»WAS MACHEN WIR uns eigentlich heute zu Essen?«, fragte Sophie, nachdem die Straßenbahn losgefahren war und die Haltestelle Mühlenfeldstraße hinter sich gelassen hatte.
Celine musste herzhaft lachen, als sie bemerkte, dass ihre Schwester das ehrlich meinte. »Ich finde es wirklich erfrischend, solch eine stinknormale Frage zu hören. Das zeigt, dass wir trotz allem noch ganz normale Menschen geblieben sind.«
»Sind wir auch. Normal mit besonderen Eigenschaften.«
»Sehr besonders. Wer fährt schon mit Dinosauriern unter der Jacke Straßenbahn?« Celine hatte Mühe, die sonderbaren Bewegungen unter ihrer Kleidung vor den anderen Fahrgästen zu verbergen.
»Lieber so, als dass sie uns wieder entwischen und das nächste Chaos anrichten«, sagte Sophie und zog ihren Reißverschluss noch ein wenig höher, sodass nur noch die Schnauze des Compsognathus herausguckte.
»Ich hätte niemals damit gerechnet, dass wir sie dort finden«, grübelte Celine und schaute aus dem Fenster. »Jetzt müssen wir es nur noch schaffen, den Opal zu bekommen.«
»Nach dem Essen«, lenkte Sophie das Thema wieder auf das bevorstehende Mittagsmahl. »Hat Mama was vorbereitet?«
»Ich glaube nicht.«
»Also Nudeln.«
»Nudeln, ja. Aber diesmal nicht mit Ketchup. Das mag ich nicht.«
»Celine, in Zeiten größter Not darf man nicht wählerisch sein«, predigte Sophie mit erhobenem Zeigefinger.
»Du spinnst doch«, kicherte Celine und schubste ihre Schwester mit dem Oberkörper an. »Vielleicht haben wir mehr Glück als Verstand und das alles wird – oh, verflucht!«
»Was? Was hast du?« Sophie starrte ihre Schwester ratlos an, als diese alle Farbe aus ihrem Gesicht verlor.
»Guck mal da hinten auf den Kreisverkehr«, antwortete Celine und deutete mit dem Kinn auf die Straße.
»Das – heiliger! Das ist ein … Das sind drei … Was machen wir jetzt?«
»Nichts. Die anderen Menschen können sie nicht sehen. Sonst hätte es schon längst ein Verkehrschaos gegeben.«
»Aber Nessie wurde doch auch gesichtet. Was ist, wenn das wieder passiert? Mitten in unserer Stadt.« Sophie zwang sich, den Blick von der Grünfläche abzuwenden, damit sie die Aufmerksamkeit der anderen Passagiere nicht darauf lenkte.
»Das passiert doch jetzt nicht mehr, seitdem wir auf dem Plan gerückt sind. Es sei denn, das fehlende Stück Opal …«
»Celine, ich denke, ich bin jetzt endgültig davon überzeugt, wie wichtig es ist, dass wir das Teil so schnell wie möglich zurückbekommen«, gab Sophie zu und streichelte Kunibert, der herzhaft gähnte und sich an sie schmiegte. »Hermes hatte recht. Das Gleichgewicht ist dadurch noch immer nicht vollständig wiederhergestellt worden. Kein anderer Saurier als Hinz und Kunz dürften hier sein.«
»Mein Reden, Schwesterherz. Kannst du sehen, was das für Dinos sind?«
»Zweibeiner, aber keine Fleischfresser, soweit ich das erkennen kann. Mit so nem dicken Schädel. Pachycephalosaurier vielleicht, aber kleinere. Was gibt es denn da noch alles?«
»Hm, diese Arten sind immer so unterrepräsentiert in der breiten Öffentlichkeit. Bis auf den Mönch in Vergessene Welt«, überlegte Celine, als die Tram an den Tieren vorbeifuhr, ohne, dass irgendeiner der anderen Fahrgäste davon etwas ahnte. »Stegoceras würde mit noch einfallen. Die werden nur maximal drei Meter lang und das kuppelförmig verdickte Schädeldach passt auch. Ich hätte jedoch im Leben nicht damit gerechnet, dass die auch Federn hatten. Sie sehen ganz anders aus, als ich sie mir vorgestellt habe.«
»Ist heute nicht die erste Überraschung, die wir erleben«, merkte Sophie an.
»Richtig. Dvořák hat sich auch als wesentlich freundlicher herausgestellt, als wir befürchtet hatten.«
»Täusch dich da nicht«, winkte Sophie ab. »Solange er über seine Tiere sprechen kann, blüht er auf. Aber ich möchte nicht darüber nachdenken, am Samstag mit ihm zusammenzuarbeiten. Zu Menschen scheint er tatsächlich etwas distanziert und unhöflich zu sein. Vielleicht ist diese Valerie deshalb so gefrustet.«
»Glaub ich nicht. Die hat das Blödmann-Gen im Blut, genau wie ihr Bruder.«
»Auch wieder wahr. Mal sehen, ob ich den auch -«
KRACH
»Was war das?«
Geschockt drehten sich die Mädchen wieder zu dem Kreisverkehr um und mussten feststellen, dass sich dort ein Verkehrsunfall ereignet hatte.
»Nein! Alles, bloß das nicht«, fluchte Celine. »Ein Stegoceras ist auf die Straße gerannt und mit einem Auto zusammengeprallt. Ich hatte völlig ignoriert, dass die Tiere zwar unsichtbar, aber physisch dennoch voll da sind. Scheiße, verflucht.«
»Wo sind die Viecher jetzt hin?«, fragte Sophie, nachdem sie die Pflanzenfresser aus den Augen verloren hatte.
»Wieder in ihrer Welt, hoffe ich«, antwortete Celine. »Das ist ja lebensgefährlich. Darüber müssen wir unbedingt mit Hermes sprechen. Die können doch nicht machen, was sie wollen.«
»Siehst du doch, dass sie es können!«
»Und wenn nach der Unfallursache geforscht und ein unerklärlicher Blechschaden festgestellt wird?«
»Celine, atme durch. Das lag außerhalb unseres Einflussbereichs.«
»Aber es ist geschehen und ich befürchte, dass es erst der Anfang ist.«