Klärchen
Klärchen traut ihren Augen nicht, so etwas kann es nicht geben, doch nicht meine Schwester Luna. Wut schleicht sich ein, Wut auf dieses Ungetüm, das sich eingeschlichen hatte, nun im Bett vor mir liegt. Ein Besen, der achtlos abgestellt wurde, bestimmt von Luna, fühlt Klärchen jetzt in ihrer Hand. Im Kopf nur noch ein Gedanke, der Klärchen handeln ließ, und das sofort.
„Du Bestie!
Du, rief sie noch an der Tür!“ -hoch über Ihren Kopf schwenkte sie den Besen, um sofort zu wissen.
„Was geschah mit Luna?“
Die Beine liefen los, das Bett war schnell erreicht. Mit festem Schlag hieb sie ein, auf den Kopf der Bestie, und dann noch mal. Es war der Kummer um ihre Schwester, denn der Alptraum, den sie hatte, war gerade jetzt in die Wahrheit übergegangen.
„Woher sollte Klärchen wissen, was wirklich mit Luna geschah?“
Warum vor ihr im Bett, wo doch eigentlich Luna liegen müsste, ein mit Klauen und Zähnen bewaffnetes Ungeheuer lag.
Das Untier
Es ist ein wirklich willkommener Saft, was noch eingehüllt durch zarte Haut, vor mir steht. Das pulsierende Blut in Strömen fließt, ich spüre es. Oh, Du willkommener Gast, Du wirst mein Opfer sein!
Was geschieht, es ist nicht mehr zu verstehen? Mein Gast, mein Opfer, stürmt auf mich zu, verhält sich vollkommen falsch. Etwas schwingt sie über den Kopf, eine Bedrohung baut sich auf, kommt näher, immer näher. Bin ich nun das Opfer, werde ich jetzt gefressen, dringen ihre Zähne in meinem Hals nun ein? Die Überraschung ist Dir gut gelungen!
Gerade als Klärchen das Bett erreichte, sprang der Wolf aus dem Bett, dabei öffnete sich die große Schnauze des Untieres. Weiße, spitze Zähne wurden sichtbar, kündigten schon im Vorfeld ein Unglück an.
Klärchen
Noch war der letzte Schritt nicht vollendet, alle Kraft, die Klärchen aufbringen konnte, investierte sie in ihrem Arm, damit der Besen mit voller Wucht auf den Schädel sausen konnte. Aber bevor sich der Besen gesenkt hatte, war schon die Bestie aus dem Bett gesprungen, und das Letzte, was Klärchen noch sehen konnte, waren die weißen, spitzen Zähne, die kurz darauf aus ihrem Blick verschwunden waren.
Stille kehrte ein, eine Stille, die für Klärchen so friedlich schien. Es waren keine Schmerzen, nur ein leichtes Gefühl, ein Gefühl, das mit einer wundersamen Wärme einherging. Langsam schloss Klärchen ihre Augen. Glückseligkeit durchflutete den ganzen Leib, fast hatte sie das Gefühl zu schweben, hinein in ein goldenes Licht, bestehend aus Myriaden von Lichtpunkten, die sie, Klärchen, in den Mittelpunkt rückten. Zwei große Köpfe bildeten sich heraus, es waren die Köpfe ihrer geliebten Eltern, die sich dicht an ihr ankuschelten. Aus ihren Gesichtern strahlte Liebe, sie ließ Klärchen noch wilder im Strudel der Ur-Gezeiten wirbeln, riss sie mit fort, in alle Herzen, die Liebe empfinden können. Immer, wenn ein Mensch traurig ist, nicht mehr weiß wie es weiter gehen soll, dann kommt ein goldener Funken daher, dringt ein in den Menschen, und lässt dessen Herz wieder lieben.
„Wenn Du denkst, es ist alles vorbei, nichts kann Dich mehr erwärmen, kommt ein kleines Licht daher, und nimmt Dir den Schmerz aus Deiner Seele!“ –es ist nur ein kleines Licht, aber voller Kraft im Sein, eine geballte Liebe, auf dem Weg in die Unendlichkeit.
Das Untier
Es war nur ein erster Schreck gewesen, schon reagierte die Kreatur des Bösen. Mit einem Sprung nach oben, der Weg war das Ziel, dem Hals der Angreiferin. Schon drangen sie ein, unwiederbringlich zu nehmen das Leben, und mit dem Leben die Seele. Vor Gier die Augen geschlossen haltend, zu erwarten die liebliche Köstlichkeit, im Strudel zu gelangen, die Beute sicher wissend. Gewaltige Reißzähne schoben sich vor, einem sicheren Werkzeug der Bestie, geschaffen dafür, mühelos ans Ziel zu gelangen. Sie drangen ein in die zarte Haut, fanden den weiteren Weg, durchtrennten das Gewebe, und das Opfer spürte noch nichts davon. Noch war die Bestie in der Luft, als es am Boden angelangt war, war das Opfer bereits tot.
Aber etwas ist nicht wie sonst, der Druck in der Schnauze ließ plötzlich nach, so, als ob sich alles aufzulösen begann. Schreckensbleich öffnete das Untier seine Augen, sah, wie sich die sicher geglaubte Beute auflöste, sich in einer Art Goldfunken-Nebel erhob. Die Beute ist fort, schwebte noch kurz im Raum, tanzte in einem Strudel im Kreis, und fing dann an, sich einfach aufzulösen.
Noch eben war sich das Untier sicher, seine Beute gepackt und getötet zu haben. Alles war problemlos abgelaufen und nun ist es fort aus seiner Umklammerung. Noch waren die letzten Goldfünkchen zu sehen, dann wurden sie immer weniger, um dann ganz unsichtbar zu werden.
Angst und Panik kannte das Untier nicht, es war eine Begegnung, vollkommen neu in seinem kurzen Leben. Kein denken war mehr vorhanden, wer weiß, manchmal ist Flucht der bessere Ratgeber. Also rannte es hinaus, aus dem Haus, und wurde empfangen, vom Tag, in den Sonnenstrahlen. Wie ein Schlag eines großen Knüppels, traf das Licht auf seinem Fell, und das war ein Startsignal, zu laufen um das eigene Leben. Der Weg zum Wald war nicht weit, doch wenn alles brennt und schmerzt, verzehnfacht sich der Weg. Ein Spießrutenlauf hatte begonnen, die sichere Rettung so nahe, doch mit jedem Meter Kraft verrinnt, jede Bewegung dem Wahnsinn nahebringt. Mehr tot als noch Lebendigkeit, hatte es den nahen Wald erreicht, vergrub jammernd den schmerzenden Körper, in ein dichtes Blattwerk.
„Von diesem Tage an, waren Luna und Klärchen getrennt, gingen ihre eigenen Wege.“
Ende