Normalerweise freute sich Hjorgcai, wenn ihr Bruder kam, doch dieses Mal freute sie sich nicht, bedeutete es doch, dass die Hochzeit so weit war. Hjorgcai mochte Egyran nicht besonders, er war angeberisch und hochmütig, aber er war ein guter Versorger und er besaß gutes, königliches Blut. Er war besser als viele und schlechter als viele. Und wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, dann hätte sie gegen ihn gekämpft und ihn besiegt. Bei ihr galt nun einmal der Grundsatz, dass sie nur einen Mann heiraten würde, der besser als sie selbst war. Jetzt galt es durch die Heirat, ihre Ehre zu retten. Denn Egyran und seine Wachen waren die Einzigen, die von ihrer Niederlage wussten. Er hatte versprochen, dieses Geheimnis für sich zu behalten und seine Wachen würde er verschwinden lassen, so dass ihre Ehre unangetastet bleiben würde.
Nun stand sie hier vor ihrer Yurte und sah ihrem Bruder entgegen. Segentchen lachte als er sie entdeckte. Er sprang von seinem Pferd und verneigte sich vor ihr. Sie tat es ihm nach, dann umarmte sie ihn freudig. Hjorgcai hatte drei ältere Brüder, Segentchen war der Erstgeborene und der, den sie am liebsten hatte.
„Wie geht es dir?“, fragte er sie, „Du hast also einen Mann gefunden, an dem du Gefallen findest?“.
„Ansonsten wärest du nicht hier.“, erwiderte sie.
Prüfend sah er sie an.
„Wenn Egyran dich in irgendeiner Weise beleidigt hat, dann wird das Blut in seinen Adern ihn nicht schützen.“.
„Ich weiß, aber ich versichere dir, dass es nicht nötig ist.“.
Er nickte, dann sah er zu Egyran, Arygan und der Khatun Chesygey. Er verneigte sich und Chesygey reichte ihm eine Schale Milch, wie es sich bei der Begrüßung eines Gastes gehörte. Segentchen bespritze den Boden und Arygans Yurte, um den Gastgeber zu ehren. Dann traten sie ein.
Hjorgcai setzte sich mit Chesygey, ihrer zukünftigen Schwiegermutter auf die Frauenseite der Yurte. Ihr Bruder, Arygan und Egyran unterhielten sich angeregt, doch so sehr sie sich auch bemühte, konnte sie kein Wort verstehen. Irgendwann gab sie es auf und unterhielt sich mit Chesygey. Sie mochte die Khatun, diese war ruhiger als ihr Mann und beschwichtigte diesen oft und obwohl sie für eine Aweynche ungewöhnlich klein war, vermochte sie es einen Langbogen zu spannen und die Pfeile weit in den Himmel jagen zu lassen.
„Wir haben uns auf den Brautpreis geeinigt.“, meinte ihr Bruder nach einer gefühlten Ewigkeit.
Hjorgcai starrte ihn nur an.
„Acht Pferde. Das ist ein Vermögen.“.
Hjorgcai nickte. Die Aweynche zählten nur ihre Hengste, die Stuten wurden als selbstverständlich angesehen und doch übersehen. Vielleicht war das ein Grund, warum sie eine Stute als Reittier ausgewählt hatte und keinen Hengst. Um zu beweisen, dass auch Stuten etwas wert waren.
In diesem Moment stürmte ein Bote herein.
Er verneigte sich vor Arygan und flüsterte ihm dann etwas ins Ohr. Sie lauschte sofort und wartete darauf, dass er sie und seine Frau hinaus schickte. Doch er schien zu aufgeregt zu sein, um an Frauen zu denken.
„Hes-Argan wurde bei Herai von Kommandanten Wan besiegt.“, meinte er laut genug, so dass sie ihn verstehen konnte, zu seinem Sohn.
Hjorgcai ließ sich nichts anmerken, aber innerlich rotierten ihre Gedanken. Hes-Argan war geschwächt, der Kriegsfürst war verletzt. Wenn Arygan schlau war, dann würde er jetzt angreifen, um diesen zu vernichten. Und dann würde er die Macht möglichst nicht wieder abgeben.
„Wir warten ab, mein Sohn. Wieso sollten wir uns die Hände schmutzig machen, wenn sich die Aßgeier schon auf ihn stürzen?“.
Hjorgcai schnaubte verächtlich. Arygan sah sie an.
