Vincent strich langsam über den kalten Grabstein, vor dem er kniete: "Ich war immer eifersüchtig auf dich, Schwester! Schon als wir Kinder waren hattest du immer die Nase vorn. Warst so fokussiert und mächtig..."
Ein namenloses Grab, auf einem der grünen Hügel in Windun, die letzte Ruhestätte von Kalisra Guren. Vincent hatte sie gehasst, als sie im Kerker mit finsterer Magie an den Gefangenen experimentiert hatte. Kalisra war von ihrer dunklen Seite vollkommen eingenommen worden, bis er sie schließlich besiegte. "Ist es vorbei?", wollte sie damals von ihm wissen, als sie kraftlos in seinen Armen gelegen hatte.
"Ja Kalisra, schlaf jetzt!", hatte er ihr geantwortet, dann hatten sich ihre Augen für immer geschlossen. Die Erinnerungen an seine letzte Verwandte quälten ihn, auch wenn niemand von ihr wusste. Sie war nach ihren Untaten aus dem Familienstammbaum gestrichen worden. Nun war er der letzte, der offiziell den Namen Guren trug. Traurig sah er auf den kalten Stein und schloss für einen Moment die Augen: "Wenn du nur hier wärst, Schwester. Gemeinsam könnten wir dieses Biest erschlagen und die aufziehenden Schatten besiegen! Aber du warst schon lange vor deinem Tod fort..."
Dann erhob er sich endgültig und wendete sich ab, er wusste genau, dass er nie wieder an diesen Ort kommen würde. Er schritt den Hügel hinunter zu seinem Begleiter, der ihn interessiert musterte.
"Was ist da oben?", wollte Vernon wissen und warf einen Blick auf den Trampelpfad, welchen Vincent ihn nicht passieren hatte lassen.
"Du musst diesen Ort bewachen, Belgur soll seine besten Männern am Pfad abstellen!", Vincent sah ihn ernst an, "Sorge dafür das nie jemand nach oben geht! Die Konsequenzen wären verheerend! Was in diesem Grab liegt, muss in Vergessenheit geraten. So wie alle Guren! Wir sind nicht länger Teil dieser oder einer anderen Welt."
Vernon musterte seinen Halbbruder kritisch: "Was hast du vor? Willst du dich wirklich diesem Biest engegen…"
Er brach ab und hustete, das Flüstern, welches seine Seele schon Wochen quälte wurde wieder lauter.
Vincent musterte ihn nun seinerseits kritisch: "Was ist mit dir, Vernon?"
Der Werwolf zuckte mit den Schultern: "Es ist dieser Ort, seine düstere Präsenz vernebelt mir wohl die Sinne. Geh nun und hilf Delina. Ich werde meinen Teil unserer Abmachung erfüllen wenn es soweit ist, wie versprochen!"
Delina warf Sassy und Silas einen letzten Blick zu, Henry sah sie weiterhin leicht verzweifelt an und schien nicht zu verstehen was gerade um ihn passierte. Der kleine Junge wand sich am Arm seiner Mutter und quengelte, seine grünblauen Augen füllten sich mit Tränen. Auch wenn er zu Jung war um zu verstehen was hier passierte, so schien er doch die angespannte Stimmung aller wahrzunehmen.
„Ich schwöre dir Ihnen wird nichts passieren, Delina! Ich habe deine Bitte gehört und keinen Moment gezögert mich dieser Aufgabe zu widmen.“, Cash nickte ihr zu.
„Ich fühle mich nicht wohl dabei, das du alleine gehst! Du weißt schon, nach allem was passiert ist!“, Sassy schien schwer mit sich zu hadern.
Auch Silas sah alles andere als glücklich aus, er schien zu überlegen ob er nicht doch bleiben sollte.
