Missmutig kniff sie die Augen zusammen. „Was soll das? Im Übrigen weiß ich schon eine Menge von dir!“
So viel zum Thema, ihn zu küssen. Aber diesen Satz konnte man ja schlecht so ungesagt stehenlassen, oder?
Aiden lächelte dünn. „Ich vergaß. Der Online-Fragebogen.“ Er räusperte sich, ehe er fortfuhr: „Mit diesen Angaben, das ist so eine Sache. Möchte man einen Partner finden und wählt man deshalb bewusst Eigenschaften, die gut wirken, oder ist man ehrlich?“
Sie schluckte unbehaglich. Wollte er damit indirekt andeuten, dass er bei den Fragen gelogen hatte? War er deshalb so anders als erwartet?
„Heißt das jetzt, dass du die Antworten geschönt hast?“, stieß sie deshalb gepresst hervor.
„Man kann einen Menschen nicht anhand eines Fragekatalogs erfassen“, wich er aus. „Erzählst du mir nun endlich etwas von dir?“
Sie widerstand dem Impuls, sich aus dem Sessel zu erheben – unbequem genug war er ja – und diesen Raum einfach zu verlassen. Dieser Mann strahlte etwas aus, was sie gleichermaßen aufregte und ihr doch auch gefiel.
Gleichzeitig musste sie ihm in gewisser Weise auch recht geben – denn gerade Jo ließ sich gewiss nicht in eine Schablone pressen.
Sie hatte durch die Inanspruchnahme der Agentur zugegeben, dass sie einen Partner suchte. Nun konnte sie auch den zweiten Schritt wagen und ein wenig offener über sich und Ihre Wünsche sprechen.
„Ich hasse Langeweile“, begann sie vorsichtig. „Daher ist ein Routinejob auch nichts für mich. Ich arbeite in einer Firma, die Events organisiert – ausgefallene Locations für Hochzeiten, Kurzurlaub mit Nervenkitzel für Paare und all solchen Kram.“
„Kram?“ Aiden hob die Augenbrauen. „Klingt gar nicht danach. Eher spannend.“
„Meistens macht es mir Spaß.“
„Also hast du deinen Traumjob gefunden?“
Sie zuckte etwas ratlos mit den Schultern. „Ich bin zufrieden. Mein Traum war es früher, Tänzerin zu werden. Aber es ist eine brotlose Kunst.“
„Ich hatte dich gefragt, ob die durchs Leben tanzt. Schade, dass es nicht so ist.“ Klang da tatsächlich so etwas wie Mitgefühl in seiner Stimme mit?
„Manchmal muss sich von seinen Träumen verabschieden“, erwiderte sie leicht pampig.
„Oder ich helfe dir, sie neu zu träumen“, kam seine geheimnisvolle Antwort. „Was erhoffst du von einer Freundschaft mit mir, Jo?“
Sie war auf der Suche nach einer festen Partnerschaft. Aber er hatte wohl recht, man sollte nichts überstürzen.
„Ich denke das, was sich jeder erwartet. Dass man seine Sorgen teilt, nicht mehr allein ist… so was halt…“
„Sehr wage gehalten. Aber wenn du willst, bekommen wir das gemeinsam heraus!“
Sie konnte nicht widerstehen, ihn ein wenig aufziehen; „Du bist von Beruf Psychologe und mich erwarten Sitzungen auf der Couch?“
„Du hast recht, ich habe eine Couch. Wir werden sie bestimmt nutzen, aber für anderes. Lass dich überraschen“, grinste er ironisch.
„Da wir gerade dabei sind – was machst du beruflich, Aiden?“
„Ich habe mit Immobilien zu tun.“ Wieder eine ausweichende Antwort.
Aber passend zu seinem Anzug. Dieser Mann strahlte in der Tat etwas Seriöses aus.
Leider roch Immobilie und Krawatte doch sehr nach Langeweile und Spießigkeit.
„Keine Ahnung, was in deinem Köpfchen vor sich geht, Jo, aber ich kann dir versichern, mit mir wird es dir nicht langweilig werden“, hörte sie seine Worte, als hätte er ihre Gedanken erraten. „Du sitzt einem Laienschauspieler GEGENÜBER“ – offensichtlich spielte er darauf an, dass sie nicht direkt neben ihm saß – „ein Kindheitstraum meinerseits.“
„Du spielst Theater?“, staunte sie. Das schien gar nicht zu ihm zu passen.
„Ja, bisweilen auch auf der Bühne, aber auch oft im richtigen Leben“, gab er zu. „Da ist aber noch etwas…“
Sie schwieg und wartete unsicher, was er ihr nun eröffnen würde.
Seine Mimik war ruhig, als er fortfuhr: „Ich bin bereit, dich heute Abend in einer netteren Umgebung zu treffen und mich weiter mit dir zu unterhalten. Ich kenne ein gutes Lokal. Du solltest nur eines wissen…“
„Und das wäre?“
Ein süffisantes Grinsen umspielte seine Lippen. „Ich bin dominant, Jo!“
Was meinte er damit?
„So wie Fifty Shades of Grey?” Unbehaglich rutschte sie auf dem Polster hin- und her. „Mit Schlagen und so?“
„Nein! Darin habe ich keine Erfahrung und es hat auch noch keine Frau von mir verlangt.“ Seine Augen ruhten intensiv auf ihr, als er fortfuhr: „Ich bin kein Hardcore-BDSM’ler, brutaler Sadist oder was immer du dir zusammenreimen magst. Es ist eine Spielart im Bett, die mir sehr zusagt. Wenn du damit aber gar nichts anfangen kannst, verzichten wir darauf!“
„Ist es nicht etwas früh, um schon über solche Dinge zu reden?!“, wunderte sie sich mit piepsiger Stimme.
„Ich bin dafür, die Karten gleich auf den Tisch zu legen. Also, Jo, gehst du das Risiko ein und nimmst die Herausforderung an?“