„Möchtest du etwas sagen?“.
„Vater. Ihr müsst jetzt angreifen. Die anderen Fürsten werden doch genauso denken wie ihr und ihr seid doch der mächtigste unter ihnen? Oder hat man mich über Eure Macht belogen, so dass ich meinen Kindern keine Ehre und kein Ansehen mit auf den Weg geben kann? Vater, ich bitte euch. Ihr müsst eure Männer jetzt zusammen rufen, ich bin sicher, dass Tsarborku-Arur und Manduul euch unterstützen werden. Wenn Ihr euch mit der Armee dieser Männer vereint, dann seid Ihr unschlagbar. Wollt Ihr denn nicht, dass Reich des Khesyaran wieder herstellen?“.
Schmeichelnde Worte waren, süß wie Honig, die man bei Arygan anwenden musste.
Doch sie sah die Zweifel in seinem Gesicht, Risse, die die Maske der Hoffnung durchzogen, die ihre Worte auf sein Gesicht gezaubert hatten.
„Ich weiß nicht.“, murmelte er leise.
Hjorgcais Verachtung für ihn wuchs. Ein guter Khan durfte vor seinen Untergebenen keine Zweifel zeigen, selbst nicht im Kreis seiner Familie. Er musste schnelle Entscheidungen treffen, sein Stand musste hart und unnachgiebig sein. Gefühle durfte er zeigen, aber Zweifel waren der Untergang eines starken Führers.
„Frauen sollten nicht über Politik nachdenken, Hjorgcai. Du träumst wohl davon, Ruhm und Ehre auf dem Schlachtfeld zu erringen? Du musst noch lernen, den Frieden zu schätzen.“, erklärte der Khan schließlich.
„Ja, mein Vater.“. Hjorgcai schluckte ihren Zorn herunter. Sie bat, sich entfernen zu dürfen und trat schließlich in die kühle Abendluft. Hinter dem Horizont verschwand der letzte Schein von Rot und der Wind spielte mit ihren Haaren. Sie sah zurück zu der Yurte, wo der Khan saß, der sich fern von seinem Volk aufhielt. Ein schwacher und leicht ersetzbarer Khan.
Und im Stillen schwor sie sich: „Wenn ich Egyran heirate, dann werde ich dazu beitragen, dass der Name der Khans wieder mit Ehrfurcht ausgesprochen wird. Ich werde dafür sorgen, dass das Reich des Khesyaran wieder ersteht. Ich werde die Einheit der Aweynche wieder herstellen, so wahr ich Hjorgcai heiße.“.
Es war Nacht, als Acheving durch die Stadt Cesing ritt. Er kam sich feige und unter seinem Stand vor, schlich er doch wie ein Dieb durch die Hauptstadt seiner Familie. Cesing war eine prächtige Stadt. Die Häuser waren zumeist aus Holz erbaut, seltener aus Ziegeln. Die Gebäude waren meist U-förmig aufgebaut, was von dem Reichtum der Stadt zeugte. Cesing lag an dem Punkt, wo der Fluss Fai auf das Meer traf, ein handelsgünstiger Platz. Aus dem Süden und dem Osten führten zahlreiche Handelsstraßen zu der Stadt. Der Norden dagegen war gekennzeichnet durch die nur dünn besiedelten und fast undurchdringbaren Wälder von Yaran. Diese Wälder wurden dann im Norden abgegrenzt vom Fluss Nai, der einen Teil der Grenze zum Land der Gandijol bildete. Zwar trieb das Volk der Sebetjh Handel mit den Gandijol und es herrschte Frieden zwischen den Völkern, doch die Völker mieden sich in der Regel. Im Süden grenzte Sahres an das Land Sehjoldon und im Südosten an die Länder der Vendirell.
Acheving sah zum Himmel auf. Der rote Mond färbte den Himmel, als wäre er in Blut getaucht. Er trieb sein Pferd noch mehr an, um so eher er seiner Mutter die Nachricht des Sieges überbrachte, umso besser. Die Stadt war um einen Hügel erbaut worden, auf dem der Palast stand. Die Wege waren mit Steinen befestigt und führten sternenförmig auf den Palast zu. Alles schien zu dem Palast, zur Kaiserfamilie zu strömen und doch entglitt eben dieser Familie immer mehr die Kontrolle. Acheving verstand es nicht. Wie konnte ein Gegenstand so viel Macht über ein Volk haben? Wie konnte eine Waffe ein Volk so sehr spalten? Er bezweifelte, dass irgendjemand es wusste. Wahrscheinlich wusste es nicht einmal seine Mutter, obwohl er sie in seiner Kindheit immer für allwissend gehalten hatte.
