Der nächste Charakter auf der Liste von Limayeel. Heute ist Ascarna dran - eine Sphinx, in diesem Fall genauer eine junge Frau, die sich in eine Löwin verwandeln kann. Ob das genügt, um aus der Arena zu entkommen?
Zu Limayeel: https://belletristica.com/de/users/1291#profile
Zu Ascarnas Geschichte (Erster Band der Anthar-Trilogie):
https://belletristica.com/de/books/21897/chapter/93375
☠ DEATHRUN ☠
<1> Die Oase
Seitdem sie Mutter geworden war, war die Wüste für Ascarna mit zwiespältigen Gefühlen verbunden. Sie liebte die Freiheit, die sie darstellte, dieses weite Land unter dem offenen Himmel. Aber immer schwang eine gewisse Sorge mit, wenn sie ihre Drillinge in der Obhut ihres Volkes zurückließ und, so wie jetzt, loszog, das Gebiet vor ihnen auszukundschaften.
Sie hatte Wasser gewittert, deshalb war sie hier. Der Geruch wurde langsam deutlicher. Irgendwo vor der kräftigen, jungen Frau lag eine Oase. Ein willkommener Rastplatz für ihr Volk, dessen Führung sie nach dem Tod ihres Mannes übernommen hatte.
Sand knirschte in ihren Sandalen. Der warme Wind zupfte an ihren braunen Leinengewändern und den Strähnen, die sich aus ihrem geflochtenen Zopf gelöst hatten. Ascarna marschierte weiter, leise, denn sie wusste, dass Wasserlöcher selten unbesucht waren.
Wie befürchtet, so war es auch hier. Als sie über eine Düne spähte, sah Ascarna drei Reiter. Sie ließen ihre Pferde trinken, saßen jedoch im Sattel und sahen sich um. Die junge Frau ließ den Blick über die Männer gleiten. Mit dem hellen Haar war sie im Wüstensand genauso gut getarnt wie eine Löwin im Pelz, davon abgesehen, dass ihre Haut dunkler als der Sand war. Doch die Reiter hatten sie noch nicht bemerkt.
Sie waren leicht bewaffnet, ihre Kettenhemden hatten sie ausgezogen. Sehr gut! Dann würden sie keine große Gefahr darstellen.
Klüger wäre es wohl, umzukehren und nach einem anderen Wasserloch zu suchen, oder doch wenigstens zu ihrem Volk zurückzukehren und mit mehr Kriegern zurückzukehren.
Aber das fühlte sich an, als würde sie aufgeben. Und Ascarna gab nicht auf. Nicht angesichts von drei ahnungslosen Reitern!
Sie verwandelte sich und sprang über die Düne. Brüllend stürmte sie auf die drei Reiter zu. Die Pferde scheuten vor der Angreiferin, bäumten sich auf. Ascarna sprang das vorderste Tier an, schlug Krallen und Zähne in dessen Flanke. Fleisch riss. Das Pferd stieß einen gequälten Schrei aus. Ascarna zerfetzte Bauch und Sattelgurt. Sie spürte das Bein des Reiters zwischen ihren Krallen, ehe dieser fiel. Dann brach das Pferd zusammen und begrub, während die Löwin zurückfuhr, seinen Reiter unter sich.
Schmerz grub sich in ihre Seite. Aus dem Löwenmaul drang ein allzu menschlicher Schrei, mengte sich mit lautem Gebrüll. Sie wirbelte herum. "Verdammt!" Ein Pfeil steckte in ihrer Flanke. Einer der beiden Reiter hatte einen Bogen, den sie zuvor nicht bemerkt hatte. Sie riss das schmerzende Geschoss mit den Zähnen aus ihrer Seite, ohne sich um das spritzende Blut zu kümmern, und wandte sich den beiden verbliebenen Reitern zu.
Sie flohen nicht, hatten ihre Pferde unter Kontrolle gebracht. Eigentlich hatte Ascarna auf das Überraschungsmoment gesetzt. Jetzt spannte der eine seinen Bogen erneut, der andere ritt, einen Speer in der Hand, auf sie zu.
Sie tauchte unter dem zweiten Pfeil hindurch, sprang vor, biss nach dem Speer. Dann wich sie fauchend zurück - die Speerspitze war aus Eisen. Sie spürte Kälte prickelnd durch ihren Körper jage. Noch könnte sie ihre Löwengestalt beibehalten, doch sie verwandelte sich trotzdem, während sie zwischen den Reitern hindurchtänzelte und dem stechenden Speer auswich. Dann packte sie die Waffe mit beiden Händen und zog mit aller Kraft. Das Eisen brannte an ihrer Haut. Der Reiter ließ sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Ein Pfeil verfehlte sie nur knapp, da sie im letzten Moment nach vorne ging. Statt zu ziehen, drückte sie den Speer jetzt von sich. Der Reiter wurde überrascht und kippte nach hinten. Ascarna warf die Waffe weg und wechselte wieder in die Gestalt des Löwen. Während das nun reiterlose Pferd die Flucht ergriff, sprang sie auf den Liegenden und biss in seinen Hals.
Sie schmeckte Blut auf der Zunge, spürte, wie es das Fell um ihre Schnauze durchtränkte. Für das Wasser, für ihr Volk, musste sie diese Feinde beseitigen. Knurrend biss sie fester zu.
