Al Kassim, der Sohn des Grafen von Bowunder liebte den schönen Nicolas. Nico war in Wahrheit der Sohn eines weit entfernten Königreiches, doch das hatte er vergessen, als er als Kind gefangen genommen worden war, verschleppt nach Bowunder und verkauft als Spielkamerad an das Haus des Grafen. Die beiden waren zusammen aufgewachsen und liebten sich mit jedem Tag mehr. Al Kassim erhielt Unterricht in Sprachen, Fechten und Reiten, darüber hinaus in allerley anderen schönen Künsten und künstlerischen schönen Wunderfächern. Ja, er lernte sogar die Al Chemie. Und egal was Al Kassim beigebracht bekam, Nico war immer an seiner Seite. Auch wenn sie zusammen Unsinn anstellten, weil man den adeligen Sproß nicht hauen durfte, so war es Nico ein Vergnügen den Prügelknaben zu geben.
Doch der Graf sah das gar nicht gerne, dass sein Sohn mehr dem Schoß eines Jünglings als dem eines Weibes zugetan war und als es zum Krieg kam, hieß er Nico zu Hause zu bleiben.
Womit Al Kassim gar nicht einverstanden war. Und er ging seinen Vater an: „Was ficht dich an, du alter Narr? Ich reise ohne meinem besten Freund nirgendwohin. Schon gar nicht in deinen Krieg.“
Der Graf wurde zornig und sie stritten noch weiter.
Bis Al Kassim im Zorn die Hand erhob gegen seinen eigenen Vater und rief: „Eher werde ich Nicolas heiraten, als dass ich deine Feinde mit Käse und Äpfeln bewerfe.“ Dann stürmte er wutentbrannt davon.
Schließlich landeten die beiden im Gefängnis. Der Graf kannte da kein Pardon: Nicolas wurde in den Hungerturm gesperrt und Al Kassim in den Kerker. Doch Nico war schmal und zierlich gebaut, von schlangenartiger Geschmeidigkeit und ihm fehlte an Angst, was ihn an Streitbarkeit und Kampfeslust ausglich. Er schlüpfte einfach durch die Gitterstäbe und kletterte am Mauerwerk hinab. Mit blutigen Fingerkuppen und wild schlagendem Herzen presste er sich an die Mauerspalte und streckte seine Hand zu seinem Geliebten hinein.
„Kasi?“
„Nico, meine Ohren werden verrückt, bist das wirklich du?“
„Ja, mein Freund, ich bin es. Ich werde fliehen, ich warte im Wald auf dich, erinnerst du dich, wo wir vor einigen Jahren einmal uns verirrt hatten, an diesem Tümpel, in dem diese große, goldene Kugel lag, die wir uns nicht trauten anzufassen?“
„Ja, Nico, ich weiss ganz genau. Wenn mich der Alte rauslässt, komme ich dahin. Warte auf mich.“
„Ich warte auf dich, dann fliehen wir gemeinsam weit fort von Bowunder.“
… Nachdem Al Kassim Nico wiedergefunden hatte und sie fortgegangen waren, reisten sie viele Wochen, bis sie das Land: Torelore erreichten. Sie wollten sich dem dortigen Königshaus vorstellen und hofften auf eine Stellung. Vielleicht als Sprachlehrer oder Al Chemielaborant. Doch sie erhielten keine Audienz. Denn der König lag noch hochschwanger im Bett und wartete auf die Niederkunft, die er suchte hinauszuzögern, so lange es nur ging, da seine Frau in Kriegsdingen beschäftigt noch nicht nach Hause zurückgekehrt war. Die Berater des Königs und die Hofdiener wandten sich an Al Kassim und Nicolas. Und legten ihnen nahe, sich gut vorzubereiten auf den Empfang, denn wenn sie den König und die Königin nicht zu überzeugen wüssten, warum sie hier bleiben sollten, dann würden sie nicht nur schmählich vom Hof vertrieben werden.
Nicolas kam so dann auf die Idee sich in der Stadt umzuhören und umzusehen. Sie fanden in einem kleinen Souvenirladen einen hölzernen Kasten, der gerade groß genug war, dass Nico sich hineinzwängen konnte, wenn er sich gut faltete.
„Das soll uns gute Dinge leisten, Kasi. Ich habe eine Idee.“
Da vertraute der Grafensohn seinem Liebsten gern und besorgte ihm alles was er benötigte für den Auftritt. Nico kleidete sich an, er liebte die Perücke mit weißer Pomade, er bestäubte sich das ganze Gesicht, er klebte sich bunte Schönheitsflecken auf und stieg in ein teures Kleid mit Perlen und Stickereien, dass jeder der ihn erblickte neidisch wurde, ob er der Pracht. Al Kassim selbst schnürte ihm das Mieder und hob ihn dann in den Kasten hinein.
