"Autschi!", machte Stella, als sie auf dem Boden aufkam. Sie rappelte sich auf und versuchte den Staub von ihren Klamotten zu klopfen - vergeblich!
Geschockt stellte sie fest, dass ein Teil ihres sündhaft teuren Rocks abgerissen worden war!
"Nein, nein, nein, nein, NEIN! Das gibts doch nicht!", sagte sie verzweifelt.
Traurig suchte sie den Blick zu den anderen Winx - doch die waren nicht da. Sie war vollkommen allein.
Ein Lichtstrahl blendete sie.
Stella kniff die Augen zusammen.
So hell konnte nur die Sonne von Solaria sein... war sie nach Hause teleportiert worden?
"Na toll. Und jetzt? Meine Klamotten sind ruiniert, die anderen sind nicht da...", jammerte sie, "...und ich hab keine Ahnung, was ich hier soll."
Sie sah sich um. In diesem Teil des Landes war sie noch nie gewesen. Sie befand sich auf einer staubigen Straße, die zu einem kleinen Dorf führte.
Wahrscheinlich einer der Außenbezirke.
Davon gab es nur wenige in Solaria und Stella war noch nie in einem solchen gewesen. Es hieß, die Leute hier würden ihr Geld mit dem Verkauf von Sonnenfrüchten verdienen.
Doch das Dorf dort sah alt und verlassen aus. Würden sich dort überhaupt Menschen aufhalten?
Dennoch. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass dies der richtige Weg war. Auch wenn sie nur ungern darauf hörte, denn der Staub und die vielen Risse in der Straße drohten, auch ihre Schuhe zu ruinieren.
Penibel darauf achtend wo sie hin trat, folgte sie der Straße in das Dorf.
Es schien wirklich verlassen zu sein.
Seltsam. Normalerweise war Solaria doch DER Handelspunkt schlechthin.
Plötzlich nahm Stella eine Bewegung wahr - da - links zwischen den alten Jutesäcken neben ihr.
"Hey!", machte Stella.
Doch wer auch immer sich dort versteckte, schien sie zu ignorieren.
Das gefiel ihr nicht und sie trat näher: "Komm raus! Ich weiß, dass du da drin bist!"
Endlich regte sich etwas.
Es war ein dünnes, kleines Mädchen. Sie war von oben bis unten schmutzig und der Jutesack schien ihr als Decke zu dienen. Sie hatte strubbeliges, mausgraues Haar, das dringend gekämmt werden musste, und ihre Augen hatten die Farbe von Matsch.
Stella wich angewidert zurück.
Das kleine Mädchen schien das schon gewohnt zu sein.
"Ihr seid Prinzessin Stella.", stellte sie fest.
"...das... stimmt.", sagte Stella.
"Warum seid ihr hier? Solltet ihr nicht in einem glänzenden Palast herumlaufen?"
Stella unterdrückte ihren Ekel und musterte das Mädchen. Ihre Augen sahen sie trotzig an. Und dennoch, bei dem Wort "Palast", wirkte sie ein wenig träumerisch.
"Wo sind deine Eltern?", fragte Stella nun und ging in die Hocke, um mit dem Mädchen auf Augenhöhe zu sein.
"Meine Eltern sind tot und meine Schwester ist in den Goldminen. Nur Arbeiter dürfen hinein, weil alles Einsturzgefährdet ist und das Sonnengold immun gegen Magie ist. Ich kann froh sein, wenn sie den Tag überlebt.", sagte das Mädchen ohne mit der Wimper zu zucken.
"Oh...", machte Stella. Sie wusste nicht so Recht, was sie dazu sagen sollte.
"...wie heißt du denn?", fragte sie schließlich.
"Ich bin Kira.", sagte sie.
"...Kira, sag mal... Hast du in der Gegend zufällig eine Wächterin gesehen?", fragte Stella.
Kira schüttelte den Kopf: "Was soll eine Wächterin sein?"
Stella seufzte.
Na toll. Sie war hier allein in der Pampa mit einem dreckigen Kind und zerrissenen Designer-Klamotten. Könnte der Tag noch schlimmer werden?
Kira schien ihre Gedanken lesen zu können: "Die reicheren Regierungsbezirke liegen im Westen."
Stella wirkte peinlich berührt.
Wie egoistisch von ihr! Da saß ein armes Kind vor ihr und alles woran sie dachte, waren ihre Klamotten und ihr Wohlstand!
