"Ich weiß", flüsterte Sasuke immer wieder. "Ich weiß, dass du das nie gewollt hast." Sie saßen eine ganze Weile einfach so da und es dauerte lange, bis Itachi sich langsam wieder beruhigte.
Als er sich wieder einigermaßen im Griff hatte, war ihm das Ganze wohl ein wenig peinlich, und er strich sich hastig die Tränen von den Wangen.
Sakura hatte sich die ganze Zeit dezent im Hintergrund gehalten, weil sie das Gefühl hatte, dass die beiden Uchiha-Brüder das unter sich ausmachen mussten. Doch nun reichte sie Itachi ein paar Taschentüscher, mit denen er sich das Gesicht trocknen und das Blut von der Stirn rubbeln konnte.
Dann fragte Itachi gedämpft: "Warum könnt ihr mich einfach so nach Konoha bringen. Wo ist Danzo?"
"Im Jenseits", erwiderte Sasuke trocken. "Ich war ihm auf dem Weg gerne behilflich."
"Du hast ihn umgebracht?"
"Eigentlich hat er sich selbst umgebracht. Echt dumm, wenn man einem zwölf Meter großen Susanoo Pfeil nicht aus dem Weg springt. Nicht meine Schuld. Ich habe lediglich diesem aroganten Ekel gezeigt wo seine Grenzen sind. Wenn er denkt, er kann mit Izanagi sein Ableben einfach ungeschehen machen und stehen bleiben, bitte. Aber wenn er auf ein Erstklässler genjutus reinfällt und denkt, das Izanagi ist noch aktiv und nicht wegspringt: Seine Schuld."
Itachi sah Sasuke eine Weile einfach fassungslos an. Dann sprudelte er los: "Du hast ihn besiegt? Mit einem Erstklässlergenjutsu? Du kannst Susanoo? Hattest du Schmerzen dabei? War alles-"
Sasuke stoppte die untypische Redeflut seines Bruders, indem er ihm sanft einen Finger auf die Lippen legte. "Ja, ich habe ihn besiegt. Ja, es war ein Genjutsu, dass jedes Kind beherrscht. Ja, ich kann Susanoo und nein, ich erleide keine Schmerzen, weil ich dank dir das ewige Mangekyoo Sharingan habe. Daher habe ich auch keine Sehprobleme."
"Du hast dir meine Iris über deine Implantiert?", fragte Itachi und Sasuke sah, dass er leicht schauderte.
"Jetzt sag nicht 'ewww'", grummelte Sasuke. "Du warst erstens derjenige, der einem instabielen Teenager kranke Flausen von Macht in den Kopf gepflanzt hat und zweitens hatte ich deinen Mentor auf dem Hals, der es auch wollte, drittens hatten wir Krieg und viertens hatte ich keine Lust blind zu werden."
"Du hast meinen Mentor getroffen? Das heißt die Falle mit Amaterasu wird nicht funktionieren?"
"Nein, hat sie nicht", erwiderte Sasuke. Sie hat nur seine tote Körperseite verbrannt. Sie hat aber fast funktioniert. Hey, warte? Warum weißt du das? Was passierte in deiner Zeit gerade?"
"Wir haben- gekämpft", murmelte Itachi. "Du hast gerade den Blitz für dich genutzt."
"Scheiße", hauchte Sasuke. "Weißt du wie nah das an deinem Tod war?"
Itachi zuckte die Schultern. "Was ist dir bei Madara passiert?", stellte er eine Gegenfrage.
"Er hat mir netterweise die Wahrheit über dich erzählt", begann Sasuke und sprudelte dann immer schneller hervor, was geschehen war. "Dann hat er mich manipuliert, ich wollte das Dorf zerstören, habe die fünf Kage-Konferenz mit ihm gestürmt, Danzo fast umgebracht, Danzo wirklich umgebracht
- den lass ich doch nicht Hokage werden!-
Wir haben gemeinsam einen Krieg angezettelt, ich bin Akatsuki beigetreten, ausgetreten, habe versucht mein Team umzubringen, Kakashi hat mich gestoppt, ich habe sehr gruselig gelacht, dann hat Madara Tote wieder zu Leben erweckt und mit ihnen eine Armee aufgestellt.
Ich habe dich getroffen, als quasi Zombie, wir haben gegen Kabuto, den Erwecker der Zombies gekämpft, du hast mir deine Wahrheit gezeigt, mir gesagt, dass egal was ich von da ab tun werde, du mich immer lieben wirst, dann bist du zu Glitzerstaub zerfallen, ich habe mich wieder Naruto angeschlossen, behauptet ich werde Hokage- ja ziemlich witzloser Moment- Naruto und ich haben den falschen und den echten Madara umgebracht, dann noch eben eine Göttin versiegelt, ein Alien besiegt, göttliche Kraft erhalten, die Welt gerettet und Konoha zu einem friedlichen Dorf gemacht."
"Gott sei Dank habe ich das nicht erlebt", murmelte Itachi.
"Ja zum Glück, denn es wurde ziemlich Scheiße! Warum hast du mich damit allein gelassen? Warum hast du mir nicht von anfang an die Wahrheit gesagt?"
