»Auf dem Strand sitzt ein weinendes Feuerkind! Die Wiedergänger sind fast da!«
Der Pegasus Katelli flog so dicht über uns, dass jeder automatisch seinen Kopf einzog und zur Seite sprang, als sie mitten unter uns landete.
Katelli bahnte sich sofort einen Weg durch die Menge zu mir.
Schnaubend blieb sie vor mir stehen.
»Ich habe dein Kind erkannt, Aniella. Es ist Fünkchen. Sie haben sie gefangen.«
Betrübt ließ sie ihren Kopf sinken und scharrte unruhig mit den Hufen, während meine Gedanken anfingen zu rasen.
Was konnten wir tun?
Was konnte ich tun?
Svante gab ein wildes Knurren von sich und machte Anstalten, sofort an den Strand zu eilen, aber die Hexe konnte ihn gerade noch festhalten.
»Keine unüberlegten Aktionen jetzt, Svante. Warte, bis wir geredet haben, wenigstens einen Augenblick. Es ist schon zu spät, um sie einfach nur wegzuholen, das muss jetzt überlegt sein. Vielleicht ...«
Das Stampfen, Schnauben und Brüllen der sich nähernden Wiedergänger war von allen zu hören – und vor allem zu spüren. Die Erde erbebte unter unseren Füßen, aber alles, was ich in den Gesichtern um mich herum sah war Wut.
Keine Angst oder Unsicherheit. Alle waren fest entschlossen den Feinden Paroli zu bieten.
Trotzdem kam Unruhe auf, aber die Dämonen und die Golems bezogen sofort Stellung. Jedes Wesen griff nach seiner Waffe und auch ich spürte, wie sich mein Feuer auf Betriebstemperatur aufheizte.
Akk gab leise Befehle, die umgehend befolgt wurden, aber im Grunde wusste jeder, was uns nun erwartete. Außer die Sache mit Fünkchen. Das kam ziemlich überraschend und machte mir zunehmend Sorge.
Doch zunächst schauten wir mit bangen Blicken auf die Ankommenden.
Die riesigen Gestalten konnte man von Weitem erkennen und ich wusste schon, dass dieser Anblick ziemlich einschüchternd war.
Das Dröhnen wurde lauter und ein Schwefelgestank wehte zu uns herüber. Ich konnte viele verzogene Gesichter erkennen, die das nicht so toll fanden, aber einige blieben auch unbeeindruckt davon. Da hatte wohl jeder seine eigene Schmerzgrenze.
Mit einem unmenschlichen Brüllen des Anführers kamen sie zum Innehalten und dann standen sie sich mit den Dämonen und den Golems Auge in Auge gegenüber.
Mitten unter ihnen hielten sie an einer langen Stange einen kleinen Käfig zwischen sich, in dem Fünkchen saß. Wutschnaubend aber still. Sie hatten wohl Angst vor ihr wegen der sprühenden Wut-Funken.
Erleichterung durchströmte mich, als ich mein Kind scheinbar unverletzt sehen konnte, obwohl mein Herz bis in meinen Hals klopfte. Äußerlich ließ ich mir nichts anmerken.
Ich musterte den Anführer mit seinen rotglühenden Augen und riesigen Hörnern abfällig.
»Da ist aber jemand sehr mutig, sich an einem wehrlosen Kind zu vergreifen«, begrüßte ich ihn spöttisch.
Er schnaubte wütend.
Die Belle-Bewohner schoben sich hinter mich und bedachten die Widersacher mit wütenden Blicken. Die formierten sich ähnlich hinter ihrem Anführer und scharrten angriffslustig mit ihren Stiefeln, wobei mein armes Fünkchen genau hinter diesem Grobian platziert wurde und von allen Seiten mit Speeren bedroht wurde.
Kluges Kind, es schloss einfach die Augen.
An meine eine Seite schob sich der Wikinger, an der anderen hatte sich Katelli aufgestellt.
