Charakter drei von drei aus der Schuldenliste. Heute trefft ihr Dhunya - Limas Charakter in meinem Hyphurion-Pen&Paper. Die Zwergin Dhunya ist eine reisende Giftmischerin aus dem europäisch angelehnten Lirhajn und im Laufe der Spielrunden mit dem Wabawi (aka Cowboy) Rikhon zusammengekommen. Zu ihrem Pech ...
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☠ DEATHRUN ☠
<1> Albtraum
Das Gesicht des Händlers hatte etwas Froschartiges an sich. Ein breiter Mund, in dem schiefe, gelbliche Zähne grinsten, Glubschaugen, ein kahler Schädel, den selbst die Kapuze des Sabibs nicht verbergen konnte.
In den knotigen Händen hielt er eine Phiole, deren Inhalt von dunklem Violett war. "Ein Flugtrank", erklärte er grinsend. "Ich kann dich das Rezept lehren!"
Obwohl sie es inzwischen besser wusste, bewegte sich die Hand der Giftmischerin von selbst vorwärts. Dhunya ergriff das Glas, spürte eine Wärme, die der Trank ausstrahle, als handelte es sich um ein lebendiges Wesen.
Sowie ihre Finger das Glas berührten, ertönte ein Donnerschlag. Das Gesicht des Händlers verschwand, wich einer noch grässlicheren Fratze. Ein schuppiges Getier mit gelben Echsenaugen, dessen fetter Leib unter seinem Gelächter bebte. Dhunya spürte, dass sie fiel. Sie ruderte mit den Armen, an ihrer Hand klebte der Trank. Dämonisches Gelächter hallte im Donner, irres Kreischen, wilde Rufe in einer Sprache, die sie nicht verstand. Schatten wirbelten um sie herum, rissen ihre Kleidung in Fetzen und Streifen. Ihre Klauen trafen den Goldbeutel an ihrer Seite.
"Nein!", heulte sie auf, als die goldenen Dinan herausquollen wie Blut, in die Finsternis tropften, wo ihr kostbarer Reichtum gierig verschlungen wurde. "Neeeiiin!"
Sie fuhr in die Höhe. Keuchte. Kalter Schweiß lag auf ihrer Haut, fast eisig in der Nachtluft. Schwer atmend realisierte Dhunya, dass sie saß, in ihren Sabib gewickelt, den sie als Zelt um sich geschlungen hatte. Nicht weit entfernt lagen ihre Gefährten um die erkaltete Asche des Lagerfeuers. Ihr Schnarchen verriet, dass sie schliefen, bis auf einen.
☠
<2> Erwacht
"Alles in Ordnung, Giftzwerg?"
"Rikhon!" Noch immer spürte Dhunya das Fläschchen in ihrer Hand. Sie bewegte die Finger, ballte sie zur Faust, um das Echo des Traums verblassen zu lassen.
Der Wabawi hatte Wache gehalten und war zu ihr gekommen. Im Licht der Monde sah sie nur seinen Umriss. Der große Hut auf seinem Kopf, der Poncho, der vom Nachtwind bewegt wurde. Silbern blitzte der Lauf seines Revolvers auf.
Als er sich neben sie setzte, ließ sie zu, dass er sie in seine Arme zog. Bei dem Menschen fühlte sie sich geborgen genug, um diese Schwäche zuzulassen, sich fallen zu lassen. Dhunya schloss die Augen und atmete seinen herben Duft ein. Wie sie alle roch er nach dem langen Abenteuer, das hinter ihnen lag. Seit Wochen zogen sie durch die Wüste. Ihr Ziel, die Tasmada-Steppe, versprach ihnen mehr Reichtum als die Gegend um die Stadt Pforte - wo ihre Abenteurergruppe inzwischen auch einen gewissen Ruf hatte.
"War es schon wieder der Quacksalber?", fragte der Wabawi sanft. Er spielte mit ihren Fingern. Seine Hände waren größer als ihre - kein Wunder, als Mensch war er auch doppelt so groß wie sie. Es war irgendwie perfekt.
Wären da nicht die Albträume. "Ich kann diese blöde Fratze nicht mehr sehen!"
"Hat er was von neuen Schulden gesagt?"
Sie schüttelte den Kopf. "Ich glaube, das passiert nur, wenn ich einen Trank nutze. Also, ihn trinke. Dann verlangt er eine weitere Seele als Ausgleich. Aber wenn ich etwas braue, ist alles in Ordnung."
