Die Wochen vor der nächsten Aufgabe wunderte Harry sich, dass Diggory und seine Clique ihn in Ruhe ließen. Sie gingen ihm sogar regelrecht aus dem Weg. Harry wollte lieber nicht wissen, inwiefern Severus sich „ihn vorgenommen“ hatte.
Als der Tag des Turniers dann kam war Harry nicht minder nervös wie bei der ersten Aufgabe. Nur das er dieses Mal nicht wusste, was ihn erwartete. Immerhin hatte Severus ihn mit zwei Knäuel Dianthuskraut versorgt. Für den Fall, dass er doch länger unter Wasser bleiben musste als eine Stunde. Harry stand mit den anderen Champions auf dem extra aufgebauten Pier. Hinter ihm die Tribünen mit den Zuschauern. Er nur in Badehose. Beim bloßen Gedanken daran wie viel Grad das Wasser im See hatte zog sich ihm bereits alles zusammen.
Da ertönte die magisch verstärkte Stimme des von Ludo Bagman: „Willkommen zur zweiten Aufgabe des Trimagischen Turniers! Jeden unserer Champions wurde etwas wertvolles weg genommen und sie haben eine Stunde Zeit, um es im See wieder zu finden.“
Harry zermarterte sich den Kopf, was ihm wohl weg genommen wurde. Dann der Anpfiff. Harry steckte sich unbeholfen ein Knäuel Dianthuskraut in den Mund und kaute auf dem etwas schleimigen Gewächs herum. Ihm blieb die Luft weg. Und während er hustend versuchte Luft zu schnappen verlor er das Gleichgewicht und fiel ins Wasser. Es war eisig. Gefühlt noch kälter als in der Nacht als Diggory ihn mit Wasser übergossen hatte. Harry griff sich an den Hals und spürte wie ihm Kiemen wuchsen. Zwischen den Fingers und den Zehen bekam er Schwimmhäute. So stand das aber nicht in ihren Schulbüchern!
Nach dem ersten Schock dachte er an das, was der Bagman gesagt hatte. Sie mussten etwas im See finden und zurück bringen. Also arbeitete er sich durch das hohe Seegras ohne genau zu wissen wonach er suchte. Vielleicht sollte er weiter oben schwimmen, um mehr zu sehen? Gerade als er das tun wollte spürte er wie ihn etwas am Bein festhielt. Er sah nach unten und entdeckte die Tentakel eines Grindelohs. Ein fieser, kleiner Wasserbewohner mit Saugnäpfen, spitzen Zähnen und kleinen, krallenbewehrten Ärmchen. Harry nahm seinen Zauberstab und zielte auf den Grindeloh, der ihn hinab in die Tiefe ziehen wollte.
„Incendio!“, formte er mit seinen Lippen, doch nichts als Blubberblasen kam aus seinen Mund. Dennoch, ein heller, feuriger Blitz traf den Grindeloh. Damit fing der Ärger jedoch gerade erst an. Aus dem Seegras schossen ein Dutzend weiterer dieser Quälgeister hervor. Ihre Tentakel wickelten sich um Handgelenke, sein Gesicht und die Beine. Sie bissen ihn mit ihren Mäulern und kratzen ihm die Haut auf. Harry wehrte sich nach Kräften. Einer versuchte ihm den Zauberstab zu entreißen, doch Harry hielt ihn eisern fest. Würden sie ihn den Zauberstab abnehmen wäre er erledigt. Er durfte ihn auf keinen Fall verlieren.
„Petrificus Totalus!“ Harrys Zauber traf die um ihn herumschwirrende Meute. Ohnmächtig trieben die Grindelohs durch das Wasser. Harry befreite sich und schwamm möglichst schnell davon. Das dichte Seegras lichtete sich und er sah eine ganze, unterseeische Stadt. Ruinen, die schon hunderte von Jahren alt sein mussten. In ihnen herum schwammen sonderbare Wesen. Halb Mensch, halb Fisch mit schweren Dreizacken. Harry erinnerte sich an seinen Unterricht bei Moody. Das mussten Wassermenschen sein, auch wenn sie nicht gerade so aussahen wie in diesem Zeichentrickfilm. Sie waren nicht schön, sondern sie wirkten wild, fast raubtierhaft mit ihren krallenartigen Händen und den spitzen Zähnen. Und sie trugen weder Muscheln als Brusthalter noch kämmten sie sich die Haare mit einer Gabel. So viel zu den Lügen des Fernsehens.
Harry nährte sich ihnen vorsichtig. Die Wassermenschen allerdings interessierten sich gar nicht für ihn. Harry zog seine Kreise um die Ruinen und entdeckte schließlich drei mit Seetang gefesselte Menschen. Erschrocken stellte er fest, dass es Schüler waren, noch ganz in ihren Schuluniformen. Harry starrte sie an. Es waren Hermine, eine Ravenclaw namens Cho Chang, eines der Beauxbatonmädchen und ein Junge aus Durmstrang. Während Harry noch die Angst in den Gliedern saß rauschte hinter ihm ein Hai heran. Zumindest hatte er den Kopf eines Hais und den unverkennbaren Körper Viktor Krums. Er biss den Seetang entzwei, der den Durmstrang-Jungen festhielt. Er schnappte sich den scheinbar leblosen Körper und schwamm davon. Jetzt erst begriff Harry, was Bagman gemeint hatte als er sagte, dass sie etwas wiederfinden mussten, was ihnen am Herzen lag.
