Als sich das Dunkel um ihn herum lichtete, spürte Sjavkonhkar die Hitze im Gesicht, die Sonne, die ihn nach den schattigen Wäldern blendete, das Gras der Savanne unter seinen Pfoten. Dann hörte er das Gebrüll von Löwen und die Rufe von Männern. Er war zu Hause. Hinter ihm erhoben sich die Berge des Kehras Archid in ihren gewaltigen Höhen. In der Ferne roch er Wasser, einen gewaltigen Strom. Hinter dem Wasser vermutete er den Fluss Kofratesq, weshalb er sich in den Arentoremb oder den Karitqueska befinden müsste. Sjavkonhkar lief los, bis er eine Hügelkuppe erreichte, von der er das Land beobachten konnte. Unter ihm zog eine gewaltige Menge von Sphinxen vorbei. Sphinxe auf Sornern, bewaffnet mit Speeren und Bögen, marschierende Sphinxe und Löwen, die das Heer umrundeten und anscheinend darauf achteten, dass niemand aus der Reihe tanzten. Und über all dem erhob sich der goldene Löwe Ikantjeys, der in all seiner Pracht über den Marschierenden schwebte. Sjavkonhkar atmete auf, wenn es sich nicht um einen Bürgerkrieg handelte – und das bezweifelte er stark – dann war dies das Heer seiner Schwester, Königin Ascarna, auf dem Weg nach Norden, unterwegs nach Madruk.
Und Sjavkonhkars Achtung für seine Schwester stieg noch, ihr untrügerisches Gefühl hatte sie nicht verlassen und während der Rest Anthars sich in Sicherheit wiegte, würde das sphinxische Heer rechtzeitig an Ort und Stelle sein. Freudig rannte er den Hügel hinab und stürmte mitten in das Heer von Sphinxen. Einige von ihnen murmelten, sein Name wurde durch die Reihen getragen und man sprach von der Rückkehr Sjavkonhkars, dem Bruder der Königin.
„Wo ist Ascarna?“, fragte er einen Soldaten. Dieser deutete nur stumm nach vorne, wo Sjavkonhkar den Standartenträger erkannte. Er lief am Heer vorbei, an Männern, die ihn neugierig betrachteten und erreichte schließlich seine Schwester, die mitten im Heer auf einem Sorner ritt, nur begleitet von dem Standartenträger und zwei Generälen, mit denen sie sich angeregt unterhielt.
„Ascarna.“, meinte er leise. Es erschien ihm wie ein Wunder, dass sie ihn trotz des Lärms wahrnahm. Aber ihre Augen weiteten sich und ein Lächeln strich über ihr Gesicht.
„Sjavkonhkar.“. Sie sprang von ihrem Vogel und umarmte ihn. Ihr Lederharnisch kratzte gegen den seinen, der von den Tagen in der Wüste zerrissen war und vor Schmutz starrte.
„Bringt einen Sorner für meinen Bruder.“, wies sie einen Sphinx an, der sogleich eifrig davon rannte.
„Und wie viele Feinde hast du getötet?“ fragte sie ihn lachend.
„Dafür, dass es eine Friedensmission sein sollte, waren es zu viele.“. Er seufzte.
„Es konnte nicht funktionieren, selbst eine Hersora kann nicht all die Strukturen verstehen, die ein Land ausmachen und es spalten. Und selbst wenn wäre es nichts Dauerhaftes gewesen.“.
„Aus Sahres kommt eine dreihundertdreißig Schiffe starke Flotte und frag mich nicht mit wie vielen Soldaten. Die anderen versuchen sie an der Straße von Alnon aufzuhalten, aber in Manyiè Arym ist die Windseuche ausgebrochen und deshalb werden sie es nicht lange halten können.“.
Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. „Mein Heer wird da sein und das der Jorohne sowieso. Ich bin überzeugt davon, dass Arzaya ihnen ihre Flotte entgegen schicken wird und vielleicht wird der Kampf überhaupt nicht auf dem Kontinent ausgetragen.“.