„Merlin will mich bluten sehen!“, Delina verzog immer noch keine Miene, „Sie hat mir alles genommen, was ich an Familie hatte, außer Newra und euch. Tut mir wie sie einen Gefallen und haltet euch aus diesem Krieg raus, für Henry und mich!“
Cash nickte: „Delina hat recht, ihr müsst für Henry da sein. Und sie wird nicht alleine sein! Deseis und die anderen begleiten sie!“
Silas schien nun einzusehen das es nicht sein Kampf war, auch Sassy schien den Gedanken hier etwas bewirken zu können aufzugeben.
"Verwendet keine Magie und vertraut stets Cash Einschätzung. Wenn es jemand schafft euch erfolgreich zu verstecken dann er, es gelang ihm selbst ja sein ganzes Leben!", Delina schloss ihre Freunde in die Arme.
"Wir müssen uns beeilen!", Aryas Stimme klang angespannt, "Es hat bereits begonnen. Unser Feind hat den ersten Zug gemacht, doch ist das nicht alles was mir Sorgen bereitet!" Sassy musterte die blonde Frau und sah Silas fragend an. Der schien ihren Blick sofort deuten zu können: "Eine Hochelfe aus dem Reich des Lichts!" Arya nickte: "Silas, der Blinde. Und doch siehst du so viel mehr!"
Silas verneigte sich leicht: "Ihr seid die Herrin des Lichts, ich habe in meiner Kindheit Geschichten über das Haus Ronalien gehört. Aber ich war der Meinung euer Bruder hätte euch aus Eifersucht getötet!"
Arya schüttelte den Kopf: "Mein Bruder wurde für ein Verbrechen bestraft, das nie begangen worden ist. Das Licht hat mich nicht verlassen, ich war mit einem Auftrag beschäftigt der meinen vermeidlichen Tod forderte. Niemand durfte davon erfahren!"
Delina hatte gespannt zugehört und fragte sich, was es mit diesem Haus Ronalien auf sich hatte. Silas schien das etwas zu sagen, aber sie konnte nur spüren das nicht nur Licht in Arya zu schlummern schien.
"Dein Auftrag...", Sassy dachte an vergangene Gespräche mit Allister, welcher ebenfalls einer Elfensippe angehörte zurück, "Die Artefakte..."
Arya deutete ihr zu schweigen: "Darüber zu sprechen ist schon gefährlich, etwas passiert in den Welten. Eine alte dunkle Macht erhebt sich und die, die sie aufhalten könnten sind blind mit ihrem Krieg beschäftigt. Es lauern noch schlimmere Dinge als Dämonen in unseren Gebieten!"
Silas nickte: "Ich habe es auch gespürt... Es beginnt wie damals als der Dunkle sich erhob..." Cash mischte sich nun ein: "So wird es diesmal nicht enden! Shanora wird nicht zulassen, dass wir in eine zweite Dunkelheit gerissen werden!"
Arya wirkte plötzlich verächtlich: "Der weiße Thron ist schwach und gebrochen. Es wird nicht einem einzelnen Mädchen gelingen die Welten zu retten!" Delina deutete Cash nicht wegen der Kritik an Shanora auszuflippen: "Aber Shanora hat noch Verbündete unter uns! Wenn Elensar eine Armee hätte...!"
Arya nickte: "Hätte... Hätte... Aber solange sich das Mädchen nicht gegen ihren Ziehbruder durchsetzt und ihm blind vertraut... Nun geht, wir müssen aufbrechen!" Delina schluckte schwer. Das erste Mal nach ihrer Verbannung war sie wieder alleine mit ihren vermeidlichen Freunden, die immer nur Silas gefolgt waren. Sie ließ gerade nicht nur einen Freund ziehen, ihre ganze Sicherheit in der Gruppe schien damit in Gefahr zu sein. Ob Deseis, Claude und der neue Treplew ihr folgen würden, in eine Schlacht für die Person die ihren Anführer verbannt und als Verräter gebrandmarkt hatte?
Delina sah wie der Turm von Katzus, der Ort an dem ihre Geschichte begonnen hatte, in Flammen stand. Schreie hallten durch die Stadt, Dämonen wüteten und schlachteten die Bewohner, die sich nicht in Sicherheit bringen konnten, ab. Delina stand stocksteif da, starrte auf das Chaos, den Rauch der brennenden Heimaltstädte vieler ihrer Freunde und das Blut, das den sandigen Boden tränkte. Ein gehörnter, widerlich entstellter Dämon schnellte auf sie zu, prallte aber gegen ein Schild aus Licht.
