Iwana-bōzu (岩魚坊主) oder einfach Iwana (岩魚), ist eine legendäre Kreatur aus der Gruppe der Yōkai, welche eine Kreuzung aus Saibling und einem japanischen, buddhistischen Mönch darstellt.
Merkmale
Iwana-bōzu sind riesige Iwana (zu deutsch Saiblinge, Salvelinus leucomaenis), eine Art Flussfisch, der sich in Yōkai verwandelt hat. Nach ihrer Verwandlung gehen sie aufrecht wie ein Mensch und tragen buddhistische Priestergewänder. Die Verwandlung tritt nur bei den größten und ältesten Saiblingen auf und erlaubt ihnen nicht nur die Transformation zu einem menschenartigen Wesen, sondern auch das Erlernen der menschlichen Sprache.
Vorkommen
Man findet sie an Gebirgsbächen, wo man Saiblinge und andere Flussfische fischt.
Lebensweise
Über die Lebensweise dieser Wesen ist nicht viel bekannt.
Kulturelle Bedeutung
Interaktionen mit Menschen
Iwana-bōzu erscheinen aus dem Nichts und fordern Leute auf, die angeln, diese Tätigkeit zu beenden und nach Hause zu gehen. Normalerweise wenden sie sich an Menschen, die mehr Fische fangen, als sie zum Überleben brauchen, und nicht an diejenigen, die nur so ihre Familien ernähren können. Iwana-bōzu richten sich insbesondere gegen diejenigen, die extreme Fischereimaßnahmen anwenden, wie zum Beispiel die Vergiftung eines Flusses mit japanischem Pfeffer (Zanthoxylum piperitum), wodurch die Fische an die Oberfläche schwimmen und sie leicht zu fangen sind. Oder andere zwielichtige Methoden.
Iwana-bōzu halten Vorträge darüber, wie man auf unnötiges Töten verzichten sollte und nur dann ein Leben nehmen sollte, wenn es zum Überleben notwendig ist.
Da sie sich kleiden wie ein buddhistischer Priester und auch so verhalten, werden sie normalerweise nicht sofort als Yōkai erkannt. Erst später, nach der Abreise des Iwana-bōzu oder der eigenen, kommt einem etwas komisch oder merkwürdig vor und man erkennt, dass die Person, die man für einen Priester hielt, in Wirklichkeit ein Yōkai in Form eines Iwana-bōzu war.
Das Ausschlagen der Mahnungen des Iwana-bōzu kann zu einer Selbstvergiftung (u.a. durch giftige Dämpfe) oder auch einer Verfluchung führen.
Mythologie
Vor langer Zeit fischten in Gifu mehrere junge Männer an einem Bach. Sie nutzten Techniken mit Gift, um noch größere Mengen Fische zu fangen, als es ihnen sonst möglich gewesen wäre. Während sie eine Mittagspause machten, tauchte plötzlich aus dem Nichts ein buddhistischer Priester mit glänzender Glatze auf und näherte sich ihnen. Der Priester fragte die jungen Männer, ob sie mit Gift fischen würden.
Die jungen Männer antworteten ehrlich, dass sie Gift verwendeten.
Der Priester forderte sie auf, auf diese Weise mit dem Fischen aufzuhören. Es war eine schlechte Art zu fischen. Es war grausam und verursachte übermäßige Todesfälle, was eine Sünde darstellte.
Die jungen Männer protestierten, dass sie an ihren eigenen Lebensunterhalt denken müssten. Aber der Priester blieb hartnäckig und ermahnte sie, kein unnötiges Leben zu nehmen. Aus Höflichkeit einigten sie sich schließlich darauf, nicht mehr mit Gift zu fischen. Der Priester schien zufrieden zu sein und die jungen Männer boten ihm etwas Reis in einer Schale zum Essen an. Der Priester nahm das Essen dankbar an und ging dann.
Nachdem sie mit dem Mittagessen fertig waren, gingen die Männer wieder angeln. Trotz allem, was sie dem Priester gesagt hatten, hatten sie nicht die Absicht, mit dem Giftkonsum aufzuhören. Plötzlich tauchte der größte Fisch, den sie je gesehen hatten – über 180 Zentimeter lang – im Fluss auf! Sie warfen immer mehr Gift in den Fluss und konnten den Riesenfisch fangen.
Freudig kehrten die jungen Männer, mit einem riesigen Fang beladen in ihr Dorf zurück. Sie beschlossen, aus dem Riesenfisch ein Festzumachen. Als sie den Fisch zubereiteten, schnitten sie ihm den Magen auf und herausfiel der Reis samt Schale, den sie dem Priester gegeben hatten!
Die jungen Männer hatten solche Angst, dass keiner von ihnen bereit war, den Fisch zu essen.
Wissenschaftliche Erklärungsversuche
Iwana-bōzu-Geschichten gibt es in allen Teilen Japans. In einigen Gebieten sollen sich auch andere Fischarten wie Yamame (Oncorhynchus masou masou; Masou-Lachs), Unagi (Anguilla japonica, Japanischer Aal) und in Küstenregionen auch Dorsche (Gadidae) in Menschen verwandeln und die Menschen vor den Fischen, gegenüber grausamer und exzessiver Fischerei warnen. Diese Geschichten unterscheiden sich in einigen Details, folgen aber alle einem ähnlichen Erzählmuster.
Allen Geschichten gemeinsam ist das Ende, in dem der Fisch getötet und aufgeschnitten wird und der Inhalt seines Magens seine Yōkai-Natur offenbart.
Taxonomische Stellung
Der Iwana-bōzu gehört zu der sehr formenreichen Gruppe der Yōkai, welche allerdings keine Verwandtschaftsgemeinschaft beschreibt, sondern übernatürlichen Kreaturen und Phänomene, die in der japanischen Folklore vorkommen. Taxonomisch ist er den Fischen (Pisces), genauer den Knochenfischen (Osteichthyes) zuzurechnen, danach wird die Stellung fraglich, da sich Iwana-bōzu nicht auf eine Fischgruppe, wie etwa die Saiblinge (Salvelinus), beschränken.
Neben dem fischartigen Charakter zeigt Iwana-bōzu Züge eines Hominoiden, diese Charakteristika werden allerdings nicht durch eine taxonomische Verwandtschaft, sondern eine spirituelle Erleuchtung erreicht.
Nachweise
- 村上健司編著『妖怪事典』毎日新聞社、2000年、48-49頁。ISBN 978-4-620-31428-0。
- https://yokai.com/iwanabouzu/ Abgerufen am 24.11.2023