griff zu befreien: " Okay, Dakaria - also wärst du bitte so freundlich und würdest unsere Freunde in Ruhe lassen und dich gefälligst von hier verziehen?!"
Dakaria kicherte leise.
"Was ist so witzig?!", knurrte Stella.
"Dein Licht erlischt als erstes.", sagte Dakaria nur. Sie richtete eine Hand auf Stella.
"...was...?....", brachte Stella noch raus, bevor ihre Augen in einem unheimlichen grünen Licht erstrahlen und sich eine helle Aura aus ihrem Körper zu lösen schien.
Bloom stellte sich vor ihre Freundin, "Hör auf, bitte!", doch Dakaria lachte nur.
Dann - PENG! Etwas schlug in den Boden ein, direkt neben Dakaria. Die Sängerin ließ von Stella ab und ihr kalter Blick richtete sich in die Ferne.
Stella fiel bewusstlos um und Bloom fing sie gerade noch rechtzeitig auf, bevor sie auf dem Asphalt aufschlug .
Ihre Freundin fühlte sich kalt an, als wäre sämtliches Leben aus ihr gewichen.
"Stella... Stella, komm, bitte sag doch was!", wimmerte Bloom.
War sie...?
"Sie atmet noch.", Tecna war an Blooms Seite geeilt.
Bloom wischte sich über die Augen und sah noch, wie ein seltsamer Mann gegen Dakaria kämpfte. Er schien drei Dolche kontrollieren zu können, die in der Luft schwebten und immer wieder zu Dakaria flogen. Seine roten Augen ließen sie nicht aus dem Blick. Doch Dakaria hatte offenbar keine Lust auf eine Konfrontation.
Die Sängerin baute eine Wand aus schwarzem Nebel vor sich auf und verschwand schließlich darin.
Währendessen zogen Tecna und Bloom die bewusstlose Stella auf die Beine. "Da vorne sind bereits einige Rettungswagen.", sagte Tecna mit brüchiger Stimme, "die werden sie nach Alfea bringen und dann sehen wir weiter. Alles klar, Bloom?"
"...ja.", war alles, was sie dazu sagen konnte. Angst und Trauer überkamen sie, als sie sah, wie Sanitäter Stella zu Layla, Musa und dem blauhaarigen Mädchen legten.
Sie hatte niemanden beschützen können.
Flora nahm ihre Hand. Keine von ihnen sprach ein Wort.