Walburga Black
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Klackernd, wie die Zeiger der alten Uhr im Flur, hallten Walburgas Schritte im Büro ihres Mannes wider. Seit Stunden schien sie nun bereits auf und ab zu gehen, hatte sicherlich bald eine Spur in das dunkle Parkett gelaufen. Ihre Hacken schmerzten und ein unangenehmes Drücken breitete sich von ihren Fußsohlen aus, aber sie hielt nicht an. Aus der Ecke des Zimmer kam ein leises Wimmern.
„Die Herrin sieht verärgert aus“, sagte Kreacher mit leiser Stimme. „Kann Kreacher etwas tun, damit die Herrin sich besser fühlt?“ Der Hauself kauerte mit seinen Ohren über dem Gesicht an die Wand gedrückt, ein tiefer Schnitt auf seinem Brustkorb, der das schmutzige Tuch mit Blut getränkt hatte, dass er am Körper trug.
In einem Anflug an Wut hatte Walburga den Zauberstab gegen ihren Hauselfen erhoben und einen Schnittzauber gewirkt, der sonst für ihren nichtsnutzigen Sohn reserviert war. Sie hatte kaum mitbekommen, wie Kreacher vor Schmerzen geschrien hatte. „Sei ruhig“, keifte sie. „Sei einfach ruhig, Kreacher!“
„Verzeihung, Herrin“, brummte der Hauself. Selbst sein Atem wurde leiser und alsbald ertönten nur noch Walburgas Schritte im Raum.
Sie hätte nie klein beigeben sollen, das wusste sie. Sie hätte nicht zulassen sollen, dass Sirius sich mit diesem schrecklichen Potter-Jungen anfreundet. Die Briefe, die er und die anderen Blagen geschickt hatten, hatte sie alle gelesen und dann verbrannt. Sie hatte nicht fassen können, dass ihr eigener Sohn, ihr eigen Fleisch und Blut sie und Orion so hintergehen würde. Blutsverräter und Halbbrüter, Schlammblut-Pack und Muggelliebhaber waren Sirius‘ Umgang in Hogwarts! Und er tat nichts dagegen, um sich und seinen reinen Namen in Ehren zu halten! Walburga war noch nie in ihrem Leben so enttäuscht gewesen, als in dem Moment, als sie Narzissas ersten Brief erhalten hatte. Der Erbe der Black, ein Gryffindor – es hatte sich angefühlt, als hätte man ihr die gesamte Luft aus dem Körper gepresst.
Und dann hatte diese schreckliche, verräterische Potter-Frau auch noch die Dreistigkeit, ihr direkt zu schreiben! Walburga schnaubte und blutrote Funken stoben aus der Spitze ihres Zauberstabes, den sie mit den langen, dünnen Fingern umklammert hielt. Eine Blutsverräterin hatte sie angesprochen, sie! Walburga Black sprach man nicht einfach an und erwartete dann auch noch etwas im Gegenzug. Wie hatte diese Frau es nur wagen können, sie zu bitten – aber sie hatte nachgegeben, nicht wahr? Sie hatte zugestimmt und Sirius gehen lassen. Sirius hatte noch nie so glücklich gewirkt, wie in diesem Moment.
All die Jahre an Erziehung schienen hinfällig zu sein. Was hatte sie nur falsch gemacht? Manchmal fragte sie sich, ob sie nicht zu weit ging. Ob die Flüche und Verwünschungen und Bestrafungen nicht zu viel waren – aber sie hatte nicht den Luxus, lange in ihren Gedanken zu weilen. Sie und Orion wussten, dass es das Beste für Sirius und die Familie war, wenn sie hart mit ihm waren. Er musste bestraft werden, wenn er sich daneben benahm, er musste verflucht werden, wenn er seinen ehrwürdigen Namen in den Schmutz zog. Sie war so aufgezogen worden, Orion war so aufgezogen worden, ihre Eltern waren so aufgezogen worden – es lag in der Natur eines Blacks, dass er eine gute Erziehung erhielt. Walburga hatte keine Zeit, ihre Söhne fürsorglich zu behandeln. Wenn sie nicht dem perfekten Ebenbild eines Black-Erben entsprachen, dann würde man nicht nur Sirius und Regulus bestrafen, dann wären sie und Orion ebenfalls an der Reihe.
Sie konnte es sich nicht erlauben, zum Gespött der anderen Familienoberhäupter zu werden. Eine immense Last lag auf ihren Schultern. Sie war die mächtigste Frau der Heiligen Achtundzwanzig, von ihr wurde erwartet, dass sie perfekte Kinder hatte und Traditionen weiterführen würde. Wie würde man nur von ihr denken, wenn sich herausstellen würde, dass sie in der einfachsten Tätigkeit überhaupt versagt und keinen richtigen Erben erzogen hätte? Sirius schwankte oft genug auf der Grenze, dass selbst erbärmliche Stiefellecker wie die Fawleys und Averys sich erlaubten, an Walburgas Erziehungsmethoden zu zweifeln! Hatte sich Daralis Fawley nicht beim letzten Zusammenkommen der Achtundzwanzig herausgenommen zu sagen, sie würde glauben, die Blacks gingen ihrem Ende entgegen? Was bildete sich diese Frau eigentlich ein? Es war lediglich der Öffentlichkeit der Veranstaltung zu danken, dass Walburga Daralis nicht an Ort und Stelle in einen hässliche Maus verwandelt hatte.