Er betrachtete den Palast, der noch immer so aussah wie vor tausenden von Jahren. Er veränderte sich nicht, schien immer noch von einer Macht zu schwärmen, die längst nicht mehr existierte.
Der Palast war genau symmetrisch gebaut, das Dach war geschwungen und am Dachfirst mit geschnitzten Drachen und anderen Gestalten bedeckt. Der Eingang des Palastes war nach Süden ausgerichtet, steinerne Stufen führten zum Palast hinauf. Acheving stieg vom Pferd und übergab es einer der Wachen, die an der untersten Stufe stand. Acheving stieg die Treppe hinauf und trat durch eine Reihe von Holzsäulen, die das Dach stützen. Der Palast war am Anfang wie ein Viereck aufgebaut, von dem dann weitere Flügel abgingen. Den Hauptteil des Vierecks machte der Thronsaal aus, um den Thronsaal herum führten Gänge, die in alle möglichen Seitenflügel abbogen.
Acheving atmete durch, dann trat er ein. Seine Mutter saß auf dem Thron. Stufen führten zum Thron hinauf und ein rotgoldenes Geländer trennte sie vom Rest der Halle. Die Kaiser trennten sich sehr weit vom Volk ab, vielleicht war das der Grund, warum das Volk das Vertrauen verlor? Vielleicht hätten sie sich häufiger zeigen sollen, damit die Menschen nicht nur noch in Legenden von ihren Kaiserinnen dachten.
Er verneigte sich ordnungsgemäß und stand erst wieder auf als sie ihm erlaubte, sich zu erheben.
„Nun?“. Die Stimme von Dioargchie füllte die kalte und leere Halle mit Leben, auch wenn sie selbst kalt klang.
„Wan hat das Heer des Taidschies Hes-Argan besiegt, Eure Majestät. Der Taidschie hat sich zurückgezogen.“, berichtete er.
„Gut.“. Nicht der Schatten eines Lächelns erhellte ihr Gesicht, sie bleib kalt wie immer, „Dann müssen wir nun die Rebellen besiegen. Da du deine Aufgabe so gut erledigt hast, habe ich mich entschlossen, dass du ebenfalls den Kommandanten Hanu, der die Rebellen in Lemang bekämpft, unterstützt.“.
Acheving nickte schweigend. Widerworte waren sinnlos, er hatte keine Wahl. Und außerdem war sie seine Mutter, er würde die Ehre der Kaiserkrone wieder zutragen. Die Menschen würden seine Mutter wieder ehren, eines Tages, dafür würde er sorgen.
Hjorgcai stellte fest, dass es gemütlicher war auf einem Pferderücken zu sitzen als auf der weißen Filzmatte. Die Filzmatte, getragen von vier Männern, war wackeliger als ein Pferd oder ein Kamel. Sie war froh, dass ihr Bruder einer der Tragenden war, ihm vertraute sie, dass er ihr sie nicht fallen lassen würde. Denn es galt als böses Omen, wenn die Braut auf dem Weg zu ihrem Bräutigam stürzte. Sie trug ein rotes Überkleid, das mit Hermelin gesäumt war und mit einer dunkelblauen Seidenschärpe über den Hüften gebunden war. Sie trug Ohrringe aus Gold, ihr Haar hatte sie unter dem Kopfputz, dem Boctac verborgen, von dem Perlenschnüre herabhingen.
Die Menschen aus dem Lager stimmten Hochzeitslieder an, während die Männer sie auf der Filzmatte zu ihrer Yurte trugen. Davor stand Egyran.
„Hjorgcai, Tochter von Batu, willst du mein Herdfeuer entzünden?“, fragte er.
„Egyran, Sohn des Arygan, ich will dein Herdfeuer entzünden und die Hausfrau deiner Yurte sein.“. Sie war stolz darauf, dass ihre Stimme nicht zitterte. Er hob sie von der Filzmatte und trug sie über die Schwelle in die Yurte. Ihre Yurte, dies war ihre nicht die seine. Jede Frau besaß eine eigene und der Mann konnte entscheiden, wann er sie besuchte. Sie kniete vor der Feuerstelle in der Mitte der Yurte nieder und entzündete den vorbereiteten Holzstoß.
