Als die ersten Kanonenkugeln einschlugen, zuckten alle zusammen.
Unruhe entstand unter den Anwesenden.
Aus den Zelten der Dämonen waren zischende und aufgebrachte Laute zu vernehmen, die Fackeln wurden gelöscht. Hektik breitete sich aus.
Jeder, der bisher am Strand gestanden hatte, flüchtete panisch von der Küste weg zu sich nach Hause, um sich mit Waffen und entsprechender Kleidung auf den bevorstehenden Kampf vorzubereiten.
Niemand hatte mehr mit einem Angriff gerechnet!
Jetzt durchströmte sie alle ein Adrenalinschub, der sie aufscheuchte. Blitzschnell waren sie zurück und umzingelten zunächst die Zelte.
Hier waren doch schon die Feinde, oder?
Sie hatten sich hier einfach eingeschlichen und so getan, als ob sie harmlos wären, dabei hatten sie doch nur Heimtücke und List im Sinn. Vermutlich legten sie selbst schon ihre Rüstungen an und griffen nach ihren Waffen, um sie bereits hier an Ort und Stelle niederzumetzeln und ...
Eine große Menge an Belletristicans standen bereits in Angriffsabsicht um die Zelte herum, da geschah das Unfassbare:
Aus jedem Zelt wurde eine weiße Fahne gesteckt und damit gewunken.
Argwöhnisch besahen sich die Bürger das seltsame Bild.
Konnten sie dem Frieden trauen?
Da schlugen schon die nächsten Kanonenkugel vom Meer aus ein, nicht weit von ihrem Platz, an dem sie versammelt waren und sie beschlossen, zu handeln. Hier saßen sie wie auf dem Präsentierteller.
»Seht zu, dass ihr in Deckung kommt! Ihr da, helft mir die Winterdämonen aus den Zelten einzusammeln. Wir klären später, was wir mit ihnen machen!«
In dem schummerigen Licht war nicht auszumachen, wer sich da zum Anführer heraufbefördert hatte, aber es war egal. Er hatte sowas von recht und alle erwachten schlagartig aus ihrer Schockstarre.
Geschäftiges Handeln trat an ihre Stelle.
Die Belletriticans bestanden aus den unterschiedlichsten Wesen, die hier friedlich miteinander lebten. Sie ergänzten sich und strotzten nur so vor Kreativität, was genau der Grund für die alljährlichen Angriffe der Eisdämonen war.
Unsicher, was sie von den anwesenden Eisdämonen halten sollten, scheuchten sie diese erstmal nur weg von der Küste.
Ein Teil der Belletriticans war bereits an den Schreibtischen und sie wälzten die Bücher, in denen sie Worte hineinschrieben, die die Angreifer stoppen sollten.
Ein anderer Teil sichtete die vorhandenen Abwehrmöglichkeiten, wieder andere trafen sich zu wichtigen Gesprächen in der Taverne.
Um den Feind zu verwirren, tauschten sie untereinander ihre Namen.
Wer da nur mithörte, könnte niemals irgendjemanden auch nur ansatzweise zuordnen.
Reine Vorsichtsmaßnahme, sie hielten sie zumindest für effektiv.
Die eingesammelten Dämonen erwiesen sich als unbewaffnet und sie leisteten keinerlei Widerstand, was die ersten Ängste der einheimischen Bewohner besänftigte. Zwar wurden sie minutiös beobachtet, aber sie verzichteten auf die Fesselung.
Ich, Sinjorino de Fajro, brachte sie auf meine Festung, damit sie aus dem Weg waren und für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie uns in den Rücken fallen wollten. Hier konnten sie besser bewacht werden.
Ich ging nicht davon aus, dass sie dieses Jahr eine echte Gefahr darstellten, aber sicher war sicher.
Was mich allerdings viel nachdenklicher machte, war die Tatsache, dass ich beim Zählen feststellte, wie wenig echte Bewohner es hier überhaupt noch gab. Die vielen Schattenwesen zählten ja eigentlich nicht mit, auch wenn sie überall zu sehen waren und ihr Dasein fristeten, wie sie es sich vorstellten in ihren unterschiedlichen Formen und den seltsamsten Waffen.
Aber nicht nur unter den Wesen von Belletristica, nein, auch bei den Winterdämonen hatte sich die Anzahl drastisch verringert.
Wer zum Henker, waren die neuen Angreifer dann?
Die Winterdämonen, oder was von ihnen noch übrig war, saßen bei mir in der Festung und konnten nachweislich nicht Schuld an dem Angriff sein.
Deren Angehörige waren daheim mit der Brut, die sie umsorgten, um die nächsten Generationen heranzuziehen. Auch sie schieden aus bei der Suche nach dem Feind, der uns dieses Jahr angriff.
Ganz in diesen sorgenschweren Gedanken versunken trat ich an die Ballustrade und schaute in Richtung Küste, von der bereits der Kampflärm der nächsten Welle bis hierher erschallte.
Es war erst der vierte Tag der Invasion und die Angriffststärke nahm erwartungsgemäß nicht ab, sondern unerbittlich zu.
Wo kamen diese Feinde her?
Hatten sie womöglich ...
Ein entsetzlicher Gedanke schoss mir durch den Kopf. Ich wollte mich gerade schon umdrehen, da hörte ich bereits hinter mir ein hitziges Wortgefecht.
Sollten die Dämonen doch einen Aufstand anzetteln?
Bltzschnell war ich in Verteidigungsposition und auf alles vorbereitet.
Allerdings nicht auf das, was ich dann erblickte.