Der Text ist im Rahmen der Gruppe Beauties and Beasts - Adults Only entstanden. Der Prompt zeigt einen halbnackten, jungen Mann, der im Bett eine Zeitschrift liest: https://www.dropbox.com/s/ru96pzuen68omm8/91e8c7a8d53876dc29009800bcb4e916%20%281%29.jpg?dl=0
Die Pseudo-Harfe tönte aus dem Handy und ließ es vibrieren. Eine Nachricht: „Hallo“. Wie sehr er es hasste, wenn die Leute nicht gleich zu Potte kamen, aber es war nichts Ungewöhnliches, Menschen hatten Berührungsängste, obwohl es ja genau darum ging. Er wurde auf diesem Konto angeschrieben, um jemanden zu berühren, und das auch an den intimen Stellen eines Mannes, und wenn der Preis stimmte, sogar mit Hilfe seiner eigenen intimen Körperteile. Ein relativ neues Profil meldete sich mit dem „Hallo“, die Bilder des Oberkörpers sahen toll aus, vielleicht sogar zu toll. Da war er lieber etwas vorsichtiger.
„Hallo, hübscher Mann“, schrieb er zurück. Die Nachricht war direkt gelesen. Eigentlich ein gutes Zeichen.
„Ich schreibe dir, weil ich dich auf den Escort-Seiten gefunden habe.“ Natürlich hat er das, sonst hätte er ja die Nachricht nicht an diesen Account schreiben können. Er schüttelte nur den Kopf, gleichzeitig freute er sich, weil es ein ganzer Satz mit Subjekt, Prädikat und Objekt war, sogar der Kausalsatz war nicht umgangssprachlich. „Ich habe Interesse, von dir beglückt zu werden, damit mein Novemberblues endlich vorbei ist“, erschien mit einem weiteren Harfen-Sound auf dem Bildschirm. Wie galant doch die Formulierungen waren. Er reagierte inzwischen schon gar nicht mehr auf so Sätze wie: „Ficken, was kostet?“ Auf jeden Fall, dachte er, ist es eine interessante Person, selbst wenn die Bilder nicht stimmen würden.
„Wie kann ich dich denn vom Novemberblues befreien? Wir haben ja schon Dezember.“ Gelesen war die Nachricht sofort, doch die Antwort brauchte einen Moment.
„Ich hoffe, es ist nicht zu merkwürdig. Ich würde mich sehr freuen, wenn du zu mir kommst, und du mich mit Zunge oder Hand, wie es dir gefällt, im Bett verwöhnst.“
Eigentlich nichts Ungewöhnliches: „Was ist daran merkwürdig?“
„Ich werde dabei eine Zeitschrift lesen.“ Ok, das war jetzt tatsächlich nicht normal, aber auch nicht das Seltsamste, was er bisher erlebt hat.
„Wenn du am Ende glücklich bist, werde auch ich das sein.“ Warum diskutieren? Die Menschen hatten die unterschiedlichsten Fetische, und er stellte so etwas grundsätzlich nicht in Frage.
„Danke, das Geld liegt dann in Griffnähe :-).“
Ok, endlich mal jemand, der sich auch die Mühe machte, das Profil zu lesen, und sich nicht nur die Bilder anschaute. Sie verabredeten sich, es war zum Glück nicht weit weg, und er würde die Instruktionen, die er bekam genau befolgen.
Frisch geduscht und mit seinem Lieblings-Parfum, einer eher holzigen Note, verfeinert mit einem Hauch rauchigen Weihrauchs, beduftet, machte er sich auf den Weg. Keine zehn Minuten später stand er vor einem Mehrfamilienhaus und klingelte. Eine zwar tiefe, aber samtweiche Stimme fragte aus dem Lautsprecher: „Ja, bitte?“
Er merkte, dass er ihm in keiner Nachricht mit seinem Namen geantwortet hatte. Da aber gerade Passanten an ihm vorbeigingen, entschied er, nicht seinen Nicknamen, Phalluswellness, zu sagen, sondern meinte einfach: „Phally hier.“ Der Öffner surrte und er ging hinein. Fremde Häuser fand er immer interessant. Alleine die Gerüche sprachen schon Bände. In diesem Haus jedenfalls wohnten vor allem ältere Leute. Die verschiedenen Gerüche noch vom Mittagessen, die sich im Treppenhaus trafen, erzählten von alten Rezepten, in denen Rinderkraftbrühen noch selbst und nicht mit einem Pulver zubereitet waren. Irgendwie fühlte es sich heimisch an.
