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Nach dem Prompt „Brückenechse“ der Gruppe „Crikey!“
Land: Aotairin
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Ihr Schädel brummte, als Te Hari die Augen aufschlug. Stöhnend blinzelte sie in das flackernde Spiel der Blätter über ihr. Durch das Laub drangen Sonnenstrahlen, grelle, stechende Lichtfinger, die ihre Schmerzen nur neu befeuerten.
Was war geschehen? Hari strich sich dunkle Locken aus der Stirn und stieß auf eine verkrustete Wunde. Sie musste sich den Kopf angestoßen haben ... Langsam erinnerte sie sich. Sie war mit dem Kanu hinausgefahren, um Quallen zu sammeln, als ...
"Geht es dir jetzt besser?"
Sie wirbelte herum. Der erschrockene Schrei blieb ihr im Hals stecken, als sie ihr Gegenüber sah. Beinahe verschluckte sie sich.
"Atme, Kindchen", sagte der riesige Echsenkopf. "Ich tue dir nichts."
Mit großen Augen starrte Te Hari das Wesen an. Es schien eine Brückenechse zu sein. Sie konnte die Stacheln des Kamms am Hinterkopf erkennen, die großen Augen unter den knöchernen Bögen, die Falten am breiten Hals und das spitze, fast schnabelartige Maul. Doch diese Kreatur war riesig. Allein ihre Augen waren größer als Te Hari. An das Maul wollte sie lieber nicht denken, obwohl das Tier es bei jedem Wort öffnete und diese Bewegung Haris Blick unweigerlich auf sich zog.
Langsam dämmert es ihr. Die Bewegung des Mundes bei jedem Wort - das Ding sprach!
"Du ... kannst sprechen", stammelte sie auch gleich völlig verdutzt.
"Huch - du ja auch!", erwiderte die Riesenechse. Ihre - oder eher seine - Stimme war tief und klang belustigt.
"W-wieso sprichst du meine Sprache?"
"Das tue ich nicht. Es ist vielmehr so, dass dein Volk meine Sprache spricht."
Te Hari schwirrte der Kopf. "Die Worte der Götter ... die heilige Sprache ... du bist ..."
"Tahirikoa ... ich denke, das ist es, wie dein Volk mich nennt."
Hari wurde blass. "Tahirikoa ... der die Geburt der Meere sah."
Die Echse lachte, ein dumpfes, rollendes Geräusch, das die Erde im schmalen Tal erzittern ließ. Te Hari erinnerte sich noch immer nicht genau, wo sie war. Langsam kamen jedoch einzelne Fetzen wieder. Ein auftauchender Wal hatte ihr Kanu umgestoßen und sie in die gefährliche Strömung geschoben. Das Boot war an den Riffen zerschellt, und sie hatte sich nur mit viel Glück in dieses schmale Tal retten können, eine Schlucht zwischen steilen Berghängen, die nicht so wirkte, als hätte in den letzten hundert Jahren ein vernunftbegabtes Wesen sie betreten.
Und nun saß sie hier und unterhielt sich mit einem Gott.
Sie war Tahirikoa auf den Kopf geklettert, den sie lediglich für einen großen, moosigen Felsen gehalten hatte - bis er sich bewegte. Nun erinnerte sie sich auch, dass sie in ihrer Panik die Flucht ergriffen hatte und gegen einen Baum gelaufen war. Daher stammte also ihre Wunde.
Oder sie hatte sich den Kopf beim Schiffbruch angeschlagen und halluzinierte.
"Ganz so alt bin ich nicht", brachte die Echse belustigt heraus. "Die Ozeane existierten auch zu meiner Zeit bereits. Aber ich schätze, für eure Maßstäbe macht das keinen wirklichen Unterschied."
"Bist ... bist du wirklich ein Gott?" Im nächsten Moment schlug sich Te Hari die Hände vor den Mund. Allein diese Frage war unverzeihliche Blasphemie!
Tahirikoa schien es ihr jedoch nicht übel zu nehmen. "Nein und ja. Ich bin jener, den ihr als Gott verehrt, wie auch eure anderen Götter. Im Gegensatz zu jenen bin ich aber nur ich. Ich habe viel gesehen, auch die wahren Götter, die einst über diese Welt geherrscht haben - bis zum Einschlag des stürzenden Sterns, der ihren Tod bedeutete."
Sprachlos lauschte Hari seinen Worten. Kein Zweifel - dies war der echte Tahirikoa, egal, wie oft die Echse behauptete, dass sie kein Gott wäre.
"Im Gegensatz zu ihnen bin ich ein Nichts. Ich besitze nicht ihre Kraft, nicht einmal annähernd ihre Größe. Aber die Götter sind fort, und nur ich bin geblieben. Der Zeuge ... der Gott, der sah."
"Aber dann stimmt es! Du bist der Sehende."
"Ich sagte es ja: Die Antwort lautet sowohl Ja als auch Nein." Die Echse erhob sich. Erde und kopfgroße Steine donnerten von ihrem Rücken, als sie die Beine mit den vier langen Zehen in den Grund stemmte. "Doch du kannst mich Tahir nennen, Kind. Nun sag mir: Aus welchem Stamm kommst du? Es gibt keine Hobbits in diesem Tal, also hast du dich offensichtlich verlaufen. Ich meine sogar, etwas vor der Küste splittern gehört zu haben, doch ich denke mir meinen Teil zu deiner Geschichte. Wir müssen dich jedenfalls hier herausbringen. Dein Volk kann hier nicht lange überleben."
Als die große Echse sich umdrehte, folgte Te Hari ihr wie betäubt. Ihre Knie zitterten leicht, nicht nur, weil der Boden unter den Schritten des Giganten bebte.
"M-Mein Stamm sind die Tuara."
"Hmm, hm ... ihr lebt an der Küste, nicht wahr? Im Osten?" Die Echse nickte nachdenklich. Dann ringelte sich ihr langer Schwanz mit einem Mal um Te Hari. "Steig auf, Kind."
"W-was?" Sie wollte protestieren, doch die Schwanzspitze drückte sie sanft vorwärts und verängstigt gehorchte sie. Als sie auf den Rücken der Echse stieg und sich zwischen die Stacheln ihres Kamms setzte, beschleunigte Tahir seine Schritte und rannte bald so schnell durch den Urwald, dass die Bäume zu beiden Seiten vorbeirauschte. Te Hari klammerte sich an die Stacheln, als die Echse plötzlich die steilen Berghänge hinaufkletterte und zuletzt den Kopf zwischen zwei Gipfeln hindurchschob.
"Weiter werde ich dich nicht begleiten. Erfahrungsgemäß sorgt mein Erscheinen sonst für zu viel Chaos. Doch du wirst den Weg finden. Folge einfach den Flüssen."
"Danke." Vorsichtig kletterte Te Hari auf den Boden. Sie legte den Kopf in den Nacken, um in die Augen der großen Echse zu sehen. "Träume ich?"
"Keineswegs, Kind."
"Aber was soll ich dem Stamm nur sagen? Sie werden mir niemals glauben."
"Ist es nicht egal, ob sie dir glauben?" Sie mochte sich täuschen, doch es schien ihr, als verzögen sich die Lippen des Reptils zu einem Grinsen. "Der göttliche Zeuge kennt die Wahrheit, denn er hat sie gesehen."
Damit zog sich Tahir zurück. Ein Blinzeln, und der große Echsenkopf war fort. Te Hari stand auf dem Hang der Berge und fragte sich unwillkürlich, ob sie diese merkwürdige Begegnung nicht doch geträumt hatte.