Als nun der Tag gekommen war, da der König und die Königin mit ihrem Kind endlich wieder Gäste empfingen, da schob Al Kassim den Kasten in den Saal. Er hatte sich als Spielmann verkleidet und verbeugte sich formvollendet.
„Verehrtes Publikum, ich bringe Euch eine mechanische Wunderkostbarkeit, da werdet Ihr staunen.“
Er setzte die Kurbel an und zog den Apparat auf. Der als dann zu Poltern begann und über das Parkett kratzte. Töne und Rufe wurden laut und das Publikum wich entsetzt einen Schritt zurück, aus Sorge, es könne sie ein Teufel anspringen.
Al Kassim jedoch lächelte nur und bat die Hoheiten: „Stellt meiner künstlichen Intelligenz jede Frage die Euch beliebt. Sie wird auf alles wahrheitsgemäß antworten.“
Erst zögerten sie, doch dann ging es los. Zuerst gab es ein paar Einstiegs-Fragen. „Welche Farbe hat der Himmel?“ - „Blau, es sei denn, es ist bewölkt.“
Zu leicht. „Was trägt die Königin unter ihrem Gewand?“ - „Ihre natürliche Schönheit, die nur für die Augen des Königs bestimmt ist“, gab der Kasten an und das Ehepaar kicherte.
Ein Zuruf aus den Reihen der Höflinge: „Wie viel ist 3456 x 789?“ - Der Kasten klapperte: „Beleidigt nicht meine Intelligenz, Herr, ich bin keine Rechenmaschine, sondern eine Wunderkiste.“
Es wurde gelacht, es wurde gerufen, Fragen überschlugen sich, der Kasten kam gar nicht hinterher.
Schließlich, nach einer besonders delikaten Frage, die der Kasten ebenfalls zu aller Amüsement beantwortete, wandte sich der frisch gebackene Vater an Al Kassim: „Was wünscht Ihr für euren KIK? Wir müssen ihn haben.“
Der Graf verbeugte sich tief: „Ich möchte hier bleiben dürfen, Hoheit. Mit meinem Geliebten.“
Die Königin lächelte: „Eurem Geliebten? So stellt ihn uns vor, wo ist er?“ Sie erhob sich und sah sich im Saal um. Unruhig wurde es, denn niemand regte sich und alle fingen an sich umzusehen, ob irgendwo eine Türe aufging, oder ein Mann von dem Lüster fiel.
Al Kassim lächelte: „Fragt Ihr das mich oder meine künstliche Intelligenz?“
Sie kicherte über seine feinen Scherze und kam zu ihm: „Kasten, so sagt uns, wo ist Al Kassims Geliebter?“
Und da erzählte der Kasten die ganze Geschichte. Wie er als Kind entführt wurde, bis hin zum Kerker.
„Das ist eine sehr tragische Geschichte“, schloß der König und wiegte das Baby. Er kam zu ihnen: „Doch wo ist dieser Nico?“
„Hier“, fiepste der Kasten.
Alle starrten nun auf den KIK und die Königin erschrak so sehr, dass sie die Hände abwehrend hochriss: „Die Seele Eures Geliebten ist in dieser Kiste gefangen?“
Al Kassim lächelte noch immer: „Stellt die letzte Frage, Hoheit und gebt ihn frei.“
Der König war ganz aufgeregt: „Wie lautet die Frage?“
Al Kassim sank auf die Knie: „Die, die wirklich wichtig ist. Vermählt mich mit dem Kasten.“
Jetzt sahen sich die Königin und der König wieder erstaunt an. Sie brauchten keine Priester, denn für dieses Gelöbnis war wahrlich kein Geistlicher irgendeiner Religion zuständig. So sprachen die beiden: „Al Kassim von Bowunder, wollt Ihr… diese künstliche Intelligenz im Kasten heiraten und sie lieben und ehren, bis das der Tod euch trennt?“
Al Kassim nickte demütig: „Das will ich.“
Und der König sprach: „Und Ihr, KIK, wollt Ihr Al Kassim von Bowunder heiraten und ihn lieben und ehren, bis das der Tod euch trennt?“
Der Kasten sprach gerührt wahrheitsgemäß: „Ich will.“
Die Königin und der König erklärten feierlich den Kasten und den Grafensohn als getraut.
Da sprang der Deckel auf, Nico kam aus der Hocke, sprang auf seinen eingeschlafenen Füßen fast heraus, fiel halb und jauchzte laut und warf sich Al Kassim um den Hals.
Das Baby verschlief den ganzen Zauber.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so steigt Nico gelegentlich noch immer in den Kasten und unterhält die Leute.