Ganz nach oben musste er, und natürlich gab es keinen Fahrstuhl. Warum müssen Schwule immer so weit oben wohnen? Er lächelte, er wohnte ja schließlich auch in einer fünften Etage. Vielleicht war es ja der geheime Wunsch auf einen knackigen Hintern. Er lächelte über seinen Gedanken, denn er wusste, dass die Treppe für die Figur, die er hatte, nicht ausreichen würde.
Er kam oben an und wie vereinbart war die Tür nur angelehnt. Leise Klaviermusik, ein wenig melancholisch, begrüßte ihn. Er war gebeten worden, nichts zu sagen, daher folgte er der Musikquelle, die ihn auch zum Schlafzimmer führte. Eine Duftkerze, wie sein Parfum ein warmer Holzton, war neben dem Dunkelgrau des Himmels draußen die einzige Lichtquelle. Auf dem Bett saß er, genauso, wie ihn die Bilder in seinem Profil gezeigt hatten: sportlich schlank, mit einer schwarzen Jeans aber ohne Socken. Wenn doch nur alle seine Kunden so aussehen würden. Während er sich selbst auszog, überlegte er, warum er „Darling“ las. War das nicht eine englische Frauenzeitschrift? Aber jedem seins, er zuckte nur mit den Schultern und schaute sich weiter um. Alles war elegant, die unverputzte Wand aus Ziegelsteinen, das braune Leder am Kopf des Bettes, selbst die weiße Bettwäsche zeugte von Qualität und Ästhetik.
Selbst nackt, begann er mit seiner Arbeit. Nein, sagte er sich, heute ist es keine Arbeit, heute sollte es pures Vergnügen werden. Er liebte, was er machte, denn seine ewigwährende Lust brauchte ein Ventil, und mit diesem verdiente er sogar noch Geld. Apropos Geld, sollte da nicht irgendwo welches liegen? Egal, er würde es finden.
Er berührte erst die Füße, selbst die sahen ästhetisch aus, doch seine Finger waren von der Kälte draußen noch eisig, so zuckte der Mann im Bett und brummte kurz. Oder war da auch ein kleines Lachen dabei? Er versuchte es noch einmal, dieses Mal nur mit einem Finger und tatsächlich ließ sich der andere darauf ein. Doch warum nicht auch etwas Warmes ergänzen? Er küsste ihm auf den Fußrücken und brauchte nicht lange auf eine Reaktion warten; ganz wenig nur wurde ihm der Fuß entgegengestreckt. So küsste er weiter. Er roch das noch frische Duschgel, und traute sich, den Fuß auch zu lecken. Die Reaktionen blieben nicht aus, ein leises Seufzen deutete an, wie gut es dem anderen gefiel. Dann nahm er den großen Zeh in seinen Mund, umschloss ihn und saugte daran. Wieder ein tiefes Seufzen. Er war sich sicher, dass nicht nur sein Blut den Weg zur Körpermitte favorisierte, sondern auch das des Mannes im Bett. Der blätterte in der Zeitschrift. Las er wirklich? Oder war das nur der Wunsch auch an ihn, die nächste Seite aufzuschlagen, den nächsten Schritt zu gehen?