Niemals hätte sie gedacht, dass sie mal auf einen Dämon hereinfallen würde. Im Nachhinein war er offensichtlich. Die Tränke waren zu wirkungsvoll, um so preiswert zu sein. Es hatte einfach einen Haken geben müssen. Doch in ihrer Anfangszeit auf dem Kontinent hatte sie einfach nicht mit solchen bösen Fallen gerechnet.
Vielleicht war es auch ihr Ehrgeiz gewesen, der sie geblendet hatte. Neue Trankrezepte zu lernen - dafür war sie doch in die Neue Welt gekommen! Dies war der Goldene Kontinent, das Reich der unbegrenzten Möglichkeiten!
Leider verlangte diese Möglichkeit Seelen von ihr. Eine Schuld, die sie nicht mehr zurückzahlen konnte. So lange war ihre eigene Seele in größter Gefahr.
"Wir finden den Mistkerl", sagte Rikhon entschlossen. "Und dann exorzieren wir ihn!"
Keiner von ihnen war ein Priester. Aber spielte das eine Rolle? "Genau! Dem zeigen wir es!"
"Und bis es so weit ist, musst du lernen, im Reiten zu kämpfen!" Rikhon sprang plötzlich auf, sodass Dhunya fast in den roten Sand fiel.
"Hey!"
Der Wabawi zog sie auf die Füße. "Komm!"
Verwirrt stolperte sie ihm nach. Er ging zu der Stelle, wo ihrer Reittiere Seite an Seite dösten. Dhunya wehrte sich erst, als sie merkte, dass Rikhon auf sein Bakari zuhielt.
"Nein!"
"Dhunya - du muss das lernen."
"Das kann ich auch auf einem Kamel!" Den gehörnten Gazellenpferden traute sie nicht weiter, als sie sie werfen konnte. Es waren Pferde. Und wie jeder wusste, waren Pferde böse. Eine Horde Einhörner konnte ein ganzes Dorf auslöschen! Im Winterkrieg hatten die Pferde mal einen ganzen Soldaten gefressen. Und sicher fraßen sie auch Kleinkinder, wenn sie wussten, dass niemand diese vermissen würde.
"Bakaris sind aber schneller und stärker."
Sie trat Rikhon gegen das Schienbein und konnte so ihre Hände aus seinem Griff befreien. "Nein!"
"Au!" Vorwurfsvoll sah er sie an.
"Tut mir leid." Sie beugte sich schnell vor, packte sein Gesicht und küsste ihn. Sein Dreitagebart kitzelte ihren einen Vollbart. Nach der schnellen Entschuldigung trat sie zurück. "Aber du kriegst mich nicht auf den Rücken eines solchen Monsters!"
"Seilámi ist ganz lieb!"
"Ich sagte: Nein!"
Er kicherte. Dhunya schnaufte. Er hatte sie die ganze Zeit nur aufgezogen! Vermutlich wollte er sie von ihrem Albtraum ablenken. Der Mensch war süß. Er schaffte es immer, ihre Laune zu heben. Aber das würde sie ihm jetzt sicher nicht auf die Nase binden!
"Willst du vielleicht Touk nehmen?", bot er jetzt an.
Bockig verschränkte sie die Arme vor der Brust. "Nein." Um ehrlich zu sein, dem Racjallo traute sie auch nicht. Das waren Kamelpferde, nichts anderes!
"Komm schon, er ist vollkommen ungefährlich."
Sie starrte finster zu den Reittieren herüber. Eines hatte sich aus der Gruppe entfernt und kam auf sie zu. Natürlich war es ein Bakari! Es schüttelte die dunkle Mähne und sie versuchte zu erkennen, wessen Tier es war. Die Hörner waren zu lang für Seilámi.
"Rikhon, nein."
"Du willst doch kämpfen lernen! Oder willst du den Dämon vergiften, hm? Einen Trankbrauer-Dämon?"
Sie hasste das Thema. Deshalb war es ihr nur recht, dass sie ihn ablenken konnte. "Guck mal, das Tier da will mich fressen!"
Rikhon drehte sich um. "Zum letzten Mal, Bakaris sind Pflanzenfresser. Genau wie Pferde. Sie mögen überhaupt kein Fleisch."
"Warum kommt es dann so bedrohlich näher?" Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie wich hinter Rikhon zurück, zog mit der einen Hand an seinem Poncho, damit er mit zurückwich, und tastete mit der freien Hand nach ihrer Axt.
Doch Rikhon rührte sich nicht. Er streckte sogar die Hand aus!
Das Bakari trat noch näher. Es hatte helles Fell mit einigen dunkleren Zeichnungen, die im schwachen Licht rot wirkten. Dabei waren die Bakaris ihrer Gruppe doch gefleckt, oder nicht?
