Max versuchte erneut, sich an seinen brummenden Schädel zu fassen.
Was zur Hölle ist denn bloß passiert?
Er kniff seine geschlossenen Augen fester zusammen, als der stechende Schmerz wieder durch seinen Kopf zuckte. Seine Zunge fuhr sich nervös über die trockenen Lippen und versuchte vergebens, sie zu befeuchten.
Okay. Ganz ruhig. Versuch dich zu erinnern, was passiert ist.
Er konnte sich noch daran erinnern, mit Maria und Thomas diese neue Bar besucht zu haben. Dort hatten sie einen schönen Abend verbracht, bis so ein Idiot ihn angerempelt und seinen Whiskey auf Maxs Hemd verschüttet hatte.
Verärgert war er auf Toilette gegangen, und als er wieder in die Bar kam, hatte ihm der Mann als Entschuldigung einen Drink spendiert.
Aber was ist danach passiert?
Schwärze.
So sehr sich Max auch zu erinnern versuchte, er hatte einen kompletten Filmriss.
Max fuhr sich langsam mit den Fingern durch die Haare. Auch seine Beine konnte er bewegen, doch das brachte ihm nichts, denn er saß in totaler Finsternis. Obwohl er seine Augen bereits geöffnet hatte, konnte er die Hand nicht vor Augen sehen.
Vor ihm schien ein Tisch zu stehen. Vorsichtig fuhr er mit seinen Händen die Tischfläche ab, in der Hoffnung, etwas darauf zu finden. Was er sich zu finden erhoffte, wusste er jedoch selbst nicht.
Die Luft um ihn herum war dick und roch abgestanden. Ich befinde mich weiß Gott wo, aber hier war sicher schon lange niemand mehr drin.
Wieder durchzuckte der stechende Schmerz seinen Kopf und ließ Max zusammenfahren. Verdammt. Was ist bloß passiert?
„Hallo? Hallo?! Hört mich jemand?!“, rief Max in den Raum hinein. Da es kein Echo gab, konnte der Raum nicht sehr groß sein. Oder er war voller Sachen wie Regalen oder sonst was. „Kann man jemand das Licht anmachen? Hallo?!“
Je lauter er wurde, desto schlimmer wurden seine Kopfschmerzen, aber er musste etwas tun. Er hatte nicht vor, bis Weihnachten hier zu sitzen.
„Gott verdammt! Hallo?! Ist da jemand?!“
Langsam spürte Max Panik in sich aufsteigen. Wo war er? Warum war er hier? Hatte man ihn hier eingesperrt und dann vergessen?
Da er nicht länger still sitzen konnte, stand er auf und bereute die Tat auch sogleich wieder. Er stöhnte auf, sackte erneut auf dem Stuhl zusammen und griff sich mit beiden Händen fest in die Haare. Der Schmerz in seinem Kopf trieb ihm die Tränen in die Augen.
Erst, als er sich noch einmal mit den Fingern durch die Haare fuhr, spürte er, dass etwas nicht stimmte. Langsam tastete er über eine kleine, kahle Stelle auf seinem Kopf. Sie brannte leicht bei jeder Berührung und fühlte sich uneben an. Eine Narbe? Woher habe ich diese Narbe?
In diesem Moment schaltete jemand ein grelles, blendendes Licht ein.
Max keuchte auf und hob schützend die Arme vor sein Gesicht. Der gleißende Lichtschein brannte in seinen Augen, obwohl er sie fest zusammengekniffen hatte.
„Ah, sehr gut. Schön, dass Sie endlich wach sind, Mr. Jefferson.“
Max hörte eine fremde, verzerrte Stimme, die aus einem Lautsprecher in den Raum schallte.
Nur langsam senkte er die Arme und öffnete vorsichtig die Augen, um sich umzuschauen.
Als erstes bemerkte er, dass er Recht gehabt hatte mit seiner Vermutung. Der Raum war nicht sonderlich groß. Um ihn herum standen Aktenschränke, die Wände waren grau und leer. Vor ihm stand ein gewöhnlicher Holztisch, und er saß auf einem dazu passenden Stuhl.
Auf der anderen Seite des Raumes war eine Eisentür mit einem Keypad daneben. Nur diejenigen, die die richtige Zahlenkombination kannten, konnten diesen Raum wieder verlassen.
Was ist das hier für ein Ort?
Doch die größten Sorgen bereitete Max das Fenster neben der Tür.
Hinter der Scheibe musste ein ebenso grelles Licht scheinen. Der schwarze Schatten eines kräftigen Mannes, der sich gerade auf etwas vor ihm stütze – vielleicht ein Tisch oder eine Stuhllehne – zeichnete sich in der Scheibe ab.
