Am nächsten Morgen war Harry immer noch beleidigt, weil Draco ihn einfach für Pansy hatte links liegen lassen. Beim Frühstück sah er zudem wie sein Kumpel nur Augen für seine Freundin hatte. Ohne ein Wort schnappte Harry sich seine Tasche und marschierte zum Zimmer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Draco trudelte erst kurz vor dem Stundenklingeln ein und ließ sich neben ihm nieder. Harry fühlte sich allerdings genervt, weil er ständig mit Pansy, die hinter ihnen saß, sprach.
Das änderte sich jedoch ganz schnell als die Tür aufflog und ihr neuer Lehrer ins Zimmer rauschte. Trotz seines Holzbeines war Moody noch gut unterwegs.
„Mein Name ist Professor Alastor Moody. Auror, Dorn im Fleisch des Ministeriums und Schluss ,aus, Ende!“, sagte er laut.
Die ganze Klasse starrte ihn an. Auch Harry. Er wusste nicht was er erwartet hatte. Vielleicht etwas weniger grobes?
„Ich rede gar nicht lange um den heißen Brei! Ich bin hier, um zu unterrichten und ihr seid hier, um was zu lernen! Und da fangen wir gleich mit dem Wichtigsten an! Wenn Ihr da draußen seid, dann gibt es kein Versagen! Hier übt ihr und versucht es dann nochmal, aber da draußen seid ihr tot, wenn ihr es nicht hinbekommt! Deshalb müsst ihr immer wachsam sein! Mit Argusaugen! Und wo wir schon mal dabei sind: Wer kann mir sagen, was die unverzeihlichen Flüche sind? Keiner?“
Ein Mädchen aus Gryffindor meldete sich zögerlich. Harry erkannte sie an ihrem buschigen Haar. Es war Hermine Granger.
„Ja?“, sagte Moody und gab ihr statt.
„Es gibt drei unverzeihliche Flüche.“, antwortete sie.
„Die so heißen weil?“, fragte Moody.
„Es unverzeihlich ist sie zu benutzen. Wer diese Flüche nutzt, der ...“
„... bekommt eine Freifahrt nach Askaban!“, beendete Moody den Satz. „Ganz richtig! Und wie heißen diese drei Flüche?“
„Imperius, Cruciatus und ...“ Granger sah sich unwohl in Richtung Harry um. „Avada Kedavra.“
„Du hast deine Hausaufgaben gemacht und das wohl schon vor Beginn des Schuljahres.“, bemerkte Moody. „Viele Magier behaupteten nach dem Krieg sie wären nur Du-weißt-schon-wer gefolgt, weil sie unter dem Imperius standen. Ein Zauber, der euch die komplette Kontrolle über euer selbst raubt! Wie eine Puppe, die an den Fäden hängt. Wie also kriegen wir heraus, wer lügt und wer nicht, wenn er behauptet unter dem Imperius gestanden zu haben? Also schön … Malfoy!“
„W-w-was?“, stotterte Draco erschrocken.
„Du solltest einen der weiteren doch kennen.“, sagte Moody an ihn gewandt.
„Also ich …“
„Keine Sorge, ich nehm dir die Last von den Schultern: der Cruciatus-Fluch! Der Folterfluch, der euch so unbeschreibliche Schmerzen verursacht, dass ihr euch wünscht ihr könntet sterben! Und zu guter Letzt: Avada Kedavra, der Todesfluch! Ein Fluch, den niemand überlebt hat, außer vielleicht einer Person und die sitzt hier vor mir!“, sagte Moody und blickte auf Harry herab.
Dieser wusste nicht, was er dazu sagen sollte.
„Also, wie wäre es, wenn ihr Euch etwas dazu aufschreibt?“, rief Moody und sofort war das rascheln von Papier zu hören.