Im nächsten Moment sprang das merkwürdige Bakari vor und schlug die Zähne in Rikhons Hand. Der Mensch schnappte nach Luft. Dhunya konnte Knochen brechen hören. Dann brüllte Rikhon auf.
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<3> Realität
Als das Bakari den Kopf zurückriss, sah Dhunya dunkles Blut fliegen. Ihre Gefährten wurden nun ebenfalls wach. Sie sprangen auf, sahen sich panisch um, zückten Bögen und Dolche.
Rikhon fiel auf die Erde, den Stumpf der Linken presste er vor die Brust. Dhunya sprang mit einem Schrei an ihm vorbei und schwang die Axt gegen das Bakari. Dessen Augen glühten nun in feurigem Rot. Es wich zurück, schlug mit den Vorderhufen nach ihr. Dhunya hatte ein Rauschen in den Ohren, ihr Herzschlag wurde schneller, peitschender.
"Weg von meinem Rikhon!", brüllte sie die Bestie an. Sie schlug blindlings zu. Die heranrauschenden Pfeile hörte sie kaum noch.
Die Geschosse hätten das Bakari getroffen. Doch dieses schrumpfte plötzlich. Statt des verhassten Gazellenpferdes stand eine Hyäne vor ihr, mit weißem Fell und schwarzer Mähne. Dhunya stockte mitten im Schlag und starrte das Wesen irritiert an.
Seit wann konnten Bakaris sich verwandeln?
Die Hyäne zögerte nicht. Sie stieß den breiten Kopf gegen Dhunya, hob sie in die Luft und schleuderte sie zurück. Dhunya kam auf den Füßen auf, strauchelte jedoch und kippte die Düne herunter. Sie verhedderte sich in ihrem Sabib, der für größere Wesen gemacht war, nicht für Zwergenbeine. Bis sie sich aufgerappelt hatte, beugte sich die Hyäne über Rikhon.
Seine Schreie hallten durch die Nacht. Schüsse krachten. Offenbar hatte er es geschafft, den Revolver mit der Rechten zu ziehen. Das Mündungsfeuer blitzte auf, als Dhunya den Hang wieder hinauf rannte. Die anderen liefen nur knapp hinter ihr. Wardah, ihre Heilerin, holte Kräuter aus ihrer Tasche. Die Bogenschützen versuchten, die Bestie zu treffen, ohne Rikhon zu verletzen. Alle schrien durcheinander, doch Dhunya hörte nur ihren Menschen. Ihren wilden Wabawi. Ihren großen, dummen, lieben Rikhon.
Jeder seiner Schreie drohte, ihr das Herz zu zerreißen. Schmerzen schossen durch ihr Bein, eine alte Verletzung von einer Explosion, an der sie kaum Schuld war. Jetzt verfluchte sie sie, denn sie kam kaum von der Stelle, rutschte im weichen Sand aus. Doch um ihre Giftschleuder vorzubereiten, fehlte ihr die Zeit.
"Rikhon! Rikhon!"
Er brüllte, lauter diesmal. Die Schüsse waren verstummt. Mehr als sechs Schuss hatte sein Revolver nicht. Die Axt in Dhunyas Hand schien schwerer zu werden.
"Rikhon!" Endlich war sie auf der Düne. Sie flog förmlich auf die Hyäne zu. Diese wurde mit einem Mal größer. Dhunya sah Hörner aufblitzen. Wieder das Bakari? Schreiend, kreischend schlug sie zu. Dieses Monster sollte von Rikhon ablassen!
Dann sprang das merkwürdige Tier davon, nun ein weiter Hirsch mit dunklen Hufen und roten Streifen. Sie stampfte ihm ein paar Schritte nach, völlig außer Atem von dem Sprint die Düne herauf.
"Dhunya ..."
Rikhons Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Dhunya stockte. Die Axt fiel aus ihren plötzlich kraftlosen Fingern, mitten in der Wüste wurde ihr eisig kalt.
Nein. Es durfte nicht sein. Das war ein Albtraum, nur ein Albtraum, aus dem sie bald erwachen würde!
Langsam drehte sie sich um.
Rikhon lag im Sand. Selbst in der Dunkelheit war die Blutlache zu erkennen, die in das Erdreich der al Taskmadhia sickerte. Die rote Wüste verschlang das Blut gierig.
Wardah kniete bereits an Rikhons Seite, versuchte mit bebenden Händen, einen Verband anzulegen, Kräuter auszuwählen. "Ich ... ich habe nicht genug ... ich kann nicht ..."
Sie schluchzte. Rieb sich die Augen unter der großen Brille.