"Haltet Stand!", brüllte Arya, "Sammelt euch hier! Wir können diese Flut bezwingen!" Die Stadtwachen schienen auf sie zu hören und begannen langsam wieder sich zu formieren und neue Maßnahmen zur Verteidigung der Bürger zu ergreifen.
Delina atmete noch einmal durch, dann schien der Schock endlich nachzulassen, ihr Körper bewegte sich wieder normal. Sie hatte zwar schon eine Stadt untergehen sehen, aber das war schlimmer, realer und so nah vor ihr. Diesmal war es an ihr die Stadt davor zu bewahren, sie würde nicht gerettet und weggebracht werden.
"Delina!", Arya warf ihr einen ernsten Blick zu, "Wir werden diese Stadt nicht dem Untergang überlassen! Und ihre Bürger nicht dem sicheren Tod! Aber wenn deine Verbündeten nicht bald hier aufschlagen werden wir ein Problem bekommen!" Delina nickte und hoffte inständig das Deseis und die anderen ihrem Ruf zu den Waffen folge leisten würden. Wenn nicht würden sie und Arya die Stadt nicht retten können.
Im selben Moment schoss Treplew an ihnen vorbei, schlug einem Dämon den Kopf ab und pfählte den nächsten mit der Waffe des ersten. Deseis und Claude begannen nach ihrer Erscheinung ebenfalls die einfallenden Dämonen zu dezimieren, was deutlich mehr schaden anrichtete als die verzweifelten Versuche der eingepferchten Bürger sich zu wehren.
"Endlich ich dachte schon die Herren wären sich zu fein für dieses Gemetzel! Befreit die Leute und schickt sie in den Wald, wo sie Schutz in den Bäumen suchen sollen! Dieses Ding soll sie eskortieren!", Arya deutete auf Treplew.
"Ich bin kein Ding!", verkündete dieser, "Ich bin ein Elf!"
"Und ich bin mir sicher für kein Gemetzel zu schade, Elfenweib!", Claude spuckte auf den Boden bevor er sich wieder in einen riesigen Wolf verwandelte um weiter zu kämpfen.
Arya winkte ab: "Was auch immer! Delina wir müssen und seinen Überblick verschaffen! Auf der Mauer sollten wir sehen können was uns noch erwartet!"
Delina folgte ihr auf den Schutzwall, in welchen schon viele Löcher geschlagen worden waren. Vor der Stadt hatten sich Belagerungstürme und andere Kriegsmaschinerie der Dämonen eingefunden, eine Armee, die bereit war die Stadt zu stürmen, sobald die Mauer gebrochen war.
"Katapulte!", rief Arya Deseis zu, "Macht euch bereit, beschützt die Bürger!"
Delina sah das erste brennende Geschoss, welches zuerst hoch in die Luft und dann im Sturzflug auf die Stadt zugeflogen kam.
"Das gehört mir!", verkündete sie und erhob sich in die Lüfte, umgeben von arkaner Energie. Dann ließ sie mit einem Geschoss aus ihrer Handfläche den Stein in der Luft wie ein Feuerwerk explodieren.
"Wir brauchen Verstärkung!", rief Deseis ihnen von untern zu, "Wenn Finn nicht bald zurückkehrt werden wir die Stadt nicht halten können! Sie werden durchbrechen und wir sterben hier mit diesen armen Seelen."
Arya rümpfte die Nase: "Eure Feigheit widert mich an, Dämon. Ich habe mehr erwartet!"
Deseis warf ihr einen leicht wütenden Blick zu, und doch den wahrscheinlich bösesten den Delina je gesehen hatte.
"Was bringt es uns für Finns dämliche Stadt zu Opfern?", Claude verwandelte sich zurück und starrte zu Delina und Arya, "Seit wann folgen wir diesen Weibern eigentlich? Sie sind minderwertig, nicht stark genug, keine Anfüher!"
