Zwei Vettern
Es geschah im unteren Norwegen.
An einem Tag mit viel Regen
gingen zwei Vettern
in den Bergen klettern.
Als der eine fand einen schönen Edelstein,
entbrannte die Eifersucht wie bei Abel und Kain.
"Ach, gib ihn mir doch bitte zu tragen",
doch er dachte bei sich, "denn ich will ihn haben!"
"Oh nein, du bekommst ihn sicher nicht,
denn ich weiß, du bist ein schlimmer Wicht!"
"Nein nein, du liegst verkehrt,
denn du bist des Steines gar nicht wert!
Und gibst du ihn nicht, das kannst du mir glauben,
werde ich ihn mir gewaltsam rauben!"
Er stieß ihn hin, er stieß ihn her,
den Stein zu erlangen war doch recht schwer.
Es wuchs die wilde Zorneswut
zu einem unbändigen Mut.
Er drängte ihn bis zu den Klippen,
wo jener sich brach alle Rippen.
"Oh, welch unnützer Meuchelmort,
denn der Stein ist auch mit fort!
Was ist hier denn nur Arges geschehen?
Niemand wird den Kristall je wiedersehen."
Der Mörder in seinem panischen Wahn
kommt ab von der rechten Bahn,
er strauchelt und stürzt, wird von Steinen begraben.
Die schwarzen Raben sich nun an ihm laben.
Stein über Blut
Rot fließt über grau,
eine Brise weht flau.
Zwei Körper, leblos liegen sie da,
und ein Kristall, der so tückisch war.
Er stellte den Stein über sein eigen Blut,
nein, nicht bloß aus großer Wut...
Was ist nur in ihm erwacht?
Ich sag's euch, die reine Niedertracht!
War es grausam? War es leicht?
Jedenfalls nicht seicht.
War es aus dem Affekt oder absichtlich?
Das fragt man sich.
Geben wird man da keine Gewähr,
denn sagen kann es der Mörder nicht mehr.
Er fiel gleich hinterher in die Tiefe,
als ob der Abgrund nach ihm riefe.
War es Pech? War es Wille? War es Schicksal?
Zumindest den Raben ein willkommenes Mahl.
Das letzte Hemd hat keine Taschen,
so was erhoffte er sich zu erhaschen?
Er bekam, was er verdiente? Auge um Auge.
Nicht sicher, ob das zu was tauge.
Zwei Leben ausgelöscht für immer,
ihre Lieben werden sie wiedersehen nimmer.
Gleich zwei leidlich verstorben,
oh, wie ist diese Welt doch verdorben...
Die Menschen von Habgier getrieben,
wo ist die Nächstenliebe geblieben?