Harry schwamm zu Hermine und durchtrennte den Seetang mit einem Incendio-Zauber. Er schlang ihren Arm um seine Schulter als er Diggory mit einer Art magischen Blase um den Kopf auf ihn zu schwimmen sah. Mit einem Hieb seines Zauberstabs löste er den Seetang von Cho Chang und schwamm mit ihr davon. Harry wusste, dass er sich beeilen sollte, doch nirgends sah er Fleur. Was wenn sie es nicht schaffte? Musste das arme Beauxbatonmädchen, dann hier unten bei den Wassermenschen bleiben? Er dachte an die Krallen und spitzen Zähne. Nein, das durfte nicht sein! Mit einem weiteren Incendio löste er auch ihre Fesseln. Mit einer blitzschnellen Bewegung schoss einer der Wassermenschen auf ihn zu und hielt ihm den Dreizack vor die Nase.
„Nur einen!“, sagte die Kreatur scharf durch das Wasser hindurch. Der Wassermensch schnappte sich das Mädchen am Arm und hielt sie fest. Harry wagte es nicht sich mit den bewaffneten Wasserbewohner anzulegen. Also nahm er Hermine und schwamm mit ihr gen Oberfläche.
Er spürte wie die Verwandlung durch das Dianthuskraut nachließ. Seine Kiemen bildeten sich zurück und er nahm einen letzten Atemzug ehe er die Luft anhielt bis er endlich wieder auftauchte. Gerade rechtzeitig. Mit Hermine schwamm er zum Strand und half ihr aus dem Wasser.
„Harry Potter belegt den dritten Platz!“, rief die magisch verstärkte Stimme von Bagman.
„Aber was ist mit dem Mädchen, dass für Fleur gedacht ist? Lassen sie sie etwa da unten?“, fragte Harry tropfnass.
„Dummkopf!“, ermahnte Hermine ihn. „Glaubst du ernsthaft, sie würden die Schüler den Wassermenschen überlassen?“
„Also ich ...“, stammelte Harry. Ihm fiel jetzt selbst auf wie blöd seine Annahme war. „Aber was passiert, wenn Fluer nicht kommt?“
Als er zum Pier aufsah beantwortete sich seine Frage von selbst. Fluer saß in ein Handtuch gewickelt da, aber ohne das Mädchen.
„Mach dir keine Sorgen, sie bleibt nicht da unten.“, sagte Hermine als sie seinen Blick sah.
„Sicher?“
„Als das Gremium uns aussuchte, da gaben sie uns einen Trank und sagten, dass wir, egal wie es ausgeht, nach dem Turnier wieder aufgeweckt werden. Du musst keine Angst haben, dass sie gefressen wird oder so.“
„Und woher wussten die, was unser größter Schatz ist?“, wollte Harry wissen. Hermine schmunzelte und griff nach Harrys Hand.
„Du bist nicht nur ein Esel, sondern auch noch eine Schildkröte.“, meinte Hermine.
Harry stutzte nur. Was sollte das denn heißen?
Jemand gab ihn ein Handtuch und wickelte ihn darin ein. Hermine wurde ebenfalls abgetrocknet. Sie saßen mit ihren Handtüchern da und sahen auf den See hinaus.
„Ich mag dich, Harry.“, sagte Hermine schließlich.
„Hä?“, machte Harry.
„Ich dachte eigentlich das sei offensichtlich.“, meinte Hermine.
„Die Schildkröte.“, ging es Harry viel zu spät auf. „Ich bin manchmal wohl etwas langsam.“
Hermine kicherte und warf ihm einen belustigten Blick zu.
„Ich mag dich auch. Nun, es gibt nicht allzu viele Leute, die mich mögen, glaube ich.“, sagte Harry. Völlig unvorbereitet drückte Hermine ihn. Wie schon beim Weihnachtsball konnte sein Gehirn gar nicht so schnell darauf reagieren wie es passierte. Er war wohl doch eine Schildkröte.
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Wieder oben im Schloss wechselte Harry sein Handtuch gegen ein paar trockene Kleider und saß verträumt vor dem Kamin und sah in die Flammen. Das Tohuwabohu im Gemeinschaftsraum nahm er kaum war. Er dachte an Hermine und daran, dass sie gesagt hatte, dass sie ihn mochte. Harry fühlte wie es ihn im Bauch kribbelte bei dem Gedanken. Dann, unvermittelt sprang ein gewisser Blondschopf über die Lehne des Sofas.
„He, redest du noch mit mir?“, fragte Draco.