„W-Wer sind Sie? Und woher kennen Sie meinen Namen? Wo sind meine Freunde?“ Die Fragen sprudelten nur so aus Max heraus, seine Stimme zitterte dabei.
„Ich stelle hier die Fragen, Mr. Jefferson, und Sie sind hier, um meine Fragen zu beantworten“, antwortete der Fremde hinter der Scheibe durch den Lautsprecher, der irgendwo versteckt im Raum angebracht sein musste.
„Nein!“ Max stand abrupt auf, der Stuhl fiel auf den harten Steinboden. Sofort wurde ihm schwindelig. Er taumelte, hielt sich in letzter Sekunde an der Tischkante fest und übergab sich daneben.
„Sie sollten sich beruhigen“, schlug der fremde Mann vor. „Das wäre zu Ihrem eigenen Besten.“
Schwer atmend hielt Max sich an den Tisch geklammert. Er versuchte zu Atmen zu kommen und gleichzeitig seine Angst zu unterdrücken.
„Erst will ich wissen, ob es meinen Freunden gut geht“, presste Max zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Ihre Freunde sind jetzt nicht von Belangen.“
„Für Sie vielleicht nicht, Sie Schweinehund, aber für mich schon!“
„Sie werden verstehen, dass Sie keine andere Wahl haben, als auf meine Fragen ehrlich und glaubwürdig zu antworten, Mr. Jefferson.“ Der fremde Mann seufzte, als ob er diese Situation schon unzählige Male erlebt hatte.
Vielleicht CIA? FBI? Nein, ich habe nichts verbrochen. Was könnten die schon mit mir anfangen?
„Einen Scheiß werde ich. Wenn Sie glauben, dass ich Ihnen auch nur-“
Weiter kam Max nicht, denn plötzlich durchfuhr ihn ein unbeschreiblicher Schmerz, der ihn laut aufschreien ließ. Sein Körper krampfte heftig und sackte zu Boden, wo er zitternd liegen blieb, bis der Schmerz langsam wieder nachließ.
„Was … was war das?“, stammelte er und bemerkte, dass Speichel dabei aus seinem Mund floss. Sein Körper gehorchte ihm kaum.
„Der Grund, weshalb Sie mir die Antworten liefern werden, die ich von Ihnen haben will, Mr. Jefferson. Wir haben Ihnen einen Chip eingesetzt, der das Schmerzzentrum Ihres Gehirns anspricht. Wenn ich hier, auf meiner Seite des Raumes, einen Regler betätige, kann ich bestimmen, wie viel Schmerz Ihr Körper verspürt.“
„Das ist Wahnsinn! Folter!“, schrie Max verzweifelt. Seine Angst stieg ins Unermessliche. Ich werde hier nicht mehr raus kommen. „Das können Sie nicht machen!“
„Sie sehen doch, dass ich das kann. Aber keine Sorge, Mr. Jefferson“, erwiderte der Fremde und legte eine kurze Pause ein, bevor er weitersprach. „Sobald ich meine Antworten habe, können Sie wieder nach Hause gehen.“
„Wo sind meine Freunde“, wiederholte Max seine Frage verbissen, während er den Stuhl aufhob und sich langsam setzte. Er weigerte sich, dem Fremden Fragen zu beantworten, wenn dieser nicht auch seine beantwortete.
„Das braucht Sie jetzt nicht zu interessieren.“
„Wenn Sie mich hier gefangen halten, habe ich das Recht auf einen Anwalt und einen Anruf.“
„Terroristen haben weder das Recht auf das Eine, noch auf das Andere.“
Ein kalter Schauer lief Max den Rücken herunter. T-Terrorist?
„Das muss ein Irrtum sein! Ich bin kein Terrorist!“
„Doch, das sind Sie, Mr. Jefferson!“ Nun wurde auch der Fremde lauter. „Und wir wollen von Ihnen wissen, wo sich Ihre Mittäter aufhalten! Wo ist Ihre Splittergruppe? Für wen arbeiten Sie?“
Max Gedanken kreisten um das, was er gerade gehört hatte. Ich bin kein Terrorist. Ich bin keiner!
Erneut stand er auf, ignorierte den Schwindel, der ihn erfasste. „Ich bin kein Terrorist! Sie haben den Falschen!“
Dann schoss der grausame Schmerz durch seinen gesamten Körper, ließ ihn krampfen und zittern. Er fiel zu Boden, sein Kopf schlug dabei auf die Kante des Tisches.
„Wir haben viel Zeit, Mr. Jefferson“, hörte er noch die verzerrte Stimme seines Foltermeisters. „Und egal, wie sehr Sie sich wehren, am Ende werden Sie mir die Antworten liefern, die ich haben will.“
Dann versank Max erneut in der Dunkelheit.