„Ich traue den Jorohnen nicht, Ascarna. Sie sind nicht loyal ihren Bündnispartnern gegenüber, sondern suchen nach der besten Bezahlung.“.
Seine Schwester lächelte nur und es war dieses Strahlen, dieser unerschütterliche Glaube, der ihm gefehlt hatte.
„Arzaya wird kämpfen.“, sagte sie gelassen, „Es ist egal, was die Sebetjh ihr versprechen, ihr Land nimmt die gesamte Ostküste Anthars ein und ich bezweifle stark, dass sich das feindliche Heer durch das Eismeer und die nördlichen Gebirgszüge Nors kämpfen will. Wenn die Sebetjh nicht im Meer aufgehalten werden, dann werden sie kämpfen, in Madruk. Und Arzaya hat ein Interesse daran, dass ihr Land möglichst wenig geplündert wird und ihr Volk vom Krieg verschont bleibt. Ihr Land wird unter dem Krieg am meisten leiden und daran kann kein Versprechen der Sebetjh etwas ändern.“.
Das Wasser plätscherte leicht unter ihnen. Der Wind hatte in den letzten Tagen zugenommen, so dass sie jetzt die Bucht von Alnon erreicht hatten.
Nian betrachtete nachdenklich die hohen Felsen backbord und steuerbord erkannte sie die glänzenden Dächer einer Stadt. Manyiè Arym. Kundschafter hatten ihr berichtet, dass die Stadt leblos wirkte und dass auf den Straßen Leichen lagen. Der Plan schien funktioniert zu haben.
Die Schiffe, die Nians Flotte bildeten, besaßen meistens zwei Segel und waren mit corvus ausgestattet, Enterbrücken. Über ihr flatterte die Flagge der Kaiserin im Wind und zeigte das Flaggschiff an. Die Fiarduchwie befand sich vorne und zeigten den anderen Schiffen an, wohin sie fahren sollten.
Der Buchteingang war groß und frei von spitzen Felsen, die den Schiffsbauch beschädigen könnten. Das Wasser glänzte klar in der Nachmittagssonne. Einige Möwen krächzten über ihnen und einige Fische flitzten davon, als der Bug durch das Wasser schnitt. Die Insel erhob sich nun links von ihnen, einige Burgen waren zu erkennen, aber bis auf einen Hirsch rührte sich nichts.
Nian wandte sich um und ging zu ihrer Kajüte, wo sich einige Offiziere, sowie Sielied, der das Kommando über die Flotte hatte und Naichie, der die Fußtruppen und die wenigen Reiter, die sie besaßen, führen würde.
„Es kommt alles darauf an, ob Arzaya mit sich verhandeln lässt. Erst dann wissen wir, wo wir an Land gehen können. Wenn sie kooperiert, ist der Hafen von Yarill sicherlich am geeigneten, ansonsten würde ich die Küste vor der Hafenstadt Yostav vorschlagen.“, meinte Sielied grade.“.
„Wie sieht es mit den Heeren aus? Wer wird kämpfen?“, wandte einer der Generäle sich an sie.
„.Meine Kundschafter berichten, dass das elbische Heer an das Norîn verlegt wurde, bisher aber noch keine Anstalten macht, die Grenze nach Madruk zu überqueren. Ebenfalls wird Ikantjey kämpfen, Königin Ascarna hat fast die südliche Grenze Madruks erreicht, mit einer gewaltigen Anzahl von Kriegern, die genaue Zahl ist unbekannt. Allerdings haben bisher weder Varyny noch Nor Anstalten gemacht, ihr Heer zu sammeln und wenn wir die Heere der Elben und Sphinxe schnell besiegen, werden sie erst gar nicht an den Kämpfen teilnehmen. Und selbst wenn Königin Arzaya sich mit ihnen verbündet, macht das keinen großen Unterschied, sie besitzt keine erst zu nehmende Infanterie und die Kavallerie ist zwar gut, aber klein, aufgrund der Kosten von Pferden. Es ist ihre Flotte, die wir nicht unterschätzen sollten.“.
