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Kapitel 7:
In Gottes Händen
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Von Killian getrennt zu sein, fühlt sich ungewohnt an. Seit dem magischen Unwetter haben wir einander kaum aus den Augen gelassen. Dass er nun mit einigen anderen Menschen unterwegs ist, um Vorräte zu sammeln, ist vollkommen neu für uns. Es war schwer, ihn gehen zu lassen, doch ich bin davon überzeugt, dass es uns guttut, Zeit getrennt voneinander zu verbringen. Unabhängig voneinander Erfahrungen zu machen, würde uns neuen Gesprächsstoff bringen. Beängstigend ist es trotzdem ein wenig. Die Angst, dass eine weitere Katastrophe eintritt oder ein Erdbeben uns den Boden unter unseren Füßen wegnehmen könnte und ich auf mich allein gestellt wäre, folgt mir, wie mein Schatten. Es ist schwer, positiv zu bleiben, wenn man von so vielen zerstörerischen Gedanken umgeben ist. Das freundliche Umfeld der Ranch hilft jedoch sehr, mich nicht zu sehr dem Abgrund in meinem Kopf zu nähern.
Ich habe mir einen Bogen Zeichenpapier ausgeliehen und sitze in dem Gemeinschaftsraum, um eine Zeichnung für die Ranch beizusteuern. Ich greife nach einem Brötchen, dass ich mit Erdnussbutter bestrichen habe und nehme einen Bissen davon. Um die Krümel von meiner Zeichnung zu streichen, lasse ich meinen Buntstift sinken. Ich bin froh, dass vom Frühstück noch einige Brötchen übriggeblieben sind. Vor Nervosität konnte ich kaum etwas essen.
Ich höre Schritte hinter mir und werfe einen kurzen Blick zur Tür, dann widme ich mich wieder meiner Zeichnung. „Ach hier bist du“, erklingt Josephs Stimme. Seine Schritte lassen mich wissen, dass er auf mich zukommt.
„Ja, hier bin ich. Kann ich irgendetwas für dich tun?“, frage ich ihn.
Er zieht einen Stuhl zurecht und setzt sich mir gegenüber hin. „Ich wollte nur wissen, wie es dir geht. Dir fiel es schwer, deinen Freund gehen zu lassen. Ich wollte nur sichergehen, dass es dir gutgeht. Es trifft mich immer, wenn eine Frau weint.“
Ich sehe von meiner Zeichnung auf, direkt in seine Augen. „Ja, es ist schwer. Wir waren schon lange nicht mehr getrennt. Seit wir uns kennen, haben wir beinahe jede Stunde miteinander verbracht.“
„Hm“, gibt er von sich. Er blickt zu den Brötchenhälften, die neben mir auf einer Serviette liegen.
„Möchtest du eines?“, biete ich ihm an, doch er hebt seine Hand und lehnt kopfschüttelnd ab.
„Du bist mir aufgefallen.“
Etwas irritiert versuche ich in seinen Augen zu erkennen, was er damit sagen möchte, doch es ist schwer, ihn zu lesen. Ich streiche eine Haarsträhne hinter mein Ohr. „Was meinst du damit?“
„Du bist anders als die Menschen, die mir bis jetzt begegnet sind.“
Da er seine Worte nicht weiter ausführt, antworte ich: „Jeder Mensch ist doch anders. Alle Menschen sind unterschiedlich.“
Joseph lacht, dann schüttelt er wieder den Kopf. „Nein, das meinte ich nicht. Woher kommst du?“
Ich versuche, mich an die Lüge zu erinnern, die Elias seinen Freunden erzählt hat, doch ich erinnere mich nicht mehr an seine genauen Worte. An die Geschichte, die Killian sich ausgedacht hat, erinnere ich mich jedoch genau. „Aus Europa, aber das ist nicht mehr wichtig. Jetzt bin ich hier und alles, was vorher war, ist vergangen.“
Überlegend nickt Joseph. „Dann bist du vor etwas davongelaufen?“
„Nein, ich wollte nur einen Neuanfang.“
„Du bist wohl gerne geheimnisvoll?“, fragt er nach, dabei lächelt er. „Das ist aber in Ordnung. Wir alle haben unsere Geheimnisse. Gott hört zu und er vergibt uns unsere Sünden. Wir alle haben eine zweite Chance verdient.“
Ich sehe auf meine unvollendete Zeichnung, dann wieder zu Joseph. „Vergibt er auch, was wir uns selbst nicht vergeben können?“
Joseph streckt seine Hand aus. Er legt sie auf meine und nickt. „Gott vergibt uns allen, wenn wir um seine Vergebung bitten.“ Joseph mustert mich. „Du trägst große Schuld mit dir, nicht wahr?“
Ich presse meine Lippen zusammen. „Ja, das tue ich“, stimme ich ihm zu. „Ich habe furchtbare Dinge getan. Killian sagt, dass ich es tun musste und dass ich keine andere Wahl hatte. Aber man hat doch immer eine andere Wahl, oder?“
Joseph hebt leicht seine Schultern, dann lässt er sie wieder sinken. Er wirkt deutlich entspannter, als ich mich fühle. „Nun, in manchen Situationen steht man vor schwierigen Entscheidungen. Entscheidungen, die man bereut und nicht mehr rückgängig machen kann, aber man kann aus ihnen lernen. Man kann sein Leben in die Hand Gottes legen, um Vergebung bitten und geläutert werden. Das macht die Taten nicht ungeschehen, aber wir können damit leben und uns auf eine strahlende Zukunft konzentrieren.“
„Dann denkst du, dass ich mich besser fühlen könnte, wenn ich bete?“, hake ich nach. „Ich war nie gläubig. Ich bin mir gar nicht sicher, ob euer Gott mir zuhören würde.“
Joseph drückt meine Hand. „Mach dir darüber keine Sorgen, Ilaria. Gott hat für uns alle ein offenes Ohr. Er wird auch dir zuhören.“
Ich lächle leicht. „Vielleicht schadet es nicht, es zu versuchen.“
„Ich denke, dass ich etwas habe, was dir weiterhelfen kann.“ Joseph lässt meine Hand los. Er fasst in die Tasche seines Hoodies und zieht eine Kette heraus.