Frustriert wirbelte Walburga herum und zündete die dunklen Vorhänge an. Lichterloh brannten sie, bis nichts weiter als Asche auf dem schwarzen Parkett über war. Der Gestank von Feuer und verbranntem Stoff drang an ihre Nase und Walburga keifte: „Kreacher! Bring das in Ordnung und bereite dann den Tee zu!“
„Jawohl, Herrin“, wimmerte der Hauself ängstlich, schnippte mit den grauen Fingern, sodass die Vorhänger wieder wie neu erschienen und apparierte dann aus dem Raum.
Sie war zu hart zu dem Elfen. Er konnte nichts dafür, dass Sirius so ein Dorn in ihrem Auge war. Sie würde es wieder gut machen, nahm sie sich vor. Ihr Blick fiel wieder auf Euphemia Potters Brief, der wie ein widerwärtiges Mahnmal auf dem Tisch lag. Sie krallte sich das Pergament und warf es in den erloschenen Kamin. Diese Frau! Sie hatte es gewagt und Walburga in eine Ecke gedrängt!
Es war ihr nichts anderes übrig geblieben, als Sirius gehen zu lassen. Wenn sie ihn weiterhin bei sich behalten und die Briefe des Potter-Jungen und der anderen Blagen verbrannt hätte, dann wäre bald kein gutes Wort über sie in die Öffentlichkeit gelangt. So sehr sie Euphemia Potter auch verabscheute – Walburga hatte sich geschlagen gegeben. Sie konnte es akzeptieren, wenn ihr Gegner einen geschickten Zug gespielt hatte und Euphemia hatte sie fair geschlagen. Sollte Sirius doch zwei Wochen bei den Blutsverrätern verbringen und denken, er könnte sich seiner Pflichten entziehen. Er würde sehen, was er davon hätte.
Glücklich, erleichtert – so musste sich Sirius sicher gefühlt haben, als Walburga ihm gesagt hatte, die Potters hätten ihn eingeladen. Glücklich und erleichtert – Walburga war sich sicher, dass sie ihren Sohn nie so gesehen hatte, wenn es um ihre Familie ging. Immer nur stierte er sie herausfordernd an, hatte ein freches Wort auf der Zunge, strapazierte die Regeln, bis sie unter seinen Füßen brachen und Walburga ihn bestrafen musste. Auch sie war es leid, ständig den Stab erheben zu müssen. Es wäre ihr doch auch lieber, wenn Sirius sich seinen Pflichten als Erbe beugen und tun würde, was von ihm verlangt wurde. Walburga und Orion waren keine Unmenschen, sie verlangten nicht die Unmöglichkeit von ihrem Sohn, aber Sirius hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass sie schreckliche Eltern waren, die nur das schlechteste für seine Zukunft wollten.
Ihre Schritte wurden langsam und nach endlosen Stunden hielt Walburga endlich an. „Kreacher“, sagte sie laut.
Der Hauself erschien einen Moment später mit einem rauchlosen Knallen im Zimmer. „Herrin hat gerufen?“
„Bring Regulus her“, befahl sie mit kühler Stimme. „Bring mir Regulus und dann bereitest du weiter den Tee zu, verstanden?“
Kreacher verbeugte sich. Seine Nase streifte das schwarze Parkett. Getrocknetes Blut klebte ihm im Gesicht. „Jawohl, Herrin. Wie Ihr wünscht, Herrin.“
Bevor der Elf disapparieren konnte, sagte Walburga noch: „Und säubere dich, Kreacher. Heil deine Wunde. Nimm“, sie räusperte sich kurz, „nimm etwas zu Essen zu dir.“
„Die Herrin ist zu gütig“, heulte der alte Hauself, verbeugte sich ein weiteres Mal und verschwand schließlich.
Walburga ließ sich langsam auf Orions Stuhl nieder, bevor sie sich die Augen rieb. Sie war müde, so unendlich müde von all den Streitereien und Wutausbrüchen, die im Grimmauldplatz Nummer 12 immer wieder herrschten. Aber Sirius war jetzt nicht da und verpestete die Luft nicht. Sirius war fort, bei Blutsverrätern und war glücklich, glücklich, wie er es in seinem Zuhause nie gewesen war. Walburga seufzte. Sie würde töten, wenn ihr Sohn doch nur so glücklich sein könnte, wenn er ihr gegenüber stand.
Es klopfte an der Tür. „Mutter, ich bin es“, ertönte Regulus‘ Stimme gedämpft hinter dem Holz.
Walburga Black sah auf und erhaschte einen Blick auf ihre Reflektion in einem kleinen Spiegel im Regal. Tiefe Falten hatten sich in ihre Stirn gegraben und dunkle Schatten lagen unter ihren Augen. Sie hatte nie Mutter sein wollen, aber vielleicht, dachte sie, vielleicht würde zumindest ein Sohn glücklich sein, wenn er sie sehen würde. Vielleicht würde sie die Bestätigung in Regulus finden, dass ihre Erziehung nicht versagt hatte. Vielleicht würde Regulus ihr beweisen, dass ihre Strenge und ihre Härte nicht vergebens waren. „Komm herein“, rief sie und als hätte sie einen Zauber gewirkt, fiel jede Müdigkeit von ihr. Die eisige Maske der Blacks legte sich wie eine zweite Haut auf ihr Gesicht.
Sie würde nicht noch einmal gegen Euphemia Potter verlieren.