Delina sah Finn verwirrt an: "Aber warum bin ich dann hier? Bin ich in einer Art Zwischenwelt wie Solon?" Finn schüttelte den Kopf und begann sich zu erklären: "Als ich dich gefunden habe habe ich dir einmal unter dem Vorwand, dass sich etwas entzündet hätte, einen Teil deines Hinterkopfes rasiert, kannst du dich daran erinnern?" Delina griff unbewusst an diese Stelle, die Haare waren schnell wieder gewachsen und sie hatte dem ganzen nie große Bedeutung zugesprochen. "Ich habe dir damals ein Siegel eingepflanzt, das mir erlaubt mit dir zu sprechen, wenn es zum äußersten kommt!", Finn sah sie entschuldigend an, "Das hätte ich dir vermutlich sagen sollen!"
Delina warf ihm einen wütenden Blick zu: "Wie auch manch andere Dinge. Ich weiß das Marbas so gut zu mir war, weil er fürchterliche Angst vor dir hatte! Und das du immer über mich gewacht hast..." Im letzten Satz war ihre Wut verflogen, sie betrachtete Finn, er war so erwachsen geworden. Als er sie damals gerettet hatte, war er selbst noch ein halbes Kind gewesen, nun hatte er breite Schultern und war gut trainiert. Sein Haar war damals voller lächerlich aussehender blond gefärbter Strähnen gewesen, nun waren sie mittelblond und kurz. Auch die Designeranzüge hatte er im Laufe der Zeit gegen eine praktischere schwarze Kleidung getauscht, nur seine Augen hatten sich nicht verändert. Sie waren türkis und strahlten voller Güte, Delina hätte weinen können beim Gedanken daran was sie ihn alles genannt hatte. "Finn ich...", ihr fehlten die Worte, sie wusste nicht, was sie sagen sollte, "Es tut mir so leid, ich hätte einen Weg finden müssen dich zu schützen. Wir alle haben gesehen wie du gelitten hast, aber wir haben dir nicht getraut. Jetzt weiß ich nicht, ob ich mir selbst noch trauen kann!" Finn lächelte sie liebevoll an: "Aber Lina, es war doch meine Entscheidung das zu tun. Ich wollte verachtet und gehasst werden, es war mein Wille das auf mich zu nehmen, ihr hättet mich nicht aufhalten können."
Delina dachte zurück, sie hatte auch nie besonders auf ihn geachtet. Nachdem sie zurückgekommen war blieb ihr Blick einzig und alleine an Church hängen. Finn hatte sie jetzt das erste Mal richtig angesehen. Plötzlich bemerkte sie etwas, ihr Herz schien zu schmerzen beim Gedanken daran, das dies ihre letzte Begegnung sein würde. "Finn....", Delina streckte ihre Hand aus, zog sie aber zurück aus Angst er würde verschwinden, wenn sie ihn berührte. Ihr ganzer Körper schien ihn umarmen zu wollen, weil sie dachte, dass er es brauchte. Und weil sie es brauchte. Finn streckte nun ebenfalls die Hand nach ihr aus: "Bevor ich gehe möchte ich das du die Wahrheit über das was war erfährst, komm mit mir!"
Delina nahm seine Hand und folgte ihm, ihre strahlende Umgebung veränderte sich, sie sah Finn und Church in der Gestalt seines Besetzers Uriel streiten.
"Was du getan hast, was du verschwiegen hast... Ich habe meinen Onkel getötet! Im Glauben er wäre ein braver Diener des Dunklen! Obwohl du wusstest, dass er für dich spioniert hat! Wie lange bist du schon hinter Diluculum her?"
"Finn, hör auf vor der Realität zu flüchten! Mir ist klar, dass du mich nicht mit reinziehen wolltest... Ich bin dir nicht böse, aber ich will das du dich zusammennimmst!"
Beides hatte Church Finn an den Kopf geworfen, dann war Finn hinaus ins Stiegenhaus gegangen. Den Rest des Abends hatte Sassy Delina einmal erzählt, er hatte sich eine Flasche Wein und eine Frau abgegriffen und sich wie ein Idiot benommen. Doch nun sah Delina etwas, was weder Church noch Sassy mitbekommen hatten. Finn brach im Stiegenhaus zusammen, fiel aus die Knie und zitterte. "War das der viele Alkohol?", fragte Delina, sie konnte sich das Bild des am Stiegengeländer kauernden Finns kaum ansehen. Finn schüttelte den Kopf: "Sieh genauer hin, Delina!"
