Dieses Kapitel ist entstanden aus einem Prompt der Gruppe "Beauties And Beasts - Adults Only". Das Bild zeigt zwei Männer, die sich sehr ähnlich sehen, von denen einer den schlafenden anderen auf den Nacken küsst. (siehe hier: https://www.dropbox.com/s/kj1l6fhdk35tlli/tumblr_nafgrxsF2U1sq598ko1_500.jpg?dl=0)
Achtung: Ist ein wenig gruselig geworden.
„Du könntest eigentlich bei mir übernachten, meinst du nicht, es ist so langsam an der Zeit?“ Tanja lächelte Tim verführerisch an und ihre rehbraunen Augen zeigten eindeutig ein Begehr, das er nur allzu gerne beantworten wollte.
Es gab da einen Gedanken, ganz leise, mehr in seinem Herzen als in seinem Kopf, der nein sagen wollte. Doch er nickte schon und Tanja lachte leise und zog diesen hübschen Mann zu sich und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Sie übernahm die Führung und zog ihn zur Haustür, öffnete diese, schaltete das Licht an und drehte sich wieder zu ihm um.
„Aber pssst“, legte sie ihm ihren Zeigefinger auf den Mund. „Die anderen in der WG schlafen bestimmt schon.“
„Natürlich“, bestätigte er. Sein Gesichtsausdruck beantwortete ihre offensichtliche Lust mit schelmischer Vorfreude. Seine Zungenspitze berührte ihren Zeigefinger, der immer noch vor seinem Mund schwebte, und schließlich nahm er den ganzen Finger in den Mund, lutschte ihn auf eine Art, die sie aufstöhnen ließ.
Er hob eine Augenbraue: „Ob wir die anderen dann nicht doch wecken werden?“
„Ach was, es ist eine Studenten-WG, die haben auch alle hin und wieder Besuch. Wir schaffen das.“
Sie sprangen die Stufen hoch zum Wohnungseingang. Leise schloss sie die Tür auf und beleuchtet von einem Nachtlicht, zogen sie ihre Schuhe aus.
„Hast du noch eine Zahnbürste für mich?“
„Klar, Tim. Nimm dir eine aus der linken Tür am Spiegelschrank, das ist meine Seite.“
Mit einem „Ok, bis gleich“, verschwand er im Bad und zog sich sein Sweatshirt aus und betrachtete sich für einen Moment im Spiegel. Aus dem Spiegel blickte ihn ein Mann mit schwarzen kurzen Haaren, fein gezogene Augenbrauen und Drei-Tage-Bart entgegen. Er schluckte und sah, wie sich der Adamsapfel in seinem Spiegelbild auf- und abbewegte. Sah sich seine trainierte Brust und seinen Sixpack an. Wie oft wurde er schon von Frauen angeflirtet, doch er wartete beharrlich, bis er sicher war, die richtige getroffen zu haben. Und Tanja war perfekt. Nicht nur, dass sie ihm gefiel. Sie hatte etwas in ihrer Art, was ihn so begeisterte; eine Offenheit, eine Neugierde auf das Leben und Ideen für die Zukunft.
Mit Vorfreude auf das, was gleich folgen würde, packte er eine Zahnbürste aus und beugte sich über das Waschbecken, um sich die Zähne zu putzen. Da hatte er das Gefühl, es ist noch jemand im Bad und drehte sich um. Aber Unsinn, da war natürlich niemand. Es wäre ihm ja wohl aufgefallen, wenn ein anderer Mitbewohner gerade auf der Toilette gewesen wäre. Wieder putzend über dem Waschbecken spürte er plötzlich eine Hand auf seinem Rücken. Erschrocken fuhr er hoch und sah sich selbst im Spiegel zweimal. Er drehte sich um, doch da war niemand. Er spürte, wie die Farbe aus seinem Gesicht wich und langsam traute er sich, sich wieder zum Spiegel zu drehen.