Interessiert mustere ich das Schmuckstück. „Was ist das?“
„Oh, das kennst du nicht?“ Joseph wirkt überrascht. „Das ist ein Rosenkranz. Er hilft uns, Gott näher zu kommen. Für jede Perle wird ein Gebet gesprochen.“ Er fasst nach meiner Hand, dreht sie, sodass meine Handfläche nach oben zeigt und gibt mir das Schmuckstück. Seine Berührungen sind sanft, als er meine Hand zu einer Faust schließt. „Behalt ihn. Ich habe das Gefühl, dass du ihn dringend brauchst.“ Überrascht blinzle ich. „Wenn du bereit bist, mit mir darüber zu sprechen, was dich belastet, dann zeige ich dir, wie er funktioniert.“
„Oh, vielen Dank, Joseph.“
Er lächelt mich an. „Ich habe das Gefühl, dass du ein ganz besonderes Mädchen bist.“ Er hält aktiven Augenkontakt mit mir. Es ist angenehm, wenn man gesehen wird. „Ich spüre eine Verbindung, die ich mir noch nicht erklären kann. Vielleicht hat Gott auch für uns einen Plan.“
„Ja, vielleicht“, antworte ich leise.
Joseph drückt noch einmal meine Hand, dann steht er auf. „Wenn du deine Zeichnung an die Wand hängen möchtest, bist du herzlich dazu eingeladen.“ Er gestikuliert zu dem Regal, aus dem ich auch das Papier genommen habe. „Du findest alles, was du brauchst.“
„Danke. Die Welt kann nie bunt genug sein.“
Lächelnd nickt er. „Da bin ich ganz deiner Meinung. Falls du mich brauchst, findest du mich in der Küche.“
Joseph nimmt Abstand von dem Tisch. Ich sehe ihm nach, bis er den Raum verlassen hat. Neugierig öffne ich meine Hand und begutachte das silberne Schmuckstück, dass er mir geschenkt hat. Es ist untypisch für mein Volk, eine Gottheit zu verehren, doch es passt zu unserer natürlichen Neugierde, Ritualen verschiedener Kulturen beizuwohnen und sie zu praktizieren, wenn es außenstehenden erlaubt ist. Wenn der Gott der Menschheit alle verlorenen Seelen mit offenen Armen empfängt, dann kann es nicht schaden, es zu versuchen. Ich reibe eine der Perlen zwischen meinen Fingern und erkenne schnell, dass sie nicht echt sind. Sofort erinnere ich mich daran, was Killian mir erzählt hat. Echte Perlen sind auch für die Menschen in dieser Welt unglaublich wertvoll. Josephs Schmuckstück hat wohl keinen materiellen, sondern großen sentimentalen Wert. Es bedeutet mir viel, dass er es mir überlässt. Vorsichtig streiche ich über das silberne Kreuz. Darauf befindet sich ein kleiner, ebenfalls silberner Mann. Ist das vielleicht ein Abbild des Menschengottes? Wenn ich Joseph danach fragen würde, sollte ich gut auf meine Worte achten. Er hat bereits jetzt schon das Gefühl, dass ich anders bin. Auch wenn er es in positivem Licht sieht, bin ich mir nicht sicher, wie er reagieren würde, wenn er die Wahrheit über meine Herkunft erfährt.
Ich atme tief durch und lege das Schmuckstück zur Seite. Nachdenklich greife ich wieder nach meinem Buntstift, um meine Zeichnung fortzuführen. Wenn Killian wieder zurück ist, dann muss ich ihm erzählen, was Joseph mir erzählt hat. Seit ich die Männer verletzt und mindestens einen von ihnen getötet habe, fühle ich mich schuldig. Ich würde alles versuchen, um diese Schuld und die Last, die sie in meinem Herzen verursacht, wieder loszuwerden. Ich atme tief durch. Der bunte Fisch, den ich für die Wände zeichne, nimmt langsam Gestalt an.
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Killian wieder in meine Arme zu nehmen, erleichtert mich unheimlich. Dass auch er mich vermisst hat, ist nicht zu übersehen. Er drückt mich so fest an sich, wie er mich noch nie zuvor gedrückt hat. Mir bleibt die Luft weg. „Pass auf, du zerquetschst mich noch.“ Ich versuche, mich aus seinem Griff zu winden, da lässt er wieder lockerer.
