Eine gespannte Stille legte sich um die versammelten Krieger aus allen Lagern.
Gefolgt von dem Anführer und einem Begleiter und von meiner Seite von der Hexe, Svante und Katelli, sowie Dirgis und Kobold, stieg ich auf eine kleinere Anhöhe, damit uns wirklich alle zusehen konnten.
Ein wenig mulmig war mir schon, aber es genügte ein Blick zu meinem kleinen Fünkchen und ich wusste, dass es einfach klappen musste.
Bedächtig nahm ich den Spiegel in Empfang und nahm die Hexe an meine rechte Hand, damit wir eine mentale Verbindung eingehen konnten.
Ich starrte kurz in den Spiegel und legte ihn danach auf meine Herzgegend, um den Splitter zu übertragen. Genau in dem Moment drückte ich die Hand der Hexe etwas stärker, die sofort reagierte und ihre Hand ebenfalls auf den Spiegel legte. Meine Feuermagie durchströmte unsere Hände und den Spiegel, als ich für einen Moment die Augen schloss. Kleine blaue Flammen tanzten darauf und ließen bei den Anwesenden ein überraschtes Raunen aufkommen, aber da war es auch schon geschehen. Es wurde mucksmäuschenstill, alle schauten wie gebannt zu dem Spiegel, dessen Flammenumrandung in der Zwischenzeit ein beeindruckendes Farbenspiel lieferte. Von blau, über rot, dunkelrot, dann gelb und schließlich zurück zu blau. Der Bannzauber von der Hexe Lesespringer schloss sich nahtlos an mit einem hellen Schein, der kurz wie der Blitz um den Spiegel herumschoss und diesen versiegelte. Es war vollbracht, alles was wir tun konnten, war geschehen.
Als ich die Augen wieder öffnete, waren die Flammen verschwunden und ich wagte es, einen vorsichtigen Blick in den Spiegel zu werfen.
Hatte es funktioniert?
Mein grinsendes Gesicht schaute mir entgegen und der hochgereckte Daumen bestätigte mir, dass es funktioniuerte. Erleichtert atmete ich auf und nickte der Hexe neben mir zu.
Ich wandte mich dem Anführer zu, der zunächst einen Schritt zurück machte, als ich ihm den Spiegel reichte.
»Hier nun überreiche ich dir den versprochenen Gefährten. Lasst den Spiegel nicht fallen, sonst ist er unwiderruflich verloren für euch. Wie ihr sehen konntet, ist es kein Problem, wenn wir das für jeden von euch herstellen. Dafür müsstet ihr allerdings im Gegenzug sämtliche Kampfhandlungen einstellen und euch zurückziehen. Vertraglich festgehalten. Nur dieses eine Exemplar gebe ich euch vorab, ansonsten müsst ihr warten, bis wir abgereist sind. Bis dahin haben wir von jedem Einwohner solch einen Spiegel fertig gestellt.«
Ich hielt dem Anführer den Spiegel hin.
Misstrauisch beäugte er das Teil, ehe er es zögernd an sich nahm und hineinstierte.
Seine Kameraden scharten sich neugierig um ihn und versuchten ebenfalls, einen Blick hinein zu erhaschen.
Wir hörten sie brabbeln und Fragen stellen. Faszinierend zu beobachten wie ihnen fast die Augen überquollen, als mein Spiegelbild lachte und Antworten gab, während ich stumm daneben stand. So ungefähr hatte ich mir das vorgestellt. Nun blieb nur abzuwarten, ob sie sich damit zufrieden geben würden.
Unwillig schubste der Anführer schließlich seine Leute beiseite und verschaffte sich mehr Platz.
»Das ist jetzt doch überraschend muss ich zugeben«, brummte er mehr als dass er sprach. »Aber ich als Anführer muss einen anderen Spiegel bekommen. Keine Feuerfrau. Den da zum Beispiel! Der würde mir gefallen.«
Er deutet entschlossen auf den Wikinger, der ihn wütend anfauchte und laut knurrte, als der Anführer seine Pranke in seine Richtung hielt.
Ich konnte Svante gerade noch so abhalten, ihn zornig anzugehen. gar dessen Pranke einfach abzuschlagen.
»Fühl dich lieber geschmeichelt und besorg mir einen Spiegel von dir. Ich bin bereit, ihm einen zweiten Gefährten zu basteln, wenn du es auch bist? Für meinen eigenen habe ich schon eine weitere Verwendung gefunden, wenn die sich auf unseren Deal einlassen, warte es nur ab und bleib ruhig«, flüsterte ich ihm rasch zu und der Wikinger riss sich wirklich zusammen und war still. Er winkte nur seinem Nachbarn zu, gab ihm leise Anweisungen, damit der ihm ebenfalls schnellstens einen Spiegel besorgen sollte.
»Weil du es bist, Feuerchen«, brummte er zurück. »Irgendwann kralle ich mir die Typen noch, dieses arrogante Volk. Ich werde sie in ihre Bestandteile zerlegen, wenn der noch einmal so blöde grinst. Ich ... na gut, ich bin schon still«, gab er nach, als ich ihn mahnend ansah und grinste mich frech an. Immer mit dem Kopf durch die Wand, dachte ich. Aber für ihn und Katelli hatte ich noch eine Aufgabe, die ihn vielleicht versöhnen würde für seine erzwungene Untätigkeit. Aber erst nach dem zweiten Spiegel, damit wir alles mit dem Anführer in trockene Tücher bringen konnten.