„Herrin?“.
Nian sah auf, wütend über die Unterbrechung. Aber der Junge wartete nicht auf sie. „Der Kapitän sagt, ihr sollt sofort kommen, es ist dringend.“.
Die Kaiserin nickte und folgte ihm auf das Deck. Der Kapitän stand am Bug und lehnte sich mit einer Traube von Schaulustigen über die Reling. Dadurch, dass er die Matrosen nicht sofort wieder an die Arbeit scheuchte, erkannte Nian, dass es wichtig war. Sie drängte sich durch die Menge und trat nach vorne. Der Kapitän, ein weißhaariger, einarmiger Gandijol, meinte nur. „Seht selbst, Majestät.“.
Jetzt erkannte Nian auch, was er meinte. Auf den Klippen, unter denen sie fuhren, wehte eine Flagge. Ein Blau, das wie das Meer in seiner tosenden Schönheit erstrahlte. Eine silberne Eiche, mächtig und standhaft, über der ein graziler, weißer Vogel seine Schwingen ausbreitete und ein Schwert, dass zum Zeichen des Friedens unter der Eiche im Boden steckte. Es war nur ein Wappen und doch spürte sie, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. Sie blinzelte gegen die Sonne und als sie sie erneut öffnete, war die Flagge nicht mehr alleine. Eine einzige Person stand neben der Flagge. Eine Frau, deren schwarzes, langes Haar vom Wind zersaust wurde und die einen Bogen in der Hand hielt. Wie war ihr Name gewesen? Tabita? Ein Pfeil bohrte sich in die Reling und Nian musste ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass er zu dem Bogen gehörte, der in ihrer Kajüte verborgen war. In das rote Holz war keine Botschaft geritzt, aber Nian kannte sie sowieso.
„Bereit machen zum Kampf.“, befahl sie und als daraufhin nichts geschah, rief sie lauter und ihre Stimme klang wie ein Peitschenschlag durch die Stille. Mit schuldbewusstem Gesichtsausdruck sahen die Matrosen und Krieger auf und machten sich an die Arbeit. Wasser wurde an Bord geholt, Schwerter und Schilde erhoben. Zunächst geschah nichts. Doch diejenigen, die zur Stadt blickten, sahen die Fahnen, die nun die Stadt schmückten. Die Stadt strahlte voller Lebendigkeit. Nian blickte zu den Klippen zurück und erkannte, dass Tabita nicht mehr alleine war. Neben Ciyens Wappen erhoben sich nun auch die Zwillingstürme von Noliôn.
Das Glänzen von Metall drang zu ihnen hinüber, gewaltige Katapulte und Pferde. Manyiè Arym war durch die Windseuche nicht gestorben, es lebte mehr denn je.
Es waren Elben. Elben, die ihr den Weg versperrten und die sie vernichten wollte.
Erst als die ersten Steine um sie herum auf die Wasseroberfläche platschten, erwachte Nian aus ihrer Erstarrung.
„Rückzug!“, befahl sie. Natürlich würden sie es durch die Bucht schaffen, aber Nian war nicht gewillt, die Hälfte ihrer Schiffe zu verlieren. Jetzt war sie froh, dass nur etwa zwanzig Schiffe den Buchteingang als Vorhut überhaupt passiert hatten, denn jetzt schon schossen die Flammen aus zwei Schiffen. Bei dem ersten konnte der Mast gekappt werden, bevor die Flammen sich ausbreiteten, dieser traf nur ein weiteres Schiff und bohrte ein Loch in den Rumpf, so dass es sank. Das zweite stand lichterloh in Flammen und noch lange drangen die Schreie der Eingeschlossenen zu ihnen.
Die Ruder tauchten regelmäßig ins Wasser, die Bucht war breit genug, dass sie wenden konnten.
Die Flotte ankerte vor dem Buchteingang und auf der Fiarduchwie waren die wichtigsten Generäle und Admirale versammelt.