Dort stand er wieder, eine zweite Version von ihm. Erstarrt vor Schreck konnte er sich gar nicht mehr bewegen, doch der andere hinter ihm blickte ihn an, liebevoll und ein wenig besorgt. Dieser zweite Mensch, oder was immer es war, legte vorsichtig eine Hand auf Tims Schulter. Warm und weich fühlte sie sich an. Ganz dicht kam diese Figur an ihn heran, die andere Hand fuhr an Tims Seite nach vorne zum Bauch und zog ihn dicht an sich. Erst jetzt merkte er, dass der andere ebenfalls mit nacktem Oberkörper da stand. Wie wohlig war doch die Wärme des anderen. Doch die Angst gewann wieder die Oberhand. Mühelos konnte er sich umdrehen, doch was immer da war, es war verschwunden.
Die Badezimmertür öffnete sich: „Du brauchst aber lange.“ Wieder erschrak er und mit der Zahnpaste im Mund und seinen aufgerissenen Augen, bekam es auch Tanja mit der Angst zu tun. „Hast du ein Gespenst gesehen?“
Er spuckte ins Waschbecken und spülte seinen Mund aus. „Spukt es bei euch?“
„So, wie du aussiehst, denke ich schon. Aber bisher gibt es hier keine Berichte über Geister.“
„Ok, lass uns schlafen gehen.“ Er ging an ihr vorbei in ihr Zimmer, entledigte sich auch noch von Jeans und Socken, und stieg ins Bett.
Als auch Tanja bei ihm lag spürte sie, wie sehr er zitterte. „Ich glaube, wir verschieben, was wir machen wollten. Was hast du denn gesehen?“
Doch als Antwort schüttelte er nur den Kopf. Er wollte nicht, dass sie ihn für verrückt erklärte.
Es dauerte, bis er schließlich eingeschlafen war, und einen aufwühlenden Traum vor seinem inneren Auge erlebte. Irgendetwas auf dem Meer. Die Wellen um ihn herum gestatteten ihm nicht, zu erkennen, ob es irgendwo Land gab, wo er sich hinbewegen konnte. Doch etwas trug ihn und es dauerte, bis er das Land erkennen konnte, auf das er sich zubewegte. Vollkommen erschöpft schlief er am Strand liegend ein. Wie lange er dort lag, wusste er nicht, doch es war Nacht, als er wieder wach wurde. Jemand lag ganz dicht an ihm und küsste ihm den Nacken. Zunächst dachte er an Tanja, die vielleicht doch versuchte, in ihm die körperliche Lust zu wecken. Doch er spürte eindeutig die Bartstoppeln eines Bartes.
„Sch... Sch....“, besänftigte ihn eine Stimme, die fast identisch seiner eigenen war. „Du bist hier sicher.“
Tim drehte sich um und schaute in etwas, das wir ein Zwilling von ihm aussah. „Vor was bin ich sicher.“
„Vor dir selbst.“
„Was meinst du? Wer oder was bist du?“
Seine Fragen wurden jedoch nicht beantwortet. Der andere schaute Tim an, liebevoll, als wäre er ein Kleinod, über das er sich freute. Er kam näher und küsste Tim auf die Stirn. Unfähig, sich selbst zu bewegen, nahm er hin, was mit ihm geschah. Was hätte er sonst auch tun sollen?
„Erkennst du mich nicht wieder?“
Angestrengt dachte er nach. Da erinnerte er sich wieder: Als er vielleicht fünf oder sechs Jahre alt war, spielte er ab und zu in seinem Kinderzimmer mit seinen Lego-Steinen. Da war der dieser Zwilling auch da, sprach mit ihm und bewunderte ihn dafür, was ihm mit den Legosteinen zu bauen gelang.
„Die Legosteine, dafür hatte ich dich wirklich bewundert.“ Konnte er Tims Gedanken lesen? „Und in der Pubertät...“, kicherte er.