„Entschuldige, Prinzessin. Du hast mir nur so gefehlt.“ Er legt eine Hand an meine Wange und streicht mit dem Daumen über meine Haut „Ist alles okay? Dir hat doch niemand Ärger gemacht, oder?“
„Nein, es ist alles in bester Ordnung. Ganz besonders jetzt, da du wieder bei mir bist.“ Ich stelle mich auf meine Zehenspitzen, um Killian einen Kuss zu geben. Seine warmen Lippen wieder auf meinen zu spüren, gibt mir ein kribbelndes, warmes Gefühl, dass sich sofort in mir ausbreitet. Ich bin froh, dass wir wieder zusammen sind.
„Ich habe dir etwas mitgebracht“, meint er, dann lächelt er mich an.
„Oh, tatsächlich? Was ist es? Was ist es?“, frage ich aufgeregt, was Killian zum Lachen bringt.
„Lass uns erst einmal ins Zimmer gehen.“ Ich greife schnell nach seiner Hand und ziehe schon an ihm, noch bevor ich ihm überhaupt antworte. „Du hast es aber eilig.“ Mein Liebster klingt amüsiert.
„Ja, ich will ja auch wissen, womit du mich überraschst.“
Wir nehmen Abstand von den Menschen, die sich gerade darum kümmern, die neuen Errungenschaften in den verschiedenen Einkaufswägen zu sortieren. Ich bin ziemlich sicher, dass sie alles, was sie gefunden haben, aufteilen oder wegräumen. Was sie genau machen, ist allerdings nebensächlich für mich. Es zählt nur, dass mein Liebster wieder bei mir ist und dass er mir ein Geschenk mitgebracht hat.
Killian schließt die Tür hinter uns. Er lässt den Rucksack sinken. Es klingt, als wäre er schön voll, das heißt, dass ich entweder viele kleine Geschenke oder ein ganz großes Geschenk bekomme. Unruhig tippe ich von einem Bein auf das andere.
„Du machst mich ganz nervös, wenn du so herumhüpfst“, zieht Killian mich auf. Er öffnet den Rucksack und zieht eine Tüte heraus, die er aber gleich wieder zur Seite legt. Ich bemerke schnell, dass es sich um Chips handelt. Da sie scharf aussehen, verliere ich aber schnell das Interesse. „Die sind für mich, ich kann deine Enttäuschung fast spüren.“
„Gut, das heißt, dass unsere Verbindung funktioniert. Über scharfe Chips hätte ich mich nicht gefreut.“ Amüsiert greift Killian in seinen Rucksack. Er zieht ein Bündel Stoff heraus und wirft es mir zu. „Ist es das?“
„Ja, ich hoffe, dass es dir gefällt. Ich bin nicht besonders gut darin.“
Ich rolle das Bündel auf und entdecke zwei Kleidungsstücke. In einen weiten, schwarzen Hoodie ist ein leichterer, weicher Stoff eingewickelt. Als ich auch dieses Kleidungsstück aufrolle, stelle ich überrascht fest, dass Killian mir ein Kleid mitgebracht hat.
„Das sieht ja hübsch aus“, gebe ich überrascht von mir. „Danke, Killian!“ Ich lasse meine Kleidung auf dem Bett liegen und stehe auf, um Killian in die Arme zu springen. Er sorgt dafür, dass ich schnell wieder den Boden unter meinen Füßen spüre.
„Vorsicht, ich habe viel geschleppt, ich bin ziemlich erledigt. Nicht, dass du noch auf deinen schönen Hintern fällst. Wäre schade.“
„Ach, mein Hintern hält das schon aus“, antworte ich, ehe ich abwinke. „Vielen Dank, dass du an mich gedacht hast.“ Killian bekommt einen sanften Kuss. Ich reibe meine Nase vorsichtig an seiner, dabei grinse ich frech. Nachdem ich Abstand genommen habe, sehe ich auch das Grinsen auf Killians Gesicht.
„Das war noch nicht alles. Ich dachte, dass du vielleicht noch etwas Süßes möchtest? Ich habe Schokolade für dich und Marshmallows und natürlich auch Graham Cracker.“ Freudig reibe ich mir die Hände. „Das ist so toll!“, freue ich mich nun noch mehr. „Ich hoffe, dass wir alle zusammen ein Feuer machen. Dann können wir uns S'mores machen und das wird so ein Spaß.“
Dass ich vor Aufregung nicht mehr ruhig stehen kann, wird mir erst richtig bewusst, als Killian seine Hände an meine Schultern legt. „Ganz ruhig, Prinzessin. Immer eines nach dem Anderen.“ Er senkt seine Stimme, ehe er weiterspricht: „Außerdem wollten wir doch bald wieder weiterziehen. Du wolltest zum grünen Licht, erinnerst du dich?“
Ich meide Killians Blick, um das zu vertuschen sehe ich auf Killians Rucksack. „Ja, weißt du, Joseph hat mit mir gesprochen.“
„Ilaria, sieh mich an. Ich weiß genau, was du da machst.“
Ich schiebe meine Unterlippe vor, doch dann atme ich durch und sehe Killian an. „Ich glaube, dass er nichts dagegen hätte, wenn wir noch eine Weile bleiben. Er wollte mir zeigen, wie ich um Vergebung beten kann. Es würde mir helfen, mich besser zu fühlen.“
Killian wirkt überrumpelt. „Was?“
„Ich habe gezeichnet und er kam zu mir, um mit mir zu reden. Er meinte, dass ich anders bin und dass er spürt, dass ich eine große Last mit mir trage. Sein Gott könnte mir vergeben und wenn mir ein Gott vergibt, dann kann ich es vielleicht auch selbst irgendwann.“ Dass Killian nicht begeistert ist, ist deutlich an seinem Blick zu erkennen. Er macht seine Emotionen mehr als deutlich.