„Sie haben nicht die Macht uns anzugreifen, deshalb sind wir hier sicher.“, erklärte Naichie grade. „Wir haben den Hafen vor wenigen Stunden niedergebrannt, die Schiffe Manyiè Aryms sind größtenteils zerstört und die paar bilden keine Gefahr.“.
„Wir müssen die Truppen auf der Insel zerstören, an die Stadt kommen wir nicht heran, da wir uns eine lange Belagerung nicht leisten können. Die Insel ist der Schlüsselpunkt.“. Sanju war ein erfahrener General, der ihr auch schon unter den Rebellen gute Dienste geleistet hatte.
„Schickt Kundschafter aus. Ich will wissen, wo die Burgen liegen. Flüsse und wie groß die Stärke der Verteidiger ist.“, befahl Nian leise.
Mehr konnten sie nicht tun, nicht bei einem unbekannten Terrain. Und Nian war nicht so verrückt, einen Ort ohne Vorkenntnisse und Informationen anzugreifen, auch wenn sie das Zeit kosten würde.
Am Abend kehrten die Spione zurück.
„Eine etwa sechshundert Mann starke Verteidigung.“, erklärte ein Mann grade, „Die Schwierigkeit wird es sein, die Burgen einzunehmen. Insgesamt sind es sieben, ohne sie ist die Insel nicht unser. Sie besitzen feste und dicke Mauern und sind auf Hügeln oder Felsen erbaut.“.
„Wir schleichen uns bei Nacht an. Ein Schiff wird durch die Straße von Severon fahren und die Burg ganz am westlichen Ende der Insel angreifen. Wenn wir diese Burg einnehmen, gehört der Westen uns. Von dort aus können wir weitere Truppen ins Landesinnere senden.“.
„Herrin, die Klippen und Riffe.“, unterbrach ein General sie, „Die Straße von Severon ist tödlich und…“.
„Unbewacht.“, beendete Nian seinen Satz leise. Sie starrte ihn so lange an, bis er den Blick senkte und nickte.
„Die Hauptsache ist, dass es schnell geht.“.
Es geschah so, wie sie es gesagt hatte. In den frühen Morgenstunden war die Insel überrannt und die Burgen gefallen. Dennoch verloren sie am nächsten Morgen neunzehn weitere Schiffe, Katapulte und Brandpfeile aus Höhlen richteten ein Flammenmeer an. Doch letztendlich vermochten sie es nicht, die Angreifer zu besiegen. Es war nur ein Schiff der Verteidiger, das die Bucht unbesorgt verließ. Die Niamey machte sich auf den Heimweg und die Mannschaft bereitete sich auf den Kampf vor, der folgen würde.
Die Straßen von Tyral Rorym waren voll mit Leben. Ein elbischer Hafenspieler saß an einem Brunnen und entlockte seinem Instrument sanfte Töne. Zwei Frauen verkauften Gebäck und ein Pferd wieherte, als ein Schmied das Hufeisen fest schlug. Hunde streunerten durch die Gassen und suchten nach Nahrung.
Es war ein gewohntes Bild, das auf Kayra einstürmte. Die Hufe ihrer Stute klapperten im Eintracht mit dem Wallach von Josia über das Kopfsteinpflaster. Die Elben und Menschen nickten ihnen zu und einige boten ihnen Geschenke an. Die Häuser waren zumeist aus Lehm gebaut und mit weiß übertüncht. Es waren zumeist so genannte Kri’lirer, wobei sich in der Mitte ein Garten unter offenen Himmel befand. Säulengänge umgaben den Garten und führten ins Innere des Hauses.