»Eigentlich wollten wir euch einfach alle töten und dann eure Plätze einnehmen, um uns die Überfahrt statt euch zu sichern. Aber jetzt erscheint mir ein anderes Szenario fast noch ein wenig angenehmer. Wir verlangen von euch eure Kinder, bevor ihr euch hier verkrümelt. So bleiben wir nicht allein, was ja wohl das Mindeste dafür ist, dass ihr uns schon mal das Leben genommen habt. Und das ganz ohne Belohnung für uns und die verbleibenden Dämonen.« Er warf einen verächtlichen Blick hinüber zu seinen lebenden Pendants. »Elendige Verräter! Mit euch wollen wir auch nichts mehr zu tun haben.«
Die Dämonen zuckten mit keiner Wimper. Gelassen warteten sie darauf, wie die Anderen und ich auf dieses Ansinnen reagieren würden.
Je länger er redete, desto aufgebrachter wurde ich. Svante neben mir spürte meine Anspannung und knurrte warnend, doch die dummen Wiedergänger achteten nicht auf unsere Zeichen.
Im Gegenteil.
Die beiden Untoten, die den Käfig auf Abstand an der Stange hielten, hoben diese nun auch noch hämisch grinsend in die Höhe.
Einer der Golems, der dicht neben einem dieser Wiedergänger stand, holte kommentarlos aus und ließ seine riesige Pranke genau zwischen die Hörner auf seinen Schädel krachen. Der ließ die Stange los, sein Kopf sackte bis auf seine Schultern herab und er sank ohne ein Wort auf den Boden.
Tumulte brachen aus.
Die Wiedergänger brüllten empört und wollten sich auf uns stürzen, unsere Leute waren ebenso schnell in Kampfstellung gegangen. Der Anführer schaute entsetzt von seinem Gefolgsmann zu mir und wieder zurück und konnte nur mit einem grellen Pfiff den Übergriff verhindern.
In höchster Anspannung standen wir uns gegenüber.
Ich erhob die Stimme.
»Ihr stellt euch das zu einfach vor. Niemand von euch kann unseren Platz einnehmen und eure Nachkommen, mit denen wir einen Pakt geschlossen haben, werden nur mit uns reisen können, wenn wir sie mitnehmen. Wie, werden wir euch natürlich nicht verraten. Ebensowenig unsere Passwörter. Nur mit denen könnt ihr in die neue Welt kommen. Ihr bleibt hier, egal was ihr hier noch versucht, kaputt zu machen.«
Ungläubiges Schnauben war aus den Reihen der Wiedergänger zu vernehmen. Leise tuschelten sie miteinander, bis ihr Anführer sie wütend anschrie, ihre Klappe zu halten.
Dann wandte er sich an mich.
»Wenn wir erst eure Kinder abschlachten und anschließend euch, habt ihr auch keine Möglichkeit mehr, abzureisen.«
Triumphierend sah er mich an.
»Genauso wenig wir ihr«, stimmte ich ihm zu. Ich spürte, wie alle Leute hinter mir gebannt an meinen Lippen hingen.
Ich wusste, sie hatten keine Ahnung, ob ich nur bluffte, um die Monster hinzuhalten, aber egal wie, wir mussten wenigstens etwas versuchen.
Ich hatte eine Idee.
»Ihr sagtet, ihr wollt nicht allein zurückbleiben, richtig?«
Der Anführer nickte zögernd.
»Dann habe ich ein Angebot für euch. Eines, was aber voraussetzt, dass ihr hier abzieht und auch unsere Kinder und eure Nachkommen in Frieden ziehen lasst. Dafür lassen wir für jeden von uns einen lebenden Gefährten zurück, mit dem ihr nach Belieben verfahren könnt. Was haltet ihr davon?«
Das Entsetzen bei meinen Worten konnte ich bis in die äußersten Spitzen meiner Flammen spüren. Auf beiden Seiten.
Ich winkte Dirgis und Kobold, damit sie zu mir kamen.
Sie machten sich auf den Weg durch die Menge.
Kein einziges Wort fiel bis dahin.
Dann knurrte der Anführer laut und fauchte.
»Lasst hören.«