Deseis warf Delina einen ernsten Blick zu: "Das ist nicht dein Kampf, wir sollten sehen das wir hier rauskommen solange die Mauer noch steht!"
"Ist das die Standhaftigkeit eines Dämons?", Vincent belächelte Deseis, der umrundet von Leichen der angreifenden Dämonen verwirrt zu ihm blickte. Der Hexenmeister schritt langsam, umgeben von einer eigenartig flimmernden Aura die Treppen zu Delina herauf und stellte sich neben sie.
"Vincent!", Aryas Stimme klang sehr überrascht, "Das ich dich noch einmal treffe!" Vincent würdigte sie keines Blickes: "Nach diesem Tag solltest du deine Entscheidung überdenken! Mein Erbe sollte ihn haben, Arya! Es ist ihr Schicksal, auch wenn ich das nie gewollt habe!"
Mit diesen Worten begann seine Stimme sich wieder zu verändern, sie wurde verzerrt und unheimlich, alte grausame Seelen flüsterten, schwebten durch seine Aura. Vincent levitierte, herab vom Wall in die Mitte der gegnerischen Linien.
"Was hat er vor?", fragte Delina panisch.
"Er wird seine Macht dazu benutzen Merlins Streitkräfte zu bezwingen!", Arya warf ihr einen fragenden Blick zu, "Aber warum hilft er Finn?"
Delina starrte auf den Kreis, der sich um Vincent in den Reihen bildete: "Er hilft nicht Finn, er hilft mir, weil er weiß, dass ich Shanora nicht im Stich lasse. Er ist mein Vater!" Arya riss überrascht die Augen auf, darüber hatte Church sie nicht aufgeklärt. Plötzlich stoppte die Armee, ein Horn erschallte und sie schienen sich zurückzuziehen. Treplew schnellte zu ihnen: "Wir haben sie nicht besiegt, bitte sag mir das es einen anderen Grund für ihren Rückzug gibt!"
Delina sah panisch hinter sich: "Deseis, geht zurück! Sie nach Sassy und Silas! Sie sollen sofort verschwinden! Es bleibt keine Zeit mehr zu packen, Cash muss sie wegschaffen!"
Deseis nickte: "Treplew, kommst du?" Dieser sprang zurück zu dem Schatten und auch der Druide, der was Delina ausmachen konnte einiges eingesteckt hatte humpelte zurück durch Newras Portal.
"Was passiert da?", Aryas Stimme ließ Delina herumfahren, in der ferne schien Vincent wieder zu kämpfen, gegen eine Person.
"Wir müssen zu ihm!", Delina sprang von dem Wall und rannte, bedacht nicht über eine der zahlreichen Leichen zu stolpern, zu ihrem Vater. Desto näher sie kam, desto besser konnte sie erkennen gegen wenn er kämpfte, sie musste sich beeilen. Merlin setzte Vincent zu, aber sie schien noch immer nicht alles aufgefahren zu haben: "Vincent, es freut mich dich hier zu haben!"
Vincent streckte den Arm aus und ihre Essenz begann aus ihrem Körper zu schwinden: "Mich erst, endlich kann ich dich töten!"
Merlin grinste und schoss eine rießige Menge arkaner Energie nach Vincent, sodass er sich bewegen und damit seinen Zauber nicht aufrechterhalten konnte. "Weil ich deine Töchter getötet habe?", wollte Merlin wissen und Vincent wurde plötzlich hellhörig. Merlin bemerkte das und grinste über beide Ohren: "Wie sehr sie doch nach ihrem Daddy geweint hat, aber er hat sie da wo ich sie hingebracht habe nicht gehört!"
Im selben Atemzug öffnete sie hinter sich ein Portal, aus dem ein Körper geworfen wurde, direkt vor Vincents Füße. Delina hatte ihn fast erreicht, aber in dem Moment als Vincent den Körper sah viel er auf die Knie und ließ seine Deckung fallen.