Dann riss ein Ruck sie herum, gefolgt von dem Schmerz, der ihr bereits vertraut war. Ein zweiter Pfeil, der etwas weiter hinten getroffen hatte. Zornig schlug sie auf den Schaft, der splitternd brach. Sie wirbelte zum letzten Reiter herum, dessen Pferd beim Anblick der herannahenden Löwin auf die Hinterbeine ging und ausschlug. Sie wich den Hufen aus und registrierte zufrieden, dass der Bogen in den Sand gefallen war. Jetzt würde der Mensch dafür bezahlen, dass er sie verletzt hatte!
Im nächsten Moment fiel ein Schatten über sie. Ascarna sackte unter einem Gewicht ein, das sich schwer und brennend kalt auf sie legte.
Eisen! Ein Kettenhemd, das der Reiter direkt auf sie geworfen hatte!
Sie schüttelte sich, wollte das schwere Hemd abwerfen, aber sie merkte, wie ihr die Gestalt der Löwin entglitt. Blut sprudelte in kräftigen Stößen über ihre Seite. Ihre Pfoten rutschten im Sand aus, wandelten sich zu Händen. Sie sackte auf den Bauch, knurrte, wand sich. Dann spürte sie die Schwäche mit einem Mal deutlicher. Die Kälte überwältigte sie und unter ihr war so viel Blut.
Ihr wurde schwarz vor Augen.
☠
<2> Die Zelle
Als sie die Augen aufschlug, sah sie zuerst das Eisen. Gekreuzte Stäbe umgaben sie auf allen Seiten, vier Wände, eine Decke aus Gittern. Ascarna kauerte auf einem Karren, auf dessen Ladefläche eine Zelle montiert war.
Übelkeit regte sich in ihr. Als sie sich bewegte, schienen ihre Seiten mit einem Mal in Flammen zu stehen. Sie wimmerte, ohne es verhindern zu können.
"Ah, du bist also wach."
Sie riss den Kopf hoch. Sie war nicht allein! Der Karren stand in der Wüste, umringt von einigen weiteren Reitern. Den direkt neben sich erkannte sie. Der Reiter, der sie eingefangen hatte. Sein Blick war kalt vor Hass, doch er lächelte.
"Du bist spät dran, sie sind fast fertig."
Mit einem selbstgefälligen Grinsen wies er zur Seite.
Ascarna folgte der Geste mit dem Blick - und erschrak. Vor ihr kauerten Sphinxe. Sie waren umringt von Soldaten, die mit Speeren nach denen in Löwengestalt stießen, und Kettenhemden aus Eisen wie Schilde vor sich hielten. Viele von Ascarnas Volk hatten menschliche Gestalt angekommen und kauerten weinend auf der Erde, zu erschöpft, um noch zu kämpfen. Dazwischen lagen Leichen im Sand, der sich rot und braun gefärbt hatte.
"Nein!", rief sie erschrocken aus. "Lasst sie in Frieden!"
"Deine Leute?", fragte der Soldat im Plauderton. "Kanntest du die drei da? Sie schienen dich erkannt zu haben. Wollten jedenfalls unbedingt zu dir."
Drei kleinere Gestalten. Ascarna heulte auf, als sie ihre Drillinge erkannte. Das durfte nicht sein! Nicht ihre Söhne!
Sie warf sich gegen das Gitter, ohne sich um die schwächende Berührung des Eisens oder den Schmerz ihrer frischen Wunden zu kümmern. Verzweifelt streckte sie die Hand nach den drei kleinen Leichen, als könnte sie sie noch erreichen. Der Karren wackelte unter ihren Bemühungen, doch mehr bewirkte sie nicht. Kein Schrei konnte die Toten lebendig werden lassen.
Der Soldat lachte nur. Er lachte die gesamte Zeit, die sie zusehen musste, wie auch die letzten Überlebenden abgeschlachtet wurden. Sicher hatte ihre Spur die Feinde zu den Sphinxen geführt. Es waren viel zu viele Soldaten, offenbar hatte sie es lediglich mit drei Spähern zu tun gehabt.
Die brutalen Häscher ließen niemanden am Leben. Dann versuchten sie noch, die Toten in Löwengestalt zu häuten. Ascarna wandte den Blick ab, aber die rauen Rufe und das Gelächter konnte sie nicht ausblenden.
"Und was machen wir jetzt mit ihr?", fragte einer, was sie schließlich aus der entsetzten Starre riss. Noch immer lag sie auf der Seite, zusammengekauert, und fragte sich, warum sie nicht weinen konnte.
"Was denkt ihr, wird sie als Sklavin einen guten Preis erzielen? Vielleicht kauft sie ja ein Wanderzirkus auf!"
Sklavin. Ein Leben in Eisenketten. Ihr Hals schien sich bei der Vorstellung zuzuziehen. Hilflos ballte sie die Hände zur Faust, löste diese gleich wieder.
Was gab es noch zu tun? Wofür sollte sie kämpfen? Sie wusste, dass es zum Teil das Eisen war, dem sie in dem engen Käfig nicht mehr entgehen konnte. Es schwächte sie, entzog ihr das letzte bisschen Kampfkraft, das ihr noch geblieben war.
Reglos, mit offenen Augen, lag sie da und hoffte, dass sie den Pfeilwunden erliegen würde. Noch immer rann ihr Leben mit dem Blut aus ihr heraus. Der Tod wäre wenigstens gnädiger als ein Schicksal in Gefangenschaft.