Stella setzte sich: "Ich gehe nirgendwo hin. Gibt es hier irgendwo ein Geschäft? Dann kann ich dir neue Kleider und etwas zu essen kaufen."
Kira drehte sich angewidert weg: "Ich brauche eure Hilfe nicht, PRINZESSIN."
"Hey, ich will dir doch nur helfen...", sagte Stella perplex.
"Du interessierst dich gar nicht für mich. Du willst mir nur etwas geben, um dein eigenes Gewissen zu beruhigen!"
...
Stella schwieg.
...
Nach einer Weile gab sich Stella einen Ruck: "...du... hast Recht. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass irgendjemand auf Solaria in Armut lebt. Vielleicht... Wollte ich deswegen die Augen verschließen und von hier weg gehen."
Ihre Ehrlichkeit schien Kira wieder ein wenig aus der Reserve zu locken: "Wie ist es, in einem Palast zu leben?"
Stella lächelte: "...naja. Alles ist groß und hell. Überall Edelsteine und Designerteppiche. Aber es gibt auch an jeder Ecke Wachen und als Prinzessin muss man jede Menge lernen. Man muss hübsch sein, den Mund halten und sollte stets fröhlich sein. Als ich so alt war wie du, war ich allerdings plump, hatte jede Menge Sommersprossen und eine dicke Brille. In meiner Klasse hat sich niemand für mich interessiert. "
"... wenigstens warst du in der Schule. Hier in der Nähe gibt es nicht einmal eine.", murmelte Kira.
"Das kann ich ändern!", zwinkerte Stella ihr zu.
"Warum hast du es dann nicht schon längst getan? Ich dachte, die Prinzessin weiß von allem Bescheid. Zumindest sagt das meine Mama immer."
"Naja...äh...", Stella kratzte sich am Kopf, "Ich hab bei sowas nicht so gut aufgepasst..."
Kira zog eine Augenbraue hoch: "Ist das der Grund, weshalb du dich nicht gleich mit deinem Szepter in die Hauptstadt zurück teleportiert hast?"
Stella knirschte mit den Zähnen.
Dafür dass sie nie in einer Schule war, wusste Kira erstaunlich viel und war ziemlich clever.
"...wie wär's? Möchtest du mitkommen?"
Kiras Augen leuchteten: "Wirklich?"
"Na klar!"
Plötzlich erschien eine Frau hinter ihnen. Ihr Gesicht war von einem staubigen Tuch verdeckt und ihre Haare lagen unter einer Kapuze verborgen. Sie war ausgemergelt und hatte tiefe Ringe unter den Augen.
"Kira?"
Kira drehte sich um und rannte auf die Fremde zu. Sie umarmte sie ungefähr auf Bauchhöhe. Dann wandte sie sich zu Stella um: "Darf meine Schwester auch mitkommen?"
Stella nickte: "Aber sicher doch!"
"Ainur! Prinzessin Stella will uns den Palast zeigen!", sagte Kira aufgeregt.
"Ist das so? Es ist mir übrigens eine Ehre, euch kennenzulernen, Prinzessin Stella.", sagte Ainur und verneigte sich respektvoll.
Stella lächelte: "Freut mich auch. Jetzt kommt schon - der Palast wartet!"
Mit einem Schwung ihres Szepters teleportierte sie sich und ihre neuen Gefährten in die Hauptstadt.
Kira machte große Augen. All die Pracht überwältigte sie. Doch ihre Schwester wirkte eingeschüchtert.
Stella bemerkte das.
Sie wandte sich an Kira: "Wie wäre es, wenn meine Hofdamen dir ein magisches Makeover verpassen? Hättest du da Lust drauf?"
Kira war einverstanden und ließ sich von den Hofdamen in ein Bad führen.
Stella blickte zu Ainur, welche gedankenverloren auf dem Balkon stand, den Blick über die Stadt schweifend.
"Und wie geht es dir?" , fragte sie behutsam.
"...es fühlt sich falsch an, hier zu sein."
"Was meinst du damit?"
Ainur warf Stella einen finsteren Blick zu: "Meine Eltern haben ihr ganzes Leben auf den Feldern gearbeitet und hatten nicht einmal Geld für vernünftige Kleidung, geschweige denn einen Arzt! Und hier werden wir einfach so mit fließend Wasser überschüttet?!"
"...naja... Äh ..."
Es wurde still.
Ainur kämpfte mit den Tränen.
"Wenn.... Wenn wir nur ein bisschen Geld gehabt hätten, wären Kiras Eltern noch am Leben..."
Nun verstand Stella. Sie nahm Ainur in den Arm.
