Zwei Jahre ist es nun fast her, dass Andre mit mir Schluss gemacht hatte und überstürzt aus der Agentur ausgetreten war. Seitdem hatte er sich nicht einmal mehr bei mir gemeldet. Der Grund für die Trennung war ganz simple. Unser Neuzugang, den ich einarbeiten sollte, hatte sich immer mehr zwischen uns gedrängt. Auf unserem Trip nach Afrika von der Arbeit aus, eskalierte es anschließend.
Seit unserer Rückkehr hatte ich ihn nicht mehr gesehen.
Aber heute war Schluss damit.
Mein bester Freund Adam hatte noch Kontakt zu Andre und verhalf mir zu einem Gespräch mit ihm, allerdings ohne sein wissen. Würde er es wissen, würde er vermutlich gar nicht erscheinen. Er verdrängte alles, was mit uns zu tun hatte.
Ein letztes Mal checkte ich in meiner Frontkamera des Handys, ob meine Frisur saß. Dann folgte ich dem Pfad am Fluss entlang zu unserer Brücke. Es war die Brücke auf der Andre und ich uns das erste Mal, außerhalb unserer Arbeit geküsst hatten.
„Adam“, zeterte er auch schon los. „Was soll das? Du weißt, dass ich keine Lust auf Kevin habe.“
„Vielleicht“, entgegnete der Schwarzhaarige locker. „Aber ich weiß ebenso, dass zwei Jahre vergangen sind. Du leidest und Kevin leidet und ihr habt nicht einmal darüber gesprochen, dabei solltet ihr das dringend tun.“
Ein Grummeln verließ Andres Kehle und er verschränkte bockig seine Arme vor der Brust. Mir warf er bloß einen beinahe Blick zu. Dabei war es nicht meine Schuld gewesen. Er hatte sich getrennt und alles abgebrochen, dabei hatte er mir nie die Chance gegeben, mich zu erklären.
„Ich lass euch jetzt alleine...“, murmelte Adam. „Redet und bitte bringt euch nicht gegenseitig um. Ach ja und frohe Ostern.“
Mit diesen Worten drehte Adam sich um und verschwand aus der Richtung, aus der er gekommen war.
Ich warf Andre einen vorsichtigen Blick zu. Er wirkte ziemlich verändert. Von dem fröhlichen Mann, den ich so sehr liebte und es immer noch tat, war nicht mehr viel da. Eher wirkte er zerbrochen. In seinen Augen sah man die Wut kochen.
„Hörst du zu?“
„Kommt drauf an was du sagst“, erwiderte Andre. Ich seufzte auf.
„Andre... jetzt mach es mir doch nicht so schwer. Gehen wir eine Runde?“
Seufzend löste er seine Abwehrhaltung und schob seine Hände tief in seine Hosentaschen. „Unseren üblichen Weg?“, fragte er. „Deine Sache. Du kannst mir auch einen neuen Weg zeigen.“
„Du wirst ja sowieso nicht locker lassen, Kevin.“
Ich nickte und warf ihm einen vorsichtigen Blick zu. Als er meinen Blick erwiderte, trat ich auf ihn zu.
Andre senkte seinen Blick. Schweigend führte er mich von der Brücke runter. Er führte mich am Pfad des Wassers entlang.
Heute war es so windstill und warm, dass man das Wasser plätschern hörte. Selbst die mintgrünen Grasbüschel am Ufer bewegten sich nicht. An sich war dieser Ort immer in Stille gehaucht, aber heute hörte man sehr viel Vogelgezwitscher.
„Andre... du bist damals einfach verschwunden, ohne mich mal zu fragen.“
„Dich?“, fragte er empört. „Für mich war die Sache klar. Dieser Neuzugang hat sich zwischen uns gedrängt.“
„Mag sein. Aber nur weil sich jemand zwischen uns drängt, ändert es nicht an meinen Gefühlen für dich. Oder an uns.“
„Ja sehr toll! Und was ist mit meinen Gefühlen? Hast du einmal darüber nachgedacht, wie ich mich fühle?“ Andre wurde lauter und seine Augen funkelten mich ärgerlich an. „Nein? Das ist echt typisch! Du denkst immer nur an dich!“
Was? Diesen Vorwurf hatte er mir in meiner Beziehung nie geäußert. Ich blieb stehen und verfolgte ihn mit meinen Blicken.
„Kommst du jetzt?“, fragte er gereizt, verließ den Pfad und stapfte durch das Grün der Wiese links von uns.
„Hör auf alles jetzt auf mich abzuschieben! Es ist auch dein Verschulden!“
„Meins?“, fuhr Andre mich wütend an. Er stoppte und drehte sich um, nur um mich mit Blicken zu erdolchen.
„Man Andre... ganze ehrlich. Dieser Neuzugang, Pip, war mir doch sowas von egal. Du warst mir viel wichtiger und bist es noch immer. Deine Gesundheit hat mir echt Sorgen gemacht. Wie auch die Tatsache, dass du mich nicht mehr an dich ran gelassen hattest. Du bist mir nur noch aus dem Weg gegangen, immer wenn ich das Gespräch gesucht habe.“
„Du hättest Pip ja ruhig mal etwas sagen können!“
„Meinst du das habe ich nicht? Ich habe ihm immer etwas gesagt. Selbst nachdem du weg warst. Du bist für mich der Eine und das wird sich nie ändern. Und gerade jetzt, wenn ich dich so ansehe, mache ich mir nochmehr Sorgen!“
Andre’s Blick wurde weicher. Ich blickte in meine Augen und ein beinahe schüchternes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Wirklich?“
„Natürlich, du Dummkopf! Wir beide haben soviel durchgemacht, das kann gar kein anderer ersetzen. Dich kann sowieso keiner ersetzen.“
Er bedachte mich nachdenklich. Seufzend streckte ich ihm meine Hand entgegen und sah ihm auffordernd in seine dunklen Augen. Er zögerte. Immerhin schaute er mir in die Augen und ergriff diesmal nicht die Flucht.
Dann nahm er meine Hand und ließ es zu, dass ich ihn an meinen Oberkörper zog und meine Arme fest um seinen trainierten Oberkörper schlang. Meine eine Hand fuhr in seine schwarzen Haare.
„Du dachtest wirklich, dass ich dich mit Pip ersetze?“
„Nein. Ich dachte, dass du mich komplett fallen lassen hast und ich dir egal war.“
Sanft streiften meine Lippen seine Stirn. „Das ist so ein Unsinn. Andre du warst mir nie egal. Sonst hätte ich dir nicht so viele Nachrichten geschickt und wäre jetzt nicht hier.“
„Wahrscheinlich“, murmelte er gegen meinen Hals und ließ mich los. Er trat einen Schritt zurück. „Bist du nur heute hier, Kevin?“
„Eine Woche bin ich hier. Ich schlaf bei Adam.“
Andre nickte und nahm unsicher seine Unterlippe zwischen seine Zähne. „Lass das“, murmelte ich und gab ihm einen freundschaftlichen Stoß in die Seite. „Das hab ich dir früher schon so oft gesagt.“
Augenblicklich hörte er damit auf und sah mir direkt in die Augen. „Vielleicht können wir morgen ja wieder was zusammen machen?“
Ich ging die Wiese weiter geradeaus, Andre war sehr schnell neben mir und sah mich auch jetzt erwartungsvoll an. „Ehrlich gesagt, habe ich das sogar gehofft“, gab ich zu.