Itachi holte tief Luft. "Ich dachte, du würdest mir nicht glauben und- ich habe mich geschämt. Ich hatte Angst. Wenn ich weiß, dass du mich wegen einer Lüge hasst, war das irgendwie zu ertragen. Aber zu wissen, dass du mich so hasst, wie ich bin, das hätte ich nicht ausgehalten."
Itachi sah zur Seite, um Sasuke nicht in die Augen sehen zu müssen und zum ersten Mal ging Sasuke auf, dass diese verdrehte Moral, die hinter all seinen Taten stand, sie beide in ein heilloses emotionales Chaos gestürzt hatte.
Halb schludig, halb nicht. Halb Täter, halb Opfer. Halb Monster, halb selbstlos. Und keiner von ihnen konnte es als Ganzes bewerten.
Wie Schrödingers Schuld.
"Es tut mir leid", wisperte Itachi.
Und plötzlich hatte Sasuke wahnsinniges Mittleid mit ihm. Er hatte in dieser Nacht schließlich auch seine Eltern verloren. Eltern, die er sehr geliebt hatte, auch dann noch als man von ihm verlangte sie umzubringen. Auch dann noch, als er es tat.
Danach war er ständig gejagt worden. Er stand auf der Fahndungsliste ganz oben und hatte niemanden mehr. War genauso einsam gewesen wie Sasuke.
Und genau wie Sasuke sich bis heute die Schuld an Itachis Tod gab, hatte Itachi es bestimmt auch im Bezug auf ihre Eltern. Egal wie sehr er sich gesträubt und nach anderen Lösungen gesucht hatte, er hatte es schlussendlich getan und würde sich immer die Schuld dafür geben.
"Du hast es mir nicht gesagt, weil du Angst hattest, dass ich dich hasse?"
Itachi nickte. "Ich weiß, es klingt verrückt, weil du mich sowieso gehasst hast. Aber so konnte ich mir immer sagen: Das liegt daran, dass er nicht die Wahrheit kennt.
Weil er nicht weißt, dass du nur versuchst ihn zu schützen. Weil er nicht weiß, dass du ihn immer noch liebst. Weil er nicht weißt, dass du das nie wolltest.
Aber ich habe es getan. Und was, wenn du mir trotz aller Wahrheit nie verziehen hättest? Du warst doch alles was ich noch hatte. Alles, was ich je wollte.
Ich weiß nicht, ob ich das ausgehalten hätte. Den Mut gehabt hätte weiter zu machen. Die Hoffnung, dass ich dich schützen könnte, bis du es irgendwann verstehen könntest, das war das, warum ich jeden Tag aufgestanden und losgegangen bin."
Sasuke drückte Itachi wortlos an sich. "Ich akzeptiere dich genauso wie du bist. Mit jeder Entscheidung, die du getroffen hast."
Itachi nickte stumm.
"Ich wünschte nur, du hättest mich länger begleiten können. Dann wäre ich Sakura gegenüber nicht so ein riesiges Arschloch gewesen. Du hast mir immer versucht manieren beizubringen. Das hättest du bestimmt auch beim Verhalten Mädchen gegenüber getan."
Itachi lächelte verschmitzt. Dann wurde er jedoch wieder ernst.
"Ich hätte... sowieso nicht den ganzen Weg mit dir gehen können. Ich bin krank, Sasuke. Sehr. Und wenn du mich nicht gehasst hättest, hättest du mir doch helfen wollen. So wie jetzt." Itachi blinzelte verstohlen ein paar Tränen fort.
"Das ist eine gefundene Schwachstelle für Danzo, für Madara und Zetzu und ich war nicht mehr stark genug, um dich vor ihnen allen zu beschützen. Also habe ich mich für diesen Kampf entschieden.
Um dir Hinweise zu geben, wer deine Feinde sind, um dir Stärke zu geben, um wenigstens Madara von dir fern zu halten, um den Zetzu, der zuschaut, zu verschrecken. Wenn du deinen so starken und gefürchteten Bruder besiegt hast, trotz Amaterasu, trotz Tsukiyomi, trotz Susanoo, dann muss etwas wirklich großes in dir stecken.
Und anscheinend hatte ich recht. Madara wollte dich sofort zum Komplizen."
"Tch. Ich war sein Cholateralschaden."
"Und sein Tod, nehme ich an."
"Marada war nicht Madara. Es war Obito Uchiha. Aber beide sind im Jenseits. Obito und Madara."
"Das ist alles was wir wissen müssen", murmelte Itachi. Dann blinzelte er. "Hast du eigentlich lange Haare? Mein Gott, wie ähnlich willst du mir noch werden?"
"Du brauchst jetzt gar nicht so zu tun, als hättest du das Patent darauf", grummelte Sasuke. "Außerdem sind meine Haare erstens nicht so lang wie deine, selbst nachdem du die Hälfte abgeschnitten hast und zweitens habe ich ein Rinnegan darunter zu verstecken."
"Rinnegan?", fragte Itachi perplex.
"Bevor du fragst: Nein, ich habe es Pain nicht geklaut. Ist eine lange Geschichte. Aber Apropos. Bevor wir dir hier alles beschreiben, kaufen wir lieber gleich morgen eine anständige Brille."
Nun wurde Itachi tatsächlich ein wenig rot.