Die Straße öffnete sich vor ihnen zu einem Platz. Ein Brunnen, auf dem sich drei Statuen erhoben, in denen Kayra Kéros, Kayé und Kayalen erkannte, drei der größten Könige der Elben. Aber vor allem waren es diese, weil sie es vermocht hatten, die drei Elbenvölker zu vereinen und Zeiten des Friedens einzuleiten. Und vor ihnen lag der Grund ihres Kommens. Kayra seufzte, lächelte Josia zu und trat dann die Stufen hinauf, die sie in das große Gebäude führten. Weiße Marmorsäulen zeigten die Stärke und Macht dieser Versammlung. Links und rechts waren die Flaggen Ciyens an den Wänden befestigt. Zwei Wächter neigten den Kopf vor ihnen und salutierten. Das ganze Gebäude war ein Kuppelbau mit einer Vorhalle, in der sie sich jetzt befanden. Es war das Larìnvo Éricei, das Parlament und Kayra und Josia hatten nun die Aufgabe es von der Notwendigkeit des Krieges zu überzeugen. Schon häufig hatten die Diskussionen über eine Erhöhung der Steuern, eine Vergrößerung der Truppen und neue Baumaßnahmen sie um den Schlaf getrieben. Doch Josia lächelte ihr zu und formte mit dem Mund die Worte „Wir schaffen das“
Kayra seufzte nur erneut und nickte zwei weiteren Wachen zu, die die gewaltigen und mit Gold verzierten, hölzernen Türen öffneten. Die vierhundertsechsundsiebzig Abgeordneten standen auf und begrüßten sie, während Kayra und Josia ihren Platz am Anfang des Saales an einem großen Tisch einnahmen.
Sobald sie sich gesetzt hatten, brachen die Diskussionen wieder aus. Rufe hallten durch den gesamten Raum.
„Meine Herren und Damen. Ich muss sie doch bitten, sich in Gegenwart des Königpaares zu benehmen.“, unterbrach der Sprecher der Versammlung, ein Elb namens Tarill’Tarim die Diskussionen mit lauter Stimme.
„Wenn dieses Königspaar die Verschiebung des Heeres an die Ostgrenze und die Erhöhung der Steuern erklären würde?!“, rief ein weiterer Elb. Kayra stöhnte, es war Sewell, derselbe Elb wie immer. Jedes Mal war er es, der die schlimmsten Fragen und Diskussionen hervorrief. Es war nicht schlimm, denn dadurch hatte Kayra schon manche Entscheidung noch einmal überdacht, aber es war nervig.
„Wie ich schon vor zwei Wochen erklärte.“, begann der König mit ruhiger Stimme zu erklären, „Durch die Missernte von vor zwei Jahren wurden die Kornspeicher geleert und wir haben es bisher nicht geschafft, sie wieder aufzufüllen. Damit wir im Notfall, das Volk mit Brot versorgen können, ist es notwendig, die Steuern zu erhöhen.“. Josia redete ruhig und sachlich, so dass sich die Situation etwas beruhigte. „Die Verschiebung der Truppen in das Norin dient der Schulung der Männer bei schwierigen Wetterverhältnissen. Sie sollten darauf vorbereitet sein, auch im Winter zu kämpfen.“.
„Und warum werden die gesamten Truppen dorthin verschoben, anstatt die neuen Rekruten in den Kasernen direkt an die Wetterbedingungen zu gewöhnen?“. Triumphierend sah Sewell sie an.
„Meine Damen und Herren.“. Kayra trat zu der gewaltigen Landkarte, die fast eine gesamte Seite des Raumes einnahm. „Es besteht die Vermutung, dass wir angegriffen werden.“. Gemurmel wurde laut und Fragen wurden gerufen. Mit einer Handbewegung brachte Kayra sie zum Schweigen und deutete dann auf die Karte.
„Aus Sahres kommen etwa dreihundertdreißig Kriegsschiffe. Sie befinden sich jetzt an der Passage bei Alnon und die Elben aus Manyiè Arym versuchen sie, so lange es möglich ist, aufzuhalten. Es ist natürlich möglich, dass sie die Küsten von Vonell und Andchy angreifen wollen oder die nördlichen Zwergenreiche, aber die Bedrohung eines Krieges bleibt bestehen.“.