„Wow, das hat ja nicht besonders lange gedauert. Natürlich ergreift der Sektentyp die erste Gelegenheit, dich zu bequatschen.“ Killian reibt sich die Nasenwurzel. „Wir sollten heute noch gehen.“
„Was? Nein.“ Ich schüttle den Kopf. „Was auch immer du in den Menschen hier siehst, du siehst es vielleicht zu negativ. Joseph will mir helfen. Bitte, Killian.“ Ich nehme seine Hand, doch er seufzt nur genervt. „Bitte. Lass es mich zumindest versuchen. Was soll schon passieren?“
Mein Liebster blickt zur Tür hinter sich, dann packt er mich am Arm und zieht mich einige Schritte von der Tür weg. Da sein Griff zwar bestimmt ist, aber er mir nicht wehtut, lasse ich mich von ihm führen. Er flüstert, als er wieder spricht: „Hör zu, Ilaria.“ Ich sehe ihm in die Augen. „Viele Menschen werden gerade in Extremsituationen verrückt. Was auch immer er dir versprochen hat, wird nicht eintreffen. In unserer Welt gibt es keinen Gott, der uns unsere Sünden vergibt oder uns von Schuldgefühlen erlösen kann.“ Ich ziehe an meinem Arm, da lässt er mich los. „Entschuldige. War das zu fest?“
Ich schüttle den Kopf. „Nein, schon gut. Aber was meinst du damit? Du gibst mir das Gefühl, dass da draußen irgendwas Unheimliches lauert, aber es sind doch nur Menschen. Und sie scheinen doch nett zu sein. Wir bekommen eine Unterkunft, etwas zu essen und Gesellschaft.“
„Ja, es sind nur Menschen, aber diese gesamte Konstellation ist gefährlich. Gut, vielleicht meint er es nett, aber er hat schon damit angefangen, dich in etwas hineinzuziehen, was für uns beide schlimm ausgehen könnte. Menschen in einer Machtposition nutzen gutgläubige Menschen, die Hilfe brauchen, aus. Ilaria, bitte. Bitte hör mir zu und vertrau mir, dass ich es hier besser weiß, als du. Es ist gefährlich, wenn wir noch länger hierbleiben.“
Ich senke meinen Blick und schlucke schwer. „Und was ist mit mir?“ Ich sehe Killian wieder an. „Was soll ich denn sonst machen? Es ist zu schwer, mit diesen Gedanken und der Schuld zu leben. Ich kann es nicht vergessen. Ich fühle mich so furchtbar und ich will, dass das Gefühl endlich verschwindet.“
„Ich weiß, Prinzessin.“ Killian nimmt mich in den Arm. Er streichelt über meinen Kopf. „Es war nicht fair, dass du diese Entscheidung treffen musstest. Ich weiß genau, wie du dich fühlst, okay? Es ist beschissen, aber solche Dinge brauchen Zeit.“
Nach Trost suchend, lehne ich mich an Killian. „Es ist schwer, positiv zu denken, wenn mich meine eigenen Erinnerungen immer wieder in dieser Schuld ertränken. Was, wenn es nie wieder weggeht?“
„Ich weiß es nicht, aber ich kann dir versprechen, dass weder Joseph, noch Gott die richtigen Antworten für dich parat haben.“
„Dann bin ich mit all dem Mist in meinem Kopf alleine?“
Killian drückt mich fester an sich. „Oh nein, ganz sicher nicht. Ich bin für dich da.“
„Ich dachte wirklich, dass er mir helfen kann. Er war so überzeugt. Wenn ich gehe und es nicht versuche, könnte ich es für immer bereuen, verstehst du? Vielleicht schenkt mir euer Gott zumindest so viel Trost, dass es leichter wird. Vielleicht bin ich aber auch dumm und naiv und du hast mit allem recht.“
Mein Liebster krault meinen Kopf. Er atmet tief durch. „Okay, das ist Bullshit.“ Ich sehe zu Killian auf. „Du bist nicht dumm und es ist klar, dass du alles anders siehst, wenn du es nicht kennst.“ Killian drückt mir einen Kuss auf die Stirn. „Wenn du es wirklich willst, dann bleiben wir eine weitere Nacht und du kannst morgen mit ihm reden. Aber dann sollten wir wirklich so schnell wie möglich verschwinden, ich habe bei all dem ein ganz schlechtes Gefühl.“
„Nur eine weitere Nacht“, versichere ich ihm, dann küsse ich seine Lippen.