Harry konnte Moodys Schrift an der Tafel kaum entziffern, doch was ihn wirklich beschäftigte war warum ihr Lehrer mit ihnen diese grauenvollen Flüche dran nahm. Als er Draco auf den Cruciatus ansprach wirkte es so als würde er von ihm erwarten, dass er all diese Flüche wusste. Und als er Harry in Verbindung mit dem Avada Kedavra brachte da fühlte er sich richtig unwohl. Harry verstand, dass es dieser Fluch gewesen sein musste mit dem Voldemort ihn umbringen wollte. In seinen frühsten Erinnerungen sah er nur einen grünen Blitz und hörte das grelle Lachen des Dunklen Lords. Er wusste von Severus, dass er hätte sterben sollen, es aber nicht tat, weil Voldemort einen Teil seiner Seele ungewollt in Harry versteckte. Einen Horcrux. Von denen hatte der Dunkle Lord einige erschaffen, um sein Leben unnatürlich zu verlängern. Das war der Grund warum Harry sich so viele Eigenschaften mit Voldemort teilte. Ein Teil von ihm war in Harry. Deshalb konnte er mit Schlangen sprechen und deshalb war es dem Dunklen Lord gelungen ihn bereits zwei Mal zu besetzen und ihre Verbindung für sich zu nutzen.
Nach dem Unterricht war Harry in sich gekehrt. Er dachte über all diese Dinge nach. Dinge, die er für sich behielt. Plötzlich schoss ihm die Okklumentikstunde wieder in den Kopf. War das was passiert war ein weiterer Teil seiner Verbindung zu Voldemort? Severus wollte mit ihm nicht darüber reden, aber jetzt meinte Harry sich zu erinnern wie es sich anfühlte. Wie er im Eifer des Gefechts diese plötzliche, animalische Kraft in sich spürte. Ein Teil von ihm meinte die Magie mit bloßen Händen formen zu können. Er hatte keinen Zauberstab in der Hand gehabt, sondern die Magie war durch ihn hindurch geflossen. Wie ein Strom, der alles hinfort riss. Vielleicht sollte er mit Severus reden. Ihn drängen damit herauszurücken, was er glaubte gesehen zu haben?
„Wow!“, sagte Draco neben ihm. „Der ist völlig durchgeknallt. Er hat dem Bösen ins Auge geblickt, klar, aber trotzdem völlig durchgeknallt!“
„Warum hat Moody dich eigentlich so fixiert?“, fragte Harry.
Draco zuckte mit den Schultern, sagte aber nichts. Es schien ihm mehr als unangenehm. Harry drängte seinen Kumpel nicht weiter. Vielleicht war etwas zwischen ihrem Lehrer und der Familie Malfoy vorgefallen. Am Ende war es Harry eigentlich auch egal. Er versuchte nur sich irgendwie abzulenken.
Den ganzen, ersten Schultag war die Stimmung zwischen Harry und Draco gedrückt. Nicht zuletzt wegen Pansy, die sich immer wieder seinen besten Freund schnappte. Nach der letzten Stunde hatte Harry schließlich die Faxen dicke. Während Draco weiter mit seiner Freundin herumhing schlug Harry den Weg zu Severus' Räumlichkeiten ein und klopfte an die Tür. Keine Antwort. Vielleicht war er gerade unterwegs. Harry beschloss neben der Tür, an die Wand gelehnt, zu warten. Er hatte gerade überhaupt keine Lust auf den Gemeinschaftsraum. Irgendwann tauchte Severus am Ende des Flurs auf und marschierte auf Harry zu.
„He, ist irgendwas vorgefallen? Du siehst geknickt aus?“, fragte Severus.
„Erzähl ich dir drinnen.“, murrte Harry.
Severus schloss die Tür auf und sie gingen hinein. Harry warf seine Tasche in die Ecke und ließ sich auf dem Sofa vor dem Kamin nieder. Severus zog seine Lehrerrobe aus und hängte sie über die Lehne des Sessels ehe er sich zu ihm gesellte.
„Also?“, fragte Severus.