Delina zwang sich dazu ihren Blick zu heben und sah der Vision von Finn ins Gesicht. Tränen rannen ihm über die Wangen, er sah so verzweifelt aus. Sie hatte ihn noch nie so verletzlich gesehen. Sein Kopf schien zu schmerzen, er hielt sich die Augen zu. "Halt den Mund...", wimmerte er, "Verschwinde, ich werde mein Schicksal niemals erfüllen!"
Delina biss sich auf die Lippe, Finn hatte damals in diesem Treppenhaus Höllenqualen ausgestanden und niemand war da gewesen. Sie hatte auch eine Vermutung, wer seinen Geist so quälte: "Finn, als du damals aus dem Koma erwacht bist... Da hat es angefangen, oder?" Finn nickte: "Ich konnte die Stimme meines Vaters hören, ständig... Er hat mir weh getan, meinen Geist gefoltert..."
Die Vision löste sich langsam auf und sie sah Finn, welcher mit Allister sprach.
"Warum soll ich dieser dahergelaufenen angeblichen Dunkelelfe trauen?", empörte Allister sich. Delina wusste ganz genau, dass es um sie ging, sie hatte sich damals verwandelt, damit niemand Fragen stellte.
"Weil sie keine Dahergelaufene ist!", Finn stellte sich ganz nah vor Allister, "Alter Freund, ich bitte dich. Vertraue ihr, mach es ihr nicht länger schwer du siehst doch das sie alles tut, um zu helfen!" Allister sah ihn nun fragend an: "Sie bedeutet dir eine ganze Menge, habe ich recht? Und das dumme Ding ist so in Church verschossen, dass sie dich nicht einmal sieht!"
Delina konnte in der Vision von Finn einen Augenblick etwas sehen, einen leicht schmerzverzerrten Gesichtsausdruck, bevor er sein falsches Lächeln aufsetzte: "Allister, ich habe genug Frauen. Sie interessiert mich nicht auf diese Weise!" Delina spürte wie sich bei diesem Satz Finns Hand in ihrer leicht verkrampfte, es war ihm unangenehm, dass sie das sah. Die Vision verschwand wieder und sie sah Finn vor Elensars Wacht stehen. Er wirkte sehr geschwächt, seine Augen waren blutunterlaufen. "Finn, du konntest es nicht verhindern!", mahnte Church ihn und legte seine Hand auf seine Schulter. Diesmal konnte Delina die Stimme des Dunklen ganz deutlich hören, sie zischte messerscharf durch Finns Seele.
Du hast Caja nicht beschützen können.
Schwächling.
Du konntest damit Delina auch nicht beschützen.
Du weißt das Vincent ihr Vater ist.
Der eigene Vater tötet die Ziehschwester.
Schon ist sie im Kreislauf des Hasses gefangen...
"Hör auf!", Finn schlug Churchs Hand weg, "Sei still und lass mich alleine!" Er hielt sich wieder den Kopf und Church - Church ging einfach. Delina sah schockiert, wie Finn sich in die Wacht flüchtete, sich in einer Kammer einschloss und vor Schmerzen schrie. Diesmal verkrampfte ihre Hand sich, sie warf Finn einen flüchtigen Blick zu, er starrte stumm auf die Vision von sich bis diese Verschwand.
"Mehr kann ich dir nicht zeigen!", meinte er dann, "Danach, als ich dich verbannen musste, war Deseis dazu abgestellt dich zu beschützen!"
Delina sah ihn nachdenklich an: "Deseis war dir weiter treu ergeben, spielte aber Silas braven Gefolgsmann! Du hast Silas Selbstbewusstsein gesteigert, damit er deinen Platz übernehmen kann..." Finn nickte: "Als ich auf Kalisra traf, habe ich Church zu dir geschickt. Ich wusste das Shanora ihn gebeten hatte! Aber da Merlin immer noch eine Gefahr darstellte, konnte ich nicht selbst auf dich achten. Außerdem war dir die Gesellschaft von Church bestimmt lieber. Danach ist mir alles entglitten, du bist mir entglitten. Es tut mir leid, Delina, ich wollte nicht das du so viele geliebte Menschen verlierst..."
