„Du hast ihn getötet“, schreiend stürzte eine junge Frau aus dem Gebüsch und fand den Rehbock tot. Sie klagte und weinte gar bitter und sehr, hatte jetzt kein Brüderchen mehr.
Der Königssohn flötete zwischen den Zähnen. Die Jägerlehrlinge hielten die Jagdmeute zurück, damit sie nicht über die dumme Gans herfielen, die sich einfach todesmutig in die Nähe der Fänge gebracht hatte.
Ash rollte schon mit den Augen. Na prima. Natürlich bekam der Prinz den Bock und noch eine holde Jungfrau dazu. Sie prüfte den Sitz ihres Bartes und zog sich ihre Kappe tiefer ins Gesicht. Es hatte sich seit damals nichts geändert. Als der König aus dem Norden von Torelore zum Ball geladen hatte, um eine Ehefrau für seinen Sohn zu finden, ging das schon so. Sie selbst war damals eine der naiven Idiotinnen gewesen, die darin eine große Chance gewittert hatte. Kein Witz, die Festlichkeiten hatten drei Wochen angedauert, eine Stadt im Ausnahmezustand mit Kränzen an den Türen und in den Fenstern, mit Wimpeln kreuz und quer über den Straßen und Fahnen überundüberall. Und hemmungslose Orgien. Der Prinz hatte sich einmal quer durch alle anbiedernden, liederlichen Wolllüstigen gevögelt und dann die Prinzessin geheiratet, die ihm seit seinem 5. Geburtstag versprochen war. So war nun einmal die Realität und wer was anderes glaubte, war ein tumber Tor.
Ash jedenfalls hatte damals sogar ihren hochheiligen Wunsch bei ihrer guten Fee eingefordert am Haselnussbaum auf dem Grab ihrer Mutter. Sie hatte für den ersten Tag der Feierlichkeiten, die Jagd, ein wundervolles Kostüm vom Bäumchen geschenkt bekommen, es war grün und bestand aus demselben Stoff, den auch die echten Uniformen der Waldpolizei hatten. Und seitdem hatte sie Haselnuss nie wieder um etwas gebeten, als sie gesehen hatte, was auf dieser „Jagd“ geschah. Als junger, noch bartloser, Mann verkleidet hatte niemand auf Ash geachtet oder etwas von ihrer erwartet oder gefordert. Und irgendwie war sie danach nicht mehr nach Hause gegangen - war eh blöd da gewesen, man kannte das ja - und war einfach mit den anderen Lehrlingen des ersten Jahres gegangen.
Jetzt war ihr viertes Jahr fast um, die Prüfungen standen bevor, ehe sie „Freigelassen“ werden würde.
Der Prinz war noch immer mit der Prinzessin verheiratet, der König sah gar nicht ein abzudanken, die Stadt ging wie eh und je und die Jagdgesellschaft schoß sich einen hübschen Bock. Gerade hatte Ash den Aneignungsbruch angelegt. Sie hatte Eschen verwendet, weil es eine der ‚gerechten Holzarten’ hier in diesem heiligen Wald war. Der Ast verdeckte die tödliche Stelle, an der der Bock verendet war. Man konnte damit prima die Unzulänglichkeiten des Prinzen überdecken, weil er eh nie traf oder nur streifte. Deswegen dauerten Jagden mit dem Prinzen immer Stundenlang.
Ash war so heilfroh, dass sie sich nie auf diesen Schmierenkomödianten eingelassen hatte.
Die junge Frau schluchzte immer noch, auch wenn der Prinz sie inzwischen tröstete, er hatte sie auf sein Pferd gehoben und nahm sie mit auf sein Schloß. Wenn sie Glück hatte, bekam sie zur Entschädigung eine Stelle in der Küche. Wenn sie Pech hatte bekam sie Stelle, war vom Prinzen umgarnt und eine seiner neuen Eroberungen und musste ihren eigenen Bruder zu Rehgulasch verarbeiten.
Aber wer sollte denn auch wissen, ob dass Reh, der Rabe, die Hexe auf die man anlegte nicht grad verzaubert war?
Ash wartete bis der Wildmeister ihr das Zeichen geben würde, um sich um das Wild zu kümmern.
Nicht mehr lange, dann konnte sie hier endlich verschwinden mit einem Abschluss in der Tasche und einem Hut und einem Wildbart.