„Mein Herd und ich heißen dich willkommen.“, sprach er dem Ritus gemäß.
Danach folgte das Hochzeitsmahl und Hjorgcai lernte viele weitere Menschen des Lagers kennen, unter ihnen auch einen Nalinow namens Felsenfaust. Sie saß zur Rechten des Egyran und zu ihrer Linken saß ihr Bruder, der bald mit der Bezahlung zu ihrem Vater zurückkehren würde. Sie würde nun für immer zu dieser Familie gehören und wenn Arygan starb, würde sie Hjorgcai Khatun heißen und ihr Mann würde einen neuen Namen annehmen, wie es jeder Khan tat. Sie liebte ihn nicht und er liebte sie auch nicht, aber sie würde ihn achten und er würde dasselbe tun. Das war ihre Pflicht als eine gute Ehefrau und die seine als Ehemann, neben der Pflicht ihr Schutz und Versorgung zu gewährleisten, während sie ihm Kinder zu gebären hatte.
Nach dem Mahl kam er in ihre Yurte und sie wurde vollends seine Frau, Hjorgcai, die spätere Khatun.
Nach drei weiteren Tagen verließen sie die Bucht, nun war die Meerenge von Salvion ihr Weg. Eine Meerenge, die zwischen der Küste von Sahres im Osten lag und der Küste von Akrondjev im Westen. Spitze Felsen und Fallwinde machten den Weg gefährlich, doch es war der kürzeste Weg, ein anderer Weg hätte Monate mehr Zeit gekostet. Und umso mehr Zeit sie auf dem Schiff verbrachte, desto mehr wurde ihr bewusst, dass das Schiff ein Team brauchte, es war eine Gemeinschaftssache. Narichre trug von allen die größte Aufgabe, doch der Koch war genauso wichtig wie der einfache Matrose. Tabita hatte ihre Aufgabe bei den Pferden gefunden, die einst so starke Abneigung war verschwunden und den Rest Furcht konnte sie gut verstecken. Die Pferde waren ihr Zufluchtsort, ihr Ruhepol. Und sie waren es auch, die den Sturm als erstes bemerkten. Die Pferde schnaubten und wieherten nervös. Tabita füllte ihre Tröge mit Heu und lief dann die Treppen so schnell nach oben, wie es das schwankende Schiff erlaubte. Als sie nach draußen trat, erwarteten sie heftige Windböen. Über ihr am Himmel hingen Gewitterwolken wie eine finstere Bedrohung. Regenschauer tränkten die Welt in Grau. Schon nach wenigen Sekunden war sie komplett durchnässt. Überall liefen Matrosen hin und her, verstauten Gepäck, sicherten Seile und Tabita kam sich erneut sinnlos vor. Es kam ihr vor, als ob die Wellen mit dem Schiff spielen würden, so sehr wurde es hin und her gewirbelt. Während sie sich zu der Kapitänin durchkämpfte, rutschte sie mehrfach aus und es war nur dem beherzten Eingreifen von Sjavkonhkar zu verdanken, dass sie nicht über Bord geschleudert wurde. Wenn sie sich schon so elend fühlte, wie musste es dann erst dem Sphinx gehen, wo sein Volk Wasser doch verabscheute? Viel Zeit blieb für solche Gedanken allerdings nicht, denn eine erneute Welle raubte Tabita das Gleichgewicht. Dieses Mal war es Schattenklinge, der ihr aufhalf.
„Halte dich an mir fest.“, befahl er ihr. Und Tabita klammerte sich an seinem starken Arm, der sie sicher zu Narichre geleitete, die am Steuerrad stand.
Der Regen musste ihr die Sicht nehmen, die Wellen sie aus dem Gleichgewicht bringen, aber sie stand sicher da wie eh und je. Sie rief den Matrosen Befehle zu ließ sich von dem Sturm nicht im Geringsten beeindrucken.
„Wir haben es bald geschafft?“, rief sie Tabita durch den prasselnden Regen zu.
„Der Sturm?“, erwiderte sie freudig.
„Nein, wir haben die Küste bald erreicht.“.