Delina musste zugeben das sie eine extreme Wut auf ihn gehabt hatte, ihn vielleicht sogar gehasst hatte. Oder er war ihr gleichgültig gewesen in ihrer oberflächlichen Analyse. "Ich wünschte ich hätte für dich da sein können...", murmelte sie, als sie wieder im hellen Licht standen. "Du weißt nun mehr über mich als sonst jemand!", Finn lächelte, "Damit warst du für mich da, Delina! Hier wo alles zu Ende geht!"
Delina sah ihn verunsichert an: "Was wird jetzt passieren?" Finn überlegte: "Silas wird mit Shanora Elensar wieder aufbauen während du und Arya den Dunklen stoppen müsst!"Delina erschrak bei dem Gedanken daran das dieses Monster es wirklich geschafft hatte wieder aufzuerstehen. "Ich werde ihn für alles was er dir angetan hat zur Rechenschaft ziehen!", polterte sie dann. "Nein!", Finn sah wie Delina ihn ungläubig musterte und erklärte sich, "Du musst es schaffen den Kreislauf der Rache zu durchbrechen. Ich bin davon überzeugt das Rache nie zu einem guten Ende kommen kann. Es ist wie wenn man einen Stein in ein ruhiges Gewässer wirft, es zieht Kreise, Delina. Immer größer werdende Kreise die das ganze Gewässer aufwühlen!"
Delina verstand nicht wie sie dieser Bedrohung dann Herr werden konnte, Finn schien darauf aber auch keine Antwort zu wissen. "Wir alle stellen uns gerne härter dar als wir sind, nicht war?", Finn lächelte verschmilzt, "Du die unnahbare, coole Delina die nur darauf aus ist ihre Feinde niederzustrecken..."
Delina schmunzelte: "Du der Frauenheld, der jedes Mädchen bekommt und immer gerne betrunken ist und sich an keine Regeln hält..." Finn schüttelte den Kopf: "Ein Mädchen habe ich nicht bekommen. Sie war in meinen besten Freund verliebt, ich konnte sie nur aus der Ferne bestaunen und mich selbst für das hassen, was ich fühlte!"
Delina riss die Augen auf, gestand Finn ihr gerade seine Liebe? Das konnte nicht sein, er war mit Frauen wie Sassy zusammen, nicht mit jemandem wie ihr. Was sie noch mehr schockierte war aber das Kribbeln in ihrem Bauch bei seinen Worten. Wenn er es je versucht hätte, mit seiner wahren Art und Weise, sie war sich nicht sicher, ob sie sich dann noch lange für Church interessiert hätte. Oder dachte sie das nur weil Church sie genau wie Saphira verraten hatte? Sie war verwirrt und Finn merkte das, er ließ ihre Hand los und brachte mehr Abstand zwischen sie beide.
"Es tut mir leid, Delina!", er wirkte verlegen, "Das hätte ich wohl lieber mit ins Grab genommen!" Delina senkte ihren Kopf: "Mir tut es leid, dass ich dich zu deinen Lebzeiten nie so kennenlernen durfte. Wer weiß was passiert wäre, Finn... Vielleicht hätte ich dich retten können..." Tränen flossen über ihre Wange, sie wollte gar nicht mehr aufwachen und realisieren, dass er fort war. Für immer.
Plötzlich spürte sie eine warme Hand auf ihrer Wange, die langsam eine Träne wegwischte, dann weiter in ihren Nacken wanderte. Finn zog sie zu sich, in die Umarmung die Delina sich schon am Anfang gewünscht hatte. "Mir tut es auch leid, Delina!", flüsterte er ihr ins Ohr, "Ich wollte mich nicht zwischen dich und Church stellen! Und das wäre unweigerlich passiert, wenn ich zugelassen hätte das du mir hilfst!"