"Dann ist sie gar nicht deine Schwester?"
"Sie hatte niemand anderen.", sagte Ainur leise.
Als sie sich beruhigt hatte, lächelte sie sogar ein bisschen: "Danke, dass du sie hergebracht hast. Es war immer ihr Traum eines Tages von schönen Dingen umgeben zu sein... Auch wenn ich nicht dazu zähle..."
"Ach komm, du bist sicher auch schön!", sagte Stella.
Da nahm Ainur ihre Kapuze ab.
Ihr Gesicht war eingefallen und eine große Brandnarbe verlief quer vom rechten Mundwinkel über das linke Auge, welches erblindet war. Ihre Augenbrauen waren versengt und ihr Haar teilweise ausgefallen.
Ainur sah Stellas Blick und zog sich die Kapuze wieder über.
Stella brauchte einen Moment.
"...du musst dich nicht entschuldigen. Ich war noch nie schön.", sagte Ainur schließlich. Bitterkeit lag in ihrer Stimme.
"...Ich... Also... Wir - wir könnten dir auch eine magische Schönheitskur verpassen!", schlug Stella halbherzig vor.
"...das bringt nichts.", Ainur seufzte, "...ich wünschte, ich wäre nur einmal im Leben so schön wie du..."
Sie tat Stella leid.
Könnte sie nicht irgendwas tun, damit sie sich besser fühlte?
...
Ihr fiel etwas ein. In Alfea hatte sie einen Zauber gelernt, der das Aussehen zweier Personen für einen Tag tauschte.
Aber...
Nein. Sie würde ihre eigene Schönheit zu sehr vermissen! Andererseits... Sie blickte zu Ainur. Dachte an ihre Schwester, für die sie alles tat, damit sie über die Runden kamen. Und fasste einen Entschluss.
"Also... Wenn - wenn...du das wirklich willst... Also... Ich kenne einen Zauber... Aber ich weiß nicht, ob er funktioniert, ich meine... - also... Ich- Ich kann... Dein Aussehen mit meinem tauschen... Für -für einen Tag..."
Stella schlug sich auf den Mund. Hatte sie das gerade wirklich angeboten?
Ainur lächelte ein wenig: "...das ... Wäre schön... Aber du musst das nicht tun."
"Wenn es dir viel bedeutet, dann machen wir das!", sagte Stella schnell, bevor sie ihre Meinung wieder änderte.
Nervös sprach sie die Formel... Und blickte in ihr eigenes Gesicht. Ängstlich sah sie in einen Spiegel... Sie hatte es geschafft. Sie sah aus, wie Ainur!
Es tat weh, sich selbst so zu sehen. Aber Ainur strahlte, was auch sie zum Lächeln brachte: "Hey, ich sehe echt super aus, wenn ich lächle!"
"Und noch besser, wenn dein Herz nicht von Eitelkeit und Egoismus zerfressen wird, Prinzessin der Sonne und des Mondes.", sagte Ainur, die plötzlich in einem gleißenden Licht erstrahlte, das Stella blendete.
Ihre Gestalt veränderte sich - sie nahm die Gestalt einer wunderschönen Frau an. Ihr Körper schien aus reinem Licht zu bestehen und ihre Robe schien der Nachthimmel selbst zu sein.
Überrascht stellte Stella fest, dass sie selbst auch wieder ihre alte Gestalt angenommen hatte.
"Du hast meine Prüfung bestanden, Stella. Ich bin Ainur, die Wächterin von Solaria."
"Warte mal - DU bist die Wächterin? Warum hast du das nicht früher gesagt?", fragte Stella.
Ainur verdrehte die Augen.
"...das Artefakt, das dir die Portix-Verwandlung ermöglicht, ist bereits in deinem Besitz. Doch erst durch meine Prüfung wird es seine geheime Kraft entfalten. "
Plötzlich begann Stellas Ring, ein Familienerbstück, aufzuleuchten. Er veränderte sich und wurde zu einem strahlendem Szepter aus purem Licht, mit einem winzigen Mondstein.
"Oh wow! Hätte nicht gedacht, dass der noch zu was gut ist.", bemerkte Stella.
Ainur nickte: "Du solltest nun gehen. Alfea braucht deine Hilfe."
Sie nickte: "Okidoki. Und dann werde ich dafür sorgen, dass niemand auf Solaria mehr in Armut leben muss. Das verspreche ich."
Ainur warf ihr einen anerkennenden Blick zu, während Stella durch das Portal trat.