„Da warst du auch da?“
Der andere fuhr mit der Hand durch Tims Haare und nickte. „Wie du immer die Taschentücher vor Mutter versteckt hattest. Das war lustig.“ Tim merkte, wie sich sein Gesicht rot färbte.
„Wer oder was bist du?“
„Ist das denn so schwer? Sieh mich an!“
„Bin ich schizophren?“
„Nein, du bist alles, nur nicht schizophren. Ich bin dein Bruder, der die Chance des Lebens nicht erhalten hat.“
Tim war verwirrt. „Was soll das bedeuten?“
„Du wirst es gleich verstehen“, lächelte er ihn an. Dann beugte er sich über ihn und küsste ihn auf den Mund. Wieder diese Weichheit der Lippen, die seine berührten, weicher noch als die Tanjas. Tatsächlich erregte es ihn, was er bereits merkte, bevor die Hand seines selbsternannten Bruders zwischen seinen Beinen ankam und eben diese Erregung zu massieren begann.
„Was tust du da?“
„Ich erfülle einen großen Wunsch“, gab sein Ebenbild zurück. Er schenkte Tims Körper Küsse über Küsse, an seinem Hals, auf der Brust, herunter über den Bauchnabel, bis zum Zentrum der Lust. Tim stöhnte auf, als sich die Lippen seines Doppelgängers über seine Erektion schoben und ihn gekonnt mit der Zunge verwöhnte. So lange, bis er sich in diesen Mund ergoss. Mit aufgerissenen Augen blickte Tim an sich herunter, sah den Mann an, der ihn eben beglückte, doch wusste nicht, was er davon halten wollte. Es wäre garantiert nie sein Wunsch gewesen, von seinem Bruder oral befriedigt zu werden. Doch der andere schaute glücklich hoch zu ihm.
Plötzlich stand er auf: „Komm, ich zeige dir was.“ Tim gelang es, sich zu bewegen und ließ sich hochziehen. Etwas schwerfällig in den Beinen folgte er dem anderen hin zu einem Felsen, in dem eine schmale Öffnung den Weg hinein freigab.
„Hier ist ein kleines Wunder.“
„Was denn?“
„Sieh es dir an.“ Ehe er sich versah, schob ihn sein Zwilling in den Felsen hinein. Dunkelheit umfing ihn. Dunkelheit und ein Geräusch rollender Steine.
„Was soll das? Wo bist du?“
„Ich bin hier draußen.“
„Hey!“ Panik stieg in Tim auf. Doch wohin er auch sah, war nur Schwärze.
„Ich will auch einen Teil des Lebens haben, dir nicht nur zusehen, zumal du dir ja auch gar nichts gönnst.“
„Was meinst du?“
„Hätte unsere Mutter wenigstens den Schneid gehabt, mir auch einen Namen zu geben. Dann hätte ich vielleicht Frieden finden können.“
Tim schrie noch eine Weile, doch sein totgeborener Bruder konnte ihn nicht mehr hören. Der schwamm zurück ins Leben. So viele Jahre hatte er sich auf diesen Moment vorbereitet, die Gelegenheit gesucht, den Ort geschaffen, an dem Tim gefangen von seiner eigenen Angst eingesperrt sein würde. Wie gerne wäre er mit Tim zusammen auf der Welt gewesen, wäre so gerne mit ihm aufgewachsen. Doch er konnte ihm immer nur zusehen. Meist unsichtbar, nur wenn Tim emotional aufgeladen und irgendwie im Flow war, passierte es ihm, dass er von ihm gesehen wurde. Bis heute verstand weder er noch Tim dieses Phänomen. Doch das war jetzt auch egal. Gleich würde er aufwachen und in Tanjas Augen schauen. Er wusste bereits, wie er sich auch von ihr lösen würde, denn die Liebe, die er suchte, war die eines anderen Mannes.