Delina legte ihren Kopf auf seine Schulter, vergrub ihr Gesicht direkt in seiner Halsbeuge. Das letzte Mal sein Duft, sein lachen, seine Stimme. "Meine Zeit ist um...", Finn löste sich langsam von ihr und sie konnte sehen das er ebenfalls weinte. Delina hätte ihn am liebsten angefleht zu bleiben, wusste aber das es keinen Sinn machte, er konnte das nicht mehr entscheiden. Ihr Herz raste, gleich würde sie aufwachen und sie wollte ihm doch noch so viel sagen. Als er gerade ansetze sich zu verabschieden, überwand Delina die übrige Distanz zu Finn und küsste ihn auf die Lippen. Finn erwiderte das zuerst nur zögerlich, dann aber legte er seine Hände in ihren Nacken und zog sie näher an sich. Er küsste sie mit einer Leidenschaft wie sie es noch nie erlebt hatte, zog sie näher an sich sodass kein Blatt mehr zwischen sie gepasst hätte. Delina legte ihre Hände nun auch in seinen Nacken und fuhr ihm durch das kurze Haar. Sie lösten sich voneinander, sahen sich tief in die Augen. "Danke!", hauchte Finn noch und gab ihr einen letzten Abschiedskuss auf die Lippe, sanft und zart, bevor er einfach vor ihr in dem hellen Licht verschwand. Delina schloss sie Augen, sie hatte das Gefühl innerlich zu sterben. Es war Zeit aufzuwachen, an diesem Ort gab es jetzt nichts mehr für sie.
"Delina!", eine vertraute Stimme drang in ihren Geist vor, "Wach auf!"Arya, es war Arya und das bedeutete, dass sie es geschafft hatte. Langsam öffnete sie die Augen, ihr ganzes Gesicht schien unter einen Wasserfall gekommen zu sein. Sie musste im Schlaf wirklich geweint haben. John war ebenfalls anwesend und zu ihrer Überraschung brauchte sie nicht lange um sich zu orientieren. "Warum hier? Dir ist bewusst das Church und Deseis uns verraten haben?", fragte Delina leicht gereizt. Sie bereute ihre Worte sofort als Arya einfach nur auf den Boden starrte. Es musste sie hart getroffen haben das der Mann, den sie heiraten wollte, sich in der Stunde größter Not auf die Seite des Feindes geschlagen hatte. Sie konnte das Gefühl nachvollziehen: "Arya, es tut mir leid..." John sprach an ihrer Stelle, Arya schien noch einen Moment zu brauchen um sich zu sammeln: "Deseis wird kaum in seiner eigenen Wohnung nach euch suchen, die Idee ist brilliant. Außerdem habe ich dafür gesorgt das ihr Unterstützung habt!"
Delina bedankte sich bei John, sie war wirklich froh das Aryas Plan funktioniert hatte. "Ich hoffe Silas und Shanora bekommen das alles ohne uns geregelt!", Arya hatte plötzlich ein strahlendes Lächeln aufgesetzt, das Delina ihr keine Sekunde abkaufte. "Natürlich...", Delina sah zu dem Gästezimmer, das sie sich mit Celles geteilt hatte und deutete darauf, "Arya nimm dieses Zimmer! Ich werde das äh... andere nehmen!" Arya verstand: "Damit ich nicht in SEINEM Bett schlafen muss... Danke Delina!" John machte sich in der Zwischenzeit bereit zum Aufbruch: "Ich bverlasse euch nun, die Energie eines Engels bemerken sonst noch die falschen Leute!" Er reichte den beiden noch jeweils einen der Silberringe, die Delina und Sassy nach ihrer Verbannung getragen hatten. Arya steckte ihn an und Delina merkte sofort das sie ihre Energie nicht mehr wahrnehmen konnte, also tat sie es ihr gleich. Arya umarmte John: "Danke für alles. Wenn du mich fragst hast du deine Vergehen in der Vergangenheit 100 mal wieder gut gemacht!" John lächelte und winkte den beiden zu: "Ich habe mir damals geschworen den Rest meiner Tage keine Chance zu helfen auszuschlagen. Ich wache über euch!"
Damit verschwand er und Delina und Arya bleiben alleine in dem großen Loft zurück. Keine wusste was zu sagen war, also nahm Delina einfach Aryas Hand: "Jemand der mir sehr wichtig war hat das gemacht als wir gemeinsam viele furchtbare Dinge gesehen haben. Wir schaffen das, Arya!" Arya begann leise zu weinen, schniefte und wischte sich die Tränen weg: "Natürlich schaffen wir das, Delina! Wir werden den Dunklen endgültig vernichten!"