Mit ausreichend Berührung und genussvoll streichelte er die Beine hoch. Drückte und massierte leicht die Muskeln, die er zu spüren bekam. Der Kerl war wirklich gut durchtrainiert. Im Schritt angekommen, streichelte er sanft die Beule. Es war eindeutig, sie hatten beide Lust. Er konnte seine Kunden für gewöhnlich in zwei Kategorien einsortieren: Die, die sich sofort nackt auszogen, und die, für die das Ausziehen selbst auch schon zur Erotik gehörte. So wie der Mann auf dem Bett die Luft einsog, als er den ersten Knopf der Jeans öffnete, gehörte er definitiv zur zweiten Sorte. Also spielte er auch mit diesem Element. Ließ seine Hände über die Beine und die Seiten seines Bauches wandern, während er mit seinen Lippen auf die noch verpackte Körpermitte des anderen verteilte. Da spürte er es: Die Geldscheine waren irgendwo dort zu finden. Doch er ließ sich Zeit mit dem Ausziehen, spielte immer mit dem Körper unter ihm, während er Knopf für Knopf öffnete. Als der andere ihm das Becken entgegenstreckte, befreite er die Beine von der Jeans. Übrig blieb eine weiße Unterhose, unter der sich nicht nur eine Erektion sondern auch mehrere Geldscheine versteckten. Ein größerer Lusttropfen befeuchtete bereits das Textilstück. Doch er ließ sich Zeit, beugte sich über die Körpermitte und bedeckte mit seinem eigenen Körper die Beine unter ihm. Wie zufällig setzte er den Mann durch Berührung mit seinem eigenen Penis in Kenntnis, dass auch er ganz angetan war von dem, was hier geschah. Wieder senkte er die Lippen auf die Unterhose, berührte den Kerl an so vielen Stellen wie möglich gleichzeitig. Immer wieder schob der ihm das Becken entgegen, forderte ein, wofür er bezahlte. Mit einem Griff von unten befreite er zumindest den Hodensack des Mannes. Er roch daran, denn trotz Dusche herrschte hier schon längst wieder der ganz spezielle Geruch dieses Mannes. Der hier jedenfalls roch zum Reinbeißen, was er sich natürlich nicht traute. Doch seine Zunge spielte bereits mit dem, was er freigelegt hatte. Er saugte daran und nahm umschloss, soweit er es schaffte, den Sack mit seinem Mund. Er merkte gerade noch, wie die Hoden nach oben gezogen wurden und ihm gerade wieder entglitten, als der Mann unter ihm aufstöhnte und zuckte. Er machte einfach weiter, wollte, dass dieser Moment so lange dauerte, wie nur möglich, und tatsächlich brauchte der andere eine ganze Weile, bis er sich wieder beruhigt hatte. Das Ergebnis war statt eines kleinen Flecks der Vorfreude ein großer der Ekstase.
Nun musste er doch leicht lachen und merkte, dass auch der Bauch des anderen nicht mehr wegen eines Orgasmus zuckte. Lachend legte er seinen Kopf auf dem Bauch ab und schaute zur Seite. Da sah er ihn. Im Spiegel schaute der andere zurück. Erst glücklich und dann erschrocken, da das passiert war, was er nicht wollte: Der andere sah ihn an, direkt in die Augen, das Lachen verschwunden.
Der legte die Zeitschrift weg und sie hielten für eine Weile über den Spiegel Blickkontakt.
„Entschuldigung“, begann der andere. „Ich wollte nicht auch noch dich erschrecken.“
Der Escort ahnte, worauf es hinauslief, und setzte alles auf eine Karte. „Hast du aber.“
Er schaute weg, den Tränen nahe, und erklärte: „Es sind doch nur die Narben eines Brandes.“
„Achso, nein, die haben mich nicht erschreckt.“
„Was denn dann?“
„Dass du vielleicht hättest doch noch anal haben wollen, weil der hier“, er rieb über die inzwischen ganz nasse Unterhose, „richtig, richtig groß ist.“ Dann erst setzte er sich auf und schaute ihm in die Augen, die, verschont vom Feuer, die schönsten waren, die er je gesehen hatte. „Rehbraun“, murmelte er.
Der andere verdrehte die Augen. „Also wenn, dann bitte hirschbraun!“ Endlich konnten beide lachen. Er griff sich in seine Unterhose und holte die Geldscheine hervor, die natürlich voll des Liebessaftes waren. „Äh, tut mir echt leid, mehr habe ich gerade nicht hier.“
„Mmh, ich tausche auch gegen eine Tasse Tee und eine Revanche.“
Ein Lächeln breitete sich auf dem vernarbten Gesicht aus. „Einverstanden. Dann erst einmal Wintertee und Schnee schauen.“ Tatsächlich: Draußen schwebten dicke Flocken vom Himmel und haben die umliegenden Dächer bereits weiß gefärbt wie eine kuschelige Bettdecke.
Nur wenige Tage später stellte Patrick seinen Wellnessbetrieb ein, denn was mit einem Novemberblues-Mann begann, stellte er seinen Freunden jetzt als „November-Mann“ vor. Wann immer jemand fragte, ob sie sich denn im November kennengelernt hätten, sagten sie immer lachend: „Nein, im Dezember!“, behielten jedoch die Details der Geschichte für sich.