„W-was?“
„Seitdem du die Granger aus dem Wasser geholt hast bist du irgendwie neben dir.“, sagte Draco.
„Ach ja, Hermine.“, meinte Harry nur.
„Sag nicht, du bist in sie verschossen? Von wegen größten Schatz aus dem Wasser holen und so.“, sagte Draco.
„Sie ist schon nett.“, erwiderte Harry.
„Sie ist vor allem ein Schlammblut. Das ist dir doch klar, oder?“, fragte Draco.
Harry blickte ihn nun wütend an.
„Ach ja? Na und! Immer kommst du mit deinem Reinblutmist um die Ecke!“
„He, ich sag ja nur. Du solltest echt drauf achten mit wem du dich einlässt.“, sagte Draco.
„Halt die Klappe!“, antwortete Harry finster.
„Aber es ist doch so, oder etwa nicht?“
„Das sagt ausgerechnet einer, der mit so einer Schlampe wie der Parkinson rummacht!“, erwiderte Harry zornig.
„Wie bitte?“, fragte Draco.
„Ich hab euch knutschen gesehen!“
„Und?“, wollte Draco wissen.
„Du ziehst deinen besten Freund so einer vor und erzählst mir was von Schlammblütern! Halt einfach die Klappe, bevor ich sie dir poliere!“, sagte Harry deutlich zu laut.
Die umstehenden Slytherins sahen ihn an. Harry war so wütend auf Draco. Was bildete er sich ein?
„Beruhig dich, Mann!“, meinte sein Freund. „Da ist doch nix dabei ...“
Bam! Sternchen. Harry hatte seine Faust in Dracos Gesicht versenkt. Nun war es an Draco zurückzuschlagen. Die beiden stürzten sich aufeinander, rollten über den Boden und versuchten dem jeweils anderen eine reinzuwürgen. Die Schüler drum rum feuerten die Prügelei an. Zumindest bis ein schwarz berobter Arm sie beiseite schob und Harry und Draco am Kragen packte und sie in sein Hauslehrerbüro schleppte.
Harry hatte eine aufgeplatzte Lippe und Dracos Nase blutete als sich Severus vor ihnen aufbaute. Er brauchte gar nichts zu sagen. Harry und Draco würdigten sich keines Blickes, verschränkten die Arme vor der Brust und blickten wütend zu Boden.
„Könnt Ihr mir erklären, was das soll?“, fragte Severus dennoch.
Harry und Draco schwiegen. Starrten stur an ihrem Hauslehrer vorbei.
„Na schön, wie wäre es mit vier Wochen Strafarbeit? Vielleicht kühlt euer Gemüt ja beim Boden schrubben wieder etwas ab.“, sagte Severus.
„Er hat Hermine ein Schlammblut genannt!“, begann Harry.
„Und du Pansy eine Schlampe!“, erwiderte Draco.
„Was sie ja wohl ist!“, rief Harry.
Draco wollte schon den Arm heben, um Harry wieder eine zu verpassen, doch Severus ging zwischen sie.
„Das ist jetzt nicht euer ernst!?“, fragte Severus und rieb sich angestrengt die Nasenwurzel. „Bin ich hier im Kindergarten, oder was?“
„Harry weiß nur nicht, was es für ihn heißt sich mit der Granger rumzutreiben.“, sagte Draco.
„Oh, verzeih, dass ich nicht den hohen Standarts der Malfoys gerecht werde!“, antwortete Harry.
„Darum geht es nicht!“, rief Draco.
„Geht es wohl!“, erwiderte Harry. „Geht es doch immer bei dir!“
„Ruhe! Alle beide!“ Nun war es an Severus laut zu werden. „Ich dachte, ich hätte es mit zwei halbwegs vernünftigen Jungen zu tun, aber stattdessen krieg ich zwei streitende Hähne, die sich auch noch in aller Öffentlichkeit um zwei Mädchen streiten wie die Idioten! Das ist unter meiner und Eurer Würde!“ Severus holte tief Luft. „Fünfzig Punkte Abzug für jeden!“
„Fünfzig!“, protestierte Draco.
„Und es werden noch mal Fünfzig, wenn ihr euch nicht zusammen reißt! Außerdem Strafarbeit! Ich will, dass ihr diesen Mist unverzüglich vergesst! Was interessiert es Euch denn bitte mit was für einem Mädchen der jeweils andere etwas hat? Und damit ihr euch das merkt entschuldigt ihr euch beim jeweils anderen. Na los!“
„Entschuldigung!“, presste Draco hervor.
„Na, das klang aber noch nicht überzeugend.“, sagte Severus.
„Entschuldigung.“, sagte Harry.
„Ja, auch Entschuldigung.“, erwiderte Draco.
„Gut, und jetzt tut mir den Gefallen und verhaltet Euch nicht wie die kompletten Vollidioten, wenn ihr dieses Büro verlasst.“, ermahnte Severus sie.
Harry und Draco nickten und trabten aus dem Raum.