„Lass dich nur nicht zu irgendetwas überreden, bei dem du dich unwohl fühlst. Versprichst du mir das?“
Ich nicke, dann drücke ich mich wieder fest an Killian. Er streichelt meinen Rücken, dann atmet er tief durch. „Es ist physikalisch unmöglich, dir und deinen großen, traurigen Augen irgendwas abzuschlagen. Ich bin zu schwach.“
Ich kichere, dann gebe ich Killian einen weiteren Kuss. „Danke, dass dir meine Gefühle wichtig sind.“
„Ja, ich will das hier alles nur echt nicht bereuen. Die vielen Netflix-Dokus über verrückte Sekten haben mir nicht gutgetan.“
„Ja, du bist nicht gerade vertrauensselig.“
Killian schnaubt. „Ich kann eben nicht aus meiner Haut.“
Es klopft an unserer Zimmertür. Nachdem Killian sein Okay gegeben hat, öffnet sich die Tür. Mary sieht uns lächelnd an. „Ach, junge Liebe, wie herzerwärmend.“ Sie mustert uns für einen kurzen Moment, dann spricht sie weiter: „Heute Abend nach dem Abendessen haben wir eine kleine Zusammenkunft und da ihr unsere Gäste seid, seid ihr herzlich dazu eingeladen teilzunehmen.“ Killian sieht mich fragend an. „Wenn ihr euch lieber ausruhen und eure Zweisamkeit genießen möchtet, ist das allerdings verständlich. Es war ein langer Tag, ganz besonders für dich, Killian.“
„Ich schätze, dass wir spontan dazukommen“, antwortet Killian ihr, worauf Mary nickt.
„Das Abendessen dauert noch. Ich hole euch, sobald wir fertig sind.“
„Danke, Mary“, antworte ich ihr, dann schließt sie schon die Tür hinter sich. „Hast du denn Lust, dich mit den anderen Menschen zusammenzusetzen?“
„Im Leben nicht“, antwortet Killian ehrlich. „Außer du möchtest es, dann muss ich da irgendwie durch.“
„Es würde mich schon interessieren.“
„Ich lasse mich breitschlagen, aber dafür schuldest du mir etwas.“
Lächelnd streiche ich über seine Brust. „Alles, was du willst, mein Liebster.“
༄ ♫ ༄
Durch die geübte Zusammenarbeit der Ranchbewohner wird der Gemeinschaftsraum schnell umgestaltet. Da die Zusammenkunft direkt nach dem Essen stattfindet, wäre es unhöflich, sofort nach dem Essen in unser Zimmer zu verschwinden. Die Tische werden zur Seite geschoben und die Stühle werden so aufgestellt, dass wir alle in dieselbe Richtung blicken. Die Reihen erinnern mich ein wenig an die in einem Bus. Dass Killian nicht besonders viel Interesse an all dem hat, überspielt er ganz gut. Er beobachtet alles um uns herum. Um mich nah bei sich zu haben, hat er unsere Stühle direkt nebeneinandergestellt, außerdem legt er seinen Arm um meine Schultern. Wenn ich nicht so neugierig wäre und versuchen würde, alle Eindrücke um mich herum aufzunehmen, könnte ich es mir an seiner Seite bequem machen.
Joseph stellt sich vor die Gruppe und ergreift das Wort: „Gott hat uns beschützt, uns eine zweite Chance gegeben und hält nun seine schützende Hand über uns, um über uns zu wachen und uns in unserem Vorhaben zu unterstützen. Wie bereits nach der großen Flut, haben auch wir die Aufgabe bekommen, unser Leben und unsere Welt wieder aufzubauen. Gott hat uns erwählt, diese Aufgabe zu übernehmen, weil er weiß, dass jeder von uns die Stärke besitzt, all das Leid, dass unsere Welt widerfährt, in etwas positives zu verwandeln. Er vertraut darauf, dass wir die Welt zu einem friedlicheren Ort machen, indem nicht die Technologie und die Medien unsere Wege begleiten, sondern unsere Herzen die Führung übernehmen. Und wir vertrauen darauf, dass Gott uns unseren neuen Weg ebnet, dass er uns einander näherbringt und uns in unserem Vorhaben beschützt. Auch wenn diese große Aufgabe mich oft einschüchtert, danke ich Gott jeden Morgen für einen weiteren Tag. Ich danke ihm für jeden Tag, den ich mit euch verbringen kann. Und ich danke ihm dafür, dass er gute Menschen unsere Wege kreuzen lässt und unsere Gemeinschaft wächst und gedeiht, wie es einst der Garten Eden getan hat. Lasst uns beten.“
Alle um mich herum senken ihre Blicke, schließen ihre Augen und falten ihre Hände zum Gebet. Der Blick, den Killian mir zuwirft, bringt mich beinahe zum Lachen, doch ich halte mich zurück, da das der wohl ungeeignetste Zeitpunkt für ein Lachen ist. Mein Liebster macht es mehr als deutlich, dass ihm diese Tradition nichts bedeutet, doch aus Respekt tue ich es meinen Mitmenschen gleich und falte meine Hände ebenfalls. Mit meinem Ellbogen stupse ich Killian an. Geschlagen faltet auch er seine Hände. Die Menschen sprechen im Chor, jeder scheint das Gebet auswendig sprechen zu können.
Als alle wieder aufsehen, lasse auch ich meine Hände sinken. Killian greift sofort nach einer meiner Hände, um sie sanft zu küssen und dann weiterhin festzuhalten. Die Wärme tut mir gut, also lehne ich mich an ihn und genieße sie.