Tabita gab es auf gegen den Sturm anzuschreien und sah sich nach Darl um, der bis eben noch neben ihr gestanden hatte. Sie entdeckte ihn bei Joshua nahe der Reling. Das Schiff geriet in ein weiteres Wellental und eine Welle schlug über ihnen zusammen. Wasser drang Tabita in die Augen, ihr wurde der Halt unter den Füßen weggerissen und sie konnte sich nur mit Mühe am Mast festhalten. Sobald sie es konnte, stand sie wieder auf. Kam es ihr nur so vor, oder war der Wind noch stärker geworden? Sie sah sich um und starrte zu der Stelle, wo Joshua und Darl Schattenklinge bis vor kurzem noch gestanden hatten. Ein Teil der Reling war verschwunden – und die beiden ebenso.
„Nein, nein, nein.“. Tabita schlitterte mehr als das sie rannte zu der Stelle hin. Wo war ihr Bruder?
„Tabita!“. Eine Stimme, Joshuas Stimme! Wo? Sie sah nach unten. Dort. Ihr Bruder hatte es tatsächlich geschafft, sich an ein Seil zu klammern, das sich irgendwo verfangen hatte. Er hing an der Außenwand der Niamey. Sie griff nach dem Seil, erkannte aber, dass sie es nie alleine schaffen würde. Sjavkonhkar eilte herbei und umfasste mit ihr das Seil. Gemeinsam zogen sie Joshua zurück ans Deck, was aufgrund der rutschigen Planken ziemlich kompliziert war. Tabita schloss ihren Bruder in die Arme und ihr Körper erbebte vor Erleichterung.
„Geht es...“.
„Mir geht es gut.“, unterbrach er sie und stand auf.
„Wo ist Schattenklinge?“.
„Ich weiß es nicht.“, erwiderte er leise.
Tabita sah in die tosenden Wellen. Er war bestimmt irgendwo auf dem Schiff, versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Aber die Zweifel und die Angst vermochte sie nicht zu vertreiben. Diese blieb, wie eine Drohung über ihr schweben.
Das Schiff sackte ab, als es durch ein erneutes Wellental fuhr. Und sie fragte sich, ob Narichre nur so tat, als ob sie noch die Übersicht hatte. Oder war das Schiff kein Spielzeug für die Wellen?
Tabita dachte an das, was bei den Oteilon geschehen war. Wenn ihr diese Wesen gehorcht hatten, würden es dann auch Wind und Wellen tun? Wenn sie in ihrer Identität als seine Tochter handelte?
Sie trat an die Reling, Joshua wollte sie zurückhalten, aber sie ging trotzdem weiter. Der Wind wirbelte ihr ihre dunklen Haare ins Gesicht und Salzwasser drang in ihre Augen, als eine erneute Welle über das Schiff nieder ging, das sich daraufhin stark nach steuerbord lehnte.
Sie sah zu Joshua zurück, wie sehr sie ihn liebte. Und ein Lachen entströmte ihrer Kehle, ein tiefes Lachen, als wollte sie die Wellen durch diese unbändige Freude vertreiben. Die Wellen und der Wind, die dort brüllten. Da war es ihr, als ob eine Hand das Schiff empor heben würde. Vielleicht bildete sie es sich auch nur ein, aber sie sah die Finger über ihr, die sich um das Schiff schlossen. Wie konnte das sein, wo sie über sich immer noch die Blitze zucken sah? Doch das Schiff bewegte sich nicht mehr im Sturm und alles war still. Das Rauschen des Meeres verstummte in einer Stille. Stille, die angereichert war mit Liebe und Frieden. Tabita schloss die Augen, um zu genießen.
Als sie sie wieder öffnete, war der Himmel über ihr blau. Die Sonne funkelte von einem strahlend blauen Himmel, der Wind fegte immer noch über die Wellen, aber der Sturm war verschwunden. Und vor ihnen hatte sich eine Küste aufgetan. Staunend starrte Tabita die Klippen an, die sich gegen den Horizont erhoben. Joshua trat neben sie, er lächelte.
„Willkommen in Sehjoldon, Schwester. Wir haben überlebt.“.
Ja, sie hatten überlebt. Aber bei dem Sturm waren vier Männer über Bord gegangen, unter ihnen war der Elb, der Tabita seine Partisane geliehen hatte – und Darl Schattenklinge.
„Ja, Bruder. Willkommen im Land der Aweynche.“.
Tabita sah zu den Klippen, einem fremden, unbekannten Land.
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