„Wo soll ich anfangen? Vielleicht dort, dass Draco ständig mit der ollen Parkinson rumhängt und seinen besten Freund vernachlässigt? Oder dabei dass Moody einen echt schrägen Unterricht abgezogen hat?“
„Hör ich da Eifersucht?“, amüsierte sich Severus. Natürlich musste er jetzt auch noch in diese Wunde haken!
„Ich bin nicht eifersüchtig!“, konterte Harry und es klang wahnsinnig neidvoll.
„Deshalb bist du auch so sauer auf ihn?“, antwortete Severus.
„Pansy drängt überall dazwischen. Und wenn sie sagt; Spring, dann fragt Draco höchstens; wie hoch?!“
„Klingt als hätte sie ihn am Haken.“, meinte Severus.
„Es nervt einfach nur!“, entgegnete Harry.
„Und was war das mit Moody?“, wechselte Severus das Thema.
„Er hat die drei unverzeihlichen Flüche dran genommen. Keine Ahnung, ob das wirklich so im Lehrplan steht. Er hat Draco fixiert und meinte er solle doch wissen was Crucio und Avada Kedavra bedeuten. Und mich hat er taxiert, weil ich Letzteren überlebt habe.“, erzählte Harry.
Severus kratzte sich an der Stirn und verzog das Gesicht.
„Was ist? Du weißt, was er meinte, oder?“, fragte Harry.
„Ich weiß, dass Draco dein bester Freund ist und es steht mir nicht zu schlecht über die Malfoys zu reden.“, sagte Severus. „Aber ja, Moody hatte während des Krieges mit Lucius zu tun. Er stand unter dem Verdacht ein Todesser zu sein, allerdings konnte ihm das nie nachgewiesen werden. Moody ist ein Auror mit Leib und Seele. Er hasst nichts mehr wie entflohene Todesser.“
„Und war Mister Malfoy einer von ihnen?“, fragte Harry.
„Wie gesagt, seine Schuld wurde nie bewiesen. Und solange kein Gericht ihn für schuldig befindet ist er ein freier Mann. Es gilt die Unschuldsvermutung, egal was Moody denkt.“, antwortete Severus.
„Ja, das stimmt wohl.“, gab Harry ihm recht.
„Und was dich betrifft, du weißt, dass du diesen Fluch überlebt hast, weil ein Teil Voldemorts immer noch in dir ist.“
„Heißt das womöglich, dass das, was neulich während der Okklumentikstunde passiert ist ...“
„Wahrscheinlich.“, fiel Severus ihm ins Wort.
„Ich habe so etwas noch nie gespürt. Es war als könnte ich die Magie mit meinen Händen lenken.“, versuchte Harry zu erklären.
„Leider muss ich ehrlicher Weise sagen, dass ich keine Ahnung habe woher diese Kräfte kommen. Ich wollte dich nicht beunruhigen. Wir werden beobachten müssen wie sich das entwickelt.“
„Und warum konntest du mir das nicht sagen?“, wollte Harry wissen.
„Ich fand, dass wir es auf sich beruhen lassen sollten.“, sagte Severus.
„Warum?“, hakte Harry nach.
„Sagen wir einfach, es sind Kräfte, die selbst für einen Magier als unnatürlich gelten. Erst recht für einen Vierzehnjährigen. Falls ich recht habe und Voldemort auch diesen Teil seiner Fähigkeiten auf dich übertragen hat, dann müssen wir das gut beobachten und vorsichtig sein.“
Harry atmete tief.
„Ich weiß, du kannst das vermutlich langsam nicht mehr hören.“, fügte Severus hinzu.
„Und was soll ich jetzt tun?“, fragte Harry.
„Du musst gar nichts tun. Sei du selbst. Geh zur Schule. Das übliche. Ich werde mich mit Dumbledore beraten. Aber für dich ändert sich erst mal gar nichts.“, sagte Severus.
Harry wusste, dass er ihn vermutlich einfach nur beruhigen wollte, doch die Vorstellung, dass er noch mehr von Voldemorts Kräften geerbt haben könnte machte ihn kein bisschen sorgloser.