Nach einer Handgeste nimmt Joseph an einen der ersten Stühle ganz vorne Platz und Abby steht auf, um vor die Gruppe zu treten. Killians Griff an meiner Hand wird fester. Ich bin mir nicht sicher, ob er das mit Absicht macht oder ob das eine körperliche Reaktion auf Killians ehemalige Freundin ist. Das Rümpfen seiner Nase verrät, dass er mit jeder Minute, die er hier verbringt, unzufriedener wird. Was auch immer ihm der Gott der Menschen angetan hat, Killian ist nicht darüber hinweg.
„Vielen Dank, Joseph.“ Sie lächelt ihn an, dann nimmt sie einen tiefen Atemzug. „Vor einigen Jahren hat Gott mich von meinem dunklen Pfad geführt, mir geholfen, meine Vergangenheit zu bewältigen und ein neues Leben anzufangen. Genau wie damals, fühle ich mich auch hier, als wäre ich neu geboren. Ich hoffe, dass auch ihr und vielleicht sogar unsere Gäste bald genau dasselbe empfinden. Die Ranch ist mein Zuhause. Ein Ort, an dem man mich aufgenommen hat, als ich wortwörtlich nichts mehr in meinem Leben hatte, genau wie mich Gott damals aufgenommen hat, als mein Leben schon lange nicht mehr lebenswert war. Wir alle finden unseren Weg, wenn Gott ihn für uns erleuchtet.“ Abby summt, dann beginnt sie zu singen. Die Bewohner stimmen schnell in ihr Lied mit ein. Auch Killian scheint den Text zu kennen, seine Lippen bewegen sich für einige Worte, dann seufzt er und senkt seinen Blick. Geduldig lausche ich den Worten der Menschen. Bis jetzt gefällt mir die Zusammenkunft der Ranchbewohner ausgesprochen gut. Einander mit positiven Worten aufzumuntern und zu motivieren, kann doch nicht so schlecht sein, wie Killian es darstellt. Als die Stimmen der Ranchbewohner wieder verstummen, macht Abby einen kleinen Knicks. „Danke.“
Joseph steht von seinem Stuhl auf. Er und Abby umarmen sich fest. Das glückliche Lächeln in ihrem Gesicht wirkt ehrlich und friedlich. Auch wenn ich sie nicht kenne, spüre ich, dass Abby hier tatsächlich ihre neue Heimat gefunden hat. Es gibt auch mir ein gutes Gefühl, das zu sehen. Nichts ist schöner, als das Gefühl, endlich angekommen zu sein und sich zu Hause zu fühlen. Für mich ist Killian dieses Gefühl. Es ist schwer, ihn nicht sofort zu umarmen und ihm zu sagen, wie sehr ich ihn liebe. Mein Bein zuckt nervös. Mein Liebster bemerkt das sofort und streichelt meinen Schenkel. Er schenkt mir ein Lächeln.
„Vielen Dank für deine Worte, Abby.“ Lächelnd setzt sie sich wieder auf ihren Platz. Sie scheint meinen Blick zu bemerken, denn sie dreht sich zu mir, um mich anzusehen, widmet sich aber sofort wieder Joseph. „Wie ihr wisst, will ich euch besonders nach so einem langen Tag nicht weiter aufhalten. Nach so einem erfolgreichen Tag mit so vielen kleinen, neuen Errungenschaften, möchte ich mich aber bei jedem einzelnen von euch für seine harte Arbeit bedanken. Egal, wie finster es da draußen wird, weiß ich, dass wir hier eine gute Gemeinschaft auf die Beine stellen und dass das, was wir hier tun uns allen einen neuen Sinn gibt. Vielen Dank, dass ihr ein Teil davon seid.“ Er sieht zu dem Tisch, dann wieder in die Gruppe. „Bevor ihr jedoch geht, möchte ich die Errungenschaften von heute mit euch teilen.“ Er macht einige Schritte zur Seite und hebt einen Wäschekorb an, den er auf den Tisch stellt. „Tommy und Abby haben kleine Geschenktüten für euch gepackt. Seife, Kerzen, Zahnbürsten, ein kleiner Snack, alles, was man brauchen kann. Bitte bedient euch, bevor ihr geht.“
Um uns herum stehen alle auf, auch Killian und ich tuen es der restlichen Gruppe gleich. Nach und nach nimmt sich jeder eines der Geschenke aus dem Korb, dann greifen sie nach ihren Tellern, um sie mit in die Küche zu nehmen, um sie da abzuwaschen. Ich drücke Killian unsere Geschenke in die Hände und nehme unsere Teller und Becher zur Hand. „Ich kümmere mich darum.“
„Bist du sicher?“
„Ja, geh ruhig. Du hast einen anstrengenden Tag hinter dir und solltest dich ausruhen. Du hast es verdient.“
Killian wirkt unsicher, doch er küsst meine Stirn und nickt dann. „Okay, dann warte ich im Bett auf dich.“
„Ich verspreche, dass ich dich nicht zu lange warten lasse.“ Wir verlassen den Gemeinschaftsraum zusammen, doch unsere Wege trennen sich, als ich den anderen in die Küche folge, während Killian sich auf den Weg zu unseren Zimmern macht.
