»Fährst du zum Straßenfest?«
Die Frau, die das fragte, war so groß wie ich und etwas fülliger. Sie trug bauschige, beige Hosen und eine weite, kurzärmelige Bluse. Nur das Nötigste und nichts, was auf ihrer Haut klebte. Der Blick ihrer großen, blassblauen Augen glitt an mir entlang, über Pumps und schlanke, bestrumpfte Beine zum Rock, der sich unter meinem Arsch wölbte. Darüber wurde das Fleisch wieder mager. Wer auf Rippen stand, kam auf seine Kosten und für meine Tittchen genügte ein winziger Top. Meine rot geschminkten Lippen zeigten die Andeutung eines Lächelns. »Ja. Sie auch?«
»Ja.« Nun lächelte sie. »Dann können wir zusammen hinfahren.«
Im prallen Sonnenschein standen wir an der Bushaltestelle.
»Ich gehe zu einer Party«, erzählte ich. »LGBTIQ Sternchen plus H.«
»Wofür steht das H?«
»Für Heterosexuelle. Um sie in die Community zu integrieren. Dann gibt es keine Homophobie mehr. Kriege auch nicht. Nur noch Zickenkriege.«
»Reicht!« Sie machte eine unwillige Handbewegung.
»Ich war fast immer H«, bekannte ich, »aber passte nie in dieses Monochrome. Mit anderen Farben um mich herum fühle ich mich wohler.«
»Ich bin H. H wie Helen.«
»Wollen Sie mitkommen?«
Wieder glitt ihr Blick über meinen Leib. Auch über das schmale Gesicht. »Ja.« Kurz lag ihre Hand auf meinem Schenkel. »Der Bus kommt.« Nur wenige Fahrgäste waren unterwegs und wir ergatterten zwei freie Plätze an der Mitteltür. Ich setzte mich an das Fenster, durch Trennwand und Glasscheibe vor allzu neugierigen Blicken geschützt. Der Bus fuhr an, meine Schenkel gingen auseinander. »Daheim war so was unanständig«, erzählte ich, »aber Bernd – mein Erster – wollte es so.« Nicht nur mein Ex aus einem anderen Jahrtausend wollte es so. Ihre Hand lag auf meinem Schenkel und die Finger spielten am Saum des Strumpfes. »Zuerst hat es mir überhaupt nicht gefallen. Der Sex, meine ich. Dann habe ich nichts mehr davon erwartet. War halt so.« Ich zuckte die nackten Schultern. »Für mich. Da fing es an, mir Spaß zu machen, doch dann war er weg.«
»So sind sie halt.« Strichen ihre Fingerspitzen über meinen Spalt oder bildete ich mir das nur ein? »Du trägst nichts.«
»Sieht doch keiner, der es nicht sehen will.«
»Geilt dich das auf?«
Ich schüttelte den Kopf. »… es liefert mich aus. Ich bin nichts und trage nichts …«
»Nichts.« Ihre Hand blieb, wo sie war. Wieder stand der Bus und die Türen öffneten sich. Passagiere stiegen ein und aus, die Türen schlossen sich und der Bus fuhr. Was soll’s? Sie sollte nicht nur das haben, was zwischen meinen Beinen war. Mein Kopf sank auf ihre Schulter, der Bus hielt. »Wir müssen raus.«
Ich folgte ihr hinaus und hakte mich unter, schmiegte nackte Haut an leichten und luftigen weißen Stoff. Zwei Frauen eng an eng waren auf dem Straßenfest ein ganz normaler Anblick. Aber achje – war das Mäuschen in mir zum Vorschein gekommen und hatte endlich seinen Macker gefunden? Helen ging mit stolz erhobenem Kopf, mein Blick war gesenkt. Sie sah Bekannte, andere erkannten sie und sie tauschten viele »Hallo« »Wie geht es?« »Gut. Und dir?« »Auch gut.« Ich sprach kein Wort. Der Stoff ihrer Bluse rieb auf meiner Haut und das genügte.
Ich erwartete nichts.
War nichts.
Nichts.