„Und warum bekommen wir erst jetzt davon Meldung? Die Verlegung der Truppen ist schon Wochen her.“.
„Meine Herren.“. Kayras Stimme vibrierte vor Zorn, „Vergessen sie nicht, dass meine Tochter und mein Sohn da draußen sind. Sie kämpfen und riskieren ihr Leben, um uns eine Chance zu geben, die Truppen rechtzeitig zu sammeln. Glauben sie nicht, dass ich alles getan hätte, um ihnen Verstärkung zu schicken, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte? Die Verschiebung der Truppen hat nichts damit zu tun.“.
Einige Abgeordnete nickten.
„Sie sagten vorhin, dass die Möglichkeit besteht, dass die Flotte gar nicht Anthar gilt. Könnte eine Kriegserklärung nicht grade einen Krieg hervorrufen, wo ansonsten keiner gewesen wäre?“.
„Natürlich besteht die Möglichkeit, dass der Pfeil nicht Anthar gilt. Aber wie wahrscheinlich ist das anhand der Geschichte, die Ciyen und Sahres verbindet? Ich weiß nicht, wieso es ausgerechnet jetzt geschehen sollte. Aber lieber schützte ich mein Volk vor einer sinnlosen Bedrohung, als das ich das Risiko eingehe und es ans Messer liefere.“.
„Ihr wollt eine Kriegserklärung von uns.“, erklärte eine Elbe, „Wer soll das Heer führen, , wenn es so wäre?“.
Diese Abgeordnete hatten sie. Kayra erkannte es an ihrer Stimme, ihren Gesten.
„Arlèn.“, antwortete sie prompt, „Meine Schwiegertochter hat das Heer in Friedenszeiten geführt und dafür gesorgt, dass es nicht verfällt und es jetzt so gut vorbereitet ist. Ebenfalls hat sie in der Schlacht von Alonyi bewiesen, dass sie es vermag, ein Heer zu führen. Sie wurde von Lithrean unterwiesen, der in den jorohnischen Eroberungkriegen vor dreihundert Jahren, der Stabschef von Alrion war.“.
„Eine gute Wahl.“, empfand die Abgeordnete und setzte sich wieder.
Die Elben tuschelten weiter und ab und zu stellte einer eine Frage.
„Jede Stunde, die wir hier vertrödeln, verhilft unseren Gegnern zu einem Vorteil.“, unterbrach sie das Treiben schließlich scharf.
Tarill’Tarim nickte. „Wir haben uns die Positionen lange genug angehört, um Meinungen zu fällen. Wer ist dafür, den Antrag des Königspaares anzunehmen?“.
Erst erhob sich eine Hand, dann immer mehr, bis nur noch wenige Zweifler sitzen blieben.
„Der Antrag ist angenommen.“, verkündigte Tarill’Tarim.
„Gut. Ich werde sofort aufbrechen und mit dem Rest der hier stationierten Soldaten an der Seite von Arlèn nach Madruk reiten.“, erklärte Kayra. „Das Schwert Ciyens wird nicht länger in der Scheide ruhen.“.
„Ich soll was?!“. Arzaya lachte. Es war ein tiefes, dröhnendes Lachen, das den Thronsaal erfüllte. Die beiden Botschafter warfen sich einen langen Blick zu. Sie trugen Uniformen und auf ihrer Brust brüllte ein Tiger. Sie trugen nur einen zeremoniellen Dolch, keine wirkliche Waffe im Vergleich zu den Dutzend Wachen, die zwischen den dunklen Säulen standen. Drei flache Stufen führten zu dem aus dunklem Holz geschnitzten Thron. Grüner Chrysolith schmückten den Thron und die Krone, die auf dem dunklen Haar der Königin ruhte. Arzaya war nicht besonders groß, aber sie besaß eine Ausstrahlung der Stärke und der Macht, wie sie die Botschafter selbst bei Kaiserin Nian nicht gesehen hatten. Und dennoch war es keine bösartige Stärke, es war eher die Stärke einer Mutter, die für ihr Kind alles tun würde. Die Königin hatte ein Kleid gegen einen ledernen Harnisch getauscht, was den beiden Männern schon von Anfang an gezeigt hatte, dass ihr Auftrag sinnlos war. Selbst die Truhe gefüllt mit Goldmünzen streiften ihre Augen nicht einmal.