Als ich in der Reihe stehe, um darauf zu warten, dass ein Platz für mich frei ist, damit ich den Abwasch erledigen kann, werde ich angesprochen. „Habt ihr schon darüber gesprochen, ob ihr vielleicht bleiben möchtet?“
Ich werfe einen Blick über meine Schulter, dann drehe ich mich zu Abby um. „Ob wir bleiben möchten?“, antworte ich ihr. „Ich bin nicht sicher, ob das das richtige für uns ist.“
„Dann willst du lieber wie eine Wilde durch die Trümmer laufen und Killian bedienen.“ Sie nickt auf das Geschirr in meinen Händen, dann sieht sie mir in die Augen. „Ist das seine Idee oder willst du das selbst?“
„Ich will lieber nicht über etwas reden, wenn ich es noch gar nicht richtig mit Killian besprochen habe.“
„Dann brauchst du schon seine Erlaubnis, um mit anderen Menschen zu interagieren? Wow.“ Sie schüttelt den Kopf. „Armes, armes Mädchen. Lass dich von ihm nicht runterziehen. Der Kerl weiß nicht, was er tut, auch wenn er gerne den Schein wahrt.“ Das Lächeln, das Abby mir schenkt, ist mir unheimlich. Es wirkt aufgesetzt, wie eine unheimliche Maske, mit der sie jemanden verschrecken möchte.
Obwohl ich gerne viel mehr sagen möchte, fasse ich mich kurz, als ich ihr antworte: „Ich weiß nicht, was zwischen euch vorgefallen ist, aber ich möchte nicht hineingezogen werden.“ Der Griff um die Teller in meinen Händen wird fester. Ich drehe mich wieder um und nehme dann den freien Platz an einer der Spülschüsseln ein, um den Abwasch zu erledigen. Für den Abwasch wird uns nicht viel Wasser zur Verfügung gestellt, ich bin also so sparsam wie möglich.
Abby stellt sich neben mich. „Ich meine ja nur. Das hier ist eine gute Sache. Hier haben wir wieder ein normales Leben, zumindest den Umständen entsprechend normal. Wir sind eine Gemeinschaft. Wir helfen einander, egal worum es geht. Und Joseph ist Arzt. Er kann helfen, falls jemand krank wird und das wird früher oder später eintreffen. Wir sind hier gut versorgt. Es wäre schade, wenn du dir die Gelegenheit auf ein normales Leben entgehen lässt, nur weil du ihm blind vertraust.“ Auch wenn ich Abby gar nicht zuhören möchte, dringen ihre Worte zu mir durch. „Nur weil er nicht bleiben will, heißt das nicht, dass du nicht bleiben kannst.“ Da sie endlich aufhört, zu sprechen, gehe ich davon aus, dass sie nichts mehr zu sagen hat, doch ich liege falsch. „Denk darüber nach. Wir könnten jede helfende Hand gebrauchen. Und wenn Killian mal seinen Sturkopf hinter sich lässt, könnte er zur Abwechslung etwas Konstruktives mit seiner Energie machen.“ Abby trocknet ihren Teller ab, dann stellt sie ihn auf den Stapel zwischen uns. „Wie auch immer. Gute Nacht, Ilaria.“
„Gute Nacht, Abby.“ Sie streift meinen Arm, als sie an mir vorbei geht. Ich schließe die Augen und atme tief durch, dann beginne auch ich, das gewaschene Geschirr zu trocknen. Es ist wohl schwieriger, als ich dachte, mich aus der längst vergangenen Beziehung zwischen Killian und Abby herauszuhalten.
Mit Abbys Worten in meinem Kopf gehe ich zurück in unser Zimmer. Wahrscheinlich hat Killian recht und wir sollten so schnell wie möglich weiterziehen. Aber auch Abby hat in einem Punkt recht. Hier gibt es Normalität. Ich könnte ohne Probleme Teil einer Gesellschaft werden, ohne all diese Regeln, die die Welt der Menschen vor der Katastrophe hatte. Geld ist nicht mehr wichtig und ich kann auf meine Weise helfen und meine Stärken nutzen, um etwas beizutragen.
Das Zimmer ist durch eine Kerze erhellt, es reicht aus, um mich zurechtzufinden. Obwohl ich erwartet habe, dass Killian bereits im Bett ist, ist er dabei, die Errungenschaften von heute in Tüten zu packen und an seinen Rucksack zu binden.
„Du kannst es wohl kaum erwarten, zu gehen.“
„Ich glaube, dass ich das mehr als deutlich gemacht habe.“
„Du hast wahrscheinlich recht, aber es gibt doch vieles, was an der Ranch positiv ist. Wir sind hier unter anderen Menschen, sie haben einen Arzt, es gibt zu essen und sie ziehen ihr eigenes Gemüse. Das sind gute Dinge.“
„Ja, das stimmt“, antwortet er. Killian setzt sich auf das Bett, dabei gibt er einen tiefsitzenden Seufzer von sich. „Aber all dieses religiöse Zeug ist nichts für mich.“ Ich setze mich auf Killians Schoß und gebe ihm einen Kuss. „Und es ist nicht nur das. Für gewöhnlich sind Leute, die streng religiös sind, keine besonders aufgeschlossenen Menschen, auch wenn sie gerne so tun, als wäre es anders.“ Killian streicht durch mein Haar. „Die Chance ist groß, dass sie in dir etwas Böses sehen, weil du anders bist. Und ich kann es nicht verantworten, dass es für dich gefährlich wird. Nicht nach dem Scheiß in San Francisco. Ich war schon zu nah dran, dich zu verlieren und ich will das nicht wieder empfinden. Das schaffe ich nicht.“
„Wieso hast du das nicht gleich gesagt? Das kann ich deutlich besser verstehen, als deine Abneigung gegenüber eurem Gott.“
„Weil das alles zusammengehört. Wenn ich denken würde, dass das hier ein sicherer Ort ist, dann könnten wir vielleicht bleiben. Mein Bauchgefühl sagt mir aber, dass wir weiterziehen sollten.“
„Ich vertraue dir“, antworte ich ihm mit einem sanften Lächeln. Killian zieht einen Mundwinkel hoch und wir küssen uns. Er drückt mich sanft, dann löst er unseren Kuss, um mir weitere, vorsichtige Küsse an die Wange, der Schläfe und die Stirn zu geben. „Nur noch diese Nacht. Nachdem ich mit Joseph gesprochen habe, können wir sofort gehen.“
„Ich hoffe nur, dass sie es uns nicht zu schwer machen.“
„Wieso sollten sie das tun?“, frage ich nach.
