"Ich schätze wir sollten irgendwas unternehmen."
"Etwas unter nehmen wie in eine Bank ausrauben oder ins Spielecasio einbrechen?"
"Nein. Eher wie in wir sollten herausfinden, was passiert ist und wie wir alle zurückholen können."
"Wir rauben also keine Bank aus."
"Nein"
"Nun gut. Ich höre."
"Was?"
"Dein Plan."
"Ähm..."
"Ich schätze deine Initiative und Rechtschaffenheit, nur bist du jetzt an dem gleichen Punkt, wie ich vor ein paar Stunden."
"Und der wäre?"
"Der Moment völliger Ratlosigkeit."
So ganz unrecht hatte er nicht. Alles, was Mouna in den Sinn kam, war, dass sich doch alles irgendwie aufklären lassen musste. Sie senkte den Blick und schaute erst auf ihre, dann auf Jacks Hände, die mit der nahezu leeren Packung Zigaretten spielten. Und plötzlich schoss ihr soetwas wie eine Idee durch den immernoch so verwirrten Kopf.
"Du solltest noch eine rauchen." Ihr Blick wandte sich nicht von seinen Händen ab. Er sah sie von der Seite an, gänzlich unbemerkt und tat was sie sagte. Er verstand ganz ohne Worte, steckte die Zigarette mit den roten Billigfeuerzeug an, nahm einen tiefen Zug und atmete aus. Voller Spannung beobachteten beide die Rauchschwaden direkt vor ihnen. Doch sie bewegten sich nicht. Sie blieben an Ort und Stelle ohne einen Windhauch, der sie in eine bestimmte Richtung trug.
Frustriert sah Mouna dem verblassten Gebilde hinterher und griff aus einem Impuls aus Wut und Verzweiflung nach der Zigarette in Jacks Hand. Doch kurz bevor sie sie berührte, streifte sie seinen Handrücken. Sanft kaum spürbar und doch zuckte er unter der Berührung zusammen und sah sie mit ernsthaftem, fragendem Blick an.
"Was tust du?"
"Ich will es auch versuchen."
"Du solltest nicht rauchen, das ist schlecht für dich. Das hast du zu mir gesagt."
"Ich weiß, was ich gesagt habe. Aber wenn es einen Moment gibt, in dem solche Dinge, ob gut oder schlecht, keine Bedeutung haben, dann ist es dieser."
"Du hast recht."
Jack hielt ihr die Zigarette hin: "Du darfst wenn du möchtest."
Mouna hielt inne und starrte auf dieses unmoralische Angebot hinab, das ihr eben noch so selbstverständlich erschien.
Sie sah zu ihm auf: "Ich weiß gar nicht wie das geht."
"Du musst nur daran ziehen, ist ganz einfach, schau."
Auf eine unglaublich selbstbewusste Art und Weise machte er es ihr vor. Und sie sah ihm gebannt dabei zu. Ein tiefer Atemzug und ein verführerisches Lächeln in ihre Richtung, wie die Sünde selbst. Er blies den Rauch gerade nach vorn und er ging erneut in unsichtbare Luft auf.
In diesem stillsten aller Momente, nahm sie beim zweiten Anlauf das Angebot an und griff nach der Zigarette. Sie fühlte sich verboten an in ihren Händen, falsch und gefährlich, denn ein braves Mädchen, wie sie eines war, tat soetwas nicht. Und doch führte sie diese Mischung aus Papier, Filter und Tabak an ihren Mund, nahm sie zwischen beide Lippen, die sie sanft zusammenpresste. Daumen und Zeigefinger an das Papier gelegt, um die Kontrolle über das kleine Stückchen Gefahr in ihrer Hand nicht abzugeben. Sie atmete. Tief und mächtig und der Rauch schien sie gänzlich auszufüllen. Es erfüllte sie mit Stolz und Wärme und dir Leere wurde ein kleines bisschen kleiner. Sie schloss die Augen, hielt noch einen kurzen Moment inne, um dieses Gefühl in sich aufzusaugen. Mit dem nächsten Augenaufschlag ließ sie alles los. Atmete aus, was auch immer sie zuvor krampfhaft festzuhalten versuchte. Als sie Jack die Zigarette zurückgeben wollte, sah sie, dass er sie gebannt ansah. Mit einem leichten Ausdruck von Verzweiflung auf dem Gesicht. Doch bevor sie etwas sagen konnte, bemerkte sie einen leicht Windhauch um sich. Und tatsächlich bewegten sich ihre Haare und ihr Blick schnellte nach vorn. Der Rauch aus ihrem Mund wurde verweht und nach rechts die Straße runtergetragen. Sie drehte sich wieder zu Jack um, um zu sehen, ob er sah, was sie sehen konnte oder zu sehen glaubte. Doch sein Blick war unbewegt auf sie gerichtet. Ein kurzes Funkeln in seinen Augen.
"Jack, es hat funktioniert" sagte Mouna ruhig, um ihn nicht zu schnell aus seiner Trance zu holen.
Er blinzelte kurz und sah nach vorn. Ein seichter Schleier aus Rauchschwaden war noch zu sehen und er sprang auf, richtete sein zerknautschtes T-Shirt und die strubbeligen, kurzen Haare und drehte sich zu Mouna um: "Ich hätte nie gedacht, dass ich mal gutheißen könnte, dass jemand mit dem Rauchen anfängt."
"Nein. Ich auch nicht."
"Na komm.", er hielt ihr bittend eine Hand hin: "Lass uns gehen, ich habe nicht mehr allzu viele."
Sie nahm seine Bitte an.