Arzaya winkte mit der Hand und befahl den Gesandten Nians außerhalb des Thronsaales zu warten. Die Männer verneigten sich und verließen den Saal.
Ein Jorohn beugte sich zu der Königin. Sein Haar war schwarz wie seine Haut. Er war ein muskulöser und stämmiger Mann. Sein Gesicht war von einer Narbe gespalten, die über die linke Wange verlief und kurz unter seinem Auge endete. Seine Nase sah aus, als ob sie mehrmals gebrochen war und war schief gewachsen.
„Wir nehmen keine einzige von diesen Münzen.“, erklärte Arzaya.
„Herrin, damit könnten wir einen Teil unser Schulden bei den Hersorn abbezahlen.“.
„Nicht eine einzige Münze, Queron.“, knurrte sie, „Derjenige, der eine Münze entnimmt, wird mein Schwert sehen und spüren. Wir werden kein Bündnis mit dieser Kaiserin eingehen. Ich werde sie noch vor der Küste aufhalten, mein Land soll den Zorn der Sebetjh nicht abbekommen. Mein Volk wird nicht für den Hochmut der Elben bezahlen. Wenn sie in Ciyen kämpfen würden, bitte sehr. Ein wenig darf meine Schwester schon ins Schwitzen geraten, aber es wird kein Krieg in meinem Land geführt werden und wenn gedenke ich, die Schäden klein zu halten. Die Sebetjh werden nicht das zerstören, was ich die letzten Jahrzehnte lang aufgebaut haben.“. Arzaya endete und sah jeden einzelnen in diesem Raum nachdenklich an.
„Dies ist mein Volk und mein Land und daran wird keine Kaiserin etwas ändern können.“.
Sie stand auf. „Du bekommst den Oberbefehl über die Flotte, Queron.“. Der Jorohn nickte.
„Bringt die Botschafter herein.“, befahl sie zwei Wachen.
Die beiden Botschafter traten herein. Immer noch stolz zeigten sie ihre Uniform und ihr Wappen. Oh, sie würde sie zertreten, diese Königin, die es wagte, in ihr Territorium einzudringen. Arzaya betrachtete die Männer nachdenklich.
„Nimmt euer Gold und sagt euer Herrin, dass sie in diesem Land nicht betreten soll, wenn sie nicht den Zorn der Jorohne entfesseln will. Eben jener Jorohne, die vor dreihundert Jahren Ciyen eroberten und es als fremdes Volk besetzt hielten und Ikantjey und Nor an den Rande des Abgrundes trieben. Noch gibt es in diesem Land eine Königin, die sie zertreten wird und zurückschicken wird, an den Ort von dem sie kam. Sagt ihr das.“.
Während ihrer Rede hatte Arzaya ihr Schwert gezogen. Und die gepanzerte Königin sah beeindruckend und beängstigend aus, im Vergleich zu den Fürstinnen ihrer Heimat, in ihren aus Seide gefertigten Gewändern. Arzaya sah wild und schön aus. Eine wilde und unberechenbare Schönheit, wie das Meer, das gegen die Klippen schlug. Ein Meer, das mal ruhig und sanft erscheinen konnte und im nächsten Moment Schiffe in den tosenden Wellen verschlang. Sie flohen mit dem Gold, von Furcht ergriffen, vor dieser entsetzlichen Herrscherin.
Als sie fort waren, lachte Arzaya erneut. Doch es war nur von kurzer Dauer, denn nur wenig später wechselte sie einen Blick mit Queron.
„Morgen verlässt die Flotte den Hafen.“, erklärte sie leise und in diesem Moment war das Meer wieder ruhig und still, um im nächsten Moment wieder loszudonnern.