»Wenn wir uns darauf einlassen, müsst ihr mit uns dann aber auch den Vertrag machen und wie abgesprochen abziehen. Sonst fange ich gar nicht erst damit an.«
Akk hatte bereits im Hintergrund Vorkehrungen getroffen und Gruppen eingeteilt, die nach und nach ihre Spiegel besorgen sollten. Die ersten beiden Gruppen schickte er soeben los, als der Anführer der Wiederkehrer zustimmend nickte.
»Wenn ich den Wikinger bekomme, bin ich damit einverstanden. Es ist besser, als wenn wir am Ende nur unter uns sind. Selbst eine Dimension weniger ist mehr, als wir erwarten konnten. Also ich denke, dann hätten wir eine echte Win-Win-Situation. Also einverstanden. Wikinger-Spiegel gegen Vertrag. Bereitet ihn vor, euer Anführer und ich werden ihn dann unterzeichnen und dann gilt er für uns alle. Auch für die Verräter meinethalben.« Er knurrte und fauchte nochmal in die Richtung der Eisdämonen, die ungerührt danaben standen, obwohl man ihnen die allgemeine Anspannung ebenso ansah, wie uns allen.
Sollte es tatsächlich so einfach funktionieren?
Irgendwie war in diesem Jahr wirklich alles total anders, aber darauf verlassen konnte man sich nicht blind, denn wir hatten noch ein weiteres Problem, was wir vorher klären mussten.
Ich nickte trotzdem zustimmend, bevor ich das nun auch ansprach.
»Der Spiegel des Wikingers kommt gleich, dann wird das erledigt. Um den Vertrag wird sich Akk kümmern, das läuft also. Nur bleibt die Frage, wie wollt ihr eure Leute über den Vertrag informieren? Wie ihr bereits bemerkt haben solltet, sind sie bisher noch nicht an der Küste gelandet. Vermutlich folgen sie unseren Leuten auf See und müssten über die neue Sachlage dringend informiert werden. Das gilt alles nur, wenn wirklich jeder von euch, sich zurückzieht und ihr auch die Familien der Eisdämonen ziehen lasst. Habt ihr auf den Schiffen eines, das das Kommando in eurer Abwesenheit übernommen hat?«
Ich musste unbedingt herausfinden, wie wir die Nachhut stoppen konnten. Auch wenn ich dazu bereits eine Idee hatte, musste ich auch den Koloss vor mir davon überzeugen, dass das so richtig lief.
Es wäre nicht ungefährlich, aber ich wusste, unsere Leute würden alles dafür tun, damit die Wiedergänger sich verdrücken würden. Also wagte ich einen kleinen Nachsatz, den Katelli und Svante vermutlich ziemlich überraschen würde.
»Wir wären bereit, zwei Leute von uns mit den betreffenden Infos und – bei Bedarf für euren Stellvertreter den ersten Spiegel – zu überbringen.«
Svante erstarrte förmlich, warf dann aber Katelli einen fragenden Blick zu, bevor sie beide einen Schritt auf mich zukamen.
»Damit meinst du Katelli und mich, richtig?«, flüsterte er mir fragend zu. Ich nickte unmerklich, weil ich den Anführer nicht aus den Augen lassen wollte. Der hatte sich erstaunt umgesehen und war dann wohl zu dem Schluss gekommen, dass seine Leute wahrscheinlich wirklich nicht hier auftauchen würden, weil sie in der Zwischenzeit ganz woanders herumsegelten. Ärgerlich verzog er sein Gesicht.
»Eure Kriegstaktiken gefallen mir nicht, aber sei es wie es sei. Wenn ich den Wikingerspiegel habe, dann könnt ihr meinethalben auch eine Kopie des Vertrages und den Feuerspiegel an das zweite Schiff übergeben. Wenn ihr es schafft, unbeschadet an Bord zu gelangen, denn die wissen dann ja noch nichts von der Vereinbarung und werden versuchen, den Feind abzuwehren. Ich könnte euch natürlich auch – Moment. Wer wird diesen Auftrag dann übernehmen?«
Ich war zufrieden, dass er nicht gleich abgelehnt hatte und deutete auf den Pegasus und den Schamanen, die sogleich beide einen Schritt hervortraten.
Nun grinste der Anführer.
»Wusste ich doch, dass der Wikinger nach meinem Geschmack ist. Ich gebe ihm als Erkennungszeichen unsere Fahne mit. Achtet darauf, dass sie keinen Schaden nimmt, egal von wem. Aber sie könnte helfen, dass ihr nicht sofort angegriffen werdet. Was ist nun mit meinem Spiegel?«
Ungeduldig trat er von einem Fuß auf den anderen und ich atmete auf, als ich bereits das Wesen sah, das Svantes Spiegel daher brachte. Ich musste ein wenig schmunzeln, weil ich erkannte, dass es sein Rasierspiegel war. Na gut, müsste er sich eben einen neuen zulegen, es würde schon gehen.
»Da kommt er schon, wir machen uns sofort ans Werk. Akk, du kümmerst dich bitte in der Zeit um den Vertrag«, sagte ich noch schnell.
Jetzt sollten wir uns beeilen, damit keine weiteren Verluste mehr zu beklagen sein würden.
Ich griff nach dem Spiegel und die Hexe nahm neben mir Aufstellung. Svante stellte sich genau vor uns hin und zog drohend die Augenbrauen zusammen, als sein Blick auf den Anführer fiel. Dann schloss er die Augen und ich hielt den Spiegel gegen seine Brust.
Wir waren kurz vor dem Frieden, jeder wusste, was er zu tun hatte.