Dhunya sank schwer auf Rikhons andere Seite. Sie fasste seine Hand, erschrak davor, wie kraftlos seine Finger waren.
"Mein ... Giftzwerg ..." Er hustete. Dunkle Flüssigkeit rann aus seinem Mundwinkel. Er hatte seinen Hut verloren, erkannte Dhunya. Dabei liebte er den Hut.
"Nicht anstrengen! Wir heilen dich." Verzweifelt sah sie zu Wardah.
Die Heilerin zupfte an seinem Poncho, legte den in Streifen gerissenen Stoff zusammen, teilte ihn wieder. Wozu das alles? Er sollte nicht schön aussehen, er sollte gesund werden! Gerettet werden!
"Ich ... glaube nicht ... dass ihr das könnt."
Wieder sah sie Rikhon an. Er lächelte schwach. Hustete wieder.
Dhunya wollte es nicht wahrhaben. Sie hielt Rikhons Hand fester, bis es ihn schmerzen musste.
"Bleib bei mir!", flüsterte sie.
"Ich ... würde gerne ..." Seine Stimme wurde schwächer. Wardah richtete sich auf und wischte sich wieder schniefend über das Gesicht. Es klang, als gäbe sie auf.
"Nein!", rief Dhunya. "Nein, Rikhon ... Wag es bloß nicht! Wenn du hier stirbst, werde ich ... werde ich dich umbringen!"
Seine Hand wurde schlaff. "Ich ... liebe dich ..."
Dann rollte sein Kopf zur Seite. Starrte auf die Dünen dieser verdammten, bescheuerten Wüste, mit ihren verdammten, bescheuerten Monstern, und auf den verdammten, bescheuerten Treck, dem sie sich angeschlossen hatten.
"Rikhon!" Sie hätte ihm sagen sollen, was er ihr bedeutete! Verdammt, warum hatte sie es eben nicht getan? Wütend rüttelte Dhunya an seinen Schultern. "Komm zurück!"
Sie brauchte ihn doch! Als sie Luft holte, war es, als würde ein Schwert sie vom Hals bis zum Herz durchstoßen. Der Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen.
Dieses gestaltwandlerische Wesen, dieser Dämon der Wüste, hatte ihr ihren Freund genommen. Den einzigen, der alle anderen Dämonen hatte vertreiben können, die sie heimsuchten. Auch jetzt glaubte sie, das Gelächter des Quacksalbers im Wind zu hören, als heulte er, dass ihre Torheit den höchsten Preis verlangte.
Eine Seele für einen Trank, der die Welt verändern könnte. Dhunya, du Närrin!
Sie schrie, wütend, verzweifelt. Dann zog sie Rikhon in ihre Arme und weinte, bis sie kaum noch Luft bekam. Was die anderen taten, wusste sie nicht. Einige versuchten wohl, sie zu trösten, dann ließ man ihr wieder Raum. Doch Dhunya wollte nichts mit ihnen zu tun haben.
Sie wollte Rikhon.
Als sich die Sonne langsam über den roten Dünen erhob, hockte sie reglos neben der Leiche des tapferen Wabawis. Ihre Tränen waren versiegt. Sie war allein, vollkommen allein, auf einem fremden Kontinent, und der Mann, der ihr mehr bedeutet hatte als das Leben, war von ihr gerissen worden.
War das der Fluch des Dämons? War es ... ihre Schuld?
Sie konnte sich nicht rühren, nur auf Rikhons Gesicht starren, das die aufgehende Sonne langsam einfärbte. Dhunya wischte ihm einige Reste Blut ab. Man könnte glauben, dass er schlief, wenn man den blutigen Poncho ignorierte.
Noch nie zuvor, in all ihren Albträumen nicht, hatte sie sich ein Aufwachen sehnlicher gewünscht.
Der Treck machte sich bereit, weiterzuziehen. So lief es in der Neuen Welt. Man begrub die Toten am Morgen, die Auszehrung und die Wildnis in der Nacht gefordert hatte, und setzte die mühselige Reise fort. Doch Dhunya wusste nicht, woher sie die Kraft dafür nehmen sollte.
In der Wüste würde sie sterben, wenn sie nicht weiterging. Ihr würde irgendwann das Wasser ausgehen. Doch sie konnte nicht einmal aufstehen.
Ohne Rikhon sah sie keinen Sinn darin, weiterzumachen.
Ihre Hand fand die Schlaufe mit griffbereiten Tränken, die sie trug. Es gab einen Ausweg, den sie als Giftmischerin bestens kannte. Denn wozu sollte sie weiterkämpfen, durch Elend und Mühsal, wenn sie so leicht Frieden finden könnte?