„Weil sie mehr als deutlich gemacht haben, dass sie wollen, dass wir bleiben.“ Killian klopft auf meinen Schenkel. Ich stehe auf, um mich gleich ins Bett zu legen. „Als wir unterwegs waren, hat Tommy mir von den Plänen erzählt. Sie wollen wohl ein neues Gewächshaus bauen und natürlich muss sich jemand darum kümmern, dann die Instandhaltung und die Gartenarbeit selbst natürlich. Je mehr Leute, desto mehr Arbeit kann erledigt werden, allerdings muss man auch mehr Mägen füllen.“ Mein Liebster bläst die Kerze aus, dann legt er sich zu mir ins Bett. Er nimmt mich gleich fest in den Arm. „Ich hoffe, dass ich falsch liege und alle, die hier Zuflucht gefunden haben, auch das friedliche Leben bekommen, was sie sich wünschen.“
„Klingt gleich viel besser, als all das, was du gestern noch gesagt hast.“
„Ich kenne die Menschen und leider hat nicht jeder gute Intentionen.“ Killian atmet tief durch. „Tut mir leid, dass ich meistens nur das Schlechte in allem sehe. Es ist schwer, das abzulegen, besonders, wenn ich bedenke, dass jede Situation unschön ausgehen könnte.“
„Du versuchst nur, uns zu beschützen. Wahrscheinlich wäre es besser, wenn ich selbst vorsichtiger wäre.“
Killian schnaubt. „Schon okay, deine Perspektive ist gar nicht übel. Das lockert mich auf.“
„Auf die Gefahr hin, dass du gleich wieder unlocker wirst. Willst du mir verraten, was mit Abby damals wirklich war? Sie hat angedeutet, dass du wohl eine sehr einnehmende Persönlichkeit bist.“
„Was?“, fragt er verwirrt nach.
„Wir hatten ein kurzes Gespräch und sie hat angedeutet, dass du mir verbietest, mit anderen Menschen zu sprechen. Was ist zwischen euch vorgefallen?“
„Was für ein Schwachsinn.“ Dass mein Liebster genervt ist, zeigt sein Seufzen mehr als deutlich. „Können wir ein andermal darüber reden?“
„Natürlich. Nimm dir die Zeit, die du brauchst.“ Ich schmiege mich gegen seine Brust. Killian sorgt dafür, dass ich auch gut zugedeckt bin und nicht friere. Seine sanften Streicheleinheiten fühlen sich gut an. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Killian früher kein liebevoller und fürsorglicher Mensch gewesen sein könnte.
„Drogen bringen das Schlimmste in Menschen zum Vorschein. Ich weiß, dass das nicht gut für mich oder meine Mitmenschen war und ich will nicht mehr so sein wie damals.“
„Es ist gut, dass du das geändert hast. Das war bestimmt nicht einfach für dich.“
„Nein, ganz und gar nicht. Ein Entzug ist beschissen.“ Killian küsst meine Stirn. „Ich hoffe, dass sich nichts zwischen uns ändert, wenn ich dir irgendwann erzähle, was vorgefallen ist. Ich war damals ein riesengroßes Arschloch und ich bin echt nicht stolz drauf.“
„Du hast daraus gelernt. Wenn man mir alles vorhalten würde, was ich mein gesamtes Leben getan habe, dann wäre mir das auch nicht recht.“ Mit geschlossenen Augen kuschle ich mich noch näher an meinen Liebsten. „Ich liebe dich so wie du jetzt bist. Mit all den Fehlern, die dich zu diesem Menschen gemacht haben.“
„Es tut gut, das zu hören. Danke.“ Killian streicht durch mein Haar. „Ach, fuck.“
„Hm?“ Ich sehe auf und versuche, etwas in Killians Gesicht zu erkennen, doch er drückt mich wieder gegen seine Brust.
„Nichts. Alles gut.“ Killian atmet tief durch. Ich genieße, dass er mich liebevoll streichelt und schließe meine Augen erneut.
Meine Gedanken schweifen wieder zurück zu dem Schmuckstück, das Joseph mir geschenkt hat. Ich habe große Hoffnung, dass die Last, die schwer auf meinem Herzen liegt, sich endlich löst. Wenn mir der Gott der Menschen meine Taten vergibt, dann muss das doch helfen. Oder?