Familie Carstensen war schon eine merkwürdige Truppe. Entweder wurden Treffen mit Bekannten organisiert, bei denen sich Neugeborene, die höchstens zwei Jahre alt waren, mit ihren Schutzbefohlenen trafen, um sich kennenzulernen oder es gab gegenseitige Geschenke in Form von riesigen Paketen, die man sich spontan ins Haus liefern lässt. So in etwa erlebte Stefan seinen Alltag immer wieder. Mit klatschnassen Klamotten stand der Unbekannte wie ein defekter Roboter vor seiner Haustür und rührte sich vorerst nicht. Draußen schien es anscheinend geregnet zu haben. Davon hatte Stefan in seinem Partymodus aber nichts mitbekommen. Mit zittrigen und kalten Händen streckte die Person seine Arme aus und reichte dem Jungen ein monströs wirkendes Paket. "Carstensen?", fragte der scheinbare Paketbote und machte sein Tablet zur Unterschrift bereit. Stefan nickte und unterschrieb nebenbei auf dem Gerät, um den Erhalt des ungewöhnlichen Pakets zu bestätigen. Ohne ein weiteres Wort von sich zu geben, verließ der Bote das Grundstück. "Was soll das denn sein?", dachte der Jugendliche, als dieser erneut ins Haus zurückging. Bevor er das gefühlt hundert Kilo schwere Paket begutachten wollte, trocknete er es zunächst ein wenig ab. Anschließend kehrte er zu seiner eigentlichen Party zurück und zeigte stolz dieses auffällige Paket. "Wasn das?", fragte ein Junge völlig angetrunken. "Eine Packung mit Alk oder was? Hahaha!" Ohne auf diesen Kommentar zu reagieren, holte sich Stefan ein Cuttermesser aus der Schublade seines Vaters und wollte nun den Inhalt des Pakets vor allen anderen enthüllen. Tatsächlich waren alle Beteiligten der Party total aufgeregt und wollten unbedingt sehen, was sich nun in den vier Wänden des Kartons befand. Als Stefan jedoch den Inhalt des Pakets immer mehr enthüllte, wünschte er sich, er hätte dies lieber nicht getan. "Für Kleinkinder ab sechs Monaten" stand auf der übergroßen Verpackung, welches mit mindestens zehn unterschiedlichen Farben geschmückt war. Schön auffällig und interessant für Babys und Kleinkinder. "Aber nicht für mich als fast schon junger Erwachsener", dachte sich Stefan, der am liebsten im Erdboden versunken wäre. Seine ganzen Kumpels wussten mit Sicherheit nicht, dass Stefan noch einen kleinen Brunder hatte. Wie würde das jetzt wohl für einen pubertierenden Jungen aussehen? Die Verpackung zeigte eine etwa lebensgroße Puppe, die Stefan auf gruselige Art und Weise ziemlich ähnlich sah, als er diese aus dem Karton befreite. "Warum?", fragte sich der Junge, obwohl er die Antwort eigentlich gar nicht wissen wollte. Seine Eltern waren einfach absolut unberechenbar, wenn es um irgendwelche Geschenke ging. Diese Puppe diente vermutlich dazu, dass Stefans kleiner Bruder eine "Person" um sich hat, mit der er zuhause spielen konnte, sollte Stefan einmal keine Zeit haben. Aber mal im Ernst. Hätte es das wirklich gebraucht? Ein Paket beim richtigen Empfänger aber zum gänzlich falschen Zeitpunkt. Während das Gelächter der gesamten Partymitglieder durch das Haus schallte, stellte Stefan die scheinbar nach ihm inspirierte Puppe auf und spielte einfach mit. "Tja....das bin dann wohl ich....haha..." Noch ein weiterer Grund, im Erdboden zu versinken. An sich war die Party für Stefan schon vorbei aber irgendwie machte es ihm dann doch Spaß, die Puppe als "neuen Gast" in den Raum zu stellen. Die Leute feierten diese Puppe total ab, obgleich es nun für den kleinen Bruder von Stefan war oder für irgendjemand anderen. Somit lief die Party normal weiter und Stefan wurde zur Legende unter seinen Mitschülern, indem man sich nun peinliche Geschichten über ihn in der Schule erzählte. Natürlich war dies nicht die Sorte Legende, die man sich wünschte aber immerhin etwas. Die Puppe bekam sogar einen eigenen Namen, den sich Stefan aber nicht merken konnte. An sich machte es ihm nichts aus, dass man ihn nun des Öfteren mit der Geschichte der Puppe und der Party in der Schule aufzog. Auch wenn er es schon erzählte, dass er noch einen kleinen Bruder hat und das Geschenk mit Sicherheit für ihn war, konnte einfach keiner mehr glauben bzw. nahm die Wahrheit nicht für bare Münze. So hatte man wiederholt lustige Gespräche, wenn mal wieder eine "Housi" anstand und Stefan mit seiner Puppe, die eigentlich seinem Bruder gehörte, im Mittelpunkt stand. In Zukunft würde Stefan jedoch jedes Paket, das er annehmen wird NACH der Party öffnen. Eine lustige